Friedrich Christian Laukhard
Magister F. Ch. Laukhards Leben und Schicksale – Band II
Friedrich Christian Laukhard

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Einundzwanzigstes Kapitel

Basel. – Die Basler Stadtsoldaten. – Die Bettelherberge. – Erlebnis auf dem Rathaus. – Grobe Schweizer. – Eine großmütige Dame. – Nil desperandum! – Freiburg im Breisgau. – Ich nehme Dienste bei den Emigranten. – Ettenheim. – Prinz Rohan und seine Maitresse. – Kardinal Rohan. – Unser Heldenkorps. – Mehr Offiziere als Soldaten. – Ich desertiere von den Emigranten. – Ich nehme Dienste bei den schwäbischen Kreistruppen der Reichsarmee. – Ich werde zum Unteroffizier befördert. – Der Korporalstock. – Meine Besucher und ihre Speisekörbe. – Grausame Bestrafung von Spionen. – Spießrutenlaufen. – Brief an den Kronprinzen von Preußen. – Abschied von der Reichsarmee.

Es war eben dämmerig, als ich mit einem andern preußischen Deserteur, den ich schon bei Besançon getroffen hatte, ans Tor zu Basel kam. Die Wache fragte nach Pässen, da wir aber keine mehr hatten, so bekamen wir einen Soldaten zur Begleitung. Die Basler Stadtsoldaten machen eine sehr tragische Figur, und ich kann mich nicht genug wundern, daß ich in gewissen Briefen über die Schweiz die schönen roten Soldaten der Stadt Basel loben höre. Der Verfasser hat, wie viele Reiseschreiber, aus seiner Kutsche oder aus dem Fenster seines Gasthofes, worin er logiert hat, seine Bemerkungen angestellt, und da hat er einige von den roten Schweizern, welche ehedem in Frankreich gedient hatten, gesehen und sie für Baseler Stadtmiliz gehalten. Die echten Basler Stadtsoldaten sind schmutzige Kerls mit blauen Röcken, blauer Hose und blauer Weste, oder wie sonst die Preußen sagten, als noch die Garnisonregimenter existierten: dreimal blau und neunmal des Teufels.

Unser Stadtsoldat führte uns zu einem Kommissar, der unsere Namen usw. in ein großes Buch einschrieb und uns sofort nach der Bettelherberge schickte. Es ist nämlich zu Basel Mode, daß alle Fremden, welche über Nacht da bleiben wollen, sich entweder als wirklich Reisende, d. i. für ihr Geld zehrende Personen, dadurch qualifizieren, daß sie sich in ein namhaftes Gasthaus einquartieren, oder aber, daß sie sich auf die Bettelherberge bringen und da einsperren lassen.

Ich war sehr müde, und es kümmerte mich also wenig, ob ich auf der Bettelherberge oder sonstwo schlief; ich war ja der elenden Nachtlager schon seit sehr langer Zeit gewohnt worden. Und ob ich schon keine Ursache habe, mit dem Betragen der Basler Herren gegen mich zufrieden zu sein, so danke ich ihnen doch hier öffentlich für ihr Brot, ihre Erbsensuppe und ihre zwei Schweizerbatzen, womit sie mich reguliert haben.

Auf der Herberge war es ein Leben, wie man es an einem solchen Orte erwarten kann. Ungefähr acht Deserteure, die aus Frankreich zurückkamen, waren unsere Gesellschaft, nebst einigen Elsässer Flüchtlingen, die in ihr Land zurück wollten. Wir mußten auf der bloßen hölzernen Pritsche liegen, weil man wegen des Ungeziefers kein Stroh auf die Herberge bringen durfte. Ich lagerte mich auf den Tisch. Der Lärm in dieser Gesellschaft war unaufhörlich, doch aber freute ich mich, die deutschen Deserteure immer besser kennen zu lernen. Sie sprachen von nichts als von den Bubenstücken, die sie während ihres Aufenthalts in Frankreich verübt hatten, und rühmten sich ihrer nach dem Grundsatz, daß man sich an so einer Nation nicht versündigen könne. – Ein Emigrant aus Toul in Lothringen, der auch da war, schäkerte mit einem Bettelmädchen, das uns gleichfalls Gesellschaft leistete, unanständig genug. Als ich ihm sagte, daß er wenig Geschmack haben müßte, mit so einem Wesen schön zu tun, antwortete er: » Que voulez-vous? Il faut prendre ce qu'on trouve sur ses pas« – und griff wieder nach dem zerlumpten und schmutzigen Bettelmädchen.

Früh kam der Herr Vater oder der Oberaufseher über die Herberge, gab uns unser Geld, jedem zwei Batzen, und hieß uns abmarschieren. Ich trennte mich sofort von meiner Nachtgesellschaft, lief durch einige Straßen und begaffte die Häuser und Menschen, wie einer tut, der zum erstenmal in eine so berühmte Stadt kommt, wie Basel ist. Sodann ging ich aufs Rathaus, wohin man mich gewiesen hatte, um einen Paß nach Zürich zu bekommen.

Hier traf ich in einer nach recht gotischem Geschmack eingerichteten Stube einige Herren, welche mich derb anfuhren und im impertinentesten Ton alle zugleich fragten, was ich schaffe, d.i. haben wollte?

Ich: Meine Herren, ich habe Sie gehorsamst ersuchen wollen, mir einen Paß nach Zürich zu geben, wohin ich gewisser Absichten wegen gerne gehen wollte.

Die Herren (alle zugleich und im echten, unerträglichen Schweizerton): Nein nein, daraus wird nichts! Der Herr sieht aus wie ein Vagabund. Nein, aus dem Paß wird nichts!

Ich: Meine Herren, ich bin kein Vagabund. Ich habe ehemals dem König in Preußen gedient und möchte den Herrn Professor Ulrich und den Herrn Geßner in Zürich besuchen.

Die Herren (wie zuvor, aber immer lauter): Nein nein, daraus wird nichts! Der Herr kommt aus Frankreich, und wer aus Frankreich kommt als Deserteur oder als Gefangener, darf in der Schweiz nicht reisen. Jetzt geh' der Herr!

Ich ärgerte mich über die impertinente Grobheit der Basler Herren und schob ab, ohne ein Wort weiter zu verlieren.

Hier will ich im Vorbeigehen bemerken, daß die meisten Schweizer in ihrem Lande ebenso impertinent, stolz und grob sind, als sie sich in fremden Ländern biegsam, artig und fein zu betragen suchen. In ihrem Lande dünken sie sich Könige und sehen stolz herab auf Fremde, zumal arme. – Diese Anmerkung haben schon mehrere Reisende gemacht. Hätte ich aber doch Geld geben können, ich würde gewiß einen Paß erhalten haben, denn kein Sprichwort ist richtiger als das alte: »Kein Geld, kein Schweizer«.

Auf der Straße, nicht weit vom Rathaus, fragte mich ein Franzose nach etwas, worüber ich ihm keine Auskunft geben konnte, und ich wollte eben weitergehen, als eine Dame mit der französischen Kokarde an ihrem Kopfzeuge mir zurief, ob ich eben jetzt aus Frankreich käme. Ich antwortete mit ja, und sie fuhr fort, zu fragen, wo in diesem Lande ich mich denn aufgehalten hätte. Als ich nun unter mehreren Städten auch Mâcon nannte, so bat sie mich, zu ihr hereinzukommen. »Du siehst fatal um die Beine herum aus, Citoyen,« sagte sie: »du hast, wie es scheint, wohl auch kein Geld, dir Schuhe anzuschaffen? Nun, so sollst du Schuhe haben; ich bin auch aus Mâcon und betreibe hier einige Geschäfte. Setze dich.« Ich gehorchte und erzählte ihr dieses und jenes aus Frankreich, auch manches von meinen eigenen Geschichten; sie hörte mir mit Aufmerksamkeit zu und bewirtete mich indessen mit Wein, Brot und Knoblauch. Es wurde ein Schuster herbeigerufen, der mir ein Paar Schuhe anprobieren mußte; sie paßten, und die Dame bezahlte sie. Dann gab sie mir ein Paar Strümpfe und noch ein recht gutes Hemd von ihrem Mann. Ihr Bedienter mußte mich hernach in den Gasthof »Die wilden Männer« bringen, wo ich auf ihre Kosten gespeist und beherbergt wurde. Hier erfuhr ich, daß diese Dame und ihr Mann sich schon einige Zeit in Basel aufhielten und da mit Pferden handelten, welche sie in Deutschland, ja sogar von den österreichischen Offizieren und Kommissarien aufkauften und ihren Franzosen mit schwerem Profit wieder abließen. Man versicherte, daß die Leute mehr als eine halbe Million Livres durch den Pferdehandel gewonnen hätten. Ich gönnte der edlen Frau ihren Gewinn, ob ich gleich die Untreue jener Oesterreicher verabscheuen mußte, die ihren Kaiser so schändlich betrogen.

Der preußische Gesandte Graf von Golz war kurz vorher in Basel gestorben, und dessen Nachfolger war noch nicht angekommen; ich konnte also von dieser Seite auf eine Unterstützung und einen Paß nicht rechnen und war daher genötigt, meine Wanderung nach Zürich aufzugeben und mich weiter nach Deutschland hinein zu schleppen. – Nach Halle wollte ich nicht eher, als bis ich ganz gewiß wüßte, daß ich die preußische Uniform nach meiner Zurückkunft nicht weiter tragen sollte.

Nachdem ich einmal entschlossen war, ging ich den anderen Tag früh zu meiner Dame, dankte ihr für ihre Güte und erhielt noch einen Kronentaler auf die Reise. Diese Dame vermehrte meinen Kommentar zu dem Sprüchelchen: Nil desperandum!

Hierauf begab ich mich zu dem Kaiserlichen Kapitän, welcher sich in Basel aufhielt und den Auftrag hatte, die aus Frankreich zurückkommenden Soldaten mit Pässen nach Lörrach zu versehen. Der edle Mann fertigte mir sogleich einen Paß aus, instruierte mich, wie ich mich bei den Vorposten usw. zu verhalten hätte, und beschenkte mich noch mit einem Zwanziger. Und so verließ ich Basel und bedauerte weiter nichts, als daß ich die dortigen Herren auf dem Rathause wegen eines Passes begrüßt hatte. Möchten diese Herren nur noch lernen, forthin nichts zu übereilen, und einzusehen, daß hinterm Berge auch Leute wohnen!


Das Städtchen Lörrach liegt anderthalb Stunden von Basel und gehört dem Markgrafen von Baden. In dieser Gegend wächst vieler Wein, der auch damals nicht sehr teuer war. In Lörrach stand ein starkes kaiserliches Kommando, bei dessen Oberst ich mich meldete und ganz gut aufgenommen wurde: denn damals dachte man noch nicht daran, daß Preußen und Frankreich so bald Friede machen würden. Der Oberst sagte mir, daß ich nur immer ausruhen möchte, er wollte mir einen Quartierzettel geben lassen; und wirklich kam ich in eine Mühle zu liegen, deren Eigentümer ein großer Verehrer des vorigen Königs von Preußen war und mich also gut behandelte. Ich erhielt hier auch kaiserliches Traktament, welches, wie der Obrist sagte, sein Herr meinem König berechnen würde.

Die Emigranten lagen hier auf Werbung und machten sich auch an mich; ich hatte aber keine Lust, unter dem Gesindel zu dienen, und brach also kurz ab.

Am 28. Februar 1795 zog ich mit einem kaiserlichen Kommando von zwei Mann, welche 29 fremde Soldaten begleiten sollten, von Lörrach und kam den 2. März in Freiburg an. Der dortige Platzmajor hatte die Güte, mir ein Quartier in dem ehemaligen Dominikanerkloster anzuweisen, und schickte mich nachher zum General von Alwinzi, den ich um einen Paß nach Frankfurt am Main ansprach. Der General war sehr artig und beschenkte mich über mein Erwarten, aber den Paß nach Frankfurt schlug er mir ab, aus Gründen, die ich selbst billigen mußte. Er erlaubte mir indes, noch zu bleiben, bis ein Kommando nach Heidelberg gehen würde, mit welchem ich alsdann fortkommen sollte.

In Freiburg war ein gewisser Marquis d'Aunoy, der für den Prinzen Rohan, oder vielmehr für der Engländer Geld, Rekruten anwarb. Ich traf diesen Marquis, der sonst ein artiger, äußerst feiner Mann war, in einem Gasthaus vor der Stadt an. Er war nicht als Offizier gekleidet, und ich hielt ihn für einen simpeln Emigranten, aber er entdeckte sich mir bald kenntlicher. Er versprach mir 10 Louisdor oder 60 Taler in Gold und sogleich die Stelle eines Unteroffiziers, wobei ich jeden Tag 24 Kaiserkreuzer Traktament und 2 Pfund Brot haben sollte; auch könnte ich auf Avancement rechnen usw. Das Ding gefiel mir, und da man mit mir wie mit einem Kinde leicht machen kann, was man will, ich es auch müde war, auf das Kommando nach Heidelberg in Freiburg länger zu lauern oder mich auf Kosten anderer weiter durchzuschlagen und dabei Gefahr zu laufen, gewaltsamen, österreichischen Werbern in die Klauen zu fallen oder von den Preußen wieder in preußische Uniform gesteckt zu werden, so schlug ich ein und ward – Soldat bei den Emigranten!

 

Der Marquis d'Aunoy beschied mich auf den andern Tag in dasselbige Gasthaus und verbot mir, in der Stadt etwas von unserer Abrede zu erwähnen. Es war ihm nämlich nicht erlaubt, zurückgekommene Leute anzuwerben, welche vom kaiserlichen General in Freiburg Quartier und Löhnung erhalten hatten: diese mußten jedesmal zu ihren Armeen gebracht werden.

An einem Sonntag ging ich mit einem Sergeanten von den Emigranten aus Freiburg ab, kam gegen Abend nach Ettenheim, sieben gute Stunden von Freiburg, schlief im Wirtshaus, und den anderen Tag führte man mich zum Prinzen Rohan und zu seinem Onkel, dem Kardinal Rohan, ehemaligen Bischof von Straßburg. Der Prinz ist ein wahrer Laffe, gerade wie man sich nur einen simpelhaften Geck von Emigrierten denken kann; er springt, singt, trällert und faseliert herum, wie ein Geschöpf seiner Art es nur vermag. Der Kardinal hat mir etwas besser gefallen. Ich dachte da einen alten abgemergelten Wollüstling zu sehen, der die Spuren seiner Ausschweifungen auf dem Gesichte trüge, denn ich hatte von dem Herrn Kardinal viel Skandalöses gehört und gelesen. Allein ich fand ein wirklich ehrwürdiges Gesicht eines schon in den Jahren stehenden hohen Prälaten der römischen Kirche. Sein anständiges Wesen und seine schön modulierte Stimme würden mir Ehrfurcht eingeflößt haben, wenn ich nicht gewußt hätte, daß er schon durch die fatale Begebenheit mit dem Halsbande und durch grobe Verletzung des Völkerrechts an der traurigen Revolution auch stark schuld gewesen ist.

Er unterhielt sich lange mit mir, und auf mein Geständnis, daß ich lutherisch sei, sagte er: »Das ist einerlei! Die Liebe zum Guten macht die wahre Religion, der Name tut dazu nichts.« Ich wunderte mich, einen katholischen Bischof, dessen Hirtenbriefe zu Anfang der Revolution ganz anders lauteten, so reden zu hören. Aber einige Tage darauf, als ich einem Benediktiner zu Ettenheimmünster diese Aeußerung des Kardinals erzählte, belehrte mich dieser eines Bessern, indem er sagte, der Kardinal habe als Prinz wenig Theologie studiert; er wisse also nicht recht, wie wichtig der wahre Glaube sei usw.

Ettenheim ist ein ganz hübsches Städtchen, welches nebst etwa 20 diesseits des Rheins gelegenen Ortschaften dem Bischof von Straßburg zugehört. Diese Ländereien sind auch das einzige, was dem Kardinal von allen seinen Herrlichkeiten übrig geblieben ist, denn seine großen Güter in der Bretagne, seine Besitzungen im Elsaß, ja sogar seine Mobilien hat die Nation für eine gute Prise erklärt.

Der Staat, den der Kardinal damals machte, war gering – ein Mainzer Domherr hat sonst größeren gemacht. Doch standen noch Soldaten vor dem Schloß Schildwacht. Eine von den Mätressen des Prinzen habe ich auch gesehen: es war ein dickes Saumensch aus dem Emigrantengesindel und, wie ich gehört habe, die Frau eines gewesenen Pächters, welche der Prinz von Rohan-Guémené ihres Reichtums wegen unterhielt und sich von ihr Geld vorschießen ließ.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Ettenheim ging ich nach Ettenheimmünster, einer überaus reichen Benediktinerabtei, wo der Sammelplatz des Regiments sein sollte. Unser ganzes Korps bestand damals aus ungefähr 30 Mann, meist verlaufenem Gesindel, wobei ich denn, nach der Zusage des Marquis, sofort als Korporal angestellt wurde. Wir erhielten leinwandene Hosen und eine Kapotte, weiter aber nichts, denn man wußte selbst noch nicht, was für eine Uniform man uns geben sollte. Unser Kommandeur war der Prinz von Rohan; außer diesem waren noch zwei Kolonels, fünf Kapitäne und mehr andere Offiziere ernannt, welche aber nicht bei uns, sondern in Ettenheim logierten. Auf diese Art hatten wir beinahe mehr Offiziere als Soldaten.

Bei uns war so der rechte Auswurf der Menschheit. So klein der Trupp auch war, so hatten wir doch Deutsche, Holländer, Italiener, Spanier, Polen und Franzosen. Einer davon hatte nur ein Auge, und einer war vorne und hinten buckelig. Verschiedene davon hatten Weiber bei sich; dabei war denn ein Leben, wie ehemals zu Sodom.

Als ich zu den Emigranten stieß, trug ich noch meinen Rock nach französischer Art mit republikanischen Knöpfen. Der Adjutant forderte, ich solle ces foutus boutons abschneiden. Als ich ihm aber sagte, daß ich kein Geld anwenden würde, neue zu kaufen, so gab er mir einen neuen Taler, und ich schnitt die Knöpfe ab.

Wir erhielten täglich zur Löhnung: der Gemeine 16, der Korporal 24 Kreuzer und jeder 6 Kreuzer Brotgeld, welches indes wegen der großen Teuerung nicht zureichte. Damit aber die Leute ihr Geld nicht auf einmal versaufen sollten, so gab man ihnen die Löhnung jeden Tag früh. Da die Mannschaft nichts zu tun hatte, so versoffen die Kerls ihre Löhnung in Wein, aßen etwas Brot dazu und legten sich hernach auf die Bärenhaut schlafen oder gingen auf die nächsten Dörfer stehlen und rauben.

Ich für mein Teil lebte ziemlich ruhig und befand mich meistens in Ettenheim, wo ich mit dem Kanonikus Sebastiani, der von Strasburg flüchtig geworden war, Bekanntschaft gemacht hatte. Dieser Herr liebte ein gut Glas Wein und die Zotologie, und so war ich eben kein unrechter Gesellschafter für ihn.

Es vergingen wenig Tage, daß nicht einige von unseren Leuten wegliefen; sie hatten nur ungefähr eine Stunde bis ins Badische, und dort hatten die Emigranten nichts mehr zu befehlen; ihre Requisition wurde dort durchaus nicht respektiert. Ich hatte vom Marquis d'Aunoy die Versicherung erhalten, daß man mir fünf Louisdor gleich und fünf nach Verlauf von sechs Monaten zahlen würde. Allein ich erhielt nur 4 Laubtaler, indem der Adjutant sagte, er habe nicht mehr in der Kasse. Damit ließ ich mich anfänglich auch abspeisen und lebte von meinem Traktament oder 30 Kreuzern täglich. Als ich aber nachher noch einen Laubtaler forderte und der Adjutant mir geradezu sagte, ich sei nun Korporal, und als Korporal müßte ich ohne Handgeld par honneur dienen, da dacht' ich: so hole der Geier eure honneur! und faßte sofort den Entschluß, bei der ersten Gelegenheit abzufahren, sobald nur bessere Witterung einträte. Ich sagte niemand von meinem Vorhaben, ja ich bemühte mich vielmehr, einigen Eifer für die Einrichtung unseres lieblichen Korps zu zeigen, lehrte die Rekruten das Gewehrputzen u. dgl., so daß der Adjutant mich versicherte, er wolle mich dem Prinzen empfehlen, und dieser würde mich stehenden Fußes zum Sergeanten machen.

Eines Tages aber schickte mich der Adjutant in Geschäften nach Ettenheim, wo ich über Nacht bleiben mußte, und ich benutzte diese Gelegenheit, und ging mir nichts dir nichts gegen Abend aus Ettenheim die gerade Landstraße nach Offenburg, ohne daß mir ein Haar wäre gekrümmt worden.


Vor dem Tore zu Offenburg kehrte ich ein in die »Krone«, nahm etwas zu mir und fand da mehrere Soldaten von dem Regiment des Prinzen Ludwig von Baden. Ich erkundigte mich nach dem Dienst der schwäbischen Kreistruppen und fand ihn nicht übel. Ich ließ mir indes nichts merken, und die Soldaten schienen auch gar nicht an Rekrutieren zu denken. Endlich ging ich in die Stadt und wurde bei dem Baron von Sandberg, der damals das badische Regiment als Oberster kommandierte, gemeldet. Dieser äußerte einige Bedenklichkeiten, daß ich durch die große kaiserliche Armee am Rhein nicht ungehindert kommen würde, doch sprach er kein Wort, um mich zu halten. Einen Patz möchte ich mir vom Adjutanten geben lassen. Ich ging und sah mich nach einem Quartier um. Hier überlegte ich, daß der Prinz von Baden ein Freund unseres Kronprinzen ist, daß folglich, wenn ich nur erst vom Thaddenschen Regiment meinen Abschied hätte, Seine Hoheit es beim Prinzen Ludwig leicht und mit einer einzigen Zeile bewirken könnte, mich ungehindert nach Halle ziehen zu lassen. Diese Gedanken nebst der Ueberlegung der großen Schwierigkeiten, die mir bevorstanden, wenn ich damals hätte weiter wandern wollen, bestimmten mich, schwäbische Dienste anzunehmen. Ich wollte mich indessen nicht selbst anbieten; ich machte es wie die Mädchen, die gern einen Mann hätten, ließ mich suchen und ging zu diesem Behufe herum auf den Straßen. Herr von Triebelborn, Leutnant bei der Kompanie des Hauptmanns von Storr, begegnete mir, sah mich an und fragte, woher ich käme? Ob ich Dienste suchte? – »Warum nicht?« war meine Antwort.

Leutnant: Wieviel Handgeld will Er?

Ich: Herr Leutnant, ich diene nicht um Handgeld; ich muß aus Not dienen, es fehlt mir an allem; also sehen Sie wohl, daß ich diesen Punkt ganz Ihnen überlassen muß.

Leutnant: Gut, mein Freund; ich geb' Ihm 4 Karolin, soviel gibt der Stand und keinen Heller mehr. Zwei sogleich und zwei nach einem Jahre. Ist Er damit zufrieden?

Ich: Es bleibt dabei.

Leutnant: Und aus meinem Sack geb' ich Ihm noch 2 Kronentaler. Komm Er jetzt mit mir in die Schenke.

In der Schenke befahl der Leutnant dem Wirte, mich zu pflegen und mir auf seine Kosten alles zu reichen, was ich begehren würde. Darauf zählte er mir 10 Kronentaler auf den Tisch. »Ich hoffe,« setzte er hinzu, »Er wird kein Schurke sein.« Gab mir die Hand und ging.

Ich habe bei den Schwaben viel Vertrauen auf die Ehrlichkeit ihrer Soldaten gefunden. Von keinem wurde vorausgesetzt, daß er zum Henker laufen würde, daher wurde auch keiner eingesperrt, keiner in besondere Obacht genommen, und wenn auch noch so viele abfuhren, so wurden die andern deshalb nicht im geringsten mehr eingeschränkt. Ganz anders war es sonst bei den Preußen, und noch jetzt ist die persönliche Freiheit der preußischen Soldaten sehr geschmälert. Aber den Herren aus Schwaben liegt nicht viel daran, ob einer wegläuft oder dableibt: die Stände müssen die fehlende Mannschaft im Notfall ersetzen, und nicht der Hauptmann. Ueberdies streiten ja die Schwaben nicht für sich, sondern für andere.

Der Oberst, Baron von Sandberg, von Geburt ein Schwede, dem ich den folgenden Tag vorgestellt wurde, bedauerte, daß er es nicht bemerkt hätte, daß ich Soldat werden wollte, denn sonst, sagte er, würde er mich unter seine Grenadiere genommen haben. Er war nämlich Inhaber einer Grenadierkompanie. Der Hauptmann von Storr, ein gerader braver Offizier, drückte mir die Hand, und seine Gemahlin fragte mich mit losem Lächeln, ob ich bald auf die Wanderschaft gehen würde? Mit innigem Vergnügen und mit unsterblichem Dankgefühl denke ich an meine Vorgesetzten bei den schwäbischen Kreistruppen. Aber es waren auch Männer, wie man sie selten antrifft.

Ich stand beim ersten Bataillon, und unsere Kompanie kam in der Osterwoche nach Freistätt, wo ich nur einmal exerzierte und gleich darauf zum Unteroffizier gemacht wurde. So war ich denn nach einem Dienst von ungefähr 14 Tagen Korporal bei den löblichen Kreistruppen.

Die Truppen des schwäbischen Kreises bestehen aus zwei Regimentern Reiterei und vier Regimentern Fußvolk: Württemberg, Baden, Fürstenberg und Wolfegg, nebst einem Artilleriekorps. Damals hatte man sie bestimmt, die Gegenden um Kehl zu besetzen und selbige gegen den Ueberfall der Franzosen zu schützen. Wie gut sie dies getan haben, hat sich ausgewiesen bei dem Einfall der Franzosen in Schwaben!

Ich würde hier meinen Lesern eine Idee von den Reichstruppen zu liefern suchen, wenn ich es nicht schon anderwärts getan hätte, nämlich in der » Schilderung der jetzigen Reichsarmee, nach ihrer wahren Gestalt, nebst Winken über Deutschlands künftiges Schicksal«. In dieser Schrift findet man alles, was die Reichstruppen in ihrem Schwarzdunkel freskiert. Grell ist die Kopie freilich, aber leider ist das Original nicht anders. Uebrigens, wenngleich die Reichsarmee im allgemeinen sich im jetzigen Kriege abermals zur Behauptung ihres alten Ekelnamens einer Reißaus-Armee hinlänglich legitimiert hat, so sind doch viele einzelne Mitglieder derselben unter den Offizieren sowohl als den Soldaten brave Männer und rechtschaffene Krieger, deren Schuld es wahrlich nicht ist, daß manches so elend und so schlecht betrieben und noch schlechter ausgeführt wird. Man gebe einem Sandberg ein preußisches Regiment, und ich stehe mit dem Leben dafür, dieses Regiment gibt keinem in der ganzen preußischen Armee etwas nach. Aber ein aus so vielen Stands-Kontingenten komponiertes, mit allerhand Gesindel ausmöbliertes, halb defektes Regiment – was kann da ein braver Kommandeur machen?

Meine Dienste tat ich recht gern, weil sie mir gar nicht schwer fielen: wenn ich aber einem Burschen, z. B. einem Deserteur oder Dieb, bei der Parade mit meinem häselnen Korporalstock etwa 15, 20 oder 25 Hiebe auf den Hintern werfen sollte, wie ich mehrmalen tun mußte, dann ärgerte ich mich allemal derb und ging endlich in vollen acht Tagen nicht auf die Parade. Der Oberst begegnete mir eines Tages. »Aber Korporal,« sagte er, »man sieht Sie ja gar nicht mehr auf der Parade. Wo stecken Sie? Wissen Sie nicht, daß der Unteroffizier, so oft er sonst nur kann, auf die Parade kommen muß?

Ich: Ich weiß das recht gut, Herr Obrist: aber ich bin immer vom Rekrutenexerzieren müde, und zudem ist eben für mich kein Vergnügen auf der Parade. Oberst: Oho! es ist doch auch da kein Verdruß! Man hört immer was Neues, und dann hat man Gelegenheit, sich oft eine Motion zu machen und den oder jenen, der's verdient, auszugerben.

Ich: Eben das, Herr Obrist, schreckt mich ab; bin ich auf der Parade und ruft der Major: »Heda, Korporal, dem oder jenem fünfundzwanzig richtig abgezählt!« – so muß ich gehorchen und den Stockmeister spielen, und das kränkt mich.

Oberst: Wenn's weiter nichts ist, dann kann ich Sie befreien! Es gibt Korporale genug, die gern zudreschen. Die mögen's also für Sie forthin tun.

Von dieser Zeit an habe ich niemand mehr schlagen müssen, als einmal in Hornberg einen Kanonier, der eine hochschwangere Ehefrau mit Gewalt hatte notzüchtigen wollen. Diesem Kerl habe ich aber seine Portion auch tüchtig zugemessen!


Erst in Freistätt schrieb ich an Herrn Bispink in Halle und dankte ihm für die Mühe um meine Befreiung aus Frankreich. Zugleich erzählte ich ihm meine Widerwärtigkeiten auf der Rückreise und zeigte ihm an, daß die Schwierigkeit, ohne Gefahr vor den Oesterreichern durchzukommen, und der Mangel an allem mich genötigt hätten, von neuem Dienst zu nehmen, aber unter Truppen, bei welchen es nicht schwer hielte, loszukommen. Den Namen dieser Truppen verschwieg ich indes, wie auch den Ort meines damaligen Aufenthaltes. Ich besorgte nämlich, mein Brief möchte durch irgend einen Zufall in ungewaschene Hände fallen. Dadurch möchte mein Aufenthalt dem Thaddenschen Regiment bekannt werden, dieses möchte mich ausgeliefert wissen wollen, und so könnte es dann geschehen, daß ich wieder preußische Uniform tragen müßte. – Der Kronprinz von Preußen hatte mir zwar auch Freiheit zugesagt, aber ich traute doch nicht so recht.

Auf diesen Brief konnte ich also, unter den erwähnten Umständen, von Bispink keine Antwort haben. Um aber eine zu haben, und um diesen Braven von der Besorgnis um mich zu befreien, schrieb ich ihm abermals hernach aus dem Lager und zeigte ihm dann auch an, wo und wie ich war. Denn damals hatten die Preußen schon Frieden, bedurften darum der Leute weniger, und so durfte ich mich vor ihnen auch nicht mehr sehr fürchten.

Ich werde, solange ich lebe, den Frühling und den Sommer von 1795 nicht vergessen: denn ich habe keine Zeit meines Lebens mit mehr Vergnügen zugebracht, als jene im Hospital zu Dijon und dann das halbe Jahr im Dienste des Regiments Baden.

Unsere Kompanie blieb bis zum 9. Juni in Freistätt, worauf wir ein Lager oberhalb Kehl, nicht weit vom Rhein, bezogen und daselbst bis zum 9. Juli stehen blieben. Vom Lager aus, worin ich wenig zu tun hatte, besuchte ich meine Freunde oft – es waren in der Gegend mehrere, die ich von der Universität her kannte – und hatte oft selbst Besuche, weil ich anfing, auch hier eine gewisse Celebrität zu genießen, die ich der Lesebibliothek des Herrn Geiger zu Lahr zu danken hatte. Dieser Herr Geiger besaß nämlich meine Lebensbeschreibung, und als er erfuhr, daß ich bei dem badischen Regiment mich aufhielte, so schickte er sie allerorten herum, mit der Bemerkung, daß der seltsame Held und Verfasser der mitgeschickten Lebensgeschichte jetzt unter dem Regiment von Baden in der Nähe sei. Da lasen denn die dortigen Herren und Damen und kamen, um den seltsamen Mann selbst zu beantlitzen, der nach so vielen Abenteuern noch immer nicht ganz gewitzigt war. Mich freute das nicht wenig, und ich ließ mein Antlitz gern betrachten, um so lieber, da die Herren allemal recht guten Wein und andere sehr genießbare Sachen mitbrachten. Man nehme mir dieses Geständnis nicht übel, denn ich brenne mich nirgends weiß. Eben darum gestehe ich den Herren und Damen auch ohne Hehl, daß nicht so sehr die Begierde, ihnen zu Gefallen zu leben, als vielmehr der Lusten, an ihren Flaschen und Speisekörben teilzunehmen, mich gegen sie gefällig und beredt gemacht hat. So aber geht es in der ganzen Welt! Manche denken, sie werden wegen ihrer Schönheit, Artigkeit, Gelehrsamkeit, feiner Sitten, Unterhaltungsgabe usw. besucht, und siehe da, man kommt zu ihnen, um mit ihnen zu schmarotzen. Mit mir war es damals umgekehrt.


Den 9. Juli verließen wir das Lager, und unsere Kompanie kam nach Kehl zu liegen, wo wir das Fort, dessen Werke die Franzosen schon lange vorher gänzlich zusammengeschossen hatten, besetzen mußten. Wir wurden die ganze Zeit über von den Franzosen gar nicht beunruhigt.

Endlich erhielt ich Antwort von Herrn Bispink. Gott, welche Wonne goß dieser Brief des redlichen Mannes in meine Seele! Ich sah, daß er meinen Abschied längst bewirkt hatte und daß ich lange völlig frei war. Er gab mir Nachricht über alles, was er für mich nach Zürich an Herrn Geßner geschickt und bei diesem für mich weiter bestimmt hatte. O, da ergrimmte ich erst recht über die Voreiligkeit der Herren zu Basel und empfand einen beinahe unwiderstehlichen Drang, nach Halle zurück zu eilen; ja wenn mich die Ehrfurcht für den Obersten und meinen Hauptmann nicht abgehalten hätte, so wäre ich damals gleich desertiert und hätte mich nach Halle aufgemacht. Aber ich wollte einmal nicht desertieren, auch mißriet mir dies Herr Bispink, also beschloß ich, zu warten, bis ich vielleicht, ohne ein Bubenstück zu begehen, die Schwaben verlassen könnte. Herr Bispink hatte mir zugleich eine ansehnliche Summe Geld geschickt, wovon ich meine Bedürfnisse bestreiten und mir bei der allgemeinen Teuerung der Lebensmittel viel Erleichterung schaffen konnte.

In Kehl sah ich ein Spektakel, bei dessen Andenken mir die Haut noch schaudert. Man hatte unter den Kehler Einwohnern vier Spione entdeckt, welche den Franzosen von der Lage der Dinge diesseits des Rheins Nachricht gebracht und dafür viel Geld bekommen hatten. Der vornehmste dieser Verräter war der badische Fiskal oder Geldeinnehmer zu Kehl. Die Leute wurden in Kork verhört und hernach von einer Kriegskommission aus kaiserlichen und schwäbischen Offizieren so kondemniert, daß der Fiskal mit dem Schwerte, ein anderer aber mit dem Strange hingerichtet werden sollte; die beiden übrigen sollten drei Tage nacheinander durch 300 Mann Gassen laufen.

Die Exekution ging vor sich, und ich konnte dem Köpfen und Hängen ziemlich ruhig zusehen, nur daß ich da auch in meinen Busen griff und mir selbst eingestand, daß ich so was Aehnliches um die Franzosen verdient gehabt hätte. Aber das Gassenlaufen war bis zum Entsetzen abscheulich. Man hatte absichtlich große starke Ruten gegeben und für zehn Gulden Wachs unter die Soldaten verteilt, die Ruten damit einzustreichen, und die Soldaten vom Regiment Württemberg verrichteten ihr Henkerknechtsamt auch so gut, daß man die armen Leute schon bei dem sechsten Gange wegbringen mußte. Sie sahen nicht mehr aus wie Menschen, indem die Barbaren ihnen sogar die Gesichter zerfleischt und die Beine und Hüften gar jämmerlich zerfetzt hatten. Beide sind wenige Tage darauf gestorben am Brand. Der brave Obrist Sandberg spuckte bei dieser Barbarei aus, und ein heftig gesprochenes: »Pfui Teufel, pfui der Schande!« war sein Urteil darüber.

Ich schrieb nach Bispinks Rat an unsern Kronprinzen und bat diesen mir ehedem gewogenen Fürsten, mir durch sein hohes Vorwort bei dem Prinzen Ludwig von Baden meinen Abschied von den schwäbischen Kreistruppen bewirken zu wollen. Meine Bitte, zu der auf Vermittlung Bispinks noch eine Fürbitte meines ehemaligen Hauptmanns, des Herrn von Mandelsloh, hinzukam, war nicht vergeblich, denn ungefähr 14 Tage hernach ließ mich Herr von Sandberg kommen und redete mich mit einer finstern, mir ganz ungewohnten Miene folgendergestalt an: »Also Korporal, wollen Sie fort?«

Ich: Mein Herr Oberster, ich verstehe Sie nicht.

Obrist: Ich erhalte hier ein Schreiben vom Chef des Regiments: ich soll Ihnen den Abschied geben, und das geschieht auf Ihr Begehren: Sie haben darum an den Kronprinz von Preußen geschrieben.

Ich: Ich kann das nicht leugnen, mein Herr Oberster. Aber wenn es Ihnen zuwider ist ...

Obrist: So soll ich den Abschied nicht geben? – Nein, Korporal, das geht nicht: der Chef will es haben, und drum muß ich. Es tut mir aber leid (wendet sich von mir weg).

Ich: Herr Oberster, dieser Schritt kann der Schritt zu meinem Glück werden.

Obrist: Kann sein, will's auch wünschen: aber – aber – ich zweifle sehr! Laukhard, wär' ich an Ihrer Stelle, ich blieb' hier – hier kann es noch gut für Sie werden.

Wir redeten noch viel miteinander, und doch konnte ich den Oberst, der die Welt und ihren Lohn besser kannte als ich, nicht überzeugen, daß es mir im Preußischen wohl gehen würde. Und jetzt, da ich dieses schreibe, nachdem beinahe 20 Monate verflossen sind, finde ich, daß Sandberg, in Rücksicht auf meinen Hauptbeweggrund recht hatte, und daß ich sehr unrecht tat, seinen Rat in den Wind zu schlagen und ein Korps zu verlassen, wobei ich nicht die geringste Ursache zu Klagen gefunden habe.


Der Oberst, als er sah, daß ich – im festen Vertrauen auf das Wort eines Großen – gern von dannen möchte, ließ mich nach Kork gehen, um da unserm Generalmedikus meine noch immer offene Brustwunde zu zeigen und mir dann von ihm das Zeugnis stellen zu lassen, daß ich zu ferneren Soldatendiensten unfähig sei.

Dies geschah, und so erhielt ich meinen Abschied.


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