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Kanton Glarus

Die Glärnischsage.

Dereinst, an des Glärnisch gewaltigem Stock
War des Grünens und Blühens kein Enden,
Wo glasige Gletscher und schneeig Geflock
Im Glitzern die Augen heut blenden.

Da grasten Kühe den fetten Halm,
Da ließen die Schafe und Ziegen
Noch Weide stehen, man sah die Alm
Ein Fleckchen Glückseligkeit liegen.

»Die Luft so rein und so klar der Tag!
Fern weht's wie von Frauengewändern;
Ob heut die Liebste mir kommen mag
Mit flatternden Wünschen und Bändern?« –

Er eilt bergab. »Ach, Frau Mutter, Ihr?
Kehrt heim, laßt den Weg Euch nicht reuen!« –
»Hier oben atme ich, Sohn! Erst hier,
Hier lern ich mich sorgenlos freuen!«

»Bloß Ihr, Frau Mutter? Ich sag es frank,
Euch hab' ich mit nichten gebeten!« –
»Erst laß mich ruhn auf gebohnter Bank,
Erst laß mich ins Taubenhaus treten!«

»Nein, Mutter, nein! Beim verpönten Zank ...
Im Haus drinnen dürft Ihr nicht wohnen!
Den Weg belegt ich mit Käsen blank,
Dem Liebchen die Schuhe zu schonen.« –

»'s ist weit zu Tal! Gönn mir Speis und Trank!«
»Goldhonig und duftende Butter,
Firnweißer Rahm ist wohl da zum Schank
Fürs Liebchen – doch nicht für die Mutter!« –

»Ein Stückchen Brot bloß!« »Das Brot im Schrank
Ist frischer als Schnee dort am »Ruchen«;
Euch wär's zu frisch, ei, Ihr äßt Euch krank!
Ein andermal wollt mich besuchen.« –

»Dies Herz dir kehrt und verkehrt ohn Wank,
Ein' Hexe ist deine Frau Vrene!«
Da kommt gegangen sein Liebchen schlank
Und lacht in die hintersten Zähne:

»Frau Schwieger, geht Ihr und sagt nicht Dank
Fürs reichlich gespendete Essen?« –
Die Mutter weinend am Wegrand sank;
»Das mög Euch der Himmel vergessen!«

Sie wankt bergab; da erdröhnt zumal
Gewaltiges Poltern und Krachen,
Als trieb's den Glärnisch im Tanz zu Tal –
Die Liebenden stocken im Lachen.

Es löst sich los, weh es gleitet, naht!
Der Urzeit vergletscherter Riese,
Lebendig wird er! Der Firnegrat
Beschreitet mit Donnern die Wiese.

Die Liebenden sinken ihm sprachlos ins Knie,
Er umfaltet die blühenden Glieder:
Im frostigen Mantel seufzt er, wimmert sie ...
Leis ächzen die Winde es wieder.

 

□ □ □ □

Das alte Näfelser Schlachtlied.

1388.

Zu Wesen in der Fasten hub an der Glarner Not,
Wo Freunde bös sie faßten, verrieten in den Tod.

Zu österlichen Zeiten, auf einen Samestag
Geschah drum großes Streiten, daß Mancher sterbend lag.

Von glarnischer Gemeinde vierhundertfünfzig Mann
Sahn fünfzehntausend Feinde in grimmen Waffen nahn.

Da ruft im Angstgewimmel ihr Hauptmann unverzagt:
»Ach, reicher Christ im Himmel! Maria, reine Magd!

Laßt uns den Streit gewinnen allhier auf diesem Feld;
Wollt Ihr zu helfen sinnen, bestehn wir alle Welt!

Sankt Fridolin, Getreuer! Und eignet dir das Land,
Hilf es bewahren heuer vor Schimpf und Schmach und Schand!« –

Wohl durch die Letzi brachen die Herren da herein,
Die Glarner, pfiffig, machen sich rückwärts ins Gestein.

Da vor sich weichen sahen die Herren Mann für Mann,
Sie schrieen: »Laßt uns nahen, greift sie nur fröhlich an!«

Die Glarner, sollt ihr meinen, die machen Kehrt und Halt!
Es dröhnt, es hagelt von Steinen, daß rings der Berg erhallt.

Der Feind, der flieht verlegen, fleht um sein Leben bleich;
Mit Silber will er's wägen, mit Gold und Kleinod reich.

»Und gäbest mir Silber und Goldes mehr als ein ganzes Haus,
Was hülf's des Sündensoldes? Die Schmach löscht nichts dir aus!

Den Helm und die Kürassen, all eisernes Gewand,
Die mußt du heute lassen Sankt Fridolin zum Pfand.

Zu Gottes Lob daneben, nehm ich für diese Zeit
Dein höchstes Gut, dein Leben! Geb er dir Ewigkeit!« –

 

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