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Nachwort

Die vorliegende Sammlung altpreußischer Sagen verfolgt keine wissenschaftlichen Zwecke. Sie soll nur altüberliefertes Gut in neuem Gewande dem neuen Geschlechte darbieten. Daher hält sie sich im großen und ganzen an ein bewährtes Vorbild, die Sammlung preußischer Volkssagen von W. J. A. v. Tettau und J. D. Temme. Seit dem Erscheinen dieses verdienstvollen Buches sind nunmehr fünfzig Jahre verflossen, und so ist es denn auch dem Gesichtskreise der jetzigen Generation fast gänzlich entschwunden. Sein Stoff aber hat bis heute seine Lebensfähigkeit bewahrt und an seinem herben Reiz nichts eingebüßt. Es bedurfte nur einer gewissen Auswahl und übersichtlicherer Anordnung, wobei verschiedene Richtlinien zu beobachten waren: Zunächst empfahl es sich, aus mehr äußerlichen Gründen, den Stoff im allgemeinen auf Ostpreußen zu beschränken. Der köstliche Schatz alter Ordensüberlieferung indessen, wie ihn namentlich die Chronik des Peter von Dusburg in so reichem Maße bietet, durfte nicht nach Maßgabe späterer Provinzialgrenzen behandelt werden; er ist das wertvollste Gemeingut der altpreußischen Lande zu beiden Seiten der Weichsel und läßt sich ohne Einbuße an innerem Gehalt nicht in einen ostpreußischen und einen westpreußischen Teil auseinanderreißen. Dementsprechend ist der Sagenstoff aus der Zeit der Ankunft des Ordens in Preußen und seiner Blüte als ein literarisch bedeutsames Spiegelbild ungewöhnlich großartiger Vorgänge in möglichst weitem Umfange berücksichtigt worden. Dabei sind die ursprünglichen Quellen fast ausnahmslos verglichen und einige neue Stücke ihnen entnommen worden, während rein geschichtliche Tatsachen ohne sagenhaften Kern in Wegfall gekommen sind.

Grundsätzlich beiseitegelassen sind die törichten Erzählungen des Simon Grunau über die Vorgeschichte der alten Preußen. Sie sind zwar vielfach von späteren Schriftstellern als alte Überlieferung weiterverbreitet worden, tragen aber doch zu sehr den Stempel nachahmender und dürftiger Erfindung an sich, als daß sie für wurzelechte Sagen gelten könnten. Wo dagegen Grunausche Stücke echt volkstümliche Züge aufweisen, haben auch sie Berücksichtigung gefunden. Ähnlich liegt die Sache beim alten Hennenberger. Die von ihm berichteten Ausgeburten der Phantasie eines im Teufelswahn verrannten Zeitalters sind es nicht wert, als dauerndes Sagengut eines Volkes bewahrt zu werden; hier und da aber findet sich auch bei ihm unter dem groben Wust ein goldenes Korn.

Im übrigen ist für die Weglassung mancher von Tettau und Temme aufgenommenen Stücke der Grundsatz maßgebend gewesen, daß in ein ostpreußisches Sagenbuch nur solche Stoffe gehören, die entweder als ursprünglich einheimisch angesprochen werden dürfen oder, wenn sie aus dem gemeindeutschen Sagenschatze nach Ostpreußen übertragen worden sind, wenigstens durch eine ausgeprägte örtliche Beziehung und Färbung Heimatsberechtigung erworben haben.

Andererseits ist eine kleine Anzahl von einheimischen Sagen neu aufgenommen worden, darunter einige, die ihre Auszeichnung der von den Brüdern Grimm angeregten Sammeltätigkeit der preußischen Provinzialblätter um die Mitte des vorigen Jahrhunderts verdanken, aber von Tettau und Temme aus unbekannten Gründen übergangen worden sind. Dem Spürsinn Frischbiers verdanken wir ein Muster lebendiger Fortentwickelung eines Sagenstoffes in der Geschichte vom Konopkaberge, dem prächtigen masurischen Seitenstücke zu dem reizenden litauischen Alten Dessauer. Aus dem vortrefflichen Werke »Volkstümliches in Ostpreußen« von E. Lemke konnte leider nur ein einziges Stück in unsere Sammlung Ausnahme finden, wenn die Einheit des Stils nicht gestört werden sollte.

Schlobitten im April 1915
Dr. C. Krollmann

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Quellennachweis

Tettau und Temme, Volkssagen: Nr. 1-8, 11, 31-33, 49, 58, 61, 64, 65, 76, 80, 82-85, 89, 90, 93-97, 101, 102.

Dusburg, Chronik: Nr. 9, 10, 12, 20, 22-30, 34, 38-44, 80, 91.

Lukas David: Nr. 21, 87. Nach Scriptor. Rer. Pruss. Band II, Abschnitt III: Nr. 35-37.

Nach Simon Grunau: Nr. 45, 46, 51, 52, 66, 71.

Leo, Hist. Pruss.: Nr. 47. Nach Preuß. Prov. Blätter I u. II: Nr. 54, 74 (Toeppen), 81, 87 und 88 (Toeppen), 92, 100.

Johann von Posilge: Nr. 48, 53. Hennenberger, Erklärung: Nr. 56, 79.

Erläutertes Preußen: Nr. 57, 60, 63, 70, 75, 77, 78, 86, 98.

Behnisch, Geschichte von Bartenstein: Nr. 59.

Hartwich, Beschreibung der Werder: Nr. 62. Nach Braun, Ostpreußische Erzählungen: Nr. 68, 73.

Conrad, Pr.-Holland: Nr. 69.

E. Lemke, Volkstümliches in Ostpreußen: Nr. 72. Altpreuß. Monatsschrift, Bd. XXIV: Nr. 99 (Frischbier).

Bludau, Oberland, Ermeland usw.: Nr. 103-105.

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Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig

 


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