Friedrich Christian Laukhard
Magister F. Ch. Laukhards Leben und Schicksale – Band II
Friedrich Christian Laukhard

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Neuntes Kapitel.

Der Adjutant de« Kronprinzen. – Ich entschließe mich als Emissär nach Landau zu gehen. – Gespräch mit dem Kronprinzen von Preußen. – Meine Instruktion. – Der Kronprinz entläßt mich aus dem Soldatenstande. – Desertion auf höheren Befehl. – Die französische Patrouille. – Die Wachtstube. – Unterhaltung mit den Patrioten.

Den Tag nach meiner Unterredung mit dem Prinzen Louis kam der Adjutant des Kronprinzen zu mir, nahm mich mit hinter die Brandwache und fragte mich, ob ich dem Antrag des Prinzen Louis nachgedacht hätte. Ich bejahte.

Adjutant: Nun, was denkt Er davon?

Ich: Ich denke, daß es ein sehr gefährliches und halsbrechendes Stück Arbeit ist.

Adjutant: Weiter nichts?

Ich: Das aber doch für mich und für uns alle nützlich werden könnte.

Adjutant: Das auf alle Fälle nützlich werden muß. Denn, gesetzt auch, Er richtet nichts aus, so lernen wir doch die Gesinnungen der Leute kennen, und das ist schon viel. Versteht Er mich?

Ich: O ja, ich verstehe Sie wohl! Also wenn ich nichts ausrichte, so sehen die Preußen, daß auf diese Art dem Repräsentanten nicht beizukommen war, und nehmen ihre Maßregeln auf eine andere Art. Ich zahle indes mit meinem Leben, und die Herren haben einen Maßstab ihrer Unternehmungen mehr. Allerliebst!

Adjutant: Ei, lieber Laukhard, ich meine das nicht so. Wenn Er auch nichts ausrichtet, so ist Er deswegen doch noch nicht verloren. Er muß nur Seine Sachen gescheit anfangen. Und kommt Er wieder aus Landau zu uns, so ist Sein Glück auf alle Fälle gemacht.

Ich: Ja, wenn die Festung durch mich in unsere Hände kommt.

Adjutant: Und wenn das auch nicht geschieht: Er ist auf alle Fälle gedeckt und seiner Belohnung sicher. Das wäre schön, die Uebergabe der Festung zur Bedingung Seiner Belohnung zu machen. Er wird auf alle Fälle königlich belohnt und auf immer vor Armut und Not in Sicherheit gesetzt. Aus einem Mann, wie Er ist, muß noch mal was in der Welt werden, pardieu!

Ich: Alles gut, Herr Adjutant, aber das Ding bleibt immer kitzlich.

Adjutant: Freilich wohl! Aber was ist Er denn, Laukhard? Ist Er nicht Soldat, und muß ein braver Soldat nicht vor die Kanonen gehen?

Ich: Natürlich.

Adjutant: Ist Er noch nicht vor den Kanonen gewesen?

Ich: O ja, schon mehr als einmal.

Adjutant: Hat Er sich da wohl gefürchtet und geängstet?

Ich: Herr Adjutant, wenn mir ein anderer diese Frage vorlegte, ich weiß nicht, ich –

Adjutant: Ich schmiss' ihm hinter die Ohren, nicht wahr? – Das ist recht gesprochen, mein Lieber, so hör' ich's gern. Nun sieht Er, wenn Er ohne Furcht vor die Kanonen ging, wo Er doch nicht viel tun konnte, warum wollte Er jetzt eine Gelegenheit vorbeilassen, wo weniger Gefahr ist, und wo Er viel tun kann?

Dieser Grund bestimmte mich beinahe; ich sagte dem Adjutanten, daß ich für den Kronprinzen alles zu tun und alles zu wagen bereit wäre. Er möchte also Seiner Hoheit meinen Entschluß melden und versichern, daß ich nur Ihren Befehl erwartete.

Es war mir, wie es sich versteht, verboten worden, diese kitzliche Sache irgend jemandem bekannt zu machen; aber dies forderte schon meine eigene Sicherheit. Ich hatte nicht einmal das Herz, sie meinem Hauptmann anzuvertrauen: dieser fragte auch ganz und gar nicht, was die großen Herren mit mir gesprochen hätten.

 

Am 25. September wurde ich aufs Piket nach Nußdorf geschickt: kaum aber war ich dort, so kam schon ein Bote aus dem Lager mit dem Befehl, daß ich sogleich zurückkommen sollte. Ich lief nach meiner Kompanie und fand da jemand, der mich nach dem Zelt des Kronprinzen begleitete.

Der Kronprinz empfing mich nach seiner edlen Gewohnheit freundlich, drückte mir die Hand und fragte mich, ob ich dem Vorschlag nachgedacht hätte? Ich bejahte dies und versicherte Seine Hoheit, daß ich alles für die Ehre und den Vorteil der preußischen Waffen tun würde. Kronprinz: Ich habe schon viel Gutes durch meinen Vetter (den Prinzen Louis, Sohn des Prinzen Ferdinand von Preußen) von Ihm gehört, lieber Laukhard, und hatte mir vorgenommen, für Seine Loslassung von den Soldaten zu sorgen. Nun zeigt sich aber eine Gelegenheit, wobei Er dem Staate noch nützlich sein kann, und bei dieser denke ich auch Sein Glück zu machen. Er ist frei – von diesem Augenblick an ist Er kein Soldat mehr. Jetzt erkläre Er, ob Er das noch tun will, wovon die Rede ist?

Ich: Ja, gnädigster Herr; ich werde mein Möglichstes tun, den Auftrag Eurer Königlichen Hoheit pünktlich auszuführen.

Kronprinz: Nun wohl, in Gottes Namen. Er soll sehen, daß ich nicht undankbar bin, und daß ich Wort halte. Morgen früh um 7 Uhr komme Er zu mir; dann soll Er Seine Instruktion haben.

Ich ging, der Adjutant folgte mir und gab mir einen Louisdor, um mir mit meinen Kameraden, wie er sagte, einen guten Tag zu machen. Als ich ihm aber vorstellte, daß es notwendig Aufsehen machen müßte, wenn ich heute lustig lebte und die Nacht zum Feinde überginge, so gab er mir recht, und ich ging mißmutig nach der Kompanie.

Wir hatten einen Burschen, welcher gar nichts verschweigen konnte. Diesen nahm ich mit zum Marketender, war aber immer still und unruhig. Auf sein Befragen, was mir denn wäre, antwortete ich, daß er mir ja doch nicht helfen könnte.

Er: Wer weiß auch, Bruder!

Ich: Nein, du kannst mir nicht helfen, aber wenn du mich nicht verraten willst, so kann ich dir wohl sagen, was mir eigentlich ist.

Er: Gott straf mich, Bruder, wenn ich ein Wort sage.

Ich: Sieh, du weißt, daß ich immer gut patriotisch war.

Er: Ja, mein Seel, du hast oft geschwatzt wie 'n Franzos.

Ich: Nun schau, das Ding hat der Kronprinz erfahren und läßt nun Untersuchung anstellen. Er meint gar, ich habe mit den Patrioten zu Neustadt unter einer Decke gesteckt.

Er: Aha! deshalb sind die Herren immer bei dir gewesen.

Ich: Freilich. Glaub nur, das Ding geht mir höllisch im Kopf herum. Aber daß du ja nichts ausplauderst!

Er: Der Teufel soll mich holen, Bruder! Nein, was ich weiß, erfährt kein Mensch, da soll mir lieber die Zunge erlahmen!

Ich hatte dem Menschen den Unterricht von meiner Lage bloß in der Absicht gegeben, daß er das Ding unter den Soldaten verbreiten sollte, und hatte mich nicht betrogen. Denn ehe eine Stunde verging, wußte die ganze Kompanie, daß ich der Patrioterei wegen angeklagt wäre und nun schwere Strafe zu erwarten hätte. Einige behaupteten, ich müßte Gassen laufen, andere aber, welche das Ding besser wissen wollten, sagten, daß ich gar könnte gehängt werden, wenigstens müßte ich zeitlebens in die Karre. Ich hörte die täppischen Urteile und freute mich baß darüber. Denn nun fand das Vorgeben von meiner Desertion Glauben, und kam dann ein wirklicher Deserteur von uns nach mir in Landau an, so war ich vor ihm auch da sicher. Mein Hauptmann wußte das alles, sprach aber mit mir nicht ein Wort davon.

Die Nacht brachte ich sehr unruhig hin; um 7 Uhr ging ich zum Prinzen von Hohenlohe, der mich erst mit Malaga traktierte und hernach zum Kronprinzen führte. Hier erhielt ich meine Instruktion. Da es meinen Lesern gleichviel gelten kann, worin die Natur dieser Instruktion bestanden habe, so werde ich ihnen nur ganz kurz melden, daß mein Auftrag dahin ging, die Festung Landau ohne militärische Angriffe an die Preußen zu bringen, und zwar durch Geld. Ob ich gleich viel Vertrauen auf den Mut und die Ehrlichkeit der Republikaner hatte, so wußte ich doch auch, daß Geld alles vermag, und da man eine sehr große Summe bestimmt hatte, um zum Ziele zu gelangen, so verzweifelte ich nicht ganz an dem guten, d.h. gewünschten Ausgang meines Auftrags.

Der Kronprinz sprach weitläufig, über zwei gute Stunden, während ich mit ihm frühstückte, über die Angelegenheiten, welche mich zunächst angingen, und dann über das Allgemeine. Alle seine Urteile waren richtig und bestimmt, und man merkte wohl, daß er sich in den öffentlichen Geschäften fleißig umgesehen hatte. Besonders hat mich der herablassende, sanfte, von allem Stolz entfernte Charakter dieses Fürsten entzückt.

»Wir sehen uns gewiß noch vor Weihnachten wieder,« sagte er zu mir, »und dann reist Er mit mir nach Berlin und geht dann nach Halle, wenn Er will.«

Der treffliche Prinz konnte nicht voraus sehen, daß ich, von damals an, 18 Monate in der Gewalt der Franzosen würde bleiben und unter steter Todesgefahr herumirren müssen.

Nachdem ich über den ganzen Inhalt meiner geheimen Sendung unterrichtet war, empfahl ich mich und ging. Der Prinz von Hohenlohe begleitete mich und händigte mir eine Handvoll Goldstücke ein, wovon ich in Landau leben sollte. Ich ging mit dem Prinzen nach seinem Zelte, wo er mir ein Billett einhändigte, das ich an den Herrn Major von Wedel, der damals unser Bataillon kommandierte, abgeben sollte.

Dieser rechtschaffene Mann sah mich sehr mitleidig an, als er das Billett gelesen hatte, und sagte weiter nichts als: »Wenn's dann so sein muß, so mag es so sein! Guter Laukhard, Er geht diesen Abend nach Nußdorf; es wird Ihn niemand aufhalten; das übrige werd' ich schon bestellen.«

Den Tag über hielt ich mich sehr ruhig; gegen Abend ging ich aus dem Lager mit Sack und Pack, denn ich gab vor, ich müßte jemand auf dem Pikett ablösen. Man ließ mich ohne Umstände passieren. In Nußdorf fand ich meinen Hauptmann, Herrn von Mandelsloh, welcher durch den Major von Wedel von allem unterrichtet war. Er zog mich auf die Seite und sagte: »Ich weiß alles, also brauchen wir nicht viel Erklärung. Jetzt geh Er nur nach der unteren Wache und bleib' Er da, bis ich komme.«

Unsere Leute hatten eben einen Keller aufgewittert, worin noch Wein war, und holten diesen in großen Häfen auf die Wache, wo er unmäßig gesoffen wurde; ich aber hatte nicht das Herz, einen Tropfen mitzutrinken, und ging daher in ein Nebenhaus, wo ich mir eine Mostbrockel machen ließ. Von meinen Sachen wollte ich nichts mitnehmen, als meine Wäsche und einen hebräischen Psalter, welchen mir Herr Bispink auf meine Bitten geschenkt hatte. Ich habe diesen hernach auf meinen Touren durch Frankreich immer mit herumgetragen und erst nach meiner Rückkunft einem Freunde geschenkt. Die hebräische Sprache hat mir immer gefallen, nicht wegen des in derselben verfaßten Alten Testaments, wo freilich manche hübsche Urkunde, vermischt mit unzähligen Fratzen und Torheiten, vorkommt, sondern wegen der großen Simplizität derselben.

Gegen 12 Uhr des Nachts kam Herr von Mandelsloh und noch ein Major vom Regiment von Wolframsdorff. »Laukhard kann mit uns gehen,« sagte der Hauptmann, »er kann Ordonnanz machen; wir wollen ein wenig die Posten visitieren.« Ich legte meine Tasche ab, nahm nichts als Tornister und Seitengewehr und begleitete die Herren. Wir gingen gerade zum Dorf hinaus auf die Landauer Straße, und meinem braven mitleidigen Hauptmann war das Herz so beklommen, daß er kaum reden konnte. Der Major führte also das Wort und sprach sehr viel über die Schuldigkeit des Soldaten, sein Leben für seinen Herrn zu wagen. Ich fand dieses Gespräch für mich damals eben nicht sehr passend.

Unter diesem Gespräch kamen wir eine gute Strecke von Nußdorf ab. Es begegnete uns eine Patrouille, welche uns berichtete, in der Tiefe sei alles ruhig. »Nun,« sagte Herr von Mandelsloh, »so begleiten wir unseren Laukhard noch eine Strecke. Die Franzosen werden uns nicht gleich haschen.« – Es war herrliches Wetter und lichtheller Mondschein. Wir gingen sachte weiter; endlich ermahnte ich die Herren selbst, zurückzugehen, indem man nicht wissen könne, was hier oder da aufstoße oder im Hinterhalt laure. Die Herren sahen die Notwendigkeit, zurückzukehren, selbst ein, gaben mir noch manch nützlichen Rat, wünschten mir gute Verrichtung, und damit Gott befohlen. Der letzte Handdruck meines biederen Hauptmanns war herzig, aber noch herziger sein Antrag, hier noch mit umzukehren, wofern ich in meinem Entschlusse nur das mindeste wankte oder ihn bereute. Allein meine Antwort war, ebenso kurz als entschlossen, diese: »Ein ehrlicher Mann hält Wort, und wenn es sein Leben kosten sollte.«

 

Kaum war ich dreißig Schritte vorwärts gegangen, als eine französische Patrouille von drei Dragonern auf mich zukam und mir ihr: » qui vive« zurief. Ich gab mich sofort für einen preußischen Deserteur an. » Sois le bien-venu!« rief ein Dragoner, »komm näher! Aber Kerl, du sprichst Französisch? Bist wohl gar ein Franzose?«

Ich: Warum nicht gar! Ich bin ein Deutscher.

Dragoner: Aber sacré mâtin,Sacré mâtin, chien, sacrée garce, sacristie, sacré foutage, sacrée merderie und tausend andere Floskeln sind die Würze für die republikanische Sprache des gemeinen Volks in Frankreich. Im Jahre 1793 und 1794 waren diese Floskeln mit ein Beweis des echten Robespierreschen Patriotismus. du sprichst ja Französisch! Wo hast du das gelernt?

Ich: Meint Ihr denn, daß die Deutschen nicht auch Französisch können?

Dragoner: Vive la nation, Kamerad! Du mußt ›du‹ sagen. Foutre! Du bist bei Republikanern, die sagen alle du. Also du bist kein Franzos?

Ich: Nein, ich hab's ja schon gesagt!

Dragoner: Gut, du bist ein braver Junge, daß du deinen Tyrannen verlassen hast ( d'avoir foutu le camp a ton tyran). Aber wo sind denn deine Kameraden?

Ich: Was für Kameraden?

Dragoner: Sacré matin, ich habe doch welche sprechen hören.

Ich: Ich habe so für mich geträllert.

Dragoner: Nein; es waren mehrere Stimmen. Ich muß wohl nachsuchen.

Zwei Dragoner sprengten wirklich fort und suchten, ob noch jemand in der Nähe wäre. Man stelle sich meine Angst vor, denn es war ja leicht, sehr leicht möglich, daß mein Hauptmann und der Major erhascht und eingebracht wurden, und dann – war Laukhard geliefert. Ein Dragoner blieb inzwischen bei mir und sprach sehr freundlich. Endlich, nach langem Hin- und Hersuchen, kamen die beiden anderen zurück und versicherten, daß doch nichts da wäre; es müßte vielleicht eine feindliche Patrouille gewesen sein. – Nach meiner Zurückkunft nach Halle erfuhr ich von Herrn von Mandelsloh, daß ihnen die Dragoner wirklich auf den Hals gekommen wären, daß sie sich aber in die Weinberge versteckt hätten, um nicht entdeckt zu werden. Sie waren beide unbewaffnet, hatten nichts als ihre Degen, und wären da ohne Umstände gezwungen gewesen, sich nach Landau führen zu lassen. Gut nur, daß dieses nicht geschehen ist.

Meine Dragoner führten mich auf die kleine Schanze vor dem »Deutschen Tor«, wo ein Hauptmann und ein Leutnant das Kommando hatten, und wo 50 Mann zur Wache waren. Der Hauptmann war froh, daß ich mit ihm reden konnte, und unterhielt sich mit mir die ganze Nacht. Der Leutnant saß da und las in der französischen Übersetzung des »Fräulein von Sternheim«. Die Soldaten legten mir hundert Fragen vor, welche ich beantworten mußte, die ich aber so beantwortete, wie es mir zuträglich schien. Ich bediente mich hier der Ausdrücke: » Monsieur, Messieurs, avoir la grâce, la bonté, de permettre« u. dgl., aber der Hauptmann bat mich, alle freiheitstötenden Ausdrücke ( termes liberticides) nicht mehr zu gebrauchen. »Du bist jetzt,« sagte er, »im Lande der Freiheit, mußt also auch reden wie ein freier Mann.«

Es waren keine gemeinen Wachtstubengespräche, die da geführt wurden, sondern wir unterhielten uns über hohe Gegenstände, z. B. über Befehlen und Gehorchen, Freiheit, Gerechtigkeit und Achtung vor dem Gesetz. Wir kamen natürlich auch auf den gegenwärtigen Krieg, und da sagte ich, man sei doch im Kriege niemals des Erfolges sicher: es könnte doch geschehen, daß die vereinigte Macht so vieler Fürsten endlich eine allgemeine Veränderung in dem jetzigen System der Franzosen hervorbrächte.

Bisher hatten alle Soldaten geschwiegen und aufmerksam zugehört: aber bei meiner letzten Aeußerung fingen alle an, zu murren, und ein ganz junger Volontär sagte mir in recht barschem Ton:

»Du sollst sehen, Citoyen, daß alle Könige und alle Pfaffen und alle Edelleute nicht imstande sein werden, uns zu besiegen. Frei wollen wir bleiben oder sterben!«

»Ja, das wollen wir,« riefen alle.

»Wer uns besiegen will,« fuhr der Volontär fort, »muß unser ganzes Volk ausrotten, aber das soll und kann weder der Teufel, noch der Papst, noch sonst ein Tyrann!«

Ich fand nicht für gut, den Volontärs die Möglichkeit einer gänzlichen Niederlage von ihrer Seite weiter zu zeigen, und versicherte sie, daß ich selbst nichts sehnlicher wünschte, als daß das angefangene gute Werk Bestand haben und alle seligen Früchte bringen möchte, welche Frankreich davon erwartete.

»Ich nehme dir's nicht übel,« versetzte der Volontär, »daß du so sprichst, wie du gesprochen hast: du kommst von der Tyrannei her, und wie kann man in der Sklaverei lernen, vernünftig und frei zu denken!«

Ich mußte mich besonders über das anständige Betragen dieser Leute wundern. Es herrschte unter ihnen die trefflichste Ordnung und die strengste Disziplin. Ganz anders hatte man uns die französische Zucht vorgeschildert; da wären Leute, die von gar keiner Subordination wüßten, täten, was sie wollten, auf den Befehl ihres Offiziers nicht hörten, und was des albernen Vorgebens mehr war. Allein hier sah ich zum erstenmal, gegen meine Erwartung, daß es im Dienst wenigstens so ordentlich bei den Franzosen zuging, als es bei den Preußen je zugehen kann. Der Soldat muß seine Pflicht tun, und als Patriot, im echten Wortverstand, tut er sie gern. Erlaubte Dinge dürfen ihm übrigens nicht verboten und unerlaubte nicht gestattet werden, und damit ist's alle.

Früh sagte mir der Hauptmann seinen Namen, bat mich, ihn zu besuchen, wenn er abgelöst sein würde, und darauf ließ er mich durch einen Volontär, aber ohne Gewehr, zu dem General Laubadère, dem Volksrepräsentanten Dentzel und dem Kriegskommissarius, dessen Namen ich vergessen habe, abführen.


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