Georg Christoph Lichtenberg
Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche
Georg Christoph Lichtenberg

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Strolling Actresses Dressing in a Barn
Herumstreichende Komödiantinnen, die sich in einer Scheune ankleiden

Vielleicht ist, seitdem Grabstichel und Pinsel zur Satyre angewandt worden sind, nie so viel muntere Laune in einen so kleinen Raum zusammen gedrängt worden, als hier. Man wird schwerlich eine Lombre-Karte auf dieses Blatt werfen können, ohne irgend einen Zug oder ein Paar des drolligsten Spottes damit zu bedecken. Jeder Winkel dieses Heiligtums der Ceres verkündigt die Gegenwart des mächtigsten Satyrs. Während er unten an der Tenne füßelt, schwänzelt der Schalk in der Mitte und lächelt oben, selbst in einer Scheune – aus den Wolken. Ewig Schade, sagt man, daß ein solcher Segen von lachenmachender Materie hier fast für sich allein, ohne höheren Zweck, abbrennt. Wie vieles hätte nicht bei diesem Feuer erwärmt werden können! Das sind aber Klagen des Armuts vielleicht. Man rechne nicht zu ängstlich mit dem Genie, und rechte so wenig mit ihm als mit dem Himmel, denn der heimliche Verkehr zwischen beiden erstreckt sich vermutlich sehr weit.

Das Stück trägt die Aufschrift: Komödiantinnen, die sich in einer Scheune ankleiden. Also bloß Komödiantinnen, keine Komödianten. Wie konnte, hat man gefragt, Hogarth so etwas hinschreiben, da doch offenbar Mannspersonen mit darunter sind? Also offenbar? Könnten es nicht vielleicht bloß Mannsbilder sein? Dieses ist eine Frage, die hierbei jeder, der diesen Tausendkünstler kennt, vorläufig einmal tun sollte. Man tadle des Mannes Zeichnung hier und da, seine oft schlechte Verteilung von Licht und Schatten und seine Gruppierungen, wenn man kann, aber mit dem Tadel seiner Einfälle sei man immer desto zurückhaltender je leichter er einem wird. O! wie oft hat er mich nicht bezogen! Jetzt, wenn man mir sagt: dort liegt der Fuchs tot vor dem Hühnerstall und riecht schon, frage ich immer erst: seid ihr auch sicher, daß sich der Schalk nicht etwa bloß parfümiert hat und lauert? Daß Hogarth mit dieser Aufschrift etwas gemeint hat, ist bei einem solchen Manne gar keine Frage. Was er aber damit gemeint haben mag, soll und muß untersucht werden, so delikat auch solche Geschlechts-Untersuchungen sind. Man denke nur an die einzige Mamsell d'Eon, was das nicht für ein Tun und Wesen war! Und hier haben wir dieser Mamsellen wohl gar drei. Indessen wir wollen sehen. Ich werde freimütig untersuchen, denn ich verlasse mich auf einen strengen, unerbittlichen Zensor, dem ich jedes Blatt zu lesen gebe, ehe es nach der Druckerei geht, und der heißt: Respekt vor der gesitteten Welt. Vielleicht ist aber auch die Sache nicht halb so arg, als man glaubt. Ehe wir indessen ein Wort hierüber weiter verlieren, müssen wir natürlich die Leutchen erst näher kennen lernen.

Unsere Strichvögelchen hier, (Komödiantinnen oder Komödianten, gleichviel) sind nämlich willens diesen Abend ein kleines Lustspiel aufzuführen, wozu uns Hogarth den Anschlag-Zettel zum Glück aufgehoben hat. Es liegen nämlich zwei Exemplare davon dort auf dem Bette, gleich hinter dem Brat-Rost, neben den zerbrochenen Eiern, beim Nacht-Topfe und dem leeren Paar Hosen. Obgleich diese Zettel zusammen kaum vier Quadratfuße Oberfläche bedecken: so sind sie doch mit den so eben genannten Meubeln, Kleidern und Viktualien, die sich sonst in guten Haushaltungen kaum auf eben so vielen Quadratruten zugleich sehen lassen dürfen, in unmittelbarem Kontakt. Es ist hier etwas enge. Der obere derselben, von dem man bloß den Anfang sieht, besagt: Daß eine Gesellschaft von Schauspielern von den Londonschen Theatern (Elsasser Capwein) diesen Abend im Wirtshause aufführen werde: The devil to pay in Heaven,Die von Coffey und Mottley eigentlich nur zur Operette umgeschaffene, ursprünglich aber schon 1686 von einem Schauspieler, namens Jevon, geschriebene Farce: The devil to pay or the metamorphosed Wives, auf die hier angespielt wird, ist bekanntlich auch mit großem Beifall auf unser Theater verpflanzt worden: Die verwandelten Weiber oder der Teufel ist los. Sollte Hogarth hier vielleicht auf seine Verwandlungen haben anspielen wollen? Ich wage es nicht zu entscheiden. Sonderbar ist es, daß die Engländer so viele Lustspiele haben, wobei der Teufel selbst schon auf dem Titel steht. Der Companion to the Playhouse nennt ihrer allein zwölf. Indessen erscheint er in den wenigsten in Person, sondern schickt dazu, wie in vielen, wo er nicht genannt wird, seine besondern Leute. Des Teufels Lärm im Himmel. Von dem andern hängt bloß das untere Ende hervor, und enthält die Dramatis personas, wenigstens zum Teil. Sie sind: Jupiter, Juno, Diana, Flora, die Nacht, eine Sirene, Aurora, ein Adler, Cupido, zwei Teufel, ein Geist und Gefolge. Man sieht, auch auf dem Anschlag-Zettel ist die Ordnung, so wie auf der Bettlade und im ganzen Gebäude, etwas stark lyrisch. Der Teufel ist auch hier schon los. Noch enthält der Zettel ein Paar traurige Zeilen: »Zum letzten Male vor dem Termin, da die Parlements-Akte gegen herumziehende Komödianten in Erfüllung gehen wird.« Bald wird es also vorbei sein, gesetzt auch, daß sie, wie in Deutschland gewöhnlich ist, drei bis viermal hinter einander zum letzten Male spielten. Diese armen Teufel wird schwerlich etwas retten können, auch die feinste Silbenstecherei englischer Rechtshändler nicht. Sagte die Akte, wie etwa im Deutschen, bloß against strolling actors (gegen herumstreichende Komödianten) so dürften sie nur sagen: wir streichen zwar, aber wir sind Komödiantinnen: so wären sie einstweilen so sicher in ihren Scheunen, als auf ihren Londonschen Theatern. So aber heißt es against strolling players, und gegen dieses Wort käme selbst eine Bande Hermaphroditen nicht auf. Aber wer weiß was sie dennoch tun. So wahr ist es überall, aber nirgends mehr als in England: um recht zu tun in der Welt, braucht man nur sehr wenig zu wissen, allein um mit Sicherheit unrecht tun zu können, muß man die Rechte studieren. Wer unter der Hand diese Parlements-Akte betrachten will, wird sie, nicht weit vom Nachttopfe, auf einer Kaiserkrone liegen sehen. Man hat sie nämlich zwischen diese und ein rußiges und heißes Pfännchen mit Kinderbrei geschoben, und so wenigstens den Mangel an Achtung gegen die Akte, durch Respekt gegen die Krone ersetzt. So viel von der werten Gesellschaft im Ganzen. Jetzt wollen wir dem Leser die Personen einzeln vorführen.

Gleich zur Linken sitzt offenbar die Königin des Himmels, Juno, mit der Krone auf dem Haupte und dem Buche vor sich. Sie studiert ihre Rolle, und um diese Zeit auch sonst noch zu nützen, streckt sie ihr unsterbliches Bein hin auf eine umgestülpte Schiebkarre, und läßt sich von der Göttin der Nacht im Sternen-Gewand die ewigen Strümpfe flicken. Diese Göttin hat aus Respekt ihre Laterne ausgelöscht und neben sich hingestellt. Wie schön und wie liebevoll von Hogarth und der Nacht! Löcher in den Strümpfen einer Juno gehören nicht für das Licht. Ihr Buch hat sie auf einen nicht ganz neuen Koffer gestützt: denn wirklich hat ihm die Zeit schon einen Teil des Felles wieder abgerissen, das er selbst einst dem armen Seehunde über die Ohren zog. Er steht, um gehörig hoch zu sein, auf der kleinsten Seite, und es ist also vermutlich nichts darin. Es ist gewöhnlich der Fall bei Koffern, Weinfässern und dergleichen mehr, daß sie sich hoch machen, wenn sie leer sind. – Das Buch ist gegen eine Salzbüchse gelehnt, unter deren gelüftetem Deckel ein Welgerholz hervorsteht. In der Welt selbst sind dieses Gerätschaften für die Küche. Hier, in der Antichamber des Himmels, werden sie zugleich für das Orchester aufbewahrt, um die übrige Musik mit Takt und Klapperwerk zu unterstützen. Man sagt, es behage Ohren nicht übel, die nicht allzu stumpf sind. Hogarth hat in seinem Jahrmarkt zu Southwark, wo auch Komödie gespielt wird, von eben diesen musikalischen Instrumenten Gebrauch gemacht. Sie scheinen also vorzüglich der landstreichenden Muse eigen zu sein. Sie beschweren ihren Strich nicht viel, sind wohlfeil und dienen für Küch' und Kapelle zugleich. Auf der Rückseite der Salzbüchse sieht man etwas mit Kreide angeschrieben, vermutlich eine Contre-Rolle für die Milch- und Porter-Lieferanten. Unmittelbar hinter dieser Salzbüchse steht ein gemeines, irdisches Feuerzeug, Stahl und Stein in einem elenden Büchschen, brüderlich gekuppelt mit dem erhabensten aller Feuerzeuge, dem Donnerkeil Jupiters. Was für ein Gedanke, und was für ein Jupiter! Er hält sich, neben dem Blitz her, noch ein gemeines Feuerzeug, um sich Licht schlagen zu können, wenn etwa bei feuchter Witterung die elektrischen Versuche nicht geraten sollten. Dieser Donnerkeil liegt auf dem Koffer so leicht und flüchtig balanciert, daß ihn vermutlich das nächste Exklamationszeichen in der Rolle der Juno herab auf einen armen Affen werfen wird. Diese kleine dramatis persona ist, dem englischen Pöbel zur Gemütsergötzung, und der Bourbonschen Linie zu Ehren, mit dem französischen Haarbeutel und dem spanischen Mäntelchen ausstaffiert. Vor sich hält er nichts Geringeres als Alexanders Helm, und ohne die Federn an demselben zu fürchten, deren stolzes Nicken einst den Erdkreis beben machte, nützt er ihn zu einem häuslichen Zweck, der leichter erkannt als genennt wird. Für einen Affen ist die Handlung wirklich philosophisch und groß; es liegt so was Modernes darin, das leichter empfunden als erklärt wird. Wer hätte, möchte man sich fragen, unter dem altfränkischen Haarbeutel so viel neufränkische Grundsätze gesucht? Und das Gesicht! O! Fällt auch der Donnerkeil: die Miene des Weisen ist uns Bürge,

impavidum ferient ruinae.

Nun noch eine Mutmaßung. Wie wenn die Schiebkarre zugleich Schieb- und Donnerkarre wäre? Mit Steinen bepackt, würde sie bei diesem Rade von sehr merklich ungleichen Halbmessern über lose Bohlen geführt, ihren Effekt sicher tun. Salzbüchsen, die im Orchester und Schiebkarren, die auf Donnerwolken noch einen Nebendienst leisten, passen gleich gut in das Ameublement theatralischer Vagabunden. Wo der Donnerkeil schwebt, da ist sicherlich der Donner nicht weit, er stecke auch wo er wolle. Wäre überdas der Koffer, gerade der, worin der Platzregen und der Hagelsturm die Reise hieher gemacht hätten: so gewönne diese Gruppe dadurch ein Ansehen und eine Größe, deren Schilderung alle Prose verschmäht, daher wir auch kein Wort weiter davon sagen. Daß übrigens die Göttin der Nacht durch eine Negerin vorgestellt wird, hat Hogarth deutlich genug durch das Wollenhaar angegeben. Die guten Leute sparen dadurch Kienruß, und schonen das weiße Zeug. Ein wichtiger Umstand für eine Haushaltung, bei welcher, wie man im Hintergrund sieht, Waschen und Trocknen leider! permanent ist.

In der Mitte des Blattes glänzt Diana,

velut inter ignes
Luna minores
.

Ihr Anzug ist nicht was man Jagdhabit nennt. Von allen Insignien, womit das Altertum sie bezeichnete, ist ihr nichts geblieben, als der halbe Mond. Selbst die moralischen scheinen verschwunden. Man gerät bei Betrachtung dieser Figur wider seinen Willen auf den Gedanken: Hogarth habe eine verkehrte Diana zeichnen wollen, so wie man eine verkehrte Welt hat. Sie, die bei den Alten die keusche hieß, und auch wirklich die unzukommliche war, steht hier fast ohne alle Fortifikation. Die Außenwerke sind sämtlich herunter gefallen, und selbst der innere Wall, der überhaupt sehr leichtfertig angelegt ist, hat auf der einen Seite eine fürchterliche Bresche, an welcher die Göttin der Nacht etwas zu flicken kriegen wird. Auch weht von ihrem Haupte die weiße Fahne der Kapitulation, wie einmal ein Schalk diese weißen Straußfedern nannte. Ferner ist die doppelt Gegürtete (bis cincta) hier eine nirgends Gegürtete. Alle ihre Gürtel sind gelöset: ein trauriger Umstand für eine Göttin der Keuschheit. Und endlich, so ist bekannt, daß die Diana der Alten mit bis über die Knie entblößten Beinen und übrigens sorgfältig bedeckt, abgebildet wurde. Die unsrige hingegen erscheint schier ganz entblößt, ausgenommen die Beine bis über die Knie nicht, die so gar sorgfältiger bedeckt sind, als es sonst bei dem keuschen Geschlecht gewöhnlich sein soll. Das ist sehr arg. Selbst der Medusenkopf da unten, der alles dieses teils besser verstehen, teils besser sehen mag als wir, scheint sein antiquarisches Erstaunen über diese so ganz unmythologische Aufführung der keuschen Göttin zu äußern. Ja, was sage ich Erstaunen, er scheint über dem Anblick zum ersten Mal den Erstarrungstod selbst zu erleiden, den er sonst bloß zu verbreiten gewohnt war.

Sie scheint im Begriff gewesen zu sein, in den Reifrock, zur Schonung der Frisur, hinein steigen zu wollen, als sie bei der Repetition ihrer Rolle auf eine Stelle stieß, die viel oratorische Platzung erforderte, wodurch sie aufgehalten wurde. Vielleicht war auch der Rock schon fest gebunden, und die oratorische Platzung hat die von dem Rockband bloß nach sich gezogen.

Nun ein Paar Worte zur Ehrenrettung dieses armen Geschöpfs. Es ist wahr, Hogarth hat sie für eine Göttin der Keuschheit schlecht bekleidet, wenigstens sehr undianenmäßig. Aber hat die Natur mehr für sie getan? Diana war schlank und groß, sie ragte überall um eine Kopfslänge hervor. Die unsrige hier ist untersetzt und fleischigt, und bei dieser Lage der Dinge ereignet sich ein sehr wichtiger Umstand. Kopf und Herz kommen hier einander um eine ganze Spanne näher. Was das arme und warme Herz brütet, gelangt hier noch arm und warm, wie es ist, zum Kopf, und eine geometrische Spanne wird zu einer moralischen Meile. O! Wohl allen den aufgeschossenen Hageren, bei denen die warmen Machinationen des Herzens Zeit haben, sich auf dem meilenlangen Wege zum Kopf abzukühlen! Es sollen daher die langen Knochensysteme, wo nicht allen, doch manchen Tugenden seit jeher viel günstiger gewesen sein, als die mehr zusammen gedrückten und überfleischten. Auch scheint ihr Auge und die ganze Gesichtsform dem Blick ungebildet und roh, so viele Blick-Ableiter sie auch aufgeklebt hat diese Untersuchung zu stören, und überhaupt mehr Ceres als Diana, mag sie auch wohl ehedem auf dieser oder einer andern Tenne etwas Nützlicheres gedroschen haben als Blank-Verse. – Allein so wenig Lehrreiches und überhaupt Sehenswertes diese Göttin für den Archäologen haben mag, so scheint doch gerade ihr jetziger Badhabit vorzüglich den Blick eines Dorf-Aktäons auf sich gezogen zu haben, der linker Hand oben zum Dache hereinguckt. Herr Ireland glaubt, der Kerl säße dort oben, weil er vermutlich das Dach habe ausbessern sollen; ich glaube, er sitzt dort seiner eigenen Besserung wegen. So sind die Ausleger.

Unmittelbar vor Dianen sitzt, noch zur Zeit ohne Blumen und Füllhorn, die Blumen-Göttin Flora und macht ihre Toilette. Die Kerze, womit sie sich den Kopf betalgt, hat sie so eben dem Leuchter aus frischem Lehm geraubt, der umgefallen vor ihr auf dem Boden liegt. In der Rechten hält sie eine Pfefferbüchse,Eigentlich a dredger, eine Büchse, Mehl auf allerlei Dinge zu streuen, während sie im Braten begriffen sind. um Blumenstaub auf das aufblühende Köpfchen zu streuen. Zum Tisch dient ihr ein Deckelkorb, der wenigstens ein Malter Korn fassen könnte, und dieser enthält, wie man aus dem angehängten Zettel sieht, nichts Geringeres als die Juwelen (Jewels) der Gesellschaft. Ein brennendes Licht, das vermutlich zum Anzünden der übrigen bereit steht, ist so nachlässig hingestellt, daß die Flamme desselben das Stroh, worein die Juwelen im Malter-Kassettchen gepackt sind, ergreift, und nicht allein die Juwelen (denn nach den neusten Versuchen verfliegt der Demant im Feuer), sondern dieses ganze Pantheon mit allen seinen Herrlichkeiten auffliegen machen wird, wenn es die Göttinnen nicht bald gewahr werden. Also hier glimmt schon die Rechtskräftigkeit der Parlements-Akte von dem Schicksal selbst angefacht. Vor sich hat sie einen Spiegel stehen, eigentlich ein bloßes Bruchstück, und selbst dieses katoptrische Bruchstück ist nicht ganz, denn es hat hier und da dioptrische Stellen. Gleich dabei liegt das bekannte Instrument, das der Mensch aus dem Zahn des größten Tieres des festen Landes zu schneiden gewußt hat, um die Bisse eines der kleinsten damit zu bekämpfen, der elfenbeinerne Kamm. Und dennoch muß hier der Streit hart und der Sieg oft zweifelhaft gewesen sein, denn er hat sich, wie man sieht, wirklich einige seiner besten Zähne darüber ausgebissen. Zur Ehre der Blumengöttin muß man aber glauben, daß Hogarth hier bloß auf die AphidesDeutsch: Blattläuse. ziele, die bekanntlich oft den jugendlichen Nacken selbst der Königin der Blumen, ich meine der Rose, bedecken. Durch diesen nicht zu hintertreibenden Umgang mit der ersten Zierde des Gartens, erhält dieses Ungeziefer, so wie der Floh und die Stubenfliege, eine Art von Würde; es ist Ungeziefer von Stand. In der Austerschale auf dem Korbdeckel liegt vielleicht gesalzene Pomadebutter, oder, wie einige glauben, Farbe für die Blüten dieses Röschens.

Hinter Dianen steht ein Altar, an welchem sich ein Paar kleine Teufel um einen Krug Porter boxen. Daß es Teufel sind, sieht man bloß an den Hörnern, denn fehlten die an ihren Kapuzen: so machten ein Paar solcher Köpfe und ein Altar eben keinen Kontrast, wenigstens keinen ungewöhnlichen. Man würde sie für ein Paar sehr bekannter Geschöpfe halten, die unter allen Himmelsstrichen gedeihen, und deren Naturgeschichte in zwei vortrefflichen Werken bearbeitet worden ist.Nämlich 1) In Ioannis Physiophili specimen Monachologiae methodo Linnaeana, tabulis tribus aeneis illustratum cum adnexis thesibus e Pansophia P.P.P. Fast etc. 1783. 4. maj. und 2) in Histoire naturelle des Moines écrite d'après la methode de Buffon ornée d'une figure. à Paris 1793. 8vo. Die Gruppe fließt über von bitterer aber fast profaner Satyre, die jedem sogleich einleuchten wird, wenn er Kelch statt Bierkrug setzen will. Zur Ehre Hogarths muß man aber ja bedenken, daß der Spott keine Menschen, sondern bloß Satane in Menschen-Gestalt trifft. Gegen ehrliche Leute hatte Hogarth nie etwas, denn er gehörte selbst mit darunter. Für das zweite trifft er nicht so wohl den Altar, als das Kommando an demselben mit geballter Faust, und endlich so ist das Tischchen nicht einmal ein Altar, sondern eine bloße Ara. Oben drauf liegt und steht noch allerlei; ich glaube ein Stück Brod, oder was es ist; ein Kelchglas, und etwas Virginischer Weihrauch, der aus einer Pfeife aufsteigt, die vermutlich der Trinker, um mit beiden Händen trinken zu können, so eben niedergelegt hat. Auch diese brennende Pfeife liegt ohne Deckel so, daß sie gewiß fallen wird, wenn der angedrohte Fauststoß in Erfüllung geht, und wird alsdann mit dem Licht am Juwelenkästchen gemeinschaftliche Sache machen.

Weiter links, hinter der Ara, beschneidet nun gar ein einäugiges altes Weib einer Katze ihre schönste Zierde mit einer Schere, vermutlich um Blut zu dem Unheil zu gewinnen, das der Dolch, den sie am Mantel trägt, noch diesen Abend in dieser Tragikomödie stiften soll. Die Operation scheint der Alten Vergnügen zu machen, und es kommen über ihrem Lächeln ein Paar Lachzähnchen zum Vorschein, die nicht reizender sein können. Vermutlich sind es aber auch die Allein-Erben der Reize aller ihrer Geschwister, die schon voraus dahingefahren sind. Überhaupt ist in dieser Gruppe viel Zähnespiel; sie werden fast in allen möglichen Bedeutungen gewiesen und gebläkt. Von der Alten um ihrem Lächeln Holdseligkeit zu geben; von der Katze um zu beißen, und von der armen Seiltänzerin, die das Schlachtopfer hält, um ihren Schmerz zu zerknirschen. Sie wird aber Mühe haben damit zu Stand zu kommen, denn die Katze hat nicht allein ihre Hand mit den Zähnen sehr derb gepackt, sondern auch mit den Hinterpfoten die leicht bekleidete regionem hypogastricam derselben, gleich über dem Feigenblätter-Wulst, den das Mädchen als Befriedigung um die Blöße ihrer Beinkleider trägt. Es ist unmöglich diese Dulderin zu betrachten ohne an den Laokoon zu denken. Nicht an die Gruppe im Belvedere, das wäre Beleidigung der höchsten Majestät der Kunst, sondern an den launevollen Kupferstich, worauf Laokoon mit seinen Söhnen durch Affen parodiert wird. Man weiß nicht so ganz genau was die Alte vorstellt. Eine Hexe schwerlich, denn die schneidet keiner Katze den Schwanz ab. Sie könnte selbst in die Umstände kommen. Es ist also wohl der Geist, dessen auf dem Zettel gedacht wird. Wäre dieses, so zielte ja wohl gar der Dolch auf Selbstmord. Noch verdient die Ökonomie der Alten ein Paar Zeilen. Sie schneidet bloß das Ende des Zweigs ab, und läßt den Hauptstamm, trotz der Parlements-Akte, für künftige Trauerszenen stehen. Hier würde der ehrenvolle Trusler ausrufen: merkt euch dieses, o ihr Ökonomen! wenn er fähig gewesen wäre selbst so was zu merken. – So viel von dieser Seite des Stücks, wenigstens von dem Lebenden. Das Tode lassen wir noch. Es soll aber auch noch erweckt werden, und hoffentlich nicht ohne Lebenserhöhung des Lebendigen.

Hinter der Göttin der Keuschheit steht eine Figur mit einer Krone, eigentlich einem Sonnen- oder Sonnenblumen-Rande aus Goldpapier, auf dem Haupt, die einen kleinen, auf einer Leiter stehenden Amor anweist, ein Paar Strümpfe herab zu holen oder zu wenden, die auf den Wolken getrocknet werden. Diese Figur soll Jupiter sein. Alle Ausleger versichern es, und es ist wahrscheinlich, weil sonst Jupiter hier bloß auf dem Komödien-Zettel stehen würde. Sonst trocknet unter den Göttern bekanntlich Phöbus die Wäsche, und der Jupiter pluvius gibt sich bloß mit dem Einweichen ab. Auch einen Phöbus könnte die Figur vorstellen. Allein freilich der Jupiter der Alten ist schwer von hinten zu erkennen. Alles liegt bei ihm an der positiven Seite. Wenn er auch einmal von der negativen angesehen, als Stier erscheint, und dreht bloß den Kopf um, so ist das Numen sogleich wieder da. Leider! kann dieser Stier nicht gedreht werden und mag also für einen Jupiter gelten. Also Zeus verschmäht das Seil und hängt seine Wäsche an einer Donnerwolke auf. Wie groß! So war es mit allem, was er tat. Ihm selbst hängt sie indessen hier etwas zu hoch, und um zu erfahren ob sie trocken ist, schickt er seinen sehr bekannten, geflügelten Diener hinauf, und dieser muß, trotz seiner Flügel, die Leiter nehmen. Auch im gemeinen Leben vertreten oft Leitern die Stelle von Flügeln der Liebe. Ja seine Flügel helfen ihm so wenig, daß er sogar den letzten nur noch dreizölligen Hub mit großer Anstrengung der Zehen verrichten muß. Jedoch hier ist Hogarth so ganz mit vollem Lichte gegen uns gekehrt, daß ihn jede weitere Erklärung nur verhüllen würde. Dem Tone, worin dieses ganze Blatt komponiert ist, gemäß, ist Amor hier weder blind noch nackend. Er sieht recht gut wo andrer Leute Strümpfe sitzen, und trägt die seinigen sogar gewickelt.

Rechts hinter dem Schmuckkästchen steht ein Mädchen von nicht schlechter Gesichtsbildung mit herabhängendem Haar. Es ist vermutlich bloß die Nickhaut der Trunkenheit, die ihren Blick etwas trübt. Dieses ist die Sirene, wie man an dem Fischschwanze sieht, der durch ein Band um ihre Hüfte aufrecht gehalten wird.

Desinit in piscem mulier formosa superne.

Die Physiognomie ist wirklich national und unter dem gesunden Landvolk Englands sehr gewöhnlich. In ihrer Rechten hält sie eine Bouteille, und ist, wie man sieht, im Begriff einer Mamsell d'Eon, die über Zahnweh klagt, und die sogleich der Gegenstand einer epineusen Untersuchung werden wird, einen Schluck Trost zu reichen. Während diese Wasser-Nymphe Branntwein schenkt, ist eine jugendliche Aurora, mit einem blanken Morgenstern vor dem Kopfe, beschäftigt, ihr unter liebevoller Verziehung ihres Goldmündchen einige Wasserinsekten zu knicken, die am Halstuche hängen geblieben sind. Der Stern leuchtet mit vollem Glanz. Es ist noch sehr früh: die Röte grauet nur noch in diesem Auroragesichtchen, und Phöbus wird, mit Butlern zu reden, sein Feuer noch um ein ziemliches näher rücken müssen, um dieses Hummerchen rot zu sieden. Daß eine Wassergöttin Wein schenkt, ist drollig genug. Man könnte die Figur zum Aushängeschild manchen Weinhäusern empfehlen, wenn es eine Weingöttin wäre, die Wasser schenkte.Das so genannte Bierschild, das in manchen Gegenden Deutschlands, zumal auf dem Lande, auch an Häusern aushängt, worin zugleich Wein, wenigstens Branntwein geschenkt wird, drückt in der Tat dieses freundschaftliche Benehmen zwischen Wasser und Wein schon aus. Bekanntlich ist ein gleichseitiges Dreieck auf die Spitze gestellt, das Zeichen des Wassers, hingegen des Feuers, wenn es auf einer der Seiten steht. In dieser Lage verbunden machen sie das Bierschild. Mendelssohns Thetis, die einen Bacchus umarmt. Was ist denn aber nun das für ein Geschöpf, das hier sein Zahnweh mit Branntwein zu töden sucht, und wessen Geschlechts ist es? Wir beantworten die verfänglichste Frage zuerst. Es bedarf wohl nur einer flüchtigen Inspektion, zu sehen, daß es ein Frauenzimmer ist. Das lange Haar, die noch zur Zeit nicht abgewischten Schönpflästerchen, die nicht zu verkennende Breite unter den Hüften hinter der Rocktasche, die ganze Form der Beine und Knie und die Kniehaltung, die jedermann aus Antiken kennt, setzen dieses schier außer allem Zweifel. Man hat von Seiten des Hemdes objiziert. Aber ist denn das Kleid auch weiblichen Geschlechts? Ein Frauenzimmer, das einen Mannsrock anzieht, zieht auch wohl ein Mannshemd an, wenn Manschetten und Krause nötig sind. Sollen sich etwa die armen Teufel hier, denen es schon an Raum für das sichtbare Dekorum fehlt, noch gar des unsichtbaren wegen, eine unerhörte Gattung von Hemden, ich meine hermaphroditische, anschaffen? Vor ihr auf dem Bette liegen die Beinkleider, die sie anziehen soll. Ich fürchte fast, es ist schon ein vergeblicher Versuch gemacht worden. Der Riemen ist ganz aus der Schnalle gezogen, zum Zeichen, daß die größtmögliche Weite noch zu klein war, oder daß man vorläufig die größtmögliche für die einzige hielt, auf die man rechnen darf. Es ist Tatsache, und jedermann, der die Antike auch nicht studiert hat, weiß es, daß sich das niedlichste Weib in den Beinkleidern selbst des vierschrötigsten Mannes um die Lenden immer beengt findet, ja daß es ihr in hundert Fällen gegen einen, ohne die gewaltsamsten Dehnungen und Gedankenstriche im Text gar nicht einmal möglich ist sie anzuziehen. Mit Beinkleidern im figürlichen Sinn, da sie das Sinnbild der Macht sind, und im Hauswesen fast so etwas bedeuten wie die fasces im Römischen Staat, verhält es sich freilich ganz anders. Diese ziehen die verheirateten Damen einige Wochen nach der Hochzeit nicht selten mit großer Leichtigkeit an, und sie sitzen ihnen vortrefflich. – So viel über die erste Frage. Was oder Wen stellt denn nun aber diese Figur vor? Herr Ireland glaubt, sie sei zu einem Ganymed bestimmt, und ich glaube er hat recht. Der Vogel Jupiters unmittelbar vor ihm, erinnert von selbst daran, und Ganymeds Rolle sollte billig immer nur von Mädchen gespielt werden. Lustig ist es, aber wohl für unsern guten Künstler etwas zu gelehrt, daß man Ganymeds Namen gewöhnlich von γανύειν und μῆδος herleitet, wovon der erstere ein freundliches Gesicht zeigen und das letztere so viel als Rat bedeutet. Nun läßt sich aber wohl nicht leicht ein unfreundlicheres Gesicht machen, als hier Ganymed macht, und kein schlechterer Rat erteilen, als er erteilt. Eigentlich erteilt er gar keinen, sondern nimmt umgekehrt einen sehr guten an. Es wäre doch wohl möglich, daß Hogarth an so etwas gedacht hätte. Ein Maler, auch wenn er gar keine Bücher liest, nicht einmal konfiszierte, liest doch wohl einmal ein mythologisches, oder schlägt es wenigstens nach, wenn er einen Gegenstand zu bearbeiten gedenkt, der dahin einschlägt. Hier war es vorzüglich nötig, wo ein verkehrter Himmel vorgestellt werden sollte. Hat aber nun der Mann die Sache nicht eigentlich studiert, sondern nur etwa aus einem Wörterbuche pro tempore erlernt, so ergreift er leicht das minder Bekannte statt des Bekannten. Doch dieses nur im Vorbeigehen.

Unten, in der Ecke rechter Hand, sitzt der Adler, der den Ganymed über die Wolken tragen soll. Es wird ihm sauer werden, wenn anders der unbehoste, etwas schwere Patient hinter ihm, Ganymed ist, so niedrig auch hier die Wolken gehen, und so stark die Flügel des Adlers sind. Jedoch die Flügel der Liebe dort im Hintergrund, die sich noch zu diesen gesellen werden, und ein guter Strick, woran hier kein Mangel ist, überwinden alles. Wohin tragen Leiter und Strick, – und die Flügel der Liebe nicht? Noch trägt der Adler hier eine leichtere und angenehmere Last, als jenen Ganymed, wiewohl in jeder Rücksicht auch einen höchst unfreundlichen Ratgeber. Daß hier der Adler ein Kind füttert, womit er sich vermutlich selbst füttern würde, wenn er etwas mehr wäre als Pappedeckel, tut eine vortreffliche Wirkung. Es ist unmöglich, das Kleeblatt von Köpfen, die hier kontrastiert sind, ohne Lächeln anzusehen. Im Auge des Weibes, es sei nun Wärterin oder Mutter, Geduld und mütterliche Sorgfalt; in dem des Adlers drohender Anspruch auf eine Portion, nicht vom Brei, sondern vom Kinde selbst; beide auf ein kümmerliches Klümpchen von Mamsellen-Masse hingespannt, das nur bloß in dem dunkeln Gefühl des Kontrasts zwischen Raubvogel und Mutter zu leben scheint. Der Adler hat hier keine Krallen, aber dafür Frauenzimmer-Füße. Der Unterschied ist nicht so groß, als er scheint. Es bleiben Fang-Füßchen vor wie nach, wenigstens wird das Schicksal der jungen Hasen durch den Wechsel um nichts gebessert.

Nun sind wir endlich so weit, als wir notwendig sein mußten, um etwas Zweckmäßiges über die Aufschrift des Stücks sagen zu können. Sind dieses nun Komödianten oder Komödiantinnen? Über den Ganymed haben wir bereits entschieden. Also blieben bloß noch Amor, Jupiter und die Teufel. Die letzten sind wohl nicht aus dem schönen Geschlecht. Aber Amor? O! der gehört sicherlich dazu. Ich glaube der Gebrauch ist so gar hergebracht, daß Liebesgötter meistens auf den Bühnen von Mädchen vorgestellt werden, und das ist ein sehr weiser Gebrauch. Wenn ein Knabe den Liebesgott bei uns vorstellt (bei uns, heißt hier: bei unsrer Höhe der Sonne): so kömmt gemeiniglich zu viel Bedeutung in die Rolle oder gar keine. Ich habe beides gesehen, und da hat man dann zwischen leerem Puppenspiel und amour à la Grenadière zu wählen. Hingegen erfüllen die kleinen Mädchen gewöhnlich die Rolle ganz. Sie lernen in Naturangelegenheiten, wobei überhaupt Wissen sehr entbehrlich ist, die Form viel früher kennen, als die Materie, und sind schon dann so richtig, so konsequent, daß das erwachsene Mädchen ein Jahr nach der Konfirmation nichts weiter nötig hat, als die bisherige täuschende Hülle nun nur noch im Geist und in der Wahrheit zu beziehn. Der Knabe, wenn er wirklich männlichen Geschlechts ist, muß immer wissen, ehe er tut, und wie kann ein solches Geschöpf das wissen muß, was es tut, die Liebe vorstellen? Auch, sollte ich denken, wäre, bei diesem Militär, der Sieg eines bloß simulierten Knaben immer sichrer und allgemeiner. Hier siegte er mit dem, was er ist, und dort mit dem, was er bedeutet. Also auch unser Amor könnte wenigstens ein Mädchen sein. So wären denn nun alle Personen, Frauenzimmer, bis auf Zeus und die Teufel, und so Hogarths Aufschrift so gut als gerechtfertigt. Denn ein Beichtvater und ein Paar junge Versucher machen doch fürwahr ein Nonnenkloster noch nicht zu einem Mönchskloster.

Dieses wäre der Knoten gelöst. Zerhauen ist er auch hier viel leichter. Komödiantinnen, die sich ankleiden. Recht gut, könnte man nur sagen, alle die hier im Ankleiden begriffen sind, sind auch bloß Komödiantinnen. So liefe am Ende die ganze Aufschrift auf etwas sehr Gemeines hinaus. – Auf ein Titulchen, dergleichen man Sachen gibt, und Personen sich sogar geben lassen – aus allerlei Absicht. – Was könnte aber hier die Absicht gewesen sein? – O ich habe zu lange über eine Nebensache geredet. – Man frage den Dorf-Aktäon, der weiß es gewiß.

Ehe ich weiter gehe, erlaube man mir eine kleine Betrachtung. So entscheidend ich auch hier über das Geschlecht des Ganymed gesprochen habe, so ist es doch wirklich bloß in der Absicht geschehen, um auch einmal für diese Seite der Frage alles zu sagen, was sich, wie ich glaube, dafür sagen läßt. Sonst sind einige Ausleger, und darunter auch Nichols, gerade für das Gegenteil. Er sieht in dem Auge der kleinen Sirene etwas mehr, als bloß medizinisch-chirurgische Tröstung, nämlich Liebe. Wäre dieses: so ist es freilich ein drolliger Anblick einen Liebhaber, in einem solchen Aufzuge, vor seiner Geliebten stehen und über Zahnweh klagen zu sehen, und der Dienst, den Aurora dem Mädchen bei der Entrevüe erweist, erhöht die Szene noch mehr. Der ungenannte Erklärer hingegen, der, wie mich dünkt, meistens sehr gut trifft, sagt nur ein Paar Worte hierüber, und diese sind ganz für meine Hypothese. Ich greife übrigens dem Urteil der Leser in nichts vor. Ein Teil des Vergnügens, das die Betrachtung der unsterblichen Werke unsers Künstlers gewährt, hängt, so wie bei der von Werken der Natur, mit von der Übung eigner Kraft ab, die noch dabei statt findet. Mich wenigstens hat nicht so wohl das ganz Unverkennbare in dem Witz und in der Laune des Künstlers seit vielen Jahren an seine Werke so sehr gefesselt, als das leicht Verkennbare und das wirklich Verkannte. Wer suchen will, findet immer noch was. Vielleicht war es auch gerade dieser dem Künstler so vorteilhafte Reiz, der ihn abhielt selbst einen Kommentar über seine Werke zu schreiben, so oft er auch von seinen Freunden deswegen angegangen wurde, und so oft er es auch zu tun versprochen hatte. Er hätte sicherlich dabei verloren. Um etwas für recht tief zu halten, muß man nie erfahren wie tief es ist.

Zur Rechten der Göttin der Nacht, wo es wirklich im Ernst etwas dunkel ist, ist allerlei Mutwillen zusammen gedrängt. Auf einem sanften Kissen, dergleichen man auf den englischen Kanzeln sieht, (a pulpit-cushion) ruht eine Bischofsmütze aus. Die Bibelsprüche und Katechismuslehren, die sonst darinnen wohnen mochten, sind fort, und Komödien und Farcen haben sie dafür, wie Sperlinge ein Schwalbennest, bezogen, und vermutlich auch die ersten Bewohner heraus gebissen. Darneben steht eine Laterne von der Art die man im Englischen dark lanterns nennt, eine Blend- oder Blind-Laterne mit einem Drehdeckel. Ich habe sie oben der Göttin der Nacht beigelegt. Ob sie aber nicht vielleicht zur Bischofsmütze gehört, und auf die heilsame Mischung von Licht und Finsternis hinzielt, die zu allen Zeiten aus Leuchten mit diesem patentisierten Drehdeckel hervorströmte, oder ob Diogenes die seinige einmal bei einem Bischofe hat stehen lassen, weiß ich nicht. Gleich dabei hat die Nacht einen dichten Nebel niedergeschlagen. Es ist eine der warmen Haarwolken, unter welchen in England die Sonne des Rechts, wenn sie im Dienst ist, mit ungemeiner Anmut hervorlächelt. Das Jus, wie man sieht, wohnt jetzt nicht darin. Vielleicht ist sie das Interimsnest der Kätzchen, wovon das eine sich mit dem Reichsapfel das andere mit der Lyra amüsiert. – Also Politik und Dichtkunst. – Es ist nicht unangenehm Künste und Wissenschaften so behandelt zu sehen und zum Glück auch nicht sehr selten. Die kleine Dichterin tut, wie man sieht, einen Fehlgriff. Anstatt die Saiten der Leier zu rühren, pfötelt und kratzt sie bloß an dem Resonanz-HornIch weiß nicht ob es allen Dichtern und Dichterinnen bekannt ist, was diese Lyra eigentlich ursprünglich war. Nichts weiter als ein Ochsenschädel, zwischen dessen hohlen Hörnern Hermes vier Saiten aufspannte. Nachher entfernte sich dieses Instrument in Griechenland und Rom immer mehr und mehr von seiner ersten Form, und ward so das Sinnbild dichterischer Begeisterung und das schönste Attribut des Delphischen Gottes. Bald darauf aber fing es, nach dem unbegreiflichen Willen des Verhängnisses und der Mode, an, sich nach und nach seiner ursprünglichen Form wieder zu nähern, und jetzt sollen wirklich schon wieder in Deutschland einige im Gange sein, die völlig klingen wie Saiten zwischen den Hörnern eines Ochsenschädels aufgespannt. und mit wie vielem Anstand mischt sich nicht die kleine Staatskünstlerin in die Regierung der Welt! Beide verdienten unter die Buchdruckerstöckchen aufgenommen zu werden, um damit bald einem Gedichtchen bald einem politischen Träumchen in gewissen Journalen die Aiche aufzudrucken.

Noch erblickt man da einen Strick. Es ist eigentlich der Strang (the halter), und deswegen liegt er so nah bei der Repräsentantin der Justiz. Einem Deutschen könnte diese Erklärung gezwungen scheinen, dem gemeinen Volk in England ist es die natürlichste von der Welt. Obgleich in London mehr mit Stricken gebunden, gepackt und gezogen wird, als an irgend einem Ort in der Christenheit, so erweckt doch ein etwas kurzer dort leicht die Idee von rechtlicher Absicht. Das macht, bei uns sieht man selten henken; dort gehört es mit unter die Circenses. Noch liegt da allerlei Geräte zu Taschenspielerkünsten umher. Ob das auch Fakultäts-Meubeln sind? Schwerlich. Denn wie konnte Hogarth wissen, daß man auch da aus der Tasche spielt?

Noch ein Wort von dem zerbrochenen Ei auf der Bettdecke. Einer der Herren Ausleger glaubt, die Eier überhaupt lägen da, um vermutlich die Stimme der Sirene damit zu schmieren und abzuklaren. Wenn ein Unglück (wozu die unglücklichen Einfälle auch gehören) sein soll, so muß es sich immer fügen. Schwämme das arme Mädchen nicht gerade jetzt bei der Bettlade, so wäre dieser Einfall nie geworden. – Nein! Es zielt offenbar auf die Cochonnerie dieser Leutchen. Was für eine Bettdecke, auf welcher ein Beitrag zur künftigen Mahlzeit schwimmt, und was für eine Mahlzeit, wozu die Beiträge von der Bettdecke geschöpft werden müssen! Wenn überhaupt in einer Haushaltung, wo alles überall ist, noch Abteilungen gedacht werden können, so möchte in diesem Winkel, aus allerlei Umständen zu schließen, die Küche und Speisekammer sein.

Hinter der Aurora sieht man ein Paar Meeres-Wellen mit Kurbeln und Zapfen, wie es sich gehört, im Arsenal zwischen einem Triumphbogen von der einen, und einer Trommel, einer Trompete und einem stumpfen Kehrbesen von der andern, ruhig aufgestellt. Ein Mare pacificum im strengsten Verstand. Die Wogen, die im Dienst sonst horizontal liegen, stehen hier fast vertikal, damit die Gottheiten nicht darüber stolpern, oder sich die Schienbeine daran entzweistoßen. Und das gute, schüchterne Haustier, die Gluckhenne, die sonst schon so ängstlich jammert, wenn nur eins ihrer Stief-Töchterchen, ein Entchen, sich auf eine Pfütze wirft, sieht hier mit der Ruhe einer See-Möwe zu, wie ihre echten Kindlein von Welle zu Welle des wogedonnernden Meeres hinanklettern, als wäre es eine gemeine Hühnerleiter. Oben unter dem Dache sieht man einen Wagen mit Drachen bespannt, wovon der eine unsern Aktäon zurückzischen zu wollen scheint; an der Seite Fahnen und Standarten, neue und alte britische und römische mit der das Ganze krönenden Aufschrift:

SENATVS POPVLVSQVE ROMANVS.

Was sonst noch da herumsteht und liegt; Gerüstböcke, Maler- oder Weißbinder-Zeug, ländliche Szenen frisch vom Borstenpinsel her, ist sehr verständlich. Jedoch verdienen noch zwei Artikel unsere Aufmerksamkeit; der Drachenwagen, und dann die zwei Figuren die dort oben, hinter dem Bund Stroh stecken, wie schon gestohlener Hausrat, oder wie ein Paar Herzen, die sich einander noch erst bestehlen wollen. Von dem Drachenwagen glaubt Herr Ireland, es sei der Wagen der Medea. Nun freilich zu etwas muß er gebraucht werden. Aber warum steht er gerade da oben? Man kann nicht antworten: weil unten kein Platz war: denn, wenn auch unten kein Platz für den Drachenwagen gewesen wäre, so war doch da oben Raum genug für einen drolligen Einfall, und der steckt auch gewiß noch dahinter. Spieen die Drachen Feuer (und das sollten alle Trauerspiel-Drachen, zumal auf Dörfern oder in kleinen Städten und manchen großen, von Rechts wegen), so hätte sie schon allein deswegen Hogarth so nah bei das Stroh und das Dach packen können. Aber sie zischen kalt. – Wäre es nicht wiederum zu gelehrt, so würde ich glauben, es wäre der Wagen der Ceres oder ihres Triptolemus, der bekanntlich auch von Drachen gezogen wird. Ich habe, gleich beim Eingange, diese Scheune ganz unwillkürlich ein Heiligtum der Ceres genannt. Der Ausdruck ist sehr alltäglich. Wie wenn also Ceres bei der Ankunft so vieler höherer Gottheiten hätte aussteigen, und das Dachstübchen wählen müssen, so wie manche Leute in den Leipziger Messen, wenn die Götter ankommen? Getreide und Dreschflegel mußten bei Seite geschafft werden, und dort oben liegen sie auch wirklich beisammen. Aber ist das nicht Ceres mit ihrem Dreschflegel Triptolemus? Doch genug; vielleicht finden die Leser etwas Besseres.

Das verliebte Pärchen hinter dem Stroh und der Fahne, ist der arme, arme Ödipus mit seiner Jocasta. Es steht oben darüber geschrieben. Trusler, der nicht leicht einen Menschen übertrifft, hat sich hier wenigstens selbst übertroffen. Er glaubt, Hogarth habe hierdurch auf das blutschänderische Leben dieser Komödianten angespielt. Was das für ein Einfall ist! Wer den Hogarth nur etwas aus dem Ganzen kennt, den wird sein Gefühl lehren, daß er unmöglich, in einem Stück, das ganz dem unschuldigen Lächeln geheiligt ist, mit einem Gedanken hervorkommen konnte, der mit einem Male durch das Abscheulige, was er enthält, allen Eindruck stören würde. Sind diese Leute Blutschänder, so lacht kein Mensch mehr über sie, man verabscheut sie. Blutvergießer sind sie wohl, wie wir gesehen haben, aber sehr unschuldige, und Sünder mögen sie wohl auch sein, aber gewiß sehr gutmütige, arme Sünder. Die Sache verhält sich so: was dahinten steckt, ist ein Dekorationsstück zum Ödipus des Lee. Herr Nichols merkt an, daß sich beim zweiten Akt dieses Trauerspiels folgende Weisung für den Dekorateur befände: Die Wolke, welche die Häupter der Figuren umgibt, erhebt sich; es zeigen sich Kronen auf denselben, und oben darüber glänzen in großen, goldenen Buchstaben, die Namen: OEDIPVS und JOCASTA. Dieses Szenenstück ist nun aus Mangel an Raum dahinten hin geworfen worden. Da aber Hogarth schlechterdings nichts aufs Geratewohl tut, und, was er wegzuwerfen scheint, immer mit Absicht wegwirft: so hat er freilich, etwas mutwillig, die beiden Leutchen sich dahinten hin verkriechen lassen, als schämten sie sich.

Wenn man das Flattern verschiedener Gewänder in dieser Scheune betrachtet: so läßt sich die Richtung eines Zahnweh- und Schnupfenlüftchens, das hier wehet, leicht verzeichnen. Es scheint durch eine Öffnung neben der rosigten Ehrenpforte seinen Einzug zu halten; wird, nachdem es einen kleinen Abstecher nach der Zahnwehseite Ganymeds gemacht hat, im Gewande der Aurora zum Morgenlüftchen; spielt am hellen Tage etwas mutwillig mit der keuschen Göttin; und teilt sich hierauf in zwei Ströme, wovon der linke das Gewand und den Busen der Juno fächelt, und von dieser Seite das Freie sucht; der rechte hingegen trocknet im Vorbeigehen etwas Wäsche und retirieret sich oben zum Dache hinaus.

Da wir nun dieses Blatt beschaut haben: so ist es vielleicht nicht ganz unnütz, es auch einmal einen Augenblick zu behorchen. Da eröffnet sich gleichsam eine neue Welt von Ordnung und Harmonie. Das Säuseln des Windchens und das Rieseln in Alexanders Helm auch für nichts gerechnet, so fallen hier in die Ohren: die hochtönenden Blankverse der Juno zugleich mit denen der Diana, unterstützt durch den Gesang der leidenden Katze und der Sängerin die sie hält. Alsdann die Verhängnis-Befehle des Donnergottes über ein Paar feuchte Strümpfe, im Akkord mit dem damn ye des Teufels bei der Ara (wenn anders dieses Flickwort für den Teufel ein Fluch ist), und endlich das Zahnwehgewimmer, wiederum im Zusammenklang mit den Klagetönen der kleinen Nachtigall, die der Adler mit Mehlbrei füttert. Wäre hier ein gedielter Boden, so würde ich noch die kleine, muntere Favoritin in Erinnerung bringen, die den Reichsapfel wälzt, das ist eine gar unangenehme Sache für Augen und Ohren, wenn die Favoritkätzchen mit den Regierungsinsignien spielen.

So viel für Auge und Ohr. Den dritten Sinn wollen wir ruhen lassen. Leider! hat Hogarth mehr als einmal sehr schlecht für die Ruhe desselben gesorgt. Vermutlich weil er auch zugleich für die Gemütsergötzung einer Klasse von Menschen sorgen wollte, die etwas andere Gemüter und etwas andere Definitionen von schönen Künsten haben, als wir. Selbst dieses Blatt ist nicht frei von diesem Mutwillen, oder eigentlich dieser Ungezogenheit. Ich fürchte meinen Zensor und schweige daher. Die Leser verlieren ohnehin nichts dabei. Es betrifft bloß eine kleine Insel, und die mag dann ohne Schaden unbekanntes Land bleiben, wie so manche andre Insel auf der Welt, die unendlich viel größer ist.

Das Original-Gemälde dieses Stücks ist gegenwärtig in dem Besitz eines Herrn Wood zu Littelton, der nicht mehr als 26 Guineen dafür bezahlt hat. Herr Riepenhausen hat Hogarths Kopie dieses Mal nicht umgezeichnet, und das, wie mich dünkt, mit sehr vielem Recht. Denn erstlich fällt nun das Licht wieder von der Linken ein, wie es sich gehört; zweitens schneidet nun die alte Frau an der Katze mit der rechten Hand, und drittens näht die Göttin der Nacht mit der Rechten. Hätte man auch annehmen wollen, Hogarth hätte bei der Alten seine Absichten gehabt, ihr die Schere in die Linke zu geben: so war er doch gar der Mann nicht, der von einem so sehr mittelmäßigen Einfall zweimal auf einem und demselben Blatt Gebrauch hätte machen können, und viertens kommen nun Ganymeds Knopflöcher auch wieder an die linke Seite. Wollte man auch da sagen, der Rock wäre ein gewendeter. Lieber Himmel! was für Unsinn ließe sich nicht durch eine solche Hermeneutik rechtfertigen!

Der Bonsens verschlingt alle diese kleinlichen Partial-Hypotheschen mit einem Male, und sagt: Hogarth hat sich die Mühe nicht genommen seine Kopie umzuzeichnen. So kommen auf manchen seiner Blätter Personen vor, die den Degen auf der Rechten hängen haben usw. Aber freilich man muß sich in acht nehmen, denn einige hat entweder Hogarth wirklich umgezeichnet, oder sie sind nie Gemälde gewesen. So verhält es sich gleich mit dem zweiten Blatt dieses Hefts; da sitzt ein Mann, der im Original den Degen auf der Linken hat, dieses mußte umgezeichnet werden. Auch hat er zuweilen seine besondern Absichten: z. B. in seinem Faulen und Fleißigen, legt ein Kerl vor Gericht einen Eid ab und dabei die linke Hand auf die Bibel. Dieses ist Vorsatz, denn gleich dabei schreibt eine Gerichtsperson mit der Rechten.


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