Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XI. Vom großen Kriege und der Tannenberger Schlacht

47. Die Tannenberger Schlacht

In der Nacht, die der schrecklichen Niederlage der Deutschen Ordensritter bei Tannenberg vorherging, erhob sich ein gewaltiges Unwetter, und man konnte am Himmel ein Wunderzeichen erblicken, das den Ausgang des Kampfes wohl verkünden mochte. In der Gegend des Mondes nämlich sah man einen Mönch, der eine Zeitlang mit einem Könige kämpfte, zuletzt aber besiegt und vom Himmel verjagt ward. Auch während der Schlacht selbst sah man einen Mann in polnischer Kleidung über dem Heere des Königs Wladislaw Jagiello schweben, der die polnischen Völker anfeuerte, wenn sie zu weichen begannen, ihnen seinen Segen erteilte und den Sieg versprach. In diesem Manne glaubte man den heiligen Stanislaus, den Schutzpatron Polens zu erkennen.

48. Von polnischen Büchsenschützen

Als nach der Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 die Polen das Hauptschloß des Ordens zu Marienburg mit aller Macht belagerten, geschah ein großes Wunder. König Wladislaw Jagiello hatte einen kunstfertigen Büchsenschützen, der richtete seine Büchse auf das große Marienbild am Chore der Schloßkirche und wollte die Mauer mit seinem Schüsse zertrümmern. In dem Augenblicke aber, da er die Büchse abfeuern wollte, ward er blind, vor den Augen aller, die zugegen waren. Der Herzog Witowt hatte auch einen tüchtigen Büchsenschützen, einen Russen, dem hatte er die Zehen abhauen lassen, damit er ihm nicht entfliehen sollte. Doch als der Russe das Schicksal seines Kameraden wahrnahm, benutzte er die nächste Gelegenheit und ging zu den Deutschen auf dem Schlosse über. Er ließ sich taufen und ward ein guter Christ und brachte dem Orden vielen Nutzen durch seine Kenntnis der feindlichen Pläne und durch seine Kunstfertigkeit. Später aber wurde er vom Heimweh befallen und wollte wieder nach Litauen entfliehen, da wurde er ertränkt.

49. Der Schuß auf den Remter

Im Hochmeisterpalast des Schlosses Marienburg ist das vornehmste Gemach der große Sommerremter. Sein prächtiges Gewölbe wird von einem einzigen Pfeiler von Granit getragen, so daß wenn dieser Pfeiler stürzt, das ganze Gewölbe zusammenfallen muß. Als nun die Polen das Schloß nach der Schlacht bei Tannenberg mit aller Macht belagerten, fand sich darin ein verräterischer Troßbube, der beschrieb den Polen den Pfeiler und die Beschaffenheit des Remters und versprach ihnen, wenn das ganze Kapitel in dem Remter versammelt sei, aus einem Fenster nach der Nogat zu zum Zeichen seinen roten Hut hinauszuhängen und ihnen Weisung zu geben, wohin der Schuß gerichtet werden müsse, um den Pfeiler zu treffen, damit unter dem herabstürzenden Gewölbe alle Ritter auf einmal zerschmettert und begraben würden. Bald darauf versammelte der Hochmeister alle Ritter um sich in seinem Remter zur Beratung; da gab der Verräter das verabredete Zeichen, und die Polen feuerten aus ihrem stärksten Geschütz eine mächtige Steinkugel gegen den Remter. Doch verfehlte die Kugel den Pfeiler und schlug in die gegenüberliegende Mauer neben den Kamin, wo sie noch heute den Besuchern der Marienburg als Wahrzeichen gezeigt wird.

50. Die Kapelle auf der Walstatt von Tannenberg

Auf der Walstatt zu Tannenberg, wo die Blüte des Deutschen Ordens dem Schwerte der Polen und Litauer erlag, wurde zum Andenken an diese unheilvolle Begebenheit von dem Hochmeister Heinrich von Plauen eine Kapelle errichtet. Nachdem dieselbe von den Polen wenige Jahre später schon wieder zerstört war, blieb dennoch das verlassene Gemäuer für das Volk eine geweihte Stätte, und man hielt den Aufenthalt darin für heilbringend. Noch lange pflegten sich dort, namentlich am zweiten Pfingsttage, die Umwohner zu versammeln, und Kranke, Gebrechliche und Krüppel zogen ihre Strümpfe und Schuhe aus und legten sie nebst ihren Krücken an und auf die Mauer gegen Osten, wo sonst der Altar gestanden hatte, fügten noch ein Opfergeld nach ihrem Vermögen hinzu und zogen dann, baldiger Genesung gewiß, frohen Mutes wieder heim.

51. Der Bote aus der andern Welt

In der nächsten Zeit vor der Schlacht bei Tannenberg befanden sich in dem Konvente von Königsberg zwei Ritterbrüder, Philipp von Zwistelen und Wigand von Qualenburg, die sich innig liebten. Sie machten einen Bund untereinander, daß wer von ihnen zuerst stürbe, dem andern erscheinen und verkünden solle, wie es ihm in jener Welt ergehe. Und es geschah, daß sie von Königsberg wurden fortgenommen, und der eine ward gesetzt zum Hauskomtur auf Labiau, der andere aber zum Mühlmeister zu Osterode. Letzterer aber blieb tot in dem großen Streit. In der Nacht nachdem er verschieden, kam Bruder Wigand zu Bruder Philipp, der sich in seinem Kämmerlein befand, und sprach: »Aus sonderlicher Gnade Gottes komme ich nach meinem Tode in Gemäßheit unseres Verbündnisses zu dir; so frage, was nützlich ist, denn ich darf nicht lange weilen.« Bruder Philipp antwortete: »Wie geht es zu in jener Welt?« Der Tote sprach: »Wie es jeglicher verdient, also hat er auch Kurzweil. Und wisse, daß die, welche Knechte bei uns gewesen, dort unsere Herren sind.« Der Lebendige fragte: »Wo bist du, in welcher Kurzweil?« Der Tote antwortete: »Ich bin da, wo einer ausgeht und tausend eingehen, und unsere Kurzweil ist, daß uns eine Stunde zehntausend Jahre dünkt, und uns dennoch unzählige Barmherzigkeit geschieht.« Philipp fragte weiter: »Und wie steht es um uns in Gottes Gerichte? Werden wir gewinnen oder verlieren?« Der Geist sprach: »Ich habe gesehen, daß man vor Gott unsere guten und bösen Werke gewogen; aber ich sah nicht, welche Schale niederging, denn ich ward weggefordert. Aber eins noch zum letzten. In kurzem wird es geschehen, daß die Herren Knechte werden, und unsere Fürstentümer werden Fremde besitzen.« Und nachdem er also gesprochen, verschwand er wieder.

52. Die Christburg

An dem Orte, wo das Städtlein Christburg liegt, hatten die alten Preußen eine Festung. Diese belagerten die Ordensbrüder lange vergeblich. Endlich eroberten sie dieselbe und erschlugen alles, was darinnen war. Und weil dieses war geschehen in der heiligen Christnacht, nannten sie die Festung von da an Christburg. Dieselbe wurde ein starker und wichtiger Ort für den Orden und blieb solches wohl an zweihundert Jahre lang, bis er auf einmal im Jahre des Herrn 1410 ganz wüst lag. Es war damals Komtur in demselben Albrecht von Schwarzburg, oder wie andere sagen, Otto von Sangerwitz. Dieser hatte allezeit den Krieg widerraten mit dem König Jagiello von Polen, der nachher so unglücklich für den Orden endete. Aber die Chorherren wollten den Krieg, und als nun der Komtur ins Feld, zu der Tannenbergischen Schlacht, ausrückte und von dem obersten Chorherrn befragt wurde, wem er das Schloß anvertrauen wolle, da antwortete er ungeduldig: »Dir und den bösen Geistern, so zu dem Kriege geraten haben!« – Da erschrak der Chorherr so heftig, daß er in eine hitzige Krankheit verfiel und den andern Tag starb. Alsbald mußte sein Geist in dem Schlosse herumspuken, und sowie nachher ein Kreuzherr starb, der zu dem Kriege mit Jagiello geraten hatte, wurde seine Seele in das Schloß zu Christburg verbannt, so daß sich hier bald so viele Gespenster eingefunden hatten, daß es kein lebender Mensch darin aushalten konnte. Die trieben ein fürchterlich Unwesen. Wenn die Knechte wollten in den Stall gehen, so kamen sie in den Keller und soffen sich voll, daß sie nicht wußten, was sie taten. Wenn der Koch und sein Gesinde in die Kirche gingen, so fanden sie darinnen die Pferde stehen, und es war ein Stall daraus geworden. Wollte der Kellermeister etwas im Keller verrichten, so fand er Wassertröge und dergleichen darin. Wenn die Ordensbrüder im Schlosse essen wollten, so waren die Schüsseln voll Blut. Es kam ein neuer Komtur von Frauenburg dahin; dem ging es am allerschlechtesten, denn einmal ward er im Schloßbrunnen an seinem Barte aufgehangen gefunden, daß er nur mit Mühe wieder ins Leben kam; ein andermal fand man ihn auf dem obersten Dache des Schlosses. Darauf fing sein Bart von selbst an zu brennen, und es half kein Wasser, bis er aus dem Schlosse lief.

Das Schloß ward also verlassen und blieb öde und zerfiel in Trümmer. Diese stehen auch jetzt, und es Hausen noch immer die Seelen der Ritter darin, so den unglücklichen Polenkrieg veranlaßt.

Zwei Jahre nach der Schlacht kehrte ein Bürger von Christburg, ein Schmied, von einer Wallfahrt gen Rom heim; der ging, um zu erfahren, was es mit dem Gespenst für eine Bewandtnis habe, einstens am Mittage nach dem Schloß und fand auf der Brücke stehen des Komturs Bruder, der auch in der Schlacht mit geblieben war. Der Schmied, dem selbiger einst sein Söhnlein aus der Taufe gehoben, erkannte ihn alsbald und meinend, daß er einen lebendigen Menschen vor sich sehe, sprach er: »O, Herr Gevatter, ich bin erfreut, daß ich Euch frisch und gesund sehe; man hat mich überreden wollen, Ihr wäret erschlagen worden; ich bin froh daß es besser ist, als ich meinte, und wie steht es doch in diesem Schlosse, davon man so wunderliche Dinge redet?« Das Gespenst antwortet hierauf: »Komm mit mir, so wirst du sehen, wie man allhier haushält.« Der Schmied folgte ihm nach, die Wendeltreppen hinauf. Da sie in das erste Gemach gelangt waren, fanden sie einen Haufen Volks, die mit Würfeln und Karten spielten, etliche lachend, etliche fluchend. Die im andern Gemach verlustierten sich mit Essen und Trinken. Und da gingen sie in den großen Saal, wo sie Männer, Weiber, Jungfrauen und junge Gesellen fanden; da hörte man nichts als Saitenspiel und Singen und schaute nichts denn Tanzen, Unzucht und Schande. Folglich gingen sie in die Kirche; da stand ein Pfaff vor dem Altar, als ob er Messe halten wolle, die Chorherren aber saßen ringsumher in ihren Chören und schliefen. Danach gingen sie wieder zum Schlosse hinaus. Alsbald hörte man in demselben so jämmerlich Weinen und Heulen, daß dem Schmied angst und bange ward, gedachte auch, es könnte in der Hölle nicht schrecklicher sein. Da sprach sein Gevatter zu ihm: »Gehe hin und zeige dem neuen Hochmeister an, was du gesehen und gehört hast, denn so ist unser Leben gewesen, wie du drinnen gesehen; das ist der darauf erfolgte Jammer, den du hieraußen gehört hast.« Mit den Worten verschwand er.

Der Schmied erschrak sehr, dennoch wollte er den Befehl verrichten, ging zum neuen Hochmeister und erzählte ihm alles, wie es gegangen. Der aber ward zornig, sagte, es wäre erdichtet Ding, seinen hochwürdigen Orden in Schmach zu bringen, und ließ den Schmied fahen und ersäufen.

53. Das Bild der heiligen Barbara

Während des großen Krieges flüchteten die Ritter des Deutschen Ordens die Reliquie der heiligen Barbara von Althaus-Kulm nach der Marienburg und brachten sie dort in sicheren Gewahrsam. Es begab sich aber im Jahre 1415, daß eine große Dürre eintrat, so daß alles Getreide auf dem Felde verdorrte. Da ward eine große Prozession angeordnet, um den Himmel um Regen anzuflehen, und es sollte das Bild der heiligen Barbara gen Willenberg hingetragen werden. Als man aber mit demselben hinaustreten wollte, begann ein Regen, der jedoch wieder innehielt, solange die Prozession währte, wie denn auch sonst die schönen Chorhemden, mit denen die Geistlichen angetan waren, ganz verderbt sein wurden. Sobald aber die Prozession beendigt war, fiel der Regen in Strömen herab, und es regnete den halben Tag und die ganze Nacht dem Volke zum großen Tröste. Und sooft es später anfing, zu dürre zu werden, trug man wieder das Bild in Prozession, und alsbald fiel ein gedeihlicher Regen.


 << zurück weiter >>