Johann Caspar Lavater
Von der Physiognomik
Johann Caspar Lavater

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XLI.
Nase.

Nasen, an beyden Seiten mit vielen Einschnitten, die bey der geringsten Bewegung sichtbarer werden, und bey der völligsten Ruhe nicht ganz unsichtbar sind – sind ein Zeichen eines schwerfälligen, drückenden, oft hypochondrischen, oft boshaft-schalkhaften Sinnes.

XLII.
Nase.

Nasen, die sich leicht und alle Augenblicke rümpfen, sind so wenig an ächt-guten Menschen – als Nasen, die sich kaum rümpfen könnten, wenn sie auch wollten, an erzbösen Menschen zu finden seyn werden.

Wenn die Nasen, die sich nicht nur leicht rümpfen, sondern schon eingegrabne Rümpfe haben, an guten Menschen gefunden werden – so sind diese gutgesinnten Menschen Halbnarren.

XLIII.
Nase.

Aufgeworfne Nasen an rohen, cholerischen Menschen, unter hohen, dennoch unten vorgebognen, verständigen Stirnen, bey verhängender Unterlippe – sind gemeiniglich unerträglich hart, und furchtbar despotisch.

XLIV.
Nase.

Hundert aufgestülpte Nasen sind an sehr klugen, besonders talentreichen Köpfen – sobald aber die Nase sehr klein ist, und eine (uneigentliche) Oberlippe hat, oder sie einen gewissen Grad der Stumpfheit überschreitet, so kann kein andrer Zug des Gesichts sie rektifizieren.

44. Nase.
»Hundert aufgestülpte Nasen sind an sehr klugen, besonders talentreichen Köpfen –«

XLV.
Wangenzug.

Der Zug vom Naseläppchen gegen das Ende des Mundes ist einer der bedeutsamsten.

Von seiner Schweifung, seiner Länge, seiner Nähe oder Entfernung vom Munde hängt die Sichtbarkeit des ganzen Charakters ab.

Ist er bogenförmig, ohne Nüance und Undulation, so ist es ein sicheres Zeichen von Dummheit.

So auch, wenn sein Aeußerstes, ohne Zwischenraum, an's Ende der Lippe gränzt.

So auch, wenn er sich vom Ende der Lippe weit entfernt.

XLVI.
Wangenzug.

Wenn bey'm Lächeln sich drey parallele, zirkelförmige Bogen bilden, so sind Fonds von Narrheit in dem Charakter eines Menschen.

XLVII.
Mund.

Jeder Mund, der völlig einmal so breit ist, als das Auge, ist der Mund eines Dummkopfs – das heißt, von der Spitze gegen die Nase, bis an's innere End' des Augapfels; beyde Breiten nach demselben flachen Maaße gemessen.

47. Mund.
»Jeder Mund, der völlig einmal so breit ist, als das Auge, ist der Mund eines Dummkopfs –«

XLVIII.
Mund.

Wenn die Unterlippe mit den Zähnen die Hälfte der Mundbreite im Profil horizontal vorsteht, so rechnet, je nach den übrigen Nüancen, auf eins von allen vieren, oder auf alle vier –

Dummheit, Rohheit, Schalkheit, Geitz.

XLIX.
Mund.

Nimm nie nichts an, wider einen Menschen, der schweigend und sprechend, horchend und fragend, antwortend und erzählend, lachend und weinend, trauernd und fröhlich – einen, entweder gratiosen, oder doch arglosen Mund hat, der immer in schöner Proportion bleibt, und nie einen fatalen Schalkszahn sehen läßt – Wer aber mit den Lippen, besonders der einen Hälfte der Oberlippe zittert, und dies Zittern zu verbergen sucht, dessen Spott kann dir zwar lehrreich, aber er wird tief-verwundend für dich seyn.

L.
Mund.

Alle Disproportion zwischen Ober- und Unterlippe ist ein Zeichen der Narrheit oder Bosheit.

Die weisesten und beßten Menschen haben proportionierte Ober- und Unterlippen.

Gar große, auch proportionierte Lippen, zeigen immer einen krassen, sinnlichen, indelikaten – auch wohl dummen oder boshaften Menschen.

LI.
Mund.

Wer Verachtung auf den Lippen hat, der hat keine Liebe im Herzen.

Wessen Lippen Ende sich merklich und geschweift abwärts senken, der hat Verachtung auf den Lippen, und Lieblosigkeit im Herzen – besonders, wenn die Unterlippe größer und verhängender ist, als die obere.

LII.
Lippen.

Wie die Höhle in der Mitte der Unterlippe, bey einem sonst nicht geistlosen Menschen; so die Laune, so die witzreiche Schalkheit, so die Kälte des Herzens, so die lauernde Arglistigkeit.

LIII.
Mund.

Wenn bey einem sonst geistreichen und kraftvollen Menschen unfern vom Mittelpunkt der Mittellinie des Mundes eine Oeffnung ist, die sich kaum oder gar nicht schließt, und den Zahn sehen läßt, auch wenn der Mund beschlossen ist – so ist dies ein Zeichen kalter, unbarmherziger Strenge, hohnlachender Bosheit, die sich wohlthut durch Wehethun.

LIV.
Mund.

Scharf-gezeichnete, lippenlose, sich an den Enden aufwärts ziehende Mittellinie des Mundes, unter einer im Profil anzusehenden, bogigen (uneigentlichen) Oberlippe, von der Nase an gerechnet, sind selten anders, als bey schlauen, aktifen, industriosen, kalten, harten, schmeichelnden, und terrassierenden – Geitzhälsen.

LV.
Mund.

Der ist sicherlich böse, der lacht, oder das Lachen zu verbergen strebt, wenn von Leiden eines Armen, oder den Fehlern eines Guten die Rede ist.

Solche haben gemeiniglich wenig Ober- oder Unterlippe, eine scharf-geschnittene Mittellinie des Mundes die an beyden Enden sich unangenehm aufwärts ziehet, und furchtbare Zähne.

LVI.
Mund.

Ein kleiner, schmaler Mund, unter einem kleinlichen Nasloch, und einer zirkelbogigen Stirn, ist immer leicht erschreckbar, furchtsam-blöde, schwach-eitel und unberedt – Kommen große, hervorstehende, unhelle Augen dazu, und ein ablanges, beinernes Kinn, so dürft ihr – besonders bey offnem Munde – des Blödsinns noch sicherer seyn. Doch, ist's nur beynahe so, so sind die Charakter häuslich, brauchbar und fromm.

LVII.
Kinn.

Wenn das Kinn dezidiert-klug ist, so hast du sicherlich einen ganz klugen.

Das Kinn ist dezidiert-klug, das in der Mitte etwas eingebogen oder gebrochen ist; dessen unterer Theil etwas vorsteht, und das mit verschiedenen Nüancen, Einkerbungen, Zügen markiert, und unten in der Mitte etwas vertieft ist.

Ein langes, breites, grobes Kinn – ich rede vom beinernen Kinne – ist nur an rohen, harten, stolzen und gewaltthätigen Menschen.

LVIII.
Stirn und Mund.

Sieh auf die Stirn mehr, als auf alles andere, wenn du das wissen willst, was der Mensch von Natur ist, oder nach seiner Natur werden kann – und auf seinen ruhenden, beschlossnen Mund, wenn du wissen willst, was er worden ist. – Der offne Mund zeigt den gegenwärtigen Moment der Habitualität. Ein ruhig, unangespannt, zwanglos beschlossener Mund, mit proportionierten Lippen, unter einer charakteristischen, zurückgehenden, zarten, sanften und beweglich-hautigen, schön-linierten, nicht scharf gefurchten Stirn, sey dir ein Heiligthum.

LIX.
Dummheit.

Jedes Gesicht ist dumm, dessen Mund im Profile so breit ist, daß die Entfernung des Auges, vom obern Auglied an gerechnet, bis zur äußersten Spitze des Mundes, diese Breite nur zweymal hat.

LX.
Dummheit.

Jedes Gesicht ist dumm, dessen Untertheil, von der Nase an gerechnet, sich durch die Mittellinie des Mundes in zwey gleiche Theile theilet.


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