Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV. Familiensagen

83. Das Licht in der Kirche zu Jäskendorf

Jäskendorf, im Oberlande, ausgezeichnet schön an einem meist von waldbedeckten Höhen umgebenen See gelegen, ist jetzt der Sitz eines Zweiges der gräflichen Familie von Finkenstein. Wenn in der letzteren ein Todesfall bevorsteht, so wird dies immer dadurch vorher verkündigt, daß sich auf dem Altäre der dortigen Kirche eine Kerze von selbst anzündet. So sah der Pfarrer noch vor wenigen Jahren, als er an einem Wintermorgen vor Tagesanbruch aufstand, von seiner der Kirche gegenüberliegenden Wohnung aus, daß diese erleuchtet sei. Da er einen Einbruch vermutete, so schickte er sogleich den Küster hinüber. Letzterer fand jedoch niemanden in der Kirche, wohl aber ein Licht auf dem Altäre brennen, was um so wunderbarer schien, als die Tür verschlossen und tags zuvor kein Gottesdienst gewesen war. Bald darauf kam die Nachricht, daß die Schwester des Besitzers in Königsberg verstorben sei.

84. Der Spuk im Schlosse zu Schlodien

Im preußischen Oberlande liegt das Schloß Schlodien, der Stammsitz eines der drei Hauptzweige der Familie der Burggrafen und Grafen zu Dohna. In diesem Schlosse geht es um. Es hat dort nämlich einmal eine Gräfin gehaust, die war die zweite Frau des regierenden Grafen, und da sie sehr habsüchtig war, wünschte sie ihren Stiefkindern ihr Erbteil zu entziehen. Deshalb quälte sie ihren Gemahl noch auf dem Totenbette, daß er sein Testament zu ihren Gunsten ändern sollte. Zur Strafe fand sie selbst keine Ruhe im Grabe. In dem Zimmer, wo der Graf starb und wo noch das große Doppelbett sieht, dessen sich die Ehegatten bedient hatten, zeigt sie sich insbesondere zu nächtlicher Zeit, und wenn man sie auch nicht sieht, so hört man doch das Rauschen ihrer schwerseidenen Kleider. Wenn die Gräfin aber umgegangen ist, so folgt stets darauf ein Todesfall in der Familie.

85. Die Braut des Fingerlings

Bei dem ehemaligen Städtchen Leunenburg, das zwar jetzt nur ein Dorf ist, dessen Bewohner sich aber zur Erinnerung an die Vorzeit noch jetzt Bürger nennen, liegt das Schloß Prassen, der Stammsitz des sonst freiherrlich, jetzt gräflich Eulenburgschen Geschlechts. Hier haben vordem die Fingerlinge, Barstucken oder Erdmännlein ihren Wohnsitz gehabt. Einst erschien vor dem Freiherrn von Eulenburg eine Gesandtschaft derselben und warb für ihren König um seine Tochter, ein Mägdlein von überaus großer Schönheit, im Falle der Gewährung verheißend, daß, solange sie ungestört dort Hausen würden, das Geschlecht der Eulenburgs auf jede Weise reich gesegnet werden solle. Zum Zeichen dessen überreichten die Abgesandten einen Fingerreif mit der Anmahnung, solchen wohl zu bewahren, da, sobald er verloren gehe, das Glück vom Hause scheiden werde. Als nun der Freiherr in den Antrag willigte, baten die Abgesandten weiter, daß die Braut an dem anberaumten Vermählungstage in ein von ihnen bezeichnetes Zimmer geführt werde, wo ihr Herrscher dieselbe dann in Empfang nehmen wolle; doch forderten sie auch, daß niemand ihr Tun belausche, weil sie sonst das Schloß verlassen müßten. An dem festgesetzten Tage wurde nun die Jungfrau in jenes Zimmer geführt: am folgenden Morgen war sie verschwunden, und nie ist wieder etwas von ihr gesehen worden. Die Fingerlinge sind aber noch oft nachher erschienen und haben sich dasselbe Gemach, das deshalb auch nie anders benutzt wurde, zu ihren Lustbarkeiten erbeten.

Einst als einer der Besitzer des Schlosses an der Tafel saß, rief diesem eine feine Stimme, die hinter dem Ofen herzukommen schien, zu, er solle nach dem gedachten Zimmer gehen und dort rufen: Höre, Rotöhrchen, Geelöhrchen ist tot! Als er dies verrichtet, antwortete ihm dort eine unsichtbare Stimme: So, ist sie tot?

Jener Ring wird noch in dem Familienarchive aufbewahrt; die Fingerlinge aber sollen, weil sie einst bei einem Festmahle belauscht worden, fortgezogen sein.

86. Das Archiv zu Tapiau

In dem alten Schlosse zu Tapiau befand sich vor Zeiten das Archiv der preußischen Stände, worinnen die Privilegien des Landes Preußen waren. Die Schlüssel dazu lagen deshalben verwahrt bei dem Regierungskanzler zu Königsberg, welcher allein sie in die Hände bekam. Da begab es sich eines Tages im Jahre 1619, daß der Hauptmann des Schlosses, Herr Martin von Wallenrodt, in dem Innern desselben spazieren ging, und er plötzlich die mit starken Riegeln versehene Tür des Archivs weit offen stehen sah. Er verwunderte sich darüber, dachte aber endlich, es seien Diebe eingebrochen, und er ging hinein, um danach zu sehen. Kaum war er aber hineingetreten, als die Tür wunderbarerweise hinter ihm zuschlug, so daß er nicht wieder herauskonnte. Man mußte draußen an das Fenster große Leitern ansetzen und das Gegitter erweitern, um ihn zu befreien. Acht Tage darauf bekam der Hauptmann eine kurfürstliche Bestallung, daß er sollte Regierungskanzler werden, denn der alte Kanzler war zu derselbigen Zeit gestorben.

87. Die Feuersbrunst in Labiau

Die Grafen von der Trenk auf Schakaulak können jede Feuersbrunst ausreiten. Als im Jahre 1809 die Vorstadt von Labiau abbrannte, kam plötzlich der um 1836 verstorbene Graf von der Trenk auf einem schäumenden Schimmel angesprengt, jagte dreimal um das Feuer herum, wobei sich hinter dem Pferde ein feuriger Streifen zog, der den Schweif des Rosses hinauf und längs dem Rücken des Pferdes bis an die Lehne des Sattels lief, und stürzte sich in das nächste Wasser. Als er auf der andern Seite wieder herausritt, war das Feuer aus und die übrige Stadt, die wegen des Windes in großer Gefahr schwebte, gerettet.

88. Der Teufelstanz in Schakaulak

Eine der Ahnfrauen des Hauses von der Trenk, bei weicheres immer in Saus und Braus hergehen mußte, und welche nichts mehr liebte als Fahren, Reiten, Jagen und Tanzen, veranstaltete einmal ein großes Fest. Es dauerte schon mehrere Tage. Am vierten Abend, eben als der Tanz mit einer Polonäse beginnen sollte, fährt eine elegante Equipage vor; ein sehr reich gekleideter junger Mann steigt aus, tritt in den Saal und bittet um die Erlaubnis, an dem Tanze mit teilnehmen zu dürfen. Es war ein interessanter Mann, obwohl er etwas wild aussah, und seine Bitte wurde gewährt. Er forderte die Gräfin zur Polonäse auf und unterhielt sie sehr angenehm. Aber auf einmal sehen die Musikanten, daß er einen Pferdefuß hat, und erschrecken so heftig, daß sie wie auf Verabredung alle auf einmal das Lied anheben: »Es wolle Gott uns gnädig sein«. Wie der Fremde das hört, steht er plötzlich in Flammen und fährt durch die Wand und verschwindet draußen samt Wagen und Pferden. Die Stelle in der Wand, wo der Teufel durchgefahren ist, sieht man noch jetzt. Man hat oft versucht, sie zuzumauern, aber immer vergeblich. Die Hand der Gräfin aber, an welcher der Teufel sie gehalten, und die ganze Seite ihres Körpers, neben welcher er gestanden hatte, blieben von Stund an schwarzblau und wie verbrannt. Darauf bekehrte sie sich und ist eine fromme Hausfrau geworden. Ihre Nachkommenschaft aber starb mit ihren Kindern aus, und die Besitzungen ihres Hauses fielen daher bald an die ungarische Seitenlinie.


 << zurück weiter >>