Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI. Von den Kriegen des Deutschen Ordens mit den alten Preußen

21. Der Sturm auf Reden

In dem Kriege, den die heidnischen Sudauer wider die Brüder vom Deutschen Orden führten, machten sie einst einen Zug gegen das Schloß Reden. An einem Sonnabende früh morgens, während der Frühmette, langten sie vor der Burg an und begannen auch alsbald den Sturm. Da nun aber die Brüder und die Knechte, welche sich auf der Burg befanden, gerade sämtlich in der Kirche waren und das Salve sancta parens zu Ehren der gebenedeiten Jungfrau sangen, so nahmen sie von dem Feinde nichts wahr. Statt ihrer erschienen jedoch auf den Wehren himmlische Männer, die mit Pfeilen auf den Feind schossen und so eine ganze Stunde hindurch das Schloß schirmten, bis der Gottesdienst beendigt war und die Brüder nun selbst den Kampf aufnehmen konnten.

22. Die Rettung der Burg Schönewiek

Neben dem Städtlein Fischhausen im Samland hatte früher der Bischof von Samland eine Burg, die hieß Schönewiek. Der erste Bischof von Samland, Heinrich, befand sich einst dort, kurz ehe die Samen zum erstenmal vom Orden abfielen. Da er sich keiner Gefahr befürchtete, hatte er nur einen einzigen Ritter mit seinem Knappen bei sich, als auf einmal ein ganzes Heer der Heiden ankam, um die Burg zu belagern. Sie fingen auch alsbald an zu stürmen; der Ritter mit seinem Knecht setzte sich mutig zur Wehr, der fromme Bischof aber flehte zum Himmel um Errettung vor den Heiden. Und siehe, Gott schlug die Feinde mit Blindheit, so daß sie das Tau der Zugbrücke, das offensichtlich am Tore draußen hing, nicht fanden; hätten sie nur ein wenig daran gezogen, so wäre der Eingang ihnen geöffnet gewesen, und niemand hätte sie hindern können, die Burg zu nehmen.

Andere aber erzählen, die Preußen hätten auf den Mauern von Schönewiek Tausende von Streitern erblickt, wo sie nur wenige vermuteten, und sich darauf toll und töricht in die Flucht geworfen, in dem Wahne, als würden sie von unzähligen Reitern gejagt.

23. Der Läufer ohne Kopf

Als im Jahre 1261 die Preußen das Schloß zu Königsberg hart belagert hielten, suchten sie die darinliegenden Ordensbrüder durch Hunger zu bezwingen. Deswegen bauten sie über den Pregel mehrere Brücken und an jeder Brücke einen festen Turm, so daß ohne ihren Willen nichts in das Schloß gebracht werden konnte. Solches litten aber die Ritter in dem Schloß nicht lange, und sie fielen heraus auf die arbeitenden Preußen, schlugen sie in die Flucht und zerstörten die Werke, die sie errichtet hatten. Bei dieser Gelegenheit trug es sich zu, daß ein Ordensbruder namens Gebhard, aus Sachsen gebürtig, einem flüchtigen Preußen nacheilte und ihm so geschwind den Kopf abhieb, daß der Preuße noch 29 Schritte gelaufen ohne den Kopf, ehe er zu Boden fiel. Dessen waren die Brüder auf das höchste verwundert, und alle versicherten, so etwas noch niemals gesehen zu haben.

24. Die tödliche Neugierde

Bei derselben Belagerung Königsbergs ging es manchmal hart her. Viele Ausfälle der deutschen Ritter wurden von den Heiden, die hartnäckig um den Sieg kämpften, blutig zurückgeschlagen. So mußten einst die Brüder so eilig ihr Heil in der Flucht suchen, daß ein Ritter seine gespannte Armbrust nicht mehr abschießen konnte, sondern sie, so wie sie war, im Stiche lassen mußte. Ein Preuße hob das ihm unbekannte Instrument auf und hing es sich an der Sehne um den Hals. Seine Gefährten kamen heran und bewunderten das seltsame Ding, und da sie nicht wußten, wie es damit bestellt war, tasteten, klopften und zogen sie daran herum, bis einer von ungefähr den Abzug berührte; da schnellte die Sehne los und zerschlug dem unglücklichen Träger die Gurgel, so daß er starb. Daher hatten die Preußen späterhin gewaltige Angst vor den Armbrüsten.

25. Der starke Ritter

Bald nach dem soeben erzählten Vorfall schickte der Komtur von Königsberg den Ordensbruder Ulrich von Magdeburg auf einem Schiffe vor das Tief, um die dort liegenden Schiffe und Waren vor einem Überfalle der Preußen zu schützen. Auf einmal aber kamen fünf preußische Schiffe heran mit starker Mannschaft, die eilten sehr auf Bruder Ulrich zu, in Hoffnung, da er nur mit wenigen Leuten war, ihn und sein Schiff leicht in ihre Gewalt zu bringen. Allein Ulrich geriet wenig in Furcht, denn es hatte ihm Gott eine solche Stärke des Leibes gegeben, daß er damit alle Männer übertraf. Sowie er daher die Gefahr sah und die Preußen ihm nahe gekommen waren, ergriff er den Mastbaum seines Schiffs und schlug damit auf das nächste Schiff der Preußen, worin fünfzig starke Männer waren, so heftig, daß das Schiff Wasser schöpfte und unterging. Da das die andern sahen, nahmen sie die Flucht. – Dieser Ulrich hat oftmals zwei vollständig gerüstete Männer, wenn er sie nur beim Gürtel am Rücken anfassen konnte, auch wider ihren Willen mit zween Fingern in die Höhe gehoben.

26. Der Riese Miligedo

Es lebte in Preußen, als der Orden ins Land kam, ein gewaltiger Riese, der hieß Miligedo und war im ganzen Lande wegen seiner Größe und Stärke bekannt. Derselbe bekehrte sich zum christlichen Glauben und trat unter das Heer der Ordensbrüder und tat seinen Landsleuten vielen Schaden. Darum, und weil er so ausnehmend stark war, fürchteten ihn die heidnischen Preußen sehr und suchten ihn in ihre Gewalt zu bekommen. Als nun zu einer Zeit die Kreuzherren das Schloß Bartenstein mit vierhundert Mann besetzt hatten, darunter auch dieser Miligedo war, belagerten die Preußen das Schloß unter ihrem Oberherren Mattingo und trachteten danach, wie sie den Miligedo mit List aus dem Wege räumten. Sie hatten einen unter ihrem Haufen, der auch nicht klein war, aber dem Miligedo bei weitem nicht gleich kam. Dieser trat ins Feld und forderte den Miligedo aus dem Schlosse zum Zweikampf hervor. Miligedo ließ sich nicht lange nötigen und kam ganz allein auf den Platz. Er trug bloß eine große Keule, deren Knopf voller Blei gegossen war. Wie er nun zu seinem Kampfgesellen antritt, ehe ihn dieser mit seinem Gewehre erreichen möchte, schlägt er ihm mit dem ersten Streiche den Hauptharnisch und den Hirnschädel ineinander. Aber jetzt springen zwanzig Preußen aus dem Strauch hervor, die fallen ihn zugleich an; doch dieser achtete ihrer nicht groß und scharmützelte in kurzem so unter ihnen, daß ihrer fünfzehn auf dem Platze blieben, die übrigen aber die Flucht nahmen und er selbst in Frieden wieder auf die Burg zog. Bald darauf aber brachten ihn die Preußen doch in die Klappen, denn als er gar zu kühn und keck war und einstmals schon zehn Mann bestritten und erschlagen hatte, da ward er noch von fünfzigen überfallen, die ihn, weil er allein und müde war, überwältigten und jämmerlich ermordeten.

27. Herkus Monte und Hirschhals

Unter den Natangern war zur Zeit des großen Aufstandes ein tapferer Hauptmann, der hieß Herkus Monte. Derselbe war in seiner Jugend von den Brüdern nach Magdeburg gebracht worden, wo er im christlichen Glauben erzogen wurde und die deutsche Sprache erlernte. Die Bürger der Stadt erwiesen dem Preußenknaben viel Gutes, namentlich ein reicher und vornehmer Mann namens Hirschhals tat ihm alles Liebe. Nachdem aber Herkus nach Preußen zurückgekehrt war, fiel er vom Christenglauben wieder ab und wurde der ärgste Feind der Brüder vom Deutschen Hause. Die Natanger wählten ihn zu ihrem Feldobersten und gewannen durch seine Klugheit und seinen Mut manchen Sieg. Unter andern schlugen sie ein christliches Heer auf dem Felde Pokarben, töteten ihrer viele und machten auch viele Gefangene. Unter diesen befand sich auch Herr Hirschhals, der mit andern Herren und Rittern aus Deutschland gekommen war, um dem Orden zu helfen. Nach den Gesetzen der Natanger mußten die Gefangenen untereinander das Los werfen, wer von ihnen sterben und den Göttern geopfert werden sollte. Und das Los fiel auf Hirschhals. In dieser Not bat er den Herkus Monte, er möge sich der vielen Wohltaten erinnern, die er ihm in seiner Jugend erwiesen habe, und möge ihn retten. Darauf ließ Herkus Monte, der, obwohl er ein Heide war, doch ein dankbares Herz hatte, noch einmal die Gefangenen das Los werfen, aber siehe, wiederum zog Hirschhals das Todeslos. Und so geschah es auch noch ein drittes Mal. Da sprach Hirschhals: »Wenn es denn beschlossen ist, daß ich sterben soll, so will ich um mein Leben nicht länger bitten«, und auch Herkus Monte wagte nicht weiter, sich dem Schicksalsspruche zu widersetzen. So wurde Hirschhals auf sein Streitroß gesetzt, im Schmucke seiner Waffen, aber gefesselt, und mitsamt dem Pferde verbrannt. Als er aber den Geist aufgab, sahen alle Anwesenden seine Seele gleich einer schneeweißen Taube gen Himmel steigen.

Herkus Monte aber, so tapfer er war, wurde schließlich doch von den Deutschen in die Enge getrieben und als er, von fast allen seinen Stammesgenossen verlassen, in die Wildnis geflüchtet war, eines Tages, während er in seinem Zelte schlief, von einigen Ordensbrüdern überrascht. Sie hängten ihn an einen großen Eichbaum und durchstießen ihn mit ihren Lanzen.

28. Das Totenglöcklein von Bartenstein

Vier Jahre lang hatten die Heiden schon vor der Burg Bartenstein gelegen, ohne daß sie solche zu bewältigen vermocht hätten. Aber drinnen waren längst alle Vorräte und zuletzt sogar die Rosse mit ihren Fellen verzehrt worden. Da sahen die Ordensritter, daß sie die Burg nicht länger halten konnten, und beschlossen, sie zu verlassen, zuvor aber dem Feinde noch einen empfindlichen Schlag zu versetzen. So hielten sie sich eine Zeitlang ganz ruhig, so daß die Preußen meinten, der Hunger habe bereits alle Verteidiger überwältigt, und sorglos an die Tore der Burg herankamen. Da stürzten die Ritter hervor und erschlugen so viele der Feinde, als sich in der Nähe befanden. Und so geschah es zu dreien Malen, bis die Preußen sich nicht mehr durch die scheinbare Ruhe verlocken ließen. Endlich aber mußten sich die Brüder entschließen, die Burg aufzugeben; sie nahmen die Reliquien der Heiligen an sich, teilten sich in zwei Haufen und verließen Bartenstein bei Nacht, und mit Gottes Hilfe gelangte der eine Haufen nach Königsberg, der andere nach Elbing. Es hatte aber ein blinder Ordensbruder sich erboten, die Feinde zu täuschen, indem er in der Schloßkapelle zurückblieb und regelmäßig zu den vorgeschriebenen Zeiten, beim englischen Gruß und zu den kanonischen Stunden das Glöcklein zog, so daß die Belagerer in den Glauben versetzt wurden, die Burg sei noch wie sonst bemannt. So geschah es, und die Flucht der Besatzung blieb von den Preußen unbemerkt. Schließlich aber verstummte das Glöcklein, nachdem der blinde Greis selig verschieden war, und die Heiden wurden inne, daß niemand mehr ihnen den Eingang zum Schlosse wehrte. Sie erbrachen das Tor und drangen in die inneren Gemächer ein. Wie erstaunten sie aber, als sie keinen Menschen vorfanden, außer dem Glöckner, der tot auf den Stufen des Altars lag, den Glockenstrang noch in der erstarrten Hand. Da wollte der Hauptmann der Preußen den Leichnam des Greises den frommen Betrug büßen lassen, aber als er zur Kirche kam, war der Tote verschwunden. Boten des Himmels hatten ihn fortgeführt.

29. Der unfruchtbare Eichwald

Hinter dem Dorfe Krücken bei Kreuzburg stand vordem ein Eichwald, dessen Bäume niemals Früchte trugen. Damit hatte es folgende Bewandtnis gehabt. Als im Jahre 1249 sich die Natanger im Bunde mit den anderen Preußen gegen den Deutschen Orden empörten, machten die Brüder von Elbing und Balga eine Heerfahrt in das natangische Land, ringsumher alle Dörfer und Weiler verwüstend. Als sie aber heimkehren wollten, fanden sie alle Wege von den Feinden mit Übermacht besetzt und erreichten nur mit Mühe den Ort Krücken, wo sie sich verschanzten. Hier wagten die Feinde sie nicht anzugreifen, aber sie selbst konnten auch nicht mehr vorwärts noch rückwärts. Endlich aber, als die Übermacht der Feinde zu groß wurde und keine Aussicht auf Rettung war, schlossen sie gegen den Rat des frommen Hauskomturs von Balga, Bruder Johann, einen Vertrag mit den Feinden. Sie gaben ihnen den Bruder Heinrich, den Marschall und drei andere Brüder als Geiseln und sollten dafür freien Abzug ohne Waffen haben. Aber kaum waren sie aufgebrochen, so stürzten die Preußen über sie her und erschlugen sie samt und sonders. Das Haupt des Bruders Johann aber steckte ein Natanger auf seine Lanze und höhnte laut: »Wenn die Brüder auf deinen Rat gehört hätten, wären sie nicht erschlagen worden.« Einem andern Bruder aber bereiteten sie ein erschreckliches und unerhörtes Martyrium. Sie schnitten ihm den Nabel aus dem Bauche, nagelten den an einen Eichbaum und trieben den Unglücklichen so lange mit Schlägen und Martern um den Baum herum, bis er hinstürzte und unter gräßlichen Schmerzen, aber nicht ohne Bekenntnis seiner Sünden und Anrufung Gottes starb. Seit dieser Zeit hat der Eichwald keine Frucht mehr getragen. Es wird auch gesagt, das Dorf Krücken habe seinen Namen daher erhalten, weil bei jener Gelegenheit ein Verräter vermummt als Bettler auf Krücken zu dem Ordensvolke gekommen sei und den Feinden dessen hilflose Lage verraten habe, wodurch dann die Deutschen genötigt wurden, sich zu ergeben.

30. Die Galinder

Das Land der Galinder, an die heute nur noch der Name des Dorfes Galingen erinnert, war lange Jahre wüst und ohne Bewohner. Dies trug sich folgendermaßen zu: Zu der Zeit, als die ersten Christen nach Preußen kamen, war Galindien so bevölkert, daß es den Einwohnern darin endlich zu enge wurde; deshalb befahlen die Vornehmsten im Lande den Wehemüttern, alle Mägdlein, die zur Welt kämen, umzubringen. Die Wehemütter konnten das aber nicht über das Herz bringen; da ließen die Vornehmen den Weibern die Brüste abschneiden, damit sie keine Kinder säugen könnten. Darüber entstand großes Wehklagen unter den Weibern; sie gingen also zu einer Wahrsagerin, die in jenem Lande lebte, und berieten sich mit ihr, wie sie sich an den Männern rächen könnten. Die Wahrsagerin beschickte darauf die Vornehmsten im Lande und sagte zu ihnen: der Wille der Götter sei es, daß sie in das Land der neuen Christen einfallen und diese bekriegen sollten, aber sie bedürften dazu weder Massen noch Rüstung, der Sieg sei ihnen sicher. Dieser Mahnung gehorchten alle kriegsfähigen Männer des Landes mit Freuden und brachen alsbald in das benachbarte Christenland ein. Da sie überraschend kamen, gelang es ihnen auch, eine reiche Beute an Menschen und Vieh zusammenzutreiben. Auf dem Rückmärsche aber entwischten ihnen einige Gefangene, kehrten zu den Gläubigen zurück und meldeten, daß die Galinder ganz ohne Waffen und daher, wenn man eile, leicht zu besiegen wären. Da brachen die Christen schleunigst auf, holten die Räuber ein und erschlugen sie bis auf den letzten Mann. Als dies die Sudauer und andere Nachbarn der Galinder vernahmen, fielen sie in das Land ein und trieben Weiber und Kinder, und wen sie sonst noch fanden, in die Sklaverei. So wurde das Land leer und wüst.


 << zurück weiter >>