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Kanton Uri

Der Pfaffensprung.

Der Himmel ist blau und die Sonne lacht,
Der Mensch steht in seltsam zwiespältiger Macht.

Am Gotthard wallfahrtend, so früh als spät,
Ein Mönch um Erlösung vom Bösen fleht;
Zwar hat er zur Stunde nichts Uebles getan,
Doch denkt er: der Teufel packt überall an!

Tief unter ihm schäumt durch die grause Schlucht
Die Reuß, vor sich selber auf eiliger Flucht.

Geharnischte stäuben vorüber im Flug,
Saumtiere auch schleppen in schwerem Zug
Prachtstrotzende Güter vorbei, daß er steht
Und innehält mitten im glühnden Gebet.

Laut donnert des Gotthard Granitgestein,
Als krachten die ewigen Himmel darein.

Vermummte mit Frauen nahn hoch zu Roß,
Schon lagert buntscheckig der ganze Troß.
Der Mönch späht mit gierigen Augen vom Quell,
Ein Mägdlein schöpft Wasser: »Mönch, rette mich, schnell!« –

Die Dämmerung webt ihre Schleier dicht
Ums langsam verblutende goldene Licht.

Sie haucht: »Wir sind alle geraubte Fraun!
Die schäckern, mich schaudert, mich schüttelt Graun;
Sie rissen mich frech vom Altar, ich entwich,
Verkehr du ihr Böses in Gutes für mich!« –

Ihr schwarzblau Gewand regt die Nacht im Traum,
Rings gleiten ihr glitzernde Sterne vom Saum.

Den Mönch packt sein Teufel mit grimmem Hohn,
Vertrauensvoll folgt ihm das Mägdlein schon.
Er führt sie hangabwärts verborgenen Pfad,
Sie dankt ihm im Herzen, er sinnt ihr Verrat.

Der Mond betritt leuchtend die Himmelsflur
Und weist den Verfolgern der Flüchtigen Spur.

Jäh faßt er sie: »Mädchen, was strauchelst so?
Mein bist du! Nun werd' ich des Lebens froh!« –
Sie breitet die Arme entgegen dem Fluß ...
Er stemmt sich dawider mit hemmendem Fuß.

Die Reuß wälzt sich wilder im Bett von Stein,
Läßt niemand hinüber, läßt niemand hinein.

Sie kämpfen. Die rächenden Räuber nahn;
Zerknirschung und Angst fällt die Seel ihm an:
»Maria! Entflieh ich des Todes Gefahr,
Heim geb ich die Jungfrau der Jungfrau Altar!« –

Er schwingt sie reußüber, 's ist Mitternacht ...
Die Rächer versteinert zwiespältige Macht.

 

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