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Kanton Aargau

Burg Besserstein.

14 ...

»Das ferne Tal der Jugend rückt mir näher,
Je mehr des Lebens Sonne sich mir wendet,
Von keinen grellen Lichtern mehr geblendet,
Die Jahre grabwärts sinken, gäh und gäher.
Aus jener Tage »in die Irre gehn«,
Hab ich mir so viel unverdorbne Kraft,
Hab ich mir Schaffenslust genug errafft,
Daß eine Veste möchte draus erstehn.
Ihr Zimmerleute, richtet eure Balken,
Ihr Maurer, meßt und fügt und schwingt die Kelle!
Dort soll sie stehn! Von hoher Bergesschwelle
Ins Land auslugend gleich dem Edelfalken.« –

Die Söhne hörten lächelnd an den Vater.

Und als durch hochgewölbte, heitre Hallen
Die Sonne huschte, als die junge Linde
Im Hof sich wiegte beim Gesang der Winde,
Der Brunnen plätscherte sein Wohlgefallen,
Da rief der Alte: »Noch erfaß ich's kaum,
Daß mein Gesicht so schön Gestalt gewann!

Stand je ein stolzrer Hort am finstren Tann,
Verirrten und Verfolgten als ein Traum?
Nehmt, Söhne, nehmt! Nicht wag ich drin zu wohnen;
Ich baute über mich hinaus in weiten
Und breiten Maßen für die künftgen Zeiten;
Mit lichtren Taten mögt ihr drinnen thronen!« –

Die Söhne nahmen's lachend an vom Vater.

Doch kaum die Söhne in den Hallen saßen,
Begannen sie zu horchen und zu sehen,
Ob wo ein Zug von Kaufherrn zu erspähen,
Von Brugg nach Zürich ziehend ihrer Straßen.
Fiel den vermummt mit seinem starken Troß
Der eine Bruder listig raubend an,
So sprengte keck der andere heran,
Und half den Herrn zum Schein als Treugenoß.
Verirrte zwang man in den Troß, man streckte
Verfolgten nur die Freundeshand entgegen,
Verbrieften sie ein Lösegeld dagegen,
Bis einst der Uebermut sich selbst entdeckte.

Dem Vater taten's an die Söhne beide.

Da gürtete der Alte sich mit Stärke
Und schrie: »Herz, hast noch nicht genug gelitten?«
Und stieg burgaufwärts mit des Schicksals Schritten,
Und rief die Leute rings vom Tagewerke.
Und als er stand vor seinem Traumgesicht,
Den hehren Hallen, riß er aus der Hand
Dem Zimmermann die Axt, zerschlug wie Tand
Sein liebstes Werk und rief: »Auf, zum Gericht!
Ruht nicht, ruht nicht bis Stein vom Stein gebrochen,
Und jagt mir Stein um Stein noch in die Winde!« –
Und sieh, er schonte nur der jungen Linde,
Des Brunnenquells, dran ihre Wurzeln krochen.

Die Söhne beide strafte so der Vater.

 

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