Fanny Lewald
Diogena
Fanny Lewald

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Wie im Rausche vergingen mir die nächsten Tage und Wochen. Anatole war wie ein angezündetes Feuerrad, in rastlos brennender Bewegung. Er liebte mich wirklich; er begriff die tödliche Leere meines armen unersättlichen Herzens, er begriff die Apathie, in die ich versank, wenn ich nicht ewig in immer neuen Emotionen erhalten wurde. Er war erfinderisch, wie nur die wahre Leidenschaft es macht. Unablässig hörte ich von ihm sprechen, und immer in der Weise, welche für uns Frauen so viel Charmes hat. Bald sprach man davon, daß er Unsummen an der Bank pointiert und verloren oder gewonnen habe, bald hatte er, der magnifiqueste Reiter, ein Rassepferd akquiriert, das der Großherzog zu kaufen refusiert hatte, wegen des enormen Preises. Da ich erklärt hatte, daß die impassible Galanterie des Fürsten mir unerträglich sei, und daß mich nur eine Huldigung entzücken könne, die mich wie die Liebe meines Schutzgeistes unsichtbar umschwebe, wußte Anatole tausend Mittel ausfindig zu machen, um in meiner Nähe zu sein und unbemerkt für mich zu sorgen.

Machte man eine Partie auf Eseln, so trat oft der Führer desselben, den ich als einen bezahlten Menschen nicht beachtet hatte, leise an mich heran, als ob an dem Sattelzeuge etwas verdorben sei, und aus dem gewaltigen blonden Barte, der ihn für jedermann unkenntlich machte, fragten mich Anatoles blühende Lippen: »Madonna, schlägt dein Herz?« – Aber Anatoles Anbetung fing an, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen, nur mein Mann schien sie nicht zu bemerken. Fräulein Aurora dominierte als Sonne an seinem Horizonte und blendete ihn so, daß er für mich kein Auge mehr hatte. Mein Stolz war auf das Empfindlichste verletzt. Eines Tages fand mich Anatole in Tränen.

Der Glanz meiner Farben war wie erblichen, mein Antlitz sah wie ein klarer weißer indischer Mousselin aus, den man mit dem zartesten rosenroten Taffet gefüttert hätte; wie leichte blauseidene Plattschnürchen liefen die Adern darunter hin.

»Du weinst, Madonna?« fragte er. »Bist du nicht glücklich durch meine Liebe?«

»Ich liebe dich nicht, Anatole!« sagte ich. »Ich kann dich nicht täuschen. Du bist brillant, du bist sublim als Kavalier, und du liebst mich; aber fühle es, mein Herz klopft ruhig und still. Meine Nerven versinken in ihre frühere Apathie, und in diesem Momente ist es allein der Dépit über meines Mannes Vernachlässigung, der meinem Dasein noch einen Impuls, einen Anschein von Leben gibt. Ach, ich fühle es, ich werde sterben, denn mir fehlt die bewegende Kraft für meine Existenz. Ich schlafe ein vor Unmöglichkeit zu leben.«

»Aber Madonna!« rief Anatole in Verzweiflung, »du empfindest nichts, nichts? Und ich verzehre mich in Gluten, die deine Schönheit anfacht, deine Blicke nähren! Du erwiderst den Druck meiner Hand, du duldest meine flammenden Küsse – und du liebst mich nicht! Du sagst, du empfändest nichts? Aber was soll ich denn tun, damit du lebst, statt zu sterben?«

»Lehre mich lieben! Lehre mich fürchten und hoffen, aufjauchzen und verzweifeln, laß mich die ganze Skala der Sensationen durchlaufen in dem Gedanken an dich und mache, daß dies nie, niemals ende, und wie eine Sklavin ihrem Herren will ich dein eigen sein.«

Anatole kreuzte die Arme über der Brust, sah mich mit einem langen dezidierten Blicke an, sagte mit gepreßter Stimme. »Leb wohl, Diogena!« und sprang vom Balkon, auf dem ich saß, hinunter in den Garten.

Ein furchtbares Zittern durchflog meine Nerven. Ich schickte, als ich mich erholt hatte, meinen Diener in die Wohnung des Vicomte, mich nach seinem Befinden zu erkundigen; man brachte mir die Antwort, er sei heimgekehrt, dann ausgegangen, und seine Domestiken packten seine Sachen, da er in einer Stunde abreisen werde.

Ich blieb ruhig und kalt wie immer. Er war mir eine Zerstreuung gewesen, nichts mehr, nichts weniger. Dennoch fehlte er mir am Morgen, und die Frage meines Mannes, wo mein Cavaliere servente geblieben sei, die Auskunft, welche die Gesellschaft von mir über sein Verschwinden verlangte, hatten in der Tat etwas Embarrassierendes.

Ich hielt mit aller Sicherheit einer Weltfrau Contenance, und Fürst Callenberg und Lord Ermanby benutzten den Zeitpunkt, ihre nicht beachteten Prätensionen geltend zu machen. Ich war nicht in der Stimmung, sie zu encouragieren, dennoch nötigte mich meine wunderbare Position dazu. Von meinem Manne gänzlich negligiert, von Servillier urplötzlich verlassen, mußte ich die sehr auffallende Lücke durch eine neue Wahl füllen und Servilliers Abreise dadurch motivieren.

Des Fürsten war ich gewiß. Er war eine jener seltenen Naturen, die niemals ihren Posten verlassen; ich war so gewiß, ihn zu finden, wie den Reflex meiner Person in dem ungetrübten Glase eines Spiegels, und zudem lag in dem wunderlichen Wesen des Lords ein je ne sais quoi, das mich agacierte.

Er selbst war dermaßen ennuyiert und blasiert, daß es fast das non plus ultra dieses Genres war; aber ich habe nie einen Mann besser gekleidet gesehen als ihn, nie einen Mann gekannt, der so vollkommen Gentleman war als er. Er hatte nie versucht, sich an die Stelle meines Mannes zu drängen, solange er mich in gutem Einverständnis mit diesem wähnte, nie daran gedacht, die Rechte streitig zu machen, welche ich Servillier später zugestand. Dazu war er zu delikat, aber dennoch glaubte ich, daß er sie beneide, daß er mich liebe und daß ein Blick, ein Wort von mir ihn glücklich und elend machen könne.

Als Servillier abgereist war und ich am nächsten Morgen auf der Promenade des Lords Arm annahm, war er ganz bewildert von diesem Glücke und nahm es als ein Signal, mir von nun an ausschließlich seine Zeit zu weihen. Anfangs quälte mich sein Phlegma unbeschreiblich, seine grenzenlose Schweigsamkeit impatientierte mich, bald aber fand ich darin einen Reiz, den ich nie in der Impetuosität des Vicomte empfunden hatte. Was kann ein Mann uns sein, der uns unablässig die Gefühle seines Herzens enthüllt, der nichts Verborgenes in seiner Seele hat, den wir auswendig wissen?

Mit dem Lord war das ein anderes. Er sprach halbe Tage lang gar nicht, und da ich dennoch fest von seiner Liebe überzeugt war, so lag ein eigentümlicher Zauber für mich darin, in seinem stillen, kalten Antlitz nach den Gedanken, nach den Gefühlen zu spähen, von denen er bewegt war. Oft saß er mir dann Stunden hindurch gegenüber, und der schaukelnde Stuhl und ein leises Gähnen verrieten mir, daß er lebe. Ich respektierte dies Gähnen; es war nicht, wie bei meinem Manne, das Gähnen nach der Arbeit und Ermüdung des Tages, das Gähnen der Teilnahmslosigkeit, das mich so unsäglich in ihm beleidigt hatte; es war jenes erhabene Gähnen der Blasiertheit, der Leere, der tödlichsten Langeweile, das mir sympathisch war, das ich vollkommen begriff. Oh, und es ist auch ein Unterschied zwischen dem Gähnen des Liebhabers und dem Gähnen des Ehemannes! Das eine reizt unsere Eitelkeit, das andere vernichtet sie; das eine belebt uns, das andere ist der Tod.

Lord Ermanby's Blasiertheit interessierte mich, denn sie war der Reflex meiner eigenen Leiden. Ich hatte Erbarmen mit ihm, ich beschloß, alles daran zu setzen, diesen Unglücklichen zu galvanisieren durch die Macht meiner Gefühle, ich wollte ihn glücklich machen und darin vielleicht selbst eine Befriedigung finden.

Man sprach in jenen Tagen unablässig von Servilliers Verabschiedung und von meiner neuen Liaison mit dem Lord. Mein Mann mochte es für angemessen halten, mich darüber zur Rede zu setzen, und trat eines Abends mit aller Majestät eines beleidigten Gatten in mein Zimmer, als Rosalinde grade einem neu engagierten Kellner die Arrangements für meinen Teetisch zu machen zeigte.

Der Graf hieß die Dienerschaft sich zu entfernen, der Kellner zögerte, und es frappierte mich, daß er mit einer Art von Angst abwechselnd den Grafen und mich betrachtete; indessen währte das nur einen Moment, da Rosalinde ihn mit sich hinauswinkte. Kaum waren wir allein, als der Graf sich förmlich in Position setzte, um mir in aller Form zu imponieren.

»Diogena!« sagte er, »wir sind kaum zwei Monate verheiratet, und schon ist jedes Band der Liebe zwischen uns zerrissen. Wie soll das werden für die Zukunft?«

»Handle nach deinem Belieben, wie du es ja auch jetzt tust! Oder hindere ich dich etwa, dem blonden Fräulein zu folgen von früh bis spät?« sagte ich stolz.

»Du bist prächtig in diesem Stolze, Diogena!« fuhr Bonaventura auf »Du! Du wagst es, mir Vorwürfe zu machen? Und war es nicht deine kapriziöse Kälte, war es nicht deine ganz wahnsinnige Exigence, die mich von dir trieben und meine Neigung für dich erkalten machten? Zwei Monate sind wir verheiratet, und schon ist der Vicomte verabschiedet und der Lord an seine Stelle getreten, des immobilen Fürsten nicht zu gedenken!-

»Und wer will es mir verargen, wenn ich in der Immobilität des Fürsten mehr Reiz finde als in deiner Beweglichkeit, die sich durch den geringsten Schatten am Himmel meiner Liebe verscheuchen läßt?« fragte ich spöttisch, denn es indignierte mich, daß Bonaventura, der mir kein Glück gewährt hatte, es wagte, mir Vorwürfe zu machen, weil ich es anderwärts suchte.

»So wirst du es begreiflich finden, daß ich wenn schon nicht Glück, so doch Zerstreuung suche und Herrn von Elsleben und Aurora auf einem Ausflug in den Elsaß begleite, bei dem ich deine Anwesenheit nicht fordere. Auch bist du ja unter dem unwandelbaren Schutze des unwandelbaren Fürsten und also besser geborgen als durch die Liebe eines wankelmütigen Mannes wie ich! – Ich reise morgen früh!«

Mit den Worten verließ er mich, und ich trat auf den Balkon hinaus, der in den Garten ging, da sah ich den Lord lang ausgestreckt auf einer Bank unter meinem Fenster liegen, das Lorgnon in das rechte Auge geklemmt, die Zigarre im Munde, sehnsüchtig nach meinem erleuchteten Fenster emporblicken. Er stand auf, grüßte mich und ging von dannen. Der Gruß tat mir wohl, denn in jener Stunde bedurfte ich eines Liebeszeichens, weil ich traurig war.

In der Morgendämmerung hörte ich den Wagen des Grafen über den Hof rollen und seine Stimme verschiedene Befehle geben. Nun war ich allein, ich fühlte mich frei wie in den Tagen vor meiner Verheiratung und beschloß eine Morgenpromenade zu machen. Ich schellte nach Rosalinde, der neue Kellner kam mir zu melden, sie sei in der Nacht erkrankt und der Arzt geholt, der ihr befohlen habe, im Bett zu bleiben. Das desappointierte mich, indessen machte ich selbst meine Toilette und ging aus mit dem Befehle, den Lord zum Frühstück zu mir einzuladen.

Ich war noch nicht tausend Schritt von unserm Hotel entfernt, als der Fürst erschien, mir seinen Arm und seine Dienste anzubieten. So anerkennenswert diese ewig wache, unermüdliche Fürsorge auch sein mochte, so war es mir in dieser Stunde fatal, daß ich keinen Moment ohne ihn sein konnte, sobald ich mein Zimmer verließ, und in ziemlich übler Laune sagte ich: »Aber um Gottes willen, lieber Fürst! Sind Sie denn wirklich mein Schatten? Kann ich denn nie sicher vor Ihrer Begleitung sein? Nie einen Augenblick allein der Natur genießen?«

»Oh, meine Gräfin!« sagte er, »tun Sie, als existierte ich nicht. Sie sind allein, wenn Sie es sein wollen, und ich bin da, wenn Sie es begehren.«

»Aber werden Sie es denn nicht müde, mir ohne Lohn, ohne Hoffnung zu folgen, nichts zu tun, nichts zu denken als –«

»Oh, meine Gräfin! Ich tat und dachte niemals etwas, auch ehe ich Sie sah, und jetzt denke ich an Sie.«

»Und das befriedigt Sie?«

»Vollkommen!«

»Und Sie fragen sich nie, ob –«

»Ich frage mich nichts. Ich sehe Sie an, Sie sind schön, und ich folge Ihnen, um Sie anzusehen. Der Graf, der Vicomte berauben sich freiwillig dieses Glückes, so genieße ich es dreifach. Und nun gehen Sie allein spazieren, ich folge Ihnen in einiger Entfernung, aber nur so fern, daß mein Blick Sie erreichen kann, denn Sie sind schön, meine Gräfin!«

»Unbegreiflich!« sagte ich zu mir selbst. »Ich gehe aus, die Liebe zu suchen, und finde die Treue – aber das ist bleiches Silber für strahlendes Gold!« Ich versank in schwermütige Träumereien und wanderte fort, weit über Lichtental hinaus, dem kleinen Wasserfalle zu, und wieder zurück nach Baden, ohne daß der Fürst sich mir genähert oder ein Wort mit mir gesprochen hätte. Als ich die Treppe vor meinem Hotel erreicht hatte, sah ich, wie er, eine starke, schwerfällige Gestalt, sich mit dem Batisttuche die Stirn trocknete und erschöpft auf einer Bank Platz nahm, von der aus er meine Fenster und die Türe des Hotels beobachten konnte.

Ich erkannte mein Zimmer nicht wieder, als ich es betrat. Es war auf das Eleganteste mit Blumen dekoriert, und ein superbes Album mit meinem Namen lag auf meinem Schreibtische. Ich schellte dem Kellner und fragte, wer die Sachen hierhergebracht hätte. Er behauptete, sie wären ihm von einem Gärtner gebracht worden, mit dem Bemerken, ich hätte sie gekauft.

Gleich darauf kam der Lord. Da er nicht frappiert schien durch die Blumenflora, die am Tage vorher nicht vorhanden gewesen war, drängte sich mir natürlich der Gedanke auf, daß es eine Galanterie von ihm sei, und ich beeilte mich, ihm dafür zu danken.

Er hatte sich in eine Couchette geworfen und sah mich mit seinem gewohnten kalten Blicke an. »Wovon sprechen Sie, teure Gräfin!« fragte er, »ich verstehe Sie nicht.«

»Von der liebenswürdigen Attention, welche Sie für mich an diesem Morgen gehabt haben, von den Blumen, welche ich Ihrer Güte verdanke, und von dem superben Album.«

»Haben Sie Blumen erhalten?«

»Aber mein Gott, Mylord, sehen Sie denn nicht, daß mein Zimmer in ein kleines Indien verwandelt ist?«

»Ich habe mich nicht umgesehen und bin Indien sehr gewohnt!« antwortete er ruhig, während er sein Toast mit Butter bestrich, da man indessen das Déjeuner serviert hatte.

»So waren Sie es nicht, dem ich die angenehme Überraschung verdanke?«

»Unmöglich, teure Gräfin! Ich habe bis jetzt geschlafen.«

»Bis jetzt? In diesem wundervollen Wetter?«

»Wundervolles Wetter ist mir sehr indifferent, nur schlechtes Wetter ist mir horrid. Zudem sind die Tage so lang!«

»Aber die Welt ist auch groß und schön!« sagte ich.

»Oh, teure Gräfin! Ich kenne die Welt schon, ich habe sie schon zweimal umschifft, habe alles gesehen, nun kann ich doch nicht immer von neuem anfangen. Das ist langweilig für mich, und darum verschlafe ich gern einen Teil des Tages! Das ist bequem!«

»Und Sie sehnen sich nach keiner andern Existenz?« fragte ich ihn, förmlich erschüttert durch seine Ruhe.

»Wie kann ich mich nach etwas sehnen, das ich für unmöglich halte? Aber lassen Sie den Tee nicht zu lange brühen, teure Gräfin! Das macht ihn ungenießbar.«

»Ah!« rief ich, erfreut davon, daß dieser Mann doch wenigstens in dieser Kleinigkeit die Spur eines Wollens oder Nichtwollens verriet, »so ist Ihnen doch nicht alles gleichgültig, Mylord!«

»Alles bis auf den Komfort!« sagte er, behaglich den Tee schlürfend, den ich ihm präsentiert hatte.

Es entstand eine lange Pause, er trank mit großem Genusse, und ich betrachtete ihn mit Staunen. Ich fand die Resignation adorable, mit der er ein so trostloses Dasein wie das seine ertrug. Ich fing an, ihn zu achten, ihn zu beklagen; plötzlich fiel mir ein Gedanke sternenhell in die Seele, und schnell sagte ich: »Beantworten Sie mir eine Frage. Wenn Ihnen alles indifferent ist, wenn nichts Sie fesselt, welches Interesse haben Sie, mir zu folgen?«

»Die Neugier, teuerste Gräfin!«

»Die Neugier?« wiederholte ich.

»Ja! Die Neugier zu wissen, wie Sie ein gleiches Schicksal wie meines, dem Sie entgegengehen, ertragen werden. Es ist langweilig, blasiert zu sein und doch zu leben, es erfordert Kraft, Heroismus, und ich möchte wissen, ob Sie die haben.«

»Und was werden Sie tun, Mylord?« fragte ich.

»Leben!« antwortete er und tranchierte ein Kotelett.

Mir schauderte, und der Lord imponierte mir. Ich gestand ihm das freimütig.

»Das wundert mich nicht«, entgegnete er, »das ist mir schon oft begegnet, aber es freut mich von Ihnen, dabei empfinden Sie doch etwas, und das gönne ich Ihnen.«

»Und Sie empfinden nichts? Gar nichts, Mylord? Sie haben keinen Wunsch?«

»O doch! Ich möchte mit Ihnen zusammen sterben. Ich dachte es mir gestern, als ich Sie abends so schön dastehen sah, in der Lampenbeleuchtung, welche aus Ihrem Fenster auf den Balkon fiel. Sie sind die schönste Frau, die ich seit langem erblickte. Ich möchte wissen, wie dieses schöne Antlitz in der Agonie des Todes aussieht; ich möchte wissen, was ich empfände, hätte ich das schönste Weib umgebracht, um deren Besitz andere Männer alle Torheiten der Welt begehen würden – und wüßte ich das, dann, glaube ich, möchte ich selbst sterben wollen, weil ich dann nichts mehr finden möchte, was meine Neugier reizte.«

»Oh! Du bist entsetzlich, Mann!« rief ich zitternd vor nie gefühlter Emotion, »aber du bist ein Mann! Warum fanden wir uns nicht früher? Warum lernte ich dich nicht kennen, als dein Männerherz noch nicht alle seine Pulsschläge des Wollens, des Wünschens und Begehrens verlernt hatte, als noch die Liebe dir das Leben zur Lust machen konnte? Oh, das Fatum ist unerbittlich in diesem entsetzlichen Zuspät! Eine Gigantenseele existierte hienieden, und ich fand sie zu spät! Aber warum kamst du nicht früher, warum fanden wir uns nicht?«


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