Nikolaus Lenau
Gedichte
Nikolaus Lenau

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Wanderung im Gebirge

(1830)

Erinnerung
              Du warst mir ein gar trauter, lieber
Geselle, komm, du schöner Tag,
Zieh noch einmal an mir vorüber,
Daß ich mich deiner freuen mag!
 
Aufbruch
Des Himmels frohes Antlitz brannte
Schon von des Tages erstem Kuß,
Und durch das Morgensternlein sandte
Die Nacht mir ihren Scheidegruß:

Da griff ich nach dem Wanderstabe,
Sprach meinem Wirte: »Gott vergelt
Die Ruhestatt, die milde Labe!«
Zog lustig weiter in die Welt.

 
Die Lerche
Froh summte nach der süßen Beute
Die Biene hin am Wiesensteg;
Die Lerche aus den Lüften streute
Mir ihre Lieder auf den Weg.
 
Der Eichwald
Ich trat in einen heilig düstern
Eichwald, da hört ich leis und lind
Ein Bächlein unter Blumen flüstern,
Wie das Gebet von einem Kind;

Und mich ergriff ein süßes Grauen,
Es rauscht' der Wind geheimnisvoll,
Als möcht er mir was anvertrauen,
Das noch mein Herz nicht wissen soll;

Als möcht er heimlich mir entdecken,
Was Gottes Liebe sinnt und will:
Doch schien er plötzlich zu erschrecken
Vor Gottes Näh – und wurde still.

 
Der Hirte
Schon zog vom Wald ich ferne wieder
Auf einer steilen Alpenwand;
Doch blickt ich oft zu ihm hinnieder,
Bis mir sein letzter Wipfel schwand.

Da irrten Küh am Wiesenhange;
Der Hirte unterm Kieferdach
Hing still bei ihrem Glockenklange
Dem Bilde seines Liebchens nach.

 
Einsamkeit
Schon seh ich Hirt und Herde nimmer,
Ein Lüftchen nur ist mein Geleit;
Der steile Pfad wird steiler immer,
Es wächst die wilde Einsamkeit.

Dort stürzt aus dunkler Felsenpforte
Der Quell mit einem bangen Schrei,
Enteilt dem grauenvollen Orte,
Hinab zum freundlich grünen Mai.

Verschwunden ist das letzte Leben,
Hier grünt kein Blatt, kein Vogel ruft,
Und selbst der Pfad scheint hier zu beben,
So zwischen Wand und Todeskluft.

Komm, Gottesleugner, Gott zu fühlen;
Dein Frevel wird auf diesem Rand
Den Todesabgrund tiefer wühlen,
Dir steiler türmen diese Wand! –

 
Die Ferne
Des Berges Gipfel war erschwungen,
Der trotzig in die Tiefe schaut;
Natur, von deinem Reiz durchdrungen,
Wie schlug mein Herz so frei, so laut!

Behaglich streckte dort das Land sich
In Ebnen aus, weit, endlos weit,
Mit Türmen, Wald und Flur, und wand sich
Der Ströme Zier ums bunte Kleid;

Hier stieg es plötzlich und entschlossen
Empor, stets kühner himmelan,
Mit Eis und Schnee das Haupt umgossen,
Vertrat den Wolken ihre Bahn.

Bald hing mein Auge freudetrunken
Hier an den Felsen, schroff und wild;
Bald war die Seele still versunken
Dort in der Ferne Rätselbild.

Die dunkle Ferne sandte leise
Die Sehnsucht, ihre Schwester, mir,
Und rasch verfolgt ich meine Reise
Den Berg hinab, zu ihr, zu ihr:

Wie manchen Zauber mag es geben,
Den die Natur auch dort ersann;
Wie mancher Biedre mag dort leben,
Dem ich die Hand noch drücken kann!

 

Das Gewitter
Noch immer lag ein tiefes Schweigen
Rings auf den Höhn; doch plötzlich fuhr
Der Wind nun auf zum wilden Reigen,
Die sausende Gewitterspur.

Am Himmel eilt mit dumpfem Klange
Herauf der finstre Wolkenzug:
So nimmt der Zorn im heißen Drange
Den nächtlichen Gedankenflug.

Der Himmel donnert seinen Hader;
Auf seiner dunklen Stirne glüht
Der Blitz hervor, die Zornesader,
Die Schrecken auf die Erde sprüht.

Der Regen stürzt in lauten Güssen;
Mit Bäumen, die der Sturm zerbrach,
Erbraust der Strom zu meinen Füßen;
Doch schweigt der Donner allgemach.

Der Sturm läßt seine Flügel sinken,
Der Regen säuselt milde Ruh;
Da sah ich froh ein Hüttlein winken
Und eilte seiner Pforte zu.

 
Der Schlaf
Ein Greis trat lächelnd mir entgegen,
Bot mir die Hand gedankenvoll
Und hob sie dann empor zum Segen,
Der sanft vom Himmel niederquoll;

Und ich empfand es tief im Herzen,
Daß Zorn der Donner Gottes nicht;
Daß aus der Weste leichten Scherzen
Wie aus Gewittern Liebe spricht.

Und einen Labebecher trank ich
Und schlich, wohin die Ruh mich rief,
Hinaus zur Scheune; müde sank ich
Hier in des Heues Duft – und schlief.

Was mich erfreut auf meinen Wegen,
Das träumt ich nun im Schlafe nach;
Und träumend hört ich, wie der Regen
Sanft niederträufelt' auf das Dach.

Süß träumt es sich in einer Scheune,
Wenn drauf der Regen leise klopft;
So mag sichs ruhn im Totenschreine,
Auf den die Freundeszähre tropft.

 
Der Abend
Die Wolken waren fortgezogen,
Die Sonne strahlt' im Untergang
Und am Gebirg der Regenbogen,
Als ich von meinem Lager sprang.

Da griff ich nach dem Wanderstabe,
Sprach meinem Wirt ein herzlich Wort
Für Ruhestatt und milde Labe
Und zog in stiller Dämmrung fort.

 


 


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