Friedrich Christian Laukhard
Magister F. Ch. Laukhards Leben und Schicksale – Band II
Friedrich Christian Laukhard

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Elftes Kapitel.

Aufruhr gegen Dentzel. – Zweideutige Rede des Generals Laubadère. – Dentzel wird abgesetzt und verhaftet. – Ich bin den Franzosen verdächtig. – Mein Verhör vor dem Kriegsrat. – Freisprechung. – Privatverhör bei Laubadère. – Man glaubt an meine Unschuld. – Laubadère wird unpopulär. – Ideenkommerz in Frankreich. – Rauschegeld und Klingegeld. – Freudenfeier der Hinrichtung Marie Antoinettes. – Die Carmagnole. – Die Dekrete und wozu man sie benutzte.

Es war an einem Sonntagnachmittag, etwa vierzehn Tage nach meiner Ankunft in Landau, als in allen Straßen ein gräßliches Geschrei ertönte. »Aux armes, Volontaires!« schrie man, »aux armes! Ou va nous trahir. C'est Dentzel, qui veut nous livrer aux Prussiens!« – Dieses Zetergeschrei hörte man in allen Straßen der Stadt, und ehe man sich's versah, stand die ganze Garnison unter den Waffen.

Laubadère erschien auf dem Paradeplatz und hielt eine Rede an die Soldaten, worin er sie versicherte, daß er sein Leben eher verlieren, als etwas Böses gegen sein Vaterland unternehmen würde. Dabei sagte er ganz deutlich, daß unter denen, in deren Hände viel Gewalt wäre, Spitzbuben und Schufte wären, welche man wie alte Schweine abkehlen müsse (qu'il faut égorger comme de vieux porcs). Mit diesen Worten zielte der General ganz sichtbar auf den Repräsentanten. Woher der erste Lärm seinen Ursprung genommen hatte, weiß ich nicht genau anzugeben. Soviel ist sicher, daß Dentzel auf dem Conseil de Défense gewesen war, und da gesagt hatte, daß er nur schwache Hoffnung zum Entsatz hätte, und daß Landau wohl noch fürchterlich fallen könnte. Delmas und Laubadère waren zugegen. Ersterer gab Dentzel Beifall und lachte. Laubadère ward böse und sagte, nur Uebelgesinnte könnten an der Wohlfahrt und Rettung des Vaterlandes zweifeln! – Darauf fuhr Dentzel auf und versicherte, daß vielleicht der am wenigsten Hoffnung zur Erhaltung der Republik hegte, der sie jetzt für unbezwinglich ausgäbe. – Sie waren darauf fortgegangen, jeder aber mochte wohl noch dieses oder jenes zu anderen gesagt haben, worüber denn der Spektakel ausbrach.

Vielleicht hatte Dentzel meine Angabe von der Gefahr für ihn und die Landauer, im Falle einer gewaltsamen Eroberung, nach meinem Abschied ernstlicher überlegt, und mochte durch die lebhafte Vorstellung derselben, wie durch den Glauben an die Unmöglichkeit des Entsatzes wegen der Unzuverlässigkeit der Generäle, nachher bewogen sein, den erwähnten Vortrag auf dem Konseil zu halten, ohne auch nur aus der Ferne an die versprochene Belohnung in Geld zu denken. Vielleicht hatte er in ungeprüftem Vertrauen oder im Rausch den Antrag des Kronprinzen und meine Mitwirkung dabei schon vorher irgend einem entdeckt, z.B. seinem Freunde, dem General Delmas – denn dieser lachte nur auf dem Konseil, als Laubadère donnerte – oder jemandem anders, ja vielleicht mehreren. Etwas von allem diesen muß durchaus vorgefallen sein, das beweist der Aufstand und die Gefahr darin für Dentzel und für mich. Dieses »Etwas« aber liegt noch jetzt vollständig im Dunkeln, selbst in Frankreich. –

Die Volontäre also liefen wie rasend in ganzen Haufen hin nach dem Hause des Repräsentanten, und forderten mit den ärgsten Flüchen und Drohungen, daß er erscheinen sollte. Dentzel erschien am Fenster und wollte die Menge durch Zureden und Verteidigung seiner Unschuld besänftigen, aber er hatte kaum angefangen, als mehr denn zwanzig Gewehre gegen ihn losbrannten, doch ohne ihn zu treffen. Dentzel entfloh hierauf und verbarg sich, wie ich nachgehends gehört habe, in ein leeres Weinfaß im Keller.

Laubadère war bald von der Gefahr, worin Dentzel sich befand, unterrichtet. Weil er nun in schwere Verantwortung verfallen wäre, wenn die rasenden Soldaten dem Dentzel den Garaus gemacht hätten, so eilte er herbei und haranguierte die Volontäre, welche immer schrien: » A bas le foutu mâtin! A bas le foutu traître!« Endlich nach vielem Schreien, Schimpfen und Sakramentieren war Laubadère so glücklich, die wütenden Leute zu besänftigen, so daß sie abzogen und Dentzels Wohnung ruhig ließen. Es wurde aber diesem eine Schutzwache von zwölf Mann gegeben.

Die Volontäre gingen indes noch nicht nach ihren Quartieren, sondern schickten eine starke Deputation an den General, welche fordern mußte, man solle Dentzel außer aller Aktivität setzen, und, sobald es geschehen könnte, bei dem Heilsausschuß als einen Feind und Verräter des Vaterlands und der Republik angeben. Laubadère, um sie zu beruhigen, bewilligte alles, und von dieser Zeit an, wo Dentzel in Arrest geriet, hat er einige Wochen lang ein unbeschränktes Ansehen in Landau behauptet. Die ganze folgende Nacht war fürchterlich unruhig. Kein Mensch unterstand sich, auf der Straße zu erscheinen oder herumzugehen.

Wie mir bei dieser Sache ums Herz war, mögen sich die Leser vorstellen. Ich ging indes doch ins »Lamm« zu den Offizieren, und fragte, warum denn der Repräsentant so verfolgt würde. »Warum? Er steckt mit den Preußen unter einer Decke, der sacré bougre! Er will die Stadt verraten und uns alle den Feinden in die Hände spielen. Er hat sogar seine Spione hier; aber wenn wir diese herauskriegen, so soll auch kein Fetzen an ihnen ganz bleiben.« – Das war freilich kein tröstliches Avertissement für meine Wenigkeit.

Ich legte mich erst spät nieder und schlief noch weniger. Ungefähr zwei Uhr nach Mitternacht kam der Gemeindebote und forderte mich aufs Rathaus. Ich erschrak anfangs nicht wenig, faßte mich jedoch bald und fragte, was man mit mir wollte. »Das weiß ich nicht,« erwiderte der Gemeindebote. »Ich soll dich hier nur abholen.« Ich folgte dem Menschen bis in die Gerichtsstube.

Man hielt da gerade einen sogenannten Sicherheits- oder Kriegsrat ( Conseil de défense), wobei der General Laubadère auch gegenwärtig war, aber kein Wort hören ließ. Man forderte mich sofort vor die Schranken und legte mir folgende Fragen vor: Ob und seit wann ich Dentzel kannte – ob ich ehedem starken Umgang mit ihm gehabt – ob ich seit dem Anfang der Revolution an ihn geschrieben – ob ich Briefe von ihm erhalten – ob mich der preußische General Manstein an Dentzel geschickt und ihm durch mich eine Summe Geldes für die Uebergabe von Landau habe bieten lassen? Ich begreife noch immer nicht recht, wie man hier auf den General Manstein gekommen ist! Dieser war damals gar nicht bei Landau, wenigstens habe ich ihn nicht gesehen, und er hat überhaupt eben nicht gar großen Einfluß bei der preußischen Armee gehabt. – Ferner fragte man, ob Dentzel nicht gegen mich über die Republik räsonniert und gesagt habe, daß sie zugrunde gehen müßte. Diese und wohl noch zwanzig andere Fragen beantwortete ich so freimütig und befriedigend für das Konseil, daß es beschloß, mich auf der Stelle frei zu lassen, weil es an mir keinen Verdacht der Falschheit oder Subordination finde. – Wer war froher als ich, daß ich den Klauen einer Inquisition entgangen war, bei welcher ich gar leicht meinen besten Kopf hätte verlieren können! Ich ging nach meinem Quartier und legte mich schlafen.

Früh gegen zehn Uhr ließ Laubadère mich holen. Er war allein und sehr freundlich gegen mich, hieß mich niedersitzen und einen Becher Wein trinken. Aber dann eröffnete er mir, daß er mich und Dentzel dennoch für schuldig halte. Auch er sprach wieder vom General Manstein – und da holte ich wieder ganz frei Odem. Ich leugnete alles und blieb durchaus fest und mannhaft. Laubadère stellte mir in Aussicht, ich könnte nochmals vors Konseil kommen, und dann ginge es an meine Gurgel.

Ich: Ich fürchte nichts! Komm, ich gehe aufs Konseil, und wenn du mich nicht hinbringen läßt, so gehe ich allein hin und erzähle, wie du mich behandelst. Verstehst du mich, General? Du bist Dentzels Feind, den willst du stürzen und mich vielleicht zum Werkzeug deiner Absicht gebrauchen. Aber ich sage dir, du kommst schief bei mir an. Dentzel ist unschuldig, wenigstens weiß ich nichts, was ihm zur Last fallen könnte.

Er: Also hältst du ihn wirklich für unschuldig?

Ich: Allerdings. Ich bitte dich nochmals, General, laß mich in Ruhe, oder ich muß mir beim Konseil Ruhe schaffen.

Laubadère schien nun wirklich von meiner Unschuld überzeugt zu sein, wenigstens sagte er mir endlich, daß er mich nur für verdächtig gehalten und mich darum sondiert habe. Nun aber sei er vorderhand von meiner Ehrlichkeit überzeugt; ich solle jetzt nur gehen, mich aber um zwölf Uhr unfehlbar bei ihm zum Essen einfinden.

Ich muß dem General Laubadère nachsagen, daß er von diesem für mich gefährlichen Tage an mich besonders gut leiden konnte, und daß er mir oft gestand, er habe mir durch seinen ungegründeten Verdacht unrecht getan. – Du lieber Gott! – Doch: Praetor non judicat interiora.

Von dieser Zeit an ließ der Kronprinz von Preußen, der auf meine Vermittlung vielleicht mehr rechnete, als meine beschriebene Lage sie zuließ, Landau beinahe täglich durch Trompeter zur Uebergabe auffordern, erhielt aber immer die Antwort, daß man Entsatz erwarte und das Aeußerste daran wagen wolle, diese wichtige Festung dem Freistaat zu erhalten.

Dentzel saß unterdessen immer in Arrest; aber nachdem die Leute kaltblütiger geworden waren, fingen schon viele unter den Bürgern und Soldaten an, ihn für unschuldig zu erkennen, und das harte Verfahren wider ihn auf Laubadères Haß zu schieben. Der General verlangte demnach, daß man die Sache nach Paris schicken solle; allein das Conseil de défense wendete dawider ein, daß dieses nicht anginge, weil die Briefschaften vom Feinde aufgefangen werden könnten, wodurch denn dieser notwendig von Landaus ganzer innerer Lage unterrichtet werden müßte. Dentzels Sache blieb also noch einige Zeit liegen.

Zu Anfang des Oktober brachten die patrouillierenden Reiter einen Menschen ein, der etwa vier Monate vorher vom 21. Regiment desertiert war. Sie hatten ihn in den Weinbergen angetroffen, wohin er sich, wie er sagte, begeben hatte, um wieder zu seinen Republikanern zurückzukehren, und dies aus Reue über seine Desertion. Aber alle diese Ausflüchte halfen ihm nichts. Laubadère ließ Gericht über ihn halten, und er wurde, so sehr sich auch General Delmas und der Obrist von der Reiterei dawider setzten, kurz hernach am »Deutschen Tore« totgeschossen. Laubadère sagte ganz kaltblütig: sie sollten ihm erst ein anderes Gesetz machen, dann wollte er dem Deserteur Pardon geben. Durch diesen Zug von gesetzlicher Gerechtigkeitsliebe hat sich aber der brave General weder bei der Garnison, noch bei der Landauer Bürgerschaft beliebt gemacht.

Laubadère verlor das Zutrauen der Landauer Bürger durch folgenden Vorfall noch mehr. Da er mutmaßen konnte, daß die Belagerung noch lange anhalten dürfte, so wollte er ein Gesetz in Ausübung bringen, welches einen General autorisiert, aus einer blockierten Stadt alle die zu entfernen, welche bei der Belagerung unnütz sind. Er ließ daher dieses Gesetz abdrucken und anschlagen, und ermahnte die, welche sich unfähig fühlten, dem Vaterlande bei dem damaligen Zustande zu dienen, auszuwandern. Er ging noch weiter: er ließ durch einen Offizier und durch einen Munizipalbeamten von Haus zu Haus alle die aufschreiben, welche seiner Instruktion gemäß auswandern sollten. Hierdurch aber entspann sich ein gefährlicher Aufstand; denn da sollten alle Männer, Weiber, Kinder, hochhaubige Mamsellen und Damen auswandern und ihre Häuser nebst Hab und Gut im Stich lassen. Ganz Landau kam darüber in Harnisch, und Laubadère mußte nachgeben. Das Gesetz, welches auf diese Art Leute aus ihren Häusern jagt, ist hernach auch ganz und gar kassiert worden. Es war im Grunde auch unausführbar und konnte zu dem gefährlichsten Aufstande, ja zu Konspirationen mit dem Feinde Anlaß geben.

 

In Landau bemerkte ich – und nicht nur in Landau, sondern fast in allen Städten Frankreichs, in welchen ich gewesen bin – ein Ideen-Kommerz, das mich oft in Erstaunen setzte. Die mehrsten hatte man, wie fast alle, die ich darüber befragte, mich versicherten, schon vor der Revolution im geheim für sich gesammelt, und dies um so gieriger, je strenger man die Bücher verbot, worin sie vorkamen. Und so ist es auch hier wahr, daß jedes Bücherverbot mehr schadet als nützt. Läßt man jedes Buch seinen Weg ungehindert wandern, so wird der geringste Teil des Publikums es seiner Aufmerksamkeit kaum für wert halten; im umgekehrten Fall – der größte; überdies, enthält ein Buch Irrtümer, auch gefährliche, und zirkuliert es frei und frank, so kommen diese desto eher und freimütiger zur Sprache, zum Pro und Kontra, und die Wahrheit behält am Ende die Oberhand.

Das Ideenkommerz der Franzosen hat selbst durch den Krieg unendlich gewonnen. Denn auch von dem weckenden Geist der Revolution abgesehen, gibt es jetzt kein Kriegsheer weiter, worin die Köpfe von jeder Art so kompliziert und vereint wären als in ihrem. Ueberall ungehinderte Mitteilung der Grundsätze, Gedanken und Erfahrungen unter den vielen Hunderttausenden von verschiedenen Gewerben, aus Landleuten, Bürgern, Kaufleuten, Gelehrten, Künstlern usw. Fürwahr, Robespierre ist durch sein allgemeines Aufgebot – in gewisser Rücksicht – der Prometheus von Frankreich geworden.

Das Papiergeld hatte damals in Landau wenig Wert. Der Repräsentant hatte zwar anschlagen und befehlen lassen, daß das Assignatengeld, oder wie man es damals gewöhnlich nannte, das Rauschegeld, im Gegensatz zum Klingegeld – so wie das Numerär- oder bare Geld, Kurs haben sollte: aber daran kehrten sich die Landauer wenig: zwei Sous in Münze wurden 10, ja endlich 20 Sous in Papier gleichgehalten. Dentzel wollte dieses Anwesen mit aller Schärfe abstellen, aber gerade, als er daran wollte, erregte sich der Aufstand, wodurch er außer Aktivität gesetzt wurde. Der General hatte das Herz dazu auch nicht: also blieb alles bis zum Entsatz der Stadt, wonach denn freilich sehr wahrscheinlich auch dort das sogenannte Maximum oder die allgemeine Taxe aller Waren und aller Lebensmittel gegolten hat.

Der General unterhielt immer einige Leute, welche ihm beständig, wenigstens wöchentlich einmal, Nachricht vom Zustande der feindlichen Armee überbringen mußten. Wie diese Spione, lauter Landauer Bürger, immer so ungehindert durch die Belagerer schleichen konnten, begreife ich noch jetzt nicht ganz. Die Stadt war enge eingeschlossen: also müssen die feindlichen Posten sehr geschlummert oder die Leute ganz besondere Schlupfwinkel gewußt oder sonst Um- und Auswege gefunden haben.

Einmal habe ich in Landau einem sonderbaren Schauspiel beigewohnt. Als die Nachricht von der Hinrichtung der Königin Marie Antoinette und des Generals Custine, der Laubaderes und Dentzels abgesagter Feind war, in Landau ankam, ließ sie der General sofort durch Abfeuerung von 48 Kanonen feierlich bekannt machen. Darauf wurde ein großes Feuer auf dem Marktplatz angezündet, und der Schinder mußte die Bildnisse der Königin und Custines hineinwerfen. Hierauf hielt Laubadere eine Rede, worin er auf die sacrée garce fürchterlich loszog, die durch ihre Herrschsucht und ihre Ketzereien am Wiener Hofe Frankreich und ganz Europa ins Unglück gestürzt habe. Endlich dankte er dem Genius der Republik, daß diese Pest nun durch das Beil der Gerechtigkeit vernichtet sei. Die Volontäre applaudierten ihm wie rasend und sangen zum Beschluß ihre Carmagnole, welches ein skandalöses Lied auf die Königin ist, durch alle Straßen. In ganz Frankreich nannte man die Königin schon lange nicht anders als »Madame Veto«, und daher heißt es in der »Carmagnole«:

Madame Veto a mal au cul,
C´est Lafayett, qui l´a foutue;
De son Con tout brule
Fayette en porte la clef.
Dansons la Carmagnole
Viv e le son
Du Canon usw.

In den »Pieces fugitives et republicaines«, wie auch im »Parnasse republicain«, findet man eine Menge skandalöser Lieder auf den König, die Königin, die Emigranten, die Priester und die treulosen Generäle; ich kenne nichts Beißenderes, als diesen kaustischen Zuchtspiegel für recht viele von denen, welche sich Götter der Erde dünken.

Ueberhaupt sind die Franzosen auf die Königin Antoinette weit mehr aufgebracht, als auf sonst jemand, selbst den verabscheuungswürdigsten Egalité, sonst Herzog von Orleans, nicht ausgenommen. Sie sehen diese Dame als die Hauptursache alles Unglücks und Elends an, das über ihre Nation gekommen ist; ja, sie nennen ihren Namen nicht, ohne auszuspucken! Ich sprach lange nachher einmal in Dijon über die Sündhaftigkeit, mit welcher diese Prinzessin gestorben ist, und rühmte es wenigstens, daß sie ohne Aengstlichkeit und ohne Trotz auf der Blutbühne erschienen sei, auch alle Schmähungen des Pariser Pöbels, ohne eine Miene zu verziehen, männlich verschmerzt habe. »Ist das wohl lobenswert?« erwiderte mir ein Chirurgus. »Starb nicht auch Mandrin mit der größten Standhaftigkeit sogar auf dem Rade? Ich leugne gar nicht,« fuhr er fort, »daß Antoinette einen großen Geist gehabt hat: sie war ja die Tochter der berüchtigten Maria Theresia! Aber eben deswegen war sie für Frankreich desto schlimmer und gefährlicher: denn Größe ist nicht immer Güte. Genug, wir sind froh, daß sie nicht mehr ist.«

Auf dem Gemeindhause waren alle Wände bedeckt mit Dekreten und Verordnungen, täglichen Nachrichten u. dgl. Nun fand es sich, daß manche, wenn sie oben das Bedürfnis, aufs Häuschen zu gehen, spürten, im Herabgehen einen Zettel von der Wand abrissen. Es wurde also öffentlich durch den Ausrufer angesagt, daß, wer künftig auf der Straße oder auf dem Rathause einen angeschlagenen Zettel abreiße, eine achttägige Haftstrafe zu gewärtigen habe. Herrmann, ein Zuckerbäcker und Mitglied der Munizipalität, wurde darüber ertappt und nun nicht nur auf acht Tage eingesteckt, sondern auch seines Amtes entsetzt.

Zur Zeit des Terrorismus oder des Schreckenssystems in Frankreich wurde die Abreißung der angeschlagenen Zettel allemal mit dem Tode bestraft, indem man das als ein Zeichen des Mißfallens an der Verfassung und als ein Signal zur Meuterei ansah. In Landau war man damals nicht so strenge. Ueberhaupt konnte man ziemlich laut sagen, was man an der neuen Verfassung zu tadeln fand. Einige taten dies auch freimütig genug, weil sie als gewiß voraussetzten, daß die zu schwach besetzte Stadt in die Hände der Preußen fallen würde. Die öffentliche Meinung war und blieb indes immer für die Republik. Landau zählte nur wenig Aristokraten.


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