Hans Leifhelm
Hahnenschrei
Hans Leifhelm

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Vor Ostern

        Kornelkirschen blühn und es klingt aus den Hecken
Der Pfiff der Meisen, der Tauwind weht,
Die Wasser erglänzen in schimmernden Becken,
Und über die braunen Wiesen geht
Ein blasser Falter – o frühes Wagen,
Wie wirst du den Reifhauch der Nacht ertragen.

Des Haselstrauchs Narben erglühen purpuren
Und harren, daß goldener Staub sie betaut,
Die Rinnsale gehen wie tickende Uhren
Und künden lallend des Frühlings Laut,
O zages Gurren der wilden Taube,
Begrabene Stimme im modernden Laube.

Im falben Gesträuche geistern die jungen
Feuchtglänzenden Amseln mit hüpfendem Husch,
Wie Boten, der dunkelsten Tiefe entsprungen,
Blankäugige Wesen im raschelnden Busch,
Zugvögel nahen mit schwirren Akkorden
Und ziehen in rauschenden Wolken nach Norden.

Es tropfen der Fichten breitschirmende Plachen,
Buntröckige Spechte beginnen ihr Spiel,
Schlagwerker der Lüfte, sie trommeln und lachen
Und wecken die Schläfer im Waldasyl,
Die Buchen erwachen, die Knospen springen,
Es hallt in den Stämmen geheimes Klingen.

Der Abend kommt mit berückender Kühle,
Betörender duftet der Seidelbast,
Es spielen goldene Strahlen am Bühle,
Es glüht des Faulbaums bleifarbener Ast,
In Nacht versinken azurene Hügel,
Die Eulen gespenstern mit lautlosem Flügel.

Der Waldkauz ruft aus dem nächtlichen Schweigen
Wie Stimme, die tief in Grüften wohnt,
Dann siehst du am Horizonte steigen
Im gelben Glaste den Frühlingmond,
Gleich goldener Biene, vom Bernstein umründet,
Magisches Zeichen, das Ostern verkündet.

 


 


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