Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Viertes Kapitel.

Scipio will Gil Blas'n mit einer reichen Goldschmidtstochter verheirathen; was für Wege zu dem Ende eingeschlagen werden.

Eines Abends, als meine Gäste fortgegangen waren, und ich mich mit Scipio'n allein befand, fragte ich ihn, was er gemacht habe? »Einen Meisterstreich! Ich gehe damit um, Ihnen eine recht reiche Partie zu verschaffen; bin gesonnen, Sie mit einer Goldschmidtstochter von meiner Bekanntschaft zu verheirathen.«

Einer Goldschmidtstochter! rief ich mit einer verächtlichen Miene! Hast Du den Verstand verloren! Mir ein Bürgermädchen anzutragen. Wenn man gewisse Verdienste besitzt, und sich bey Hofe auf einem gewissen Fuß befindet, dünkt mich, muß man höhere Absichten haben.

Ey, Sennor, stimmen Sie den Ton um's Himmelswillen nicht an, erwiederte Scipio. Bedenken Sie, daß vom Mann allein der Adel herkömmt, und seyn Sie hierin nicht delicater, wie tausend andre vornehme Herren, die ich Ihnen nennen könnte. Wissen Sie wohl, daß das Mädchen wenigstens hunderttausend Ducaten mitkriegt. Gelt, das ist ein hübsches Stückchen Goldschmidtsarbeit? 27

Als ich von einer so großen Summe hörte, wurd' ich geschmeidiger. Ich ergebe mich, sagt' ich zu meinem Secretär. Wann soll ich das Geld einstreichen? Belieben Sie Sich nur ein wenig zu gedulden, mein Herr, antwortete er mir. Ich muß erstlich mit dem Papa darüber sprechen, und ihn dahin zu bringen suchen. Bravo! rief ich mit lauter Lache, noch auf dem Fleck! Da ist's mit der Heirath noch ziemlich weit im Felde.

»Nicht so weit, als Sie denken. Ich will nur eine Stunde mich mit dem Goldschmidt unterredet haben, und ich steh' Ihnen für seine Einwilligung. Doch vorher wollen wir, eh' wir weiter gehen, einen Vertrag aufrichten, wenn's Ihnen beliebt. Wofern ich Ihnen nun hunderttausend Ducaten verschaffe, wieviel bekomm' ich davon ab?« Zwanzigtausend! versetzt' ich. Gott Lob und Dank! sagte er. Ich hatte mir nur auf die Hälfte Rechnung gemacht. Sie sind noch einmahl so großmüthig wie ich. Nun wohlan! morgen will ich meine Unterhandlung beginnen, und morgen soll sie auch zu Stande seyn, oder ich bin ein Erzpinsel.

Zwey Tage nachher sagt' er in der That zu mir: Ich habe mit dem Sennor Gabriel de Salero gesprochen, so hieß der Goldschmidt; hab' ihm Ihr Ansehen und Ihre Verdienste so herausgestrichen, daß er meinem Antrage, Sie zum Eidam anzunehmen, ein geneigtes Ohr 28 geliehen hat. Sie sollen seine Tochter mit hunderttausend Ducaten bekommen, wenn Sie ihm augenscheinlich darthun, daß Sie des Ministers Gunst besitzen.

Wenn's nur daran liegt, sagt' ich zum Scipio, so werd' ich bald verheirathet seyn. Doch sag' mir, hast Du das Mädchen gesehen? Ist sie schön? »So schön nicht, wie ihre Mitgift. Unter uns gesagt, sehr liebenswürdig ist dieß reiche Mädel eben nicht. Zum Glück werden Sie Sich auch daraus nichts machen.«

Wahrlich nichts im geringsten, mein Kind! versetzt' ich. Wir Hofleute heirathen ja nur um zu heirathen. Schönheit suchen wir nur bey den Weibern unsrer Freunde, und finden wir sie ja von ungefähr bey den unsrigen, so achten wir darauf so wenig, daß sie nicht unrecht thun, wenn sie uns dafür bestrafen.

Das ist noch nicht alles! versetzte Scipio. Sennor Gabriel stellt heut' Abend Ihrethalben ein Gastgeboth an. Wir haben Abrede genommen, daß Sie Sich von der bevorstehenden Heirath nichts sollen merken lassen. Er wird verschiedne Kaufleute von seinen Freunden dazu bitten; Sie werden Sich als ein bloßer Gast einstellen, und morgen wird er auf eben die Art zu Ihnen kommen. Sie sehen hieraus, daß er ein Mann ist, der nicht die Katz' im Sacke kaufen mag, Sie erst ausstudieren will, eh' er sich mit Ihnen einläßt. Sie werden wohl thun, 29 wenn Sie ein wenig auf Ihrer Hut stehen. Pah! pah! sagt' ich mit einer zuversichtlichen Miene, mag er mich doch examiniren, solang er will, ich kann dabey nicht anders als gewinnen.

Dieß wurde Punct für Punct ausgeführt. Scipio brachte mich zum Goldschmidt, der mich so vertraulich empfing, als hätten wir uns schon oft gesehen. Es war ein guter ehrlicher Spießbürger, der mich mit seinen Höflichkeiten fast zu Tode marterte.

Er stellte mich der Sennora Eugenia und der jungen Gabriela, seiner Tochter, vor. Ich machte ihnen Complimente in Menge, ohne gegen die Tractaten zu handeln; sagte ihnen in den zierlichsten Ausdrücken, mit den hofmännischsten Wendungen lauter Nichts.

Gabriela schien mir, Trotz dem, was mein Secretär gesagt, kein unebnes Frauenzimmer; es mochte nun entweder daher kommen, weil sie ausserordentlich geputzt war, oder weil ich sie bloß durch das Fernglas der Ausstattung ansahe. Ein treffliches Haus, des Sennor Gabriel's seyns! Ich glaube, die Bergwerke von Peru sind weniger silberhaltig, als dieß Haus war. Wo man nur hinblickte, sah man dieß Metall unter tausend verschiednen Gestalten. Jedes Zimmer, besonders das, wo wir speisten, faßte einen Schatz in sich. Eine herrliche Augenweide für einen Schwiegersohn! 30

Sennor Gabriel hatte, um seinem Gastmahle noch mehr Ansehen zu verschaffen, fünf bis sechs Kaufleute dazu eingeladen; lauter gravitätische, stocksteife Gesellen, wobey einem Zeit und Weile lang wurde; die von nichts sprachen als von Handlungssachen, so daß man sich eher in einer Börse, als bey einem freundschaftlichen Gastgebothe zu befinden glaubte.

Den folgenden Abend bewirthete ich den Goldschmidt. Da ich ihn nicht durch mein Silbergeräth blenden konnte, nahm ich zu einem andern Gaukelspiel meine Zuflucht. Ich hatte diejenigen von meinen Freunden eingeladen, die am Hofe die beste Figur machten, und die ich als Ehrgeizige von schrankenlosen Wünschen kannte. Diese Leute sprachen von nichts denn von Größ' und Herrlichkeit, von glänzenden und Einträglichen Posten, nach welchen sie strebten.

Das wirkte. Den Bürger Gabriel betäubten die Plane und angeblichen Aussichten dieser HochfliegerHochflieger von unserm trefflichen Büsch nach dem Englischen: High Flier gemacht, für eine Person, die gar zu hohe Meinungen und Ansprüche hegt, oder die zu hoch hinaus will. – A. d. Uebers. dermaßen, daß er sich, ungeachtet seines großen Vermögens, gegen die Herren gehalten einen sehr unbedeutenden Wicht fand. Ich meiner Seits spielte den Mann von 31 Mäßigung, und sagte: ich würde mit wenigem fürlieb nehmen, so mit zwanzigtausend Ducaten jährlicher Einkünfte.

Mit solcher Lumperey wollen Sie Sich gnügen lassen? schrien diese nach Ehr' und Reichthümer heißgierigen Leute. Daran thäten Sie sehr unrecht, so beliebt wie Sie bey dem Oberstaatsminister sind, können Sie's weit höher dringen. Der Schwiegervater verlor von alle dem kein Wort, und ich glaubte beym Weggehen in seinem Gesichte zu lesen, daß er höchst vergnügt war.

Scipio ermangelte nicht, den folgenden Morgen zu ihm zu gehen, und ihn zu fragen, wie ich ihm gefiele. O ganz über die Maßen! gab der alte Bürger zur Antwort. Ich bin ihm von Grund der Seele gut geworden. Aber Herr Scipio, setzte er hinzu, ich beschwöre Sie um unsrer alten Bekanntschaft willen, halten Sie mit nichts hinterm Berge. Jeder Mensch hat bekanntermaßen sein Steckenpferd. Was ist denn so Sennor de Santillana seins? Spiel oder Mädels? Welches ist denn so sein lahmes Bein? Beichten Sie mir hübsch rein heraus.

Mit einer solchen Frage beleidigen Sie mich, Sennor Gabriel, erwiederte ihm der Heirathsmäkler. Ich bin mehr auf Ihrer Seite, als auf meines Herren seiner. Würd' ich ihn wohl Ihnen zum Schwiegersohne vorgeschlagen haben, wenn er ein Laster an sich 32 hätte, wodurch er Ihre Tochter unglücklich machen könnte? Nein, mein Seel! dazu sind Sie mir zu lieb und werth. Unter uns gesagt, meines Herren Fehler ist der, daß er gar keinen hat. Für einen so jungen Herrn ist er viel zu ehrbar.

Um so besser, versetzte der Goldschmidt, mir um so lieber. Soll sie gewiß kriegen meine Tochter, ganz gewiß, und wenn er auch beym Minister nicht so hoch am Brette wäre, als er ist. Das könnt Ihr ihm nur in meinem Nahmen sagen.

Sobald mir mein Secretär diese Nachricht gebracht hatte, eilt' ich zum Salero, um ihm für so gütige Gesinnungen zu danken. Er hatte seiner Frau und Tochter seine Willensmeinung bereits bekannt gemacht, und ich schloß aus ihrer Aufnahme, daß sie seinem Verlangen ohne Sträuben unterthan wären.

Ich führte meinen Schwiegervater zum Herzog von Lerma, den ich den Tag zuvor schon darauf vorbereitet hatte, und stellte ihm selbigen vor. Se. Excellenz empfingen ihn auf's allergnädigste, und bezeigten Ihre Freude, daß er einen Mann zum Eidame gewählt, dem Sie sehr gewogen und zu befördern gesonnen wären. Hierauf breiteten Sie Sich über meine gute Eigenschaften aus, und sagten soviel Vortheilhaftes von mir, daß der guten, ehrliche Gabriel in meiner Sennorschaft die beste Partie 33 für seine Tochter in ganz Spanien gefunden zu haben meinte.

Vor Freuden traten ihm Thränen in's Auge, und wie wir auseinander gingen, drückt' er mich fest an seine Brust, und sagte zu mir: Ich bin so ungeduldig, Herr Sohn, Sie als Gemahl von meiner Gabriele zu sehen, daß Sie's auf's allerspäteste in acht Tagen seyn sollen.

 


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