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Kanton Schaffhausen

Der Lästerstein.

1480.

»Flink, Büttel, flink, bevor die Stadt
Sich um mein Elend schart!
Vor Neid und Rachsucht, nimmersatt,
Mit Grausamkeit sich paart;
Lang her, lang her den Lästerstein,
Der stadtentlang geschleppt muß sein!« –

»Erst ziehe die Trommel Schaulust an!
Bedenkt, was Uebles Ihr getan:
So flink die böse Zunge ging,
So langsam Buße Euch geling!«

»Weh mir, das Volk schwillt ohne Maß!
– Um Gotteswill und Dank –
Herr Büttel, links, links führt die Straß,
Sonst wird das Herz mir krank!
Links laßt uns gehn, seht Ihr dort nicht
Der Mutter steinern Angesicht?« –

»Rechts wohnt nur die brave Mutter, ei,
Der Tochter Schmach muß dran vorbei!
Wo bleibt heut Euer Alltagsstolz,
Geschnitzt aus rarstem Hochmutsholz?«

»Rechts wollt ich sagen! Jemine,
Wie die Gespielen stehn,
Hergaffen, stichelstacheln, weh!
Die Sinne mir vergehn ...
Voran der mich zur Eh gefreit,
Den ich geliebt in Ehrbarkeit.« –

»Links wohnt nur der Schatz, der Euch verließ!
Die Mutter rechts, die Euch verstieß;
Doch hier inmitten steht das Haus,
Das Eure Zung gerichtet aus.«

»Halt, Vetter Büttel, haltet ein!
Schon zieht mich in den Grund
Der unbarmherzge Lästerstein
Von dreimal sechzig Pfund,
Daran sich hängt und zerrt wie Blei,
Haß, Freundschaft, Liebe, alle ... drei!« –

»Recht gern, allerschönstes Töchterlein,
Gern will ich dir zu willen sein,
Bekennst du die Verleumdung schwer,
Getan an dieses Mannes Ehr!«

Sie stöhnt: »Was ich hier einzig weiß,
– Beim dreimal heilgen Eid –
Ich sprach nur laut, was Andre leis
Getuschelt mir zum Leid.
Sie schworen all: ich hab's gesehn!
Will mir heut keiner Zeuge stehn?« –

Kein Helfer! sie sinkt ... Zwei Tuschler schrein:
»Weckt sie zu größrer Angst und Pein!«
Auftut der Tod die Arme sein
Und schließt sie wunderselig drein.

 

□ □ □ □


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