Georg Christoph Lichtenberg
Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche
Georg Christoph Lichtenberg

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Fünfte Platte

Der Weg der Buhlerin.Fünfte Platte

Hier ist der Übergang zur letzten Gärung – Sie stirbt, und zwar an den scheußlichsten Folgen der pandemischen Liebe. Es würde die Absicht unsers großen Künstlers mutwillig verfehlen heißen, wenn man hier Worte ängstlich wägen wollte, sobald man einmal Worte gebrauchen will. Aber dieses ist hier kaum nötig. Es ist alles sehr sprechend. Von der bleichen Wange und der erstarrten Lippe hat nun der Tod selbst die kleinste Spur buhlerischen Schmucks weggewischt, den Kunst von außen und von innen ehemals hier auftrug. Der Mund ist auf ewig geschlossen, aus dem noch vor wenigen Monaten Schmeicheleien und Fluchpartikelchen mit doppelzüngiger Volubilität in bunten Reihen auf den Vorübergehenden hervorströmten, je nachdem er schwach oder stark gegen die Ränke desselben focht; auf immer erloschen ist das Auge, das seine Blicke voll erkünstelten Feuers umher schoß, minder zum Sehen als zum Gesehenwerden, – und sieht nicht mehr und wird nicht mehr gesehen. Bei dieser gänzlichen Entweichung alles dieses schnöden Prunks bei dem Anblick des Todes, scheint sie ihm mit dem simpeln Anzuge erster, natürlich-guter Anlagen unter die Augen zu treten und um Erbarmen zu flehen. Sie fand es nicht. Wir indessen wollen ihr das unserige nicht versagen. Quiescat!

Sie sinkt erbleicht zurück in die tröstenden Arme ihrer bisherigen Seelsorgerin, und treuen Begleiterin im Zuchthause, der scheußlichen Stumpfnase, die nun auf einmal alle Hoffnung verliert, unliebes Zuchtkind, wenn es länger gelebt und geblüht hätte, dereinst noch mit Vorteil an den Galgen beseelsorgern zu können. – Das ist Trost im Sterben! Man hat sie sorgfältig in ein Bett-Tuch eingeschlagen. Vielleicht ist das Nachthemd, das dort auf dem Seile trocknen soll, gar das einzige, das bei dem schnellen Wechsel, den Natur und Kunst hier nötig machen, noch im Gange ist! Das Mensch gebietet mit der Rechten zween ansehnlichen Herren, die in vertraulichem Gespräche begriffen sind, Ruhe und Stillschweigen. Wer diese Herrn sind, soll nun erklärt werden. Die Sache ist wichtig, und der Leser wird uns daher etwas Raum dazu vergönnen.

In London kömmt schon seit vielen Jahren ein Wochenblatt heraus, das regelmäßiger erscheint und immer mit Aufsätzen von mehr gleichförmiger Güte angefüllt ist, als irgend ein Wochenblatt in der Welt. Man hat gar kein Beispiel, daß es je an Mitarbeitern oder an Beiträgen gefehlt habe. Alles was darin vorgetragen wird, scheint wie von der Natur selbst diktiert, ob man gleich weiß, daß nicht selten tiefe menschliche Kunst dabei die Feder geführt hat. Dieses ist nicht zu verwundern, ja sogar eine dem Kenner des Menschen sehr bekannte Beobachtung. Denn seit einem gewissen Vorfall im Paradies, wovon man in einem alten klassischen Buche,I. Buch Mose. das nicht viel mehr gelesen wird, umständliche Nachricht findet, ist der Mensch so sehr auf die linke Seite seiner Natur geworfen worden, daß es jetzt ein eigenes Studium ist, die rechte wieder zu gewinnen – In jedem Blatt herrscht die vollkommenste Ordnung; alles hat da seine bestimmte Stelle, wo es der Liebhaber sogleich finden kann. Vorzüglich hat es seine Stärke im Rührenden und Pathetischen. Stellen, wobei die Tränen des Lesers fließen, und andere, wobei ein Schauder sein ganzes Wesen erschüttert, sind darin nichts weniger als selten. Dieses Blatt führt den Titel: Weekly Bills of mortality (wöchentliche Mortalitäts-Tabellen). Diese kleine Einleitung war nötig, um dem Leser sagen zu können, daß die beiden Herrn, die er da sieht, ein Paar Gelehrte sind, die, zur damaligen Zeit, vorzüglich beschäftigt waren, dem Blatt die möglichste Vollständigkeit zu verschaffen. Sie waren im eigentlichen Verstande das für dieses Wochenblatt, was der berühmte Addison und Steele für ein anderes, nämlich den bekannten Spectator (Zuschauer), gewesen sind. Es hätte ohne sie nicht mit der Vollkommenheit bestehen können. So viel ist mit Gewißheit ausgemacht. Allein wegen der Menge der Mitarbeiter, wovon jeder seine Freunde hatte, die ihm den Ruhm verschaffen wollten, von Hogarth der Ewigkeit wert geachtet worden zu sein, weiß man jetzt kaum die Namen dieser wackern Männer mehr. So viel weiß man, daß es ein Paar Officiers de Santé (Gesundheits-Officianten), wie jetzt die Ärzte im Paradies von Europa genennt werden, gewesen sind, und, wie man Ursache hat zu glauben, ohngefähr von Profos-Rang. Denn außer diesen und zuweilen einem angesehenen Experimentator, und einer alten Matrone zur Übung, war es niemanden verstattet, Beiträge zum Wochenblatt zu liefern. Indessen ist einer nicht zu verwerfenden Tradition nach, der etwas körperliche mit dem positiven Bauch ein Deutscher, der andere, mehr geistige, mit dem negativen, ein Altfranke, namens Misaubin. Von ihren Lebens-Umständen sind nur noch ein Paar Kleinigkeiten bekannt, die kaum der Rede wert sind. Der erste war nämlich eine Zeit lang, wie man sagt, Harlekin bei Fargatsch in Hamburg; flüchtete von da nach London, um einer Verfolgung wegen seiner Zahnpulver aus Menschenschädeln auszuweichen; praktizierte dort einige Zeit lang auf Leben und Tod, und wurde endlich gehenkt. Man sagt, eines Mords wegen. Wenn dieses ist, so ist es wohl kein medizinischer gewesen, denn bekanntlich haben die Ärzte in England das privilegium purgandi, saignandi et tuendi so gut wie an andern Orten. Es finden also nur zwei Fälle statt, worin so etwas möglich war: entweder er wurde einer Kur wegen gehenkt, weil er kein kreierter Doktor war, kein erschaffener, sondern ein bloßer Lusus naturae; oder er tödete mit einem Apparat, der nicht offiziell war. Vor ungefähr zehn oder eilf Jahren wäre schier ein berühmter Londonscher Arzt, Dr. M'Gennis, auf diese Weise an den Galgen gekommen, (verdammt dazu wurde er, aber nachher begnadigt). Er hatte nichts weiter getan, als seinen Hauswirt auf den Kirchhof gebracht. Allein man sah ihn bloß deswegen so scharf an, weil er sich dazu weder einer Mixtur noch eines Pulvers, sondern eines Brodmessers bedient hatte, das er dem Patienten in den Leib stieß, und also den Apotheker vorbeigegangen war. Der andre, Dr. Misaubin, war ein ganz guter Mann, nur hatte er eine etwas zu große Idee von einem gewissen Pulver und gewissen Pillen, wovon er eine Fabrik im Hause hatte; die letzteren waren eine Art von eßbarem Reh-Schrot. Rückte der Tod auf einen seiner Kunden an, gut, so lud er den Patienten damit, wie mit Kartätschen, und gab Feuer. So plänkerte und bataillierte er mehrere Jahre mit allen möglichen Krankheiten. Offizielle Nachrichten von seinen Siegen hat man nicht, der ansehnliche Verlust aber an grobem und leichtem Geschütz fand sich regelmäßig im Wochenblättchen. Man hat diesem ehrlichen Manne, wie ich höre, aus Spott (denn wann fehlt der dem Verdienst?) den Namen Mice-Aubin gegeben. Das soll so viel heißen als Mäus'-Aubin oder Mäus-Albinus oder Ratzen-Albinus, weil der gute Tropf in spätern Jahren, wo ein anderer vielleicht auf der Lorbeern-Streu gefaulenzt hätte, sich zuweilen an Ratzen und Mäusen versucht haben soll. Der Name ist bitter und brodraubend, und das ist alles mögliche für einen armen Teufel, der ohnehin selbst schon den Embonpoint eines Rat d'Eglise hat. Höchst ungerecht sind solche ratzenmäßige Ausfälle auf die Brodschränke des Nebenmenschen allemal. Und handelte denn der Mann so gar sehr unrecht? Zu Patienten konnte er nicht mehr ins Haus gehen, und doch hatte er die Pülverchen einmal liegen, er probierte sie also an solchen, die ihm noch auf die Stube kamen. O es geht oft so in der Welt! Wie mancher schöne Schuß Pulver und Blei, mit dem es auf Feldhühner und Schnepfen angelegt war, wird beim nach Hause gehen auf Sperlinge oder Fledermäuse verplatzt, aus langer Weile oder um seine Kunst zu zeigen, oder weil man nichts Besseres hatte. Und liegt denn die Ungeziefer-Jagd so gar sehr weit außer dem Sprengel der Medizin? Was sind denn die Krätztierchen, die Band- und Spulwürmer und die griechischen Trichuriden? Auch hat ja jeder Stand seine Stufen. Ich bin daher überzeugt, daß der sinnreiche Verfasser des Gil Blas, wenn er von Execution de la Haute Medecine spricht, eine solche Distinktion im Sinne gehabt hat; so etwas wie hohe Jagd und Kammerjägerei.

Soviel von der Geschichte dieser berühmten Männer, und nun von dem Gebrauch den unser Künstler davon gemacht hat. Das Mägdchen bleibt auf dem Platz, und wie war es bei einem solchen Duell anders möglich? Sie focht gegen den Tod, und hatte zur Sekundantin niemand als eine zwar gute, aber von ihr oft gekränkte, bei jeder Gelegenheit vernachlässigte und müde Natur. Und doch wäre sie vielleicht als ein 23jähriges MägdchenÜber dieses ihr Alter gibt das folgende Blatt die nötige Belehrung. noch dieses Mal mit ihrem Gegner fertig geworden. Allein er, der so was wohl wissen konnte, hatte sich dafür ein Paar Sekundanten gewählt, fürwahr, wovon jeder es allein mit einem Dutzend Naturen aufnehmen würde. Daher ging es auch, Veni, Vidi, Vici, Knall und Fall lag sie. Daß dieses die wahre Vorstellung der Sache ist, fällt in die Augen. Denn wären die Kröten-Figur und die Salamander-Form, die da im Streit begriffen sind, nicht die tückischen Sekundanten des Todes gewesen, und hätten von Seiten der Natur gestanden, so würden sie sich um die Wieder-Erweckung des Mägdchens noch jetzt bekümmern, aber diese überlassen sie – der letzten Posaune, und streiten bloß um die Ehre der Tat. Mein Wässerchen in diesem Glase, sagt die Kröte, ist das wahre Öl ins Feuer; und mein Feuer, schreit der Salamander, bedurfte deines Wässerchens nicht. Welch ein Conflictus pronominum! Ich gegen Ich, und Du gegen Du. Das sind harte Stöße in der Welt, zumal die vom ersten Paar. Und wie herrlich hier vorgetragen, ganz den Gesetzen des Stoßes gemäß. Das Ich des Deutschen hier hat wenig Geschwindigkeit, aber desto mehr Masse, und folglich immer Stoßkraft selbst wenn es zu ruhen scheint; das Ich des Altfranken hingegen hat Geschwindigkeit, aber wenig Masse, es half sich daher mit Tischen und Stühlen, und was sonst noch haften wollte. Ist es nicht Seelen-Speise für den Deutschen zu sehen, wie hier bei dem kraftvollen Stoße des Landmanns die französische Masse auseinander fliegt, die bloß zusammengeflickt war? Stuhl und Tisch und Teller und Löffel und Dinten-Glas, alles trennt sich von dem kleinen Kern und stürzt über den Haufen – gegen das ruhige Wort des andern: Das ist mein Wässerchen, wobei sein Stuhl steht und stehen wird, wie er immer stund. –

Aber diese Gruppe enthält noch weit mehr; sie ist von unerschöpflichem Wert. Wäre es möglich, kann man fragen, einen Kongreß von Krankheiten, oder welches auf eins hinausläuft, von Quacksalbern, sprechender darzustellen, als hier mit der Wassersucht und der Hektik geschehen ist? Jene voll, schwer, phlegmatisch und opak, die andere leer, negativ-bäuchig, fieberisch-munter und durchsichtig. Die Wassersucht, wie sie nicht da sitzt! Mixtur-Glas und Stock so angefaßt, als wären sie der Apparat des Blutsfreundes – Stunden-Glas und Hippe. Die Hektik hingegen, die Hippe und Stunden-Glas dem Kollegen abgegeben hat, behält sich die Skelettform vor, und den Mord-Staub in der Büchse, der die Stunde besser zeigt, als alle Stundengläser des Freundes – das Ratzenpulver. Die Augenbraunen beider nähern sich dem benachbarten Haar, den Perücken, mit einer Art von Sehnsucht, welches, wie man gewöhnlich sagt, ein Zeichen von innerer Überzeugung sein soll, gemischt mit etwas gerechtem Verdruß über Mangel an Eindruck. Hier und vorzüglich bei der Wassersucht, kommen indessen diese Haarbogen einander allzunah, und näher als bei der Hektik, wodurch jene Bedeutung eingeschränkt wird. Wo ich nicht irre, so ist eine solche Zusammenkunft das Zeichen von sich selbst bewußter Ungewißheit, die sich hinter Bedächtlichkeit steckt. Bei der Wassersucht scheint sie aus einem Conflictus von unverdauter Lektüre, bei dem determinierten Blick der Schwindsucht, aus einem ähnlichen von Praxis herzurühren. »O! liebe, liebe Frau Schwester,« sagt die Wassersucht, »glauben Sie mir doch auf mein Wort.« »Nein! Nichts, nichts, gar nichts,« keicht die Schwindsucht, – »hier in diesem Büchschen« – und bei dieser Explosion von vornen wird der Stoß nach hinten, wie überhaupt bei Schießgewehren, so stark, daß Stuhl und Tisch umfallen. Dieses ist, wie der Leser sieht, eine zweite Hypothese, die Revolution in diesem Zimmer zu erklären. Wir stellen sie mit Fleiß der andern, die alles durch Stoßkraft des Deutschen begreiflich zu machen suchte, an die Seite, denen zu Liebe, die glauben, daß, wenn bei einem solchen Conflictus der Deutsche nur sein Phlegma lange genug beibehalten könnte, der Gegner von der vulkanischen NationEin Ausdruck des Dumouriez, der seine Nation selbst une Nation volcanique nennt. La Vie du Gen. D. T. II. Hambourg 1795. p. 24. von selbst platzen oder sich zertoben würde. Auf keine Weise aber wagen wir es, teurer Leser, bei der Dürftigkeit unsers individuellen SprachschatzesDer Leser wird diesen Ausdruck entschuldigen; denn selbst leere Schatzkammern sind immer Schatzkammern. und unserm Mangel an Weltkenntnis, Dir die stäten und stillen Kräfte sowohl als die veränderlichen und tobenden, die hier wirkten, zugleich mit der Stoß-Ableitung, die ihnen die Stumpfnase mit dem Wermut-Gesicht entgegensetzt, ganz in Worte zu bringen; und was Hogarth so unnachahmlich gezeichnet hat, in einer Idylle vollständig darzustellen. Ich würde es wagen, und schon längst gewagt haben, hätte ich deine Feder, vortrefflicher Müller,Zu Itzehoe. aus dessen unerreichbaren Romanen immer unverkennbare Menschenstimme noch rein und hell hervortönt, während der größte Teil der übrigen zu immer schlechterer und schlechterer Instrumental-Musik herabsinkt. Noch verzeihlich, wenn es nur mit ihnen bei der eigenen Murky bliebe. Aber nicht immer zufrieden mit eigenem modern-hohem Gedudel für eigene hohe Ohren, wagen sie es, selbst verjährten, ehrwürdigen Volks-Gesang, unser himmlisches Te Deum, unser Stabat Mater und Alexanders Fest, in so genannten Halb-Romanen, auf ihre Maultrommeln und Polnische Böcke zu setzen. Scheußlich fürwahr! Aber fahre du fort, teurer Müller, auf Deinem Wege. Du kannst alsdann Deines Ruhmes sicher sein. Freilich begleiten werden die Werke dieser Stümper die deinigen noch eine Zeitlang, – als Enveloppe und sonach als deutliches Vorbild der Zierde für Deinen bleibenden Altar, ich meine des Felles, das Dein bekannter Freund aus dem Altertum diesen Marsyassen über kurz oder lang über die hohen Ohren ziehen wird. – Wir schweigen also hier und gehen weiter.

Die Explosion warf das Tischchen über den Haufen, und mit ihm einen Löffel, einen Teller, ein Dintenglas und Feder und ein Bülletin. Der Löffel hat sich gut gehalten, er liegt auf der hohlen Seite und berührt den reinlichen Boden so wenig als möglich, also gerade dem Verfahren der Butterbrode entgegen, die immer auf die bestrichene Seite fallen. Der Teller!

»Zerbrochen, zerbrochen ist er, der schöne Krug, da liegen die Scherben umher.«   Geßner. Idyll.

Betrübt für einen ganzen, aber bloß so so für einen verstümmelten. Aus den sichtbaren Stücken wenigstens läßt sich kein Teller zusammensetzen, der etwas fassen könnte, wozu nicht der Nachbar Anschlag-Zettel eben so gut fähig gewesen wäre. Das Dintenglas zerbricht, und die Erde nimmt die schwarze Galle, mit der es angefüllt war, auf dem kürzesten Wege zu sich, die in Rezepten und Liebesbriefchen verschmolzen, vielleicht noch manchen armen Teufel zugleich mit sich dahin fortgerissen hätte. Es hat ausgedient. Der Halskragen, mit dem sich die Schreibfeder noch aus dem Ruin gerettet hat, schützt sie wenigstens jetzt vor Zerstörung und gesetzt auch, sie würde in dem Tumult, der aber in diesem Winkel von geringem Belang ist, zertreten, so hat sie noch ein andres Ende, für ein andres Departement. Wie schön ist es, wenn man außer seinem Schreib-Ende noch ein Wisch-Ende hat. Kannst du als Schriftsteller nicht mehr lehren, stilum vertas, so kannst du noch kehren. Eine Moral, die jeder junge Schriftsteller, der sein geistiges und leibliches Vermögen in mißliche Südsee-Aktien von Reichtum und Unsterblichkeit durch Autorschaft gesteckt hat, sich an jedem Morgen von seiner noch trockenen Feder sollte lehren lassen, ehe er sie in das Dintenfaß taucht, um damit der Welt seine Offenbarungen zu predigen. Das Bülletin ist ein medizinisch-praktisches (practical Scheme) über eine neue Methode, Krankheiten aller Art durch Halsbänder oder Halsschnüre zu heilen. Man sieht, die Schnur ist selbst darauf abgebildet. Oben stehen die Worte Anodyne von der Rechten zur Linken, und unten, von der Linken zur Rechten, Necklaces, welches selbst im Original schwer zu lesen ist. Die Zeilen sollten etwas nach der Form des Halsbandes gekrümmt sein, denn sie machen eigentlich eine Umschrift, eine Art von Band um das Halsband aus, und stehen da, dem Projekt den Dienst wirklich zu leisten, den das Projekt selbst dem Patienten bloß verspricht. Also Anodyne Necklaces (Schmerzlindernde Halsbänder). Ein halb griechischer, das heißt, halb mystischer Wörter-Kreis, um den ganz mystischen eines Amuletts gezogen, konnte seinen Zweck bei einer gewissen Klasse von Menschen nicht verfehlen. Es ist auch wirklich unglaublich, was diese Einrichtung für Nutzen gestiftet hat, ich meine das äußere Band dem innern.Herr Ireland versichert, daß noch im Jahr 1790 die Wand eines ganzen Hauses in Long-Acre, einer Straße in London, mit dem Namen von Übeln beschrieben gewesen sei, gegen welche diese Halsbänder gebraucht werden könnten, und häufig gebraucht worden wären. Denn was das innere den Patienten selbst geleistet habe, davon ist, so viel wir wissen, eben gedachte Wand ausgenommen, nichts öffentlich bekannt geworden. Doch liegt dieses Blatt hier nicht bloß da, als Satyre auf die unzähligen gedruckten Empfehlungsschreiben von Arzneimitteln, die täglich in London durch eine Art von besondern Briefträgern den Leuten franco in die Hände, und sogar in die Taschen gesteckt werden,Diese und ähnliche Briefchen von Menschenfreunden aller Art, sind die einzige Ware, die einem, so viel wir wissen, in London gratis in die Tasche gesteckt wird. In der Tat aber ist dieses Hineinstecken auch bloß eine Art von superfeinem Herausziehen. Es sind nämlich Wechsel, die die Schalkheit auf die Leichtgläubigkeit stellt, von der sie nicht selten mit barer Münze honoriert werden. Auf eine ähnliche Weise geben manche Zeitungsschreiber die medizinischen Lügen am Ende ihrer Blätter scheinbar umsonst, ob sie gleich mancher Familie viel teurer zu stehen kommen, als die politischen, ich meine die politischen Wahrheiten, die voran stehen. sondern seine Bedeutung liegt viel tiefer. Es ist dieses ein Beweis von mehreren, die künftig vorkommen werden, daß Hogarth in seinen Werken, so wie die Natur in den ihrigen, mit demselben Zug oft mehr als eine Absicht zu erreichen, und da auch zu erwärmen gewußt hat, wo man hätte glauben sollen, er wolle bloß leuchten. Nämlich diese schmerzlindernden Halsbänder, waren anfangs eigentlich von dem Erfinder bloß für Kinder berechnet, die mit der sogenannten englischen Krankheit (the Rickets; Rachitis) behaftet waren, von denen auch in England, so wie in manchen Gegenden Deutschlands, das ungegründete Vorurteil im Schwange ging, daß sie gewöhnlich die Früchte verpesteter Liebe wären. Dieses geht also auf den armen kleinen Manser,Manser, diejenige Species von außerehelichen Kindern, von denen selbst die Mutter keinen andern Vater anzugeben weiß, als das große Publikum; ein Aller-Welts-Kind. der da bei dem Kaminfeuer, am Stuhl der sterbenden Mutter, halb kniet und halb sitzt, und weder durch dieses Sterben noch das gelehrte Bellen der Disputierenden, noch den schreienden Einspruch der Dame, die dabei präsidiert, gestört, ganz ruhig sein schmerzstillendes Rippenstück beim Feuer brät. Er ist also rachitisch, und unter diesen Umständen kann er bei dieser Länge leicht sechs Jahre haben; diese von den drei und zwanzig Jahren der Mutter abgezogen, bringen ihr Alter bei der Verpestung auf siebenzehn. So viel weiß Hogarth auf einem Zettel noch zu sagen, der bereits zwischen den Scherben eines zum zweiten Male zerbrochenen Tellers und einigen Meubeln von sehr zweideutiger Form liegt. Wäre der dicke Herr dort auf dem festen Sessel, der Erfinder dieser schmerzstillenden Halsbänder, das leicht sein könnte, so gewönne die Satyre noch neue Äste. Denn, wie wir schon oben angemerkt haben, so starben der Herr Doktor selbst an einer schmerzstillenden Halsbinde, dem Strang (laqueus anodynus), den Ihnen die Justiz verordnete, die in London Wunder damit tut.Mit diesen Wunder-Kuren hat man ganze Bücher angefüllt: The Lives of celebrated Highwaymen; the bloody Register etc. die sehr häufig gelesen werden. Man hat auch Vorschriften, wie man den fürchterlichen Krankheiten, die ein solches heroisches Mittel notwendig machen, ausweichen soll; diese kauft man wohl, liest sie aber nicht viel.

Mit der Sterbe-Szene ist schräg gegenüber eine kleine Besitznehmungs-Szene vortrefflich kontrastiert. Zugegriffen wird hier wenigstens gewiß. Eine Alte, entweder ehemals eine Art von Chaperon für das Mägdchen oder sonst mit ihr verwandt und lachende Erbin, oder welches am wahrscheinlichsten ist, ihre jetzige Hauswirtin, der man wohl etwas an Zinsen und für Auslagen schuldig sein mag, versichert sich hier der kleinen Habseligkeiten, oder überzählt sie wenigstens ihrer Gemütsruhe wegen. Das Röcheln der Sterbenden, das Schnauben und Schnarchen bei der Doktor-Hatze, ja so gar das Lösch-Gezische des überkochenden Topfs stört sie nicht; sie weiß, daß Menschen sterblich sind und daß sich Ärzte zanken, auch daß selbst einen leer gekochten Topf wieder zu füllen nichts in der Welt so kräftig dient, als ein voller, gesicherter Koffer. Ein solches Gesicht gehört dazu, wenn man sich in einer Mördergrube, wie diese, nicht verzählen will, es ist das wahre Bild der Taubheit aus Grundsätzen.

Was das Weib hier auskramt, verglichen mit dem, was dort auf dem Armsessel die Verwesung hinrafft, hat etwas, wie jeder Mensch von Gefühl erkennen wird, was viel höher liegt, als sich Hogarths Genie gewöhnlich gewagt, aber nichts desto weniger hier so geschickt erreicht hat, als hätte es ganz innerhalb seiner nativen Flugweite gelegen. Hier liegt zuerst die dunkle Neger-Maske, womit sich das Yorkshirsche freundliche Sonnen-Gesichtchen ehemals auf dem Ball mit erkünstelter Häßlichkeit auf kurze Zeit verfinsterte, um einige Auserwählte im Nebenzimmer desto sicherer mit aller Herrlichkeit bezahlter Gunst durch Kontrast zu blenden. Der Fächer, da hier keine Flammen mehr geschossen werden, schläft ruhig in den Schieß-Scharten und leitet vielleicht vorbildlich-mystisch manche Phantasie auf Attribute der tragischen Muse, selbst durch verliebte Mummerei. Gleich darneben stehen ruhig die Putzschuhe, die einst durch Form und Bewegung und Gold und Flittern und Glitzern die Bedächtlichkeit selbst, die Schrittzählerin, wie ein Paar Irrwischchen verwirrten und hinleiteten, wo kein Rückzug mehr statt fand. Hinter diesen liegt der Hut, den wir oben, beim dritten Blatt, am Firmament des Bettes, unter dem Kometen schweben gesehen haben. Auch Band und Domino werden ausgepackt. Wer sollte nun hier nicht denken, wenn man das Blatt bis auf diesen Winkel bedeckte, eine alte Tugendhüterin wäre beschäftigt, den Anzug zur heutigen Maskerade für ihr untergebenes Lämmchen zusammen zu suchen? Aber nun die Bedeckung weggezogen, und den Blick geworfen dort auf das Jammerbild im Armsessel, dem dieser Flitterstaat einst zugehörte! Gerechter Himmel! Der jetzige Domino, wie schlapp, wie leinen und wie still, gegen den von rauschender Seide, der hier aus dem Koffer hervorquillt. Die jetzige Maske, ach! wie weiß geschminkt durch die kalte Hand des Todes! und das blendende Licht der Augen wie zurückgesunken in ewige, ewige Nacht! Sie sehen nicht mehr, und werden nicht mehr gesehen! Hier ist keine Mummerei. Diese Augen des bleichen Gesichts hat der ernste Pfeil des Todes wirklich durchstochen; dort bei der geschwärzten Maske der Üppigkeit war es ein Dolch jener Augen völlig würdig, ein zusammengelegter Fächer, nicht unähnlich, in Form so wohl als Anwendung, dem Schwerte, ich meine der Klapper-Pritsche des – Harlekins. Und wo sind nun die Irrwisch-Füßchen? Antwort: Das hüpfende elastische Rotkehlchen in den dornigen Lusthecken von Drurylane hatte sie nötig zu seinem Unterhalt, der tiefbehangene Paradies-Vogel,Des Erklärers Glaube an ein geflügeltes Pferd, gibt ihm schlechtweg ein Recht an Paradies-Vögel ohne Füße zu glauben. dort auf dem Armsessel, braucht sie nicht mehr!

Eben so wie wir eine Vergleichungs-Linie von dem Sessel der Kandidatin der Verwesung nach dem Reise-Koffer gezogen haben, läßt sich eine von dem Stuhle des Kandidaten des Galgens nach einem andern Koffer ziehen, der rechter Hand im Vorgrund steht. Freilich ist der letzte mehr ein Stuhl als ein Koffer, oder eben so gut oder mehr noch ein Koffer zum Sitzen, als ein Stuhl etwas zu verschließen. Er ist mit allerlei Kleinigkeiten teils bedeckt, teils umgeben, worunter leider! die Feuerschaufel, und die schminkende Steinkohle bei weitem das reinlichste sind. – O! es war uns längst bange vor diesem Winkel der fünften Platte. Haben wir aber auch unsere treuen Leser aus diesem heraus, so ist nur noch ein einziger auf der sechsten übrig, vor welchem wir schon jetzt zittern. Wir gestehen dieses nicht allein sehr gerne, sondern auch wirklich nicht ganz ohne heilsame Absicht, für uns selbst wenigstens, hier zum voraus. Denn, wenn man sich einmal einem etwas mißlichen Geschäfte nicht ganz ohne Zureden, und also nicht ganz freiwillig, unterzogen hat: so entschuldigt nichts so sehr einen ohnehin immer menschlichen Fehltritt, als das offenherzige Vorausgeständnis: man fürchte selbst gar sehr, es werde schwerlich dieses Mal so ganz rein abgehen.

Um nicht so ganz kurz von der Sache abzukommen, welches bei manchen Geschäften gefährlich ist, und es namentlich bei dem unsrigen sein würde, müssen wir erst ein Paar Sätzchen vorausschicken, von deren einem man uns den Beweis eben so gerne schenken wird, als wir ihn dafür von dem andern geben wollen. Der erste ist: daß jeder freigeborne Mensch, selbst der Nicht-Zensurfreie, ein natürliches Recht hat, von Stühlen aller Art zu sagen was er will, so lange er die Personen unangetastet läßt, die dieselben mit ihrem Sitz-Teil beehren; und der zweite, daß es überhaupt keine ganz verächtliche Stuhl-Gattung gebe in der Welt. Der letzte Satz ist für uns vorzüglich wichtig. Um die Menschen davon zu überzeugen, darf man ihnen die Sache nur nahe genug vor ihren Ahnen- und Familien-Sinn hinrücken, womit die Natur einen jeden so sorgfältig ausgesteuert hat, daß fast eben so viel Aufklärung dazu gehört, einen sonst unbedeutenden Menschen von Familie nicht zu ehren, als die Sonne nicht anzubeten. Wohlan denn. –

In dem ganzen Meubel-Reich, dem es, so viel ich weiß, noch bis diese Stunde an einem Ritter Linné fehlt, ist die Klasse der Stühle (Classis Sellarum) nicht allein bei weitem die ehrwürdigste, sondern auch die ausgebreitetste; die, die unter allen Himmelsstrichen nicht bloß gedeiht, sondern sich so gar notwendig gemacht hat. Mit einem Wort, sie ist unter den Meubeln, was die Klasse der Säugtiere unter allem ist, was da lebt und empfindet. Freilich gibt es große Verschiedenheiten zwischen Stuhl und Stuhl, so wohl der Form, als dem Gewicht nach, gerade wie bei den Mammalien, z.B. zwischen dem Walfisch, der mehr wiegt als manches Wohnhaus mit samt der Herrschaft, und dem sibirischen Spitzmäuschen, das sein Gewicht selten auf dreißig Grane bringt. So wie aber alle diese Tiere die Eigenschaft gemein haben, daß sie ihren Jungen die Brust reichen: so haben auch alle Stühle dieses unter sich gemein, daß ihnen im Dienst vorzüglich ein ganz respektabler Teil des Leibes zum unterstützen gereicht wird. Dahin gehören außer den gewöhnlichen Stühlen und Sesseln mit und ohne Lehnen und mit und ohne Arme, zuerst alle Thronen und alle Katheder, von welchen aus, bekanntlich, die Welt regiert wird, und die durch geschickte Tischler in eins zusammen geschlagen, ehemals das ausmachten, was man so gar einen heiligen Stuhl nannte. Ferner alle Richter-Stühle, die schweren Sorgestühle, zu denen einige der ersten Thronen der Erde gehören sollen, und die leichten Bergeren, an die sich hinwiederum eine Menge von Thronen und sehr viele Katheder anschließen. Hierauf das Geschlecht der Bänke, welche nichts weiter sind, als Systeme von Stühlen. Dahin gehören die adlichen und gelehrten Bänke, alle Schlachtbänke, die so genannte faule Bank, und die ewige lange Bank, der Walfisch dieses Geschlechts. Auf diese folgt der Tragsessel und der Fahrsessel, die elfenbeinene Sella curulis im alten Rom so wohl, als die hölzerne, sogenannte Kammer-Post zwischen Tisch und Bett für Gicht und Podagra. Mit diesen hängt zusammen, das Cabriolet; der englische Etagen hohe Phaëton, der seinen Namen vom Umwerfen hat; alle Kaleschen, alle Kutschen und Reise- und Postwagen vom deutschen Rippenbrecher an bis zur englischen Wiege in Stahlfedern, und zum majestätischen Reichs-Prozessions-Wagen, zu welchem man, anstatt die Tore weit und die Türen in der Welt für ihn hoch zu machen, bescheiden, erst an den Toren das Maß nehmen läßt.Dieses gründet sich auf eine Volkssage, daß einmal ein Fürst, um bei einer Prozession so breit und hoch als möglich in Frankfurt einzufahren, die Maße von den Toren der Stadt habe nehmen lassen, ehe er seine Kutsche bauen ließ. Eine Vorsicht, die von vieler Erfahrung in Regierungs-Geschäften zeugt, aber vermutlich nicht wahr.

Gleich neben den Bänken, den Fahrsesseln gegenüber, entspringt das Geschlecht der Schleifsessel, oder der so genannten Schlitten in hundertfacher Form; von dem Prachtgebäude an, das, unter dem Silbergeläute von tausend Schellen, selbst die Flügel eines Winter-Zephyrs übereilt, bis zu der Trauer-Schleife, die unter dem einfachen Klang des Armen-Sünder-Glöckchens nach der Richtstätte hinschleicht. Dann kommen die Reitsättel (auch ein Genus sellarum), der männliche so wohl, als der minder bekannte weibliche, den jetzt das flüchtigste und stolzeste aller Pferde, Pegasus, selbst nicht mehr verschmäht. Von einer andern Seite ziehen sich die Inquisitions-Stühle der heiligen Justiz und der peinlichen Propaganda zum Accouchieren von Geständnissen, und die medizinisch-chirurgischen zu substantiellern Ablockungen, sehr weit hinaus. Von diesen letztern soll sich eine höchst seltene Varietät in einem Cabinet zu Rom befinden, dessen Namen uns entfallen ist. Nach einem nicht unbeträchtlichen Zwischenraum kömmt denn endlich auch dieser Desobligeant,Heißt so, wie Yoriks Wagen, wegen seiner Einsitzigkeit. von dem hier die Rede ist, der von der Göttin der Nacht den Namen hat. – »Ah! quel bruit pour une omelette! Hätten Sie uns das nicht gleich sagen können?« – Unmöglich, Madam, – »Warum das nicht? Ich hätte bloß gesagt: mit Respekt zu sagen.« – Und also so ziemlich ohne allen Respekt. – Nein! Was sich nur mit Respekt sagen läßt, muß auch mit Respekt gesagt werden, und dieser Pflicht glauben wir uns nun entledigt zu haben.

Nach dieser, wo nicht gar diplomatisch genauen, doch wenigstens diplomatisch umständlichen Darlegung des Stammbaums, und folglich des Beweises von der Apartmentmäßigkeit dieses Sitzes hoffen wir nun von dem gütigen Leser freien Paß für dessen Begleitung. Dahin gehört ein kleines blechenes Gefäß mit einem Griff, und gleich darhinter eine sehr zweideutige Schale, und auf der Erde eine nicht minder zweideutige, mit einem zinnernen Teller bedeckte irdene Pfanne. Das kleine Gefäß ist, deutlich, das holländische Spucknäpfchen (Quispedorje), und paßt in mehr als einer Rücksicht recht gut in die Suite. Es steht auf einem Avertissement des ewigen Dr. Rock.Man sehe, wo möglich, in unsere erste Lieferung S. 709. Sollten das wohl Pillen sein, was darauf liegt? Pillen, die zwischen Dr. Rocks Namen und einem Spucknäpfchen liegen, sind ja wohl Merkurial-Pillen. Aber die Pfeife? Vielleicht liegt sie bloß da zur Beschönigung der Salivation, so wie Branntweintrinker von Stand und Grundsätzen den Branntwein aus Teetassen trinken sollen, der Schwachen wegen. Oder gibt es auch Merkurial-Kanaster? oder war der letzte begünstigte Liebhaber vielleicht ein Schiffer aus dem Lande der Reinlichkeit?

Wir haben die Schale in der Höhe und die Pfanne in der Tiefe zweideutig genannt. Sie sind es wirklich in hohem Grade. Wie wenn die erste eine Butter- oder Schmalz-Schale, und die letztere eine so eben mit dem nassen Lappen vom Feuer gegriffene Bratpfanne wäre? So zeugte dieses zwar immer von Winkel-Reinlichkeit, aber auch von Vorsorge der Tugendhüterinnen für sich selbst, an diesem Tage. Gesotten und gebraten wird ohnehin schon sicherlich hier. Vielleicht erschien auch der Tod plötzlich nach einer heiteren Hoffnungs-Aussicht auf endliche Genesung, und man dachte zu früh auf ein Dankfest, bei dem, in England, Topf und Bratpfanne und Bouteille so unentbehrlich sind, als bei den unsrigen Pauke und Trompete. Man dankt da dem Himmel ohne sich selbst zu vergessen, einem jeden nach seiner Art; und das ist sehr billig. Aber sie leiden auch eine andere Deutung, und diese scheint fast, fast die wahre zu sein, und das ist es gerade was diesen Winkel – so gefährlich macht. Wie wenn, kann man nämlich fragen, was da hinter dem Quispedorje steht, nur etwas Größeres von derselben Gattung, z. B. ein Archi-Quispedorje wäre? Und die Pfanne da unten ein bloßer Trabant des Stuhls von Familie? Die Vermutung ist stark, aber nach einem gewissen Gefühl zu urteilen, so sehr im Geiste Hogarths, daß wir die Gründe dazu, zumal nach unserer höchst respektvollen Einleitung, unsern Lesern unmöglich vorenthalten können. Überdas ist hier bloß von der Suite die Rede.

Wir haben vorhin von einer Vergleichungs-Linie gesprochen, die sich von dem henkbaren Quacksalber und Konsorten nach diesem verdächtigen Winkel ziehen lasse. Die Vergleichungsgründe sind folgende: Man hat alles mögliche getan, die Kranke zu retten, aber umsonst. Allein in der Sterbestunde selbst geraten beide Ärzte auf einmal zugleich auf einen Gedanken, der sie hätte retten können, wenn man ihn früher gehabt hätte, und das sind die Arzneien, die sie beide in der Hand halten. Nur rechnet natürlich jeder die Arznei des andern unter die, die nie zu spät gegeben werden können. Beide Gefäße, Glas und Büchse mit den neuen Mitteln sind noch uneröffnet, und folglich stirbt die Kranke. Wo sind aber die alten Arzneien, mit ihren Folgen? Mit ihren Folgen? Die liegen zum Teil im Armsessel neben dem Kamin und dann – in dem verdächtigen Winkel. Mit einem Wort: dieser Winkel enthält in mannigfaltiger Form die Vorlagen, in welche man jene Arzneimittel mit Verlust, erst von Substanz der Retorte, und dann der Retorte selbst, gewaltsam übergetrieben hat. Man ergriff was zunächst bei der Hand war, und half bald am Ende A, bald bei B, und begnügte sich in der Eile die Gefäße dadurch vorläufig ihres Küchenamts zu entsetzen, daß man sie ein Paar Hände breit über die Grenze in das Departement schob, wo da der Stuhl präsidiert. So wußte man wenigstens nachher obiter wo man war. Auf der Pfanne liegt ein Teller, worauf man den Namen Cook (Koch) deutlich liest. Er gehört vermutlich in ein benachbartes Speisehaus. Wir wollen ihn ruhig liegen lassen.

Noch gehörte in diesen Winkel eigentlich die Blase von bekannter Form, die über dem Kamin zwischen einem Paar Arznei-Gläschen und einem zerbrochenen Kruge ihren Nagel gefunden hat. Für Meubel ist das die erste Schau-Stelle im ganzen Zimmer. Wo wir nicht irren, so hat Hogarth durch die vorsätzliche Erhöhung dieses Werkzeugs, und das Hervordrängen des verbündeten Geschirres andeuten wollen, daß die Ärzte den Vomitiv- und Lavement-Weg vorzüglich eingeschlagen hätten. Das lasse ich gelten. Will er aber damit spotten, so tut er sehr unrecht. Weiß er wohl, daß diese Methode fast die einzige ist, deren Zweckmäßigkeit sich so zu reden, geometrisch, ja so gar mit Eleganz demonstrieren läßt. Daß das Mägdchen daran gestorben ist, was tut das? Lieber Himmel! woran kann man nicht sterben? Starb doch zu Warschau, im Januar 1792, der Landbote Jablkowsky an dreihundert Stück Austern.S. das Frankfurter Staats-Ristretto, 1792. Nro. 22. Da diese Demonstration, die eigentlich von Dr. Swift,a Voyage to the Houyhnhnms. Chap. VI. einem bekannten Arzt für kranke Seelen und kranke Regierungen herrührt, so viel wir wissen, nicht sehr bekannt geworden ist: so geben wir sie hier, in unsre Büchersprache etwas gelehrt übersetzt, indem Swift die Sache so ausdrückt, daß sie ein Kind verstehen könnte; und so etwas läßt nicht. Da Krankheiten, heißt es, wie jedermann weiß, weiter nichts sind, als Umkehrungen des natürlichen Gangs mancher Funktionen im Körper: so ist gar nicht daran zu denken, diesen wieder umzukehren, das ist, in die rechte Richtung zu bringen, wenn man den alten Lebens-Schlendrian beibehält, durch den die erste Umdrehung geschehen ist. Uns dünkt, dieses ist so klar, daß dem Beweise zur Vollständigkeit nichts fehlt, als die eingeklammerte Zurückweisung auf einen vorhergehenden §, den aber hier jedermann leicht in seinem eigenen Kopf finden wird. Nun fährt er fort: Da aber ferner alle Menschen, die krank werden, bis zu dem Augenblick, da sie es werden, in dubio mit dem Munde, den wir A nennen wollen, gegessen oder eingenommen, und mit dem entgegengesetzten Ende B die Ausgabe besorgt haben: so ist es unmöglich, daß, rebus sic manentibus, der Unordnung gesteuert, und die Gesundheit wieder hergestellt werden kann. Wiederum so klar wie der Mittag. Was hat man also zu tun? Diese Frage beantwortet sich nun von selbst: Man muß mit dem Ende B anfangen zu essen, und die Ausgabe dem Ende A übertragen, id est, Lavements geben und vomieren. Die Natur stutzt, besinnt sich, kehrt um, und so ist geschehen, was verlangt ward.

Nun zum Beschluß noch einige Blicke auf das Ameublement und das Zimmer selbst. Der Spiegel scheint, seitdem man die Wahrheiten, die er sagte, etwas lästig zu finden anfing, verstoßen und neben dem Kamin in einen Winkel verwiesen zu sein, der nicht sehr zukommlich, und überdas gar der Ort in diesem sehr komponierten Zimmer nicht ist, sich zu demaskieren und zu bespiegeln, wenigstens für kein Os sublime. Er hängt freilich neben dem Kamin, wenn man mit dem Kamin zu zählen anfängt; fängt man anders an, so hängt er wieder anders, usw. Auf dem Sims des Kamins, wo gewöhnlich die Haus-Götzen stehen, stehen auch hier die jetzigen Penates dieser glücklichen Familie, nebst einigen Opferschalen für die ehemaligen. Jene bloß bildlich, die Parzen in der Gestalt von drei Arznei-Gläschen mit ihren Necklaces, und dann der Vogel IbisBekanntlich der erste ἑαυτον κλυστηρουμενος scil. ὀρνις. mit seinem berühmten Schnabel, unter der Form einer Blase. Hier hätte der Ober-Haus-Götze stehen müssen, der Spiegel, der seinen Priesterinnen nie genädiger zulächelt, als wenn das Feuer seines Altars durch Vermittelung ihrer keuschen Wangen und Augen voll Andacht, Glut und Licht zu ihm herauf sendet.

Über dem Thron dieser Gottheiten schwebt ein Baldachin, von feuchter, vielleicht noch tröpflender Wäsche, der sich so gar über den Sitz der Sterbenden hinzieht, und durch seinen Einfluß den scheinbar warmen Ort in ein wahres sub Dio verwandelt. Zeit und Ort der Trocknung sowohl, als die Zahl der Stücke die getrocknet werden sollen, zeugen von tiefem Elend. O es sind traurige Haushaltungen, in denen diese drei Punkte unter die Familien-Mysterien gehören. Wo das Hemd auf dem Trockenseile noch eben die keusche Unsichtbarkeit affektieren muß, die es am Leibe mit Recht behauptete, da ist wenigstens an Luxus nicht zu denken. Der ganze Dienstwechsel ist alsdann gewöhnlich ein Wechsel – Eines mit Einem oder Eines mit Gar keinem. Das letzte Stück rechter Hand auf dem Seile, scheint etwas Ausgestopftes, das bloß zur Lüftung da hängt. Man weiß nicht recht was es ist, noch begreift man, wie es sich da im Gleichgewicht erhält; doch ist es im Original mehr so gezeichnet, daß es leicht ein gleiches und ähnliches Stück als Gegengewicht verdecken kann. Vermutlich diente es selbst zum Ausstopfen, und wäre alsdann selbst ein Trompeuse. Dem Kamin gegenüber, neben der Stubentüre, hängt hoch an einem Nagel, eine runde Scheibe mit Löchern oder Vertiefungen, deren Bedeutung uns Nichols in Hogarths Leben recht gut aufbewahrt hat. Es ist ein jüdischer Oster-Kuchen, Mazzen oder Mazkuchen heißen sie hier und da, die von dortigen Juden (so wie in manchen Gegenden Deutschlands) jährlich an ihre Kunden, mehr zum Vorbild von Ersatz, als zum Ersatz selbst verschickt, und von letzern dafür nicht als Eßware, sondern kaum als Embleme von Eßware mit vieler Toleranz behandelt werden. In England machen die Rechtgläubigen vom vierten Stande Fliegenfallen (Flytraps) daraus, vermutlich dadurch, daß sie dieselben mit etwas Klebrigem bestreichen, oder wenigstens mit etwas, das den trocknen Kleister einige Zeit in Auflösung erhält. Nichols hat sie verschiedentlich zu diesem Gebrauch von Leuten aus dieser Klasse angewandt gesehen. Ob nun Hogarth dadurch bloß auf die Standes-Gesinnungen der Bewohnerin dieses Zimmers hat hinweisen wollen, deren ganzes Christentum bis auf dieses edle Restchen, ein Bißchen Juden-Verachtung, geschmolzen war, oder ob, welches mir wahrscheinlich ist, der Kuchen zugleich als Restchen der ehemaligen Herrlichkeit auf der zweiten Platte, da oben hängt, überlassen wir gerne der Entscheidung des Lesers. Allemal mußte der kleine Mond vieles Licht nach dem Krankenbette reflektieren, und als Hesperus für die Sterbende, stark in das Gewissen leuchten, das, wie man sagt, an den Abendstunden des Lebens sehr empfänglich für solche Reflexionen sein soll. – Im Wirtshause zur Glocke wurde sie betrogen, und das war ein Unfall! im portugiesischen Tempel, auf den dieses Gestirn hinweist, betrog sie, und fehlte auf eigene Rechnung, und das war ein Verbrechen.

Daß es auf diesem Zimmer doch auch schon wieder lustiger zugegangen sein muß, als jetzt, oder vorher im Zuchthause, davon findet sich ein unumstößlicher Beweis an der Decke desselben. Fast über dem Bette sieht man das bekannte M. H. mit der Lichtflamme angeschrieben, das wir auf der ersten Platte auf dem Koffer im Wirtshause, der auch, nur etwas veraltet, hier wieder steht, zuerst gesehen haben. Solche Inskriptionen, wobei der Bel-Esprit der sie verfertigt, auf Tische und Stühle steigen muß, werden ohne Begeisterung selten gemacht. Aber dieses ist noch nicht alles. Hinter diesem M. H. stund noch ein Wort, das Hogarth größtenteils wieder weggelöscht, und dadurch nicht wenig dazu beigetragen hat, es im Andenken zu erhalten. Wir wollen es nicht wieder restituieren, versteht sich, sondern bloß für die Liebhaber – von unleserlichen Inschriften anmerken, daß sie die lateinische Übersetzung davon in Horazens dritter Satyre des ersten Buchs finden können. Wie heilsam und wie luftig dieses Zimmerchen, zumal für eine etwas verquickte Patientin, sein müsse, fällt sogleich beim ersten Blick in die Augen. An der einen Seite ist die Vertünchung von der Mauer abgefallen, und an der andern das Getäfel zum Teil abgefault. Links unter den beiden Talglichtern, die da hängen, läßt es fast als hätte man so gar das Mauerwerk selbst mit einem fremden Körper geflickt. Die Türe hat, wie es scheint, ihre Haltbarkeit nicht, wie gewöhnlich, einem festen Rahmen zu danken, in welchem die Spiegel derselben sitzen, sondern bloß einem einzigen Querbalken, auf welchem die Dielen genagelt sind. Die Schweinstalltüren haben sonst gewöhnlich deren drei, unter einander parallel, oder in Z-Gestalt. Daher kommen denn auch hier die beträchtlichen Schieß-Scharten für heilsame Lüftchen und tröstende Blicke, die man mit vieler Rücksicht auf Eleganz verstopft und verklebt hat. Betrachtet man nun obendrein die kindlich zärtliche Teilnahme des Knaben an dem Schicksal seiner Mutter; die stumme Verzweiflung, womit die Alte, da sie sieht, daß alles verloren ist, sich auf die Knie wirft; den sanften, wiewohl matten Blick, womit die Seelsorgerin, Hülfe von den liebevollen Ärzten noch immer sucht, aber kaum mehr erwartet – So wird Mollys Schicksal fast beneidenswert, wenigstens für manche Menschen, mich dünkt ich hörte hierbei ihr:

Où peut on être mieux qu'au sein de sa famille?


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