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Kanton Schwyz

Das Christusbild.

1642.

Brandfackeln schwingt der Föhn im Flecken,
Die Flammen springen von Haus zu Haus;
Mit ihnen grinsen Nacht und Schrecken
Zu Tür und Fensterkreuz hinaus.
Verwirrte taumeln aus Plätzen, Gassen:
»Gilts das zu retten, gilts jenes zu fassen?«

Und wie in ewgen Höllenqualen
Stehn Mann und Weib in roter Glut,
Umsonst zu vielen tausendmalen
Beschreiend ein verlornes Gut;
Die Menschen zittern, die Balken krachen,
Und wer nicht jammert, verirrt sich ins Lachen.

Schon wimmert unter Trümmern leise
Aus Kinderkehlen ein schaurig Lied;
Dazwischen stöhnt der Fluch der Greise,
Und schneller regt man Glied um Glied;
Dem irren Taumeln folgt hastig Handeln,
Die Blinden sehen, die Lahmen lustwandeln!

Halbwüchsge Kinder retten, rennen
Von Ruf zu Ruf sich müd und matt,
Und immer frißt am heißen Brennen
Der heißre Föhn die Lust nicht satt;
Die Wasserschlangen rings zischen, schnellen:
»Wer hilft den Heiligen in den Kapellen?«

Ein Knabe ruft's, und wie von Sinnen
Zur Holzkapelle er bergwärts rast,
Des Heilands heilig Bild darinnen
Zu retten in verwegner Hast.
Schon rührt er dran mit beflissnen Händen,
Als Christi Augen sich langsam ihm wenden.

Die schmerzenreichen Lippen sagen:
»Lieb Knabe, Dank der Hilfe dein!
Mir selbst kann ich schon Sorge tragen;
Der einst aus Wasser schuf den Wein,
Vermag auch Gluten in Eis zu wandeln;
Kehr heim, eh Flammen dein Liebstes mißhandeln!« –

Die Lippen stehn dem Gottessohne,
Kalt starrt sein Auge als wie zuvor,
Steif stiert er aus der Dornenkrone,
Irr schaut der Knab zum Gott empor;
Verloren fürchtet er sie, verloren ...
Der Angstschweiß bricht ihm aus schaudernden Poren.

Wie Fluch und Schwert treibt's ihn von hinnen,
So oft sein Blick sich rückwärts kehrt:
– »Ob ich's vernahm bei vollen Sinnen?« –
Blinkt die Kapelle unversehrt.
Bricht auch die Hütte vor ihm zusammen,
Die eigne Mutter entringt er den Flammen.

 

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