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IV. Von der Frömmigkeit der alten Ordensbrüder

13. Verherrlichung des Deutschen Ordens

Bald nachdem Hermann Balk das feste Haus Reden erbaut hatte, lebte dort ein Ordensbruder, der arg vom Teufel geplagt wurde. So bildete er sich ein, es könnte, solange er dem Orden der Ritter von St. Marien-Hause angehöre, seine Seele nicht gerettet werden, und deshalb beschloß er einem strengeren Orden beizutreten. Da hatte er einen wunderbaren Traum. Er glaubte, er sei im Himmel, und sah die heiligen Väter daherkommen, Augustinus, Bernardus, Dominikus, Franziskus, umgeben von ihren Ordensbrüdern. Er bat jeden einzelnen, sie möchten ihn zum Mitbruder annehmen, aber alle schlugen es ihm ab. Darüber war er sehr traurig. Schließlich aber kam die heilige Jungfrau Maria und mit ihr eine große Zahl von Brüdern des Deutschen Hauses. Da begann er sie mit vielen Bitten anzuflehen, daß er wenigstens in der Gemeinschaft seiner Brüder bleiben dürfe. Die heilige Jungfrau aber sprach: »Was hilft es, wenn dir dein Orden nicht streng genug scheint und nicht so viel bietet, als du mit deinem Wunsche leiden möchtest.« Dann aber hob sie die Mäntel der einzelnen Brüder auf und zeigte die Wunden und Striemen, die sie im Kampfe mit den Ungläubigen für den Glauben davongetragen hatten, und sagte: »Erkennst du nun, was diese deine Brüder für den Namen Jesu Christi gelitten haben?« Mit diesen Worten entschwand das Gesicht. Der Bruder aber, als er am nächsten Morgen erwacht war, ging er vor das Kapitel der versammelten Brüder und bekannte, welche Vorsätze er gehegt, wie herrlich jedoch vor seinen Augen der Orden verklärt worden wäre. Nicht lange darnach ward auch ihm in einer Schlacht gegen die heidnischen Preußen die Märtyrerkrone zuteil.

14. Das Stahlhemde

Auf dem Schlosse Brandenburg befand sich, bald nachdem es von dem Markgrafen Otto von Brandenburg zum zweiten Male erbaut war, der Bruder Hermann von Lichtenburg, ein Mann von vornehmem Herkommen. Derselbe trug, außer anderen Beschwerden und Kasteiungen, beständig ein Eisenhemd statt eines leinenen oder wollenen auf dem bloßen Körper. So kam es, daß, als er ungestüm in den Krieg zog und die schwere Rüstung anlegte, wie es nicht anders sein konnte, seine Haut und Fleisch zerschunden wurden, als sei er mit Skorpionen gezüchtigt worden. Der Priesterbruder Peter, sein Beichtvater, tadelte ihn deswegen und riet ihm wegen der Schwere der Rüstung während des Krieges wenigstens das Stahlhemde abzulegen. Bruder Hermann aber erwiderte: »Auch die größte Not soll mich nicht zwingen, solange ich lebe, es von mir zu tun.« In der nächsten Nacht aber erschien ihm die Jungfrau Maria und streichelte ihn sanft mit den Händen. Und siehe da, am andern Morgen, als Bruder Petrus ihn wieder aufsuchte, da war an Hermanns Leibe keine Spur einer Verletzung mehr wahrzunehmen.

Von einem anderen Ritterbruder jener Zeit, dem Bruder Engelko aus Westfalen, der im Konvente zu Christburg war, berichtet die Sage, er habe aus frommer Bußfertigkeit auch stets ein Stahlhemde auf dem bloßen Leibe getragen und bis zu seinem Tode nicht weniger als vier solche Hemden verbraucht, bis sie ganz verschlissen und verrostet waren.

15. Die Freunde

Als Bruder Helwig von Goldbach aus Thüringen Landmeister war in Preußen, befanden sich im Konvent zu Marienburg zwei Ordensbrüder, der eine Heinemann, der andere Friedrich genannt, die sich in so inniger Freundschaft zugetan waren, daß der eine nicht ohne den andern leben oder sterben wollte. Nun begab es sich, daß Bruder Heinemann vom Aussatz befallen wurde, Bruder Friedrich aber auf einer Reise in Geschäften des Ordens mit dem Pferde stürzte und auf der Stelle tot blieb. Als dies Heinemann hinterbracht wurde, sagte er: »Bruder Friedrich, das ist nicht nach unserm Verbündnisse, daß du früher als ich zur ewigen Freude eingehen solltest, da wir doch beide zugleich dahin kommen wollten.« Und alsbald ließ er einen Priester zu sich rufen, empfing die heiligen Sakramente und starb noch denselbigen Tag selig im Herrn, obgleich er, abgesehen von dem Aussatz, noch ganz gesund war.

16. Das segnende Kruzifix

Auf dem Hause Christburg waltete zur Zeit Poppos von Osterna, des Hochmeisters, als Komtur der Bruder Heinrich Stange, ein Mann von aufrichtiger Frömmigkeit. Als dieser einst in der Burgkapelle vor dem Altar kniend sein Gebet verrichtete, bat er Gott, daß er ihm ein Zeichen gäbe, ob er seiner Gnade teilhaftig geworden sei. Siehe, da breitete das Holzbild auf dem Kreuze, vor dem er lag, seine Arme aus und segnete ihn mit dem Zeichen des Kreuzes, zum Zeichen, daß seine Bitte gewährt sei. Bruder Heinrich, der Priesterbruder, der damals gerade, selbst sein Gebet sprechend, in einem Winkel der Kapelle verborgen stand, sah das Wunder voll Staunen und hat es nachher kundgetan.

17. Der St. Marien-Ritter

Zu derselben Zeit befand sich im Konvente zu Königsberg Bruder Hermann, der Sarazene genannt, ein schwäbischer Ritter, der schon, als er noch weltlichen Standes war, die Jungfrau Maria so innig verehrte, daß er niemandem etwas abschlug, der ihn in ihrem Namen bat. Einstmals hatte er einen Ritter gefangen, der entweder ein hohes Lösegeld zahlen oder sterben sollte. Da der Gefangene die verlangte Summe nicht zahlen konnte, riet ihm jemand, den Ritter Hermann um der heiligen Jungfrau willen zu bitten, ihn zu schonen. So bat er und wurde ohne Lösegeld freigelassen.

Als der Bruder Hermann bereits für den Orden vorgemerkt war und sich auf die Reise begab, um sich einkleiden zu lassen, traf er unterwegs an einem Orte ein großes Turnier; und ein Ritter stand just im vollen Waffenschmucke bereit und ließ jedermann herausfordern zum Zweikampf zu Ehren seiner Dame um den Preis von Roß und Rüstung. Da niemand es sonst wagen wollte, so trat Hermann in die Schranken. Aber die Dame, die er meinte, war die Gebenedeite, und mit ihrer Hilfe warf er den Gegner beim ersten Anlauf ohne Mühe nieder. Pferd und Rüstung, die er gewonnen, schenkte er den Armen.

Als Bruder Hermann schon das Ordenskleid empfangen hatte und seine Frömmigkeit von Tag zu Tag zunahm, da zeigte sich ihm die Jungfrau Maria oft und hielt mit ihm Zwiegespräche. Einstmals erschien sie ihm mit tiefer Trauer im Blick, und als Bruder Hermann nach der Ursache ihrer Betrübnis forschte, sprach sie: »Das bekümmert mich, daß meine geliebten Söhne, deine Brüder vom Deutschen Hause, die bei ihren Mahlzeiten einst nur von meinem Sohne, von mir und von den Werken der Heiligen sprachen, sich jetzt von nichts als den Taten der Könige und Fürsten und von der Eitelkeit der Welt unterhalten, so daß meines Sohnes, meiner und des Lebens der Heiligen selten oder niemals gedacht wird.«

Als Bruder Hermann zu dem Feldzuge nach Kurland sich rüstete, erschien ihm wiederum die Jungfrau und sprach zu ihm: »Ich lade dich, Hermann, zum Mahle meines Sohnes.« Daher sprach er beim Aufbruch zu den Brüdern: »Lebt wohl, ihr werdet mich nicht wiedersehen, die Mutter Gottes hat mich zu den ewigen Freuden geladen.«

Es lebte damals in einem Kloster ein frommes Weib, das war die Schwester Bruder Konrads von Feuchtwangen, der nachmals Hochmeister des Deutschen Ordens wurde. Ihr erschien der Herr und kündigte ihr die Niederlage der Brüder in Kurland – auf dem Felde bei Durben – durch ein Gesicht an. Und zu derselben Zeit hatte ein Drescher im Lande Preußen, ein gottesfürchtiger, einfältiger Mann, eine Erscheinung gleicher Art. Als er vor der Tür seines Hauses stand, sah er deutlich in der Luft die Brüder mit den Litauern kämpfen, und er rief seine Angehörigen und sprach: »Seht ihr nicht, wie unsere Herren, die Brüder St. Marien, gegen die Ungläubigen kämpfen? Jetzt fliehen die Litauer und die Preußen! Jetzt die Brüder und wenige der ihrigen. Jetzt stehen sie und wehren sich männlich, von Feinden ganz umringt. Jetzt fallen sie! Jetzt sehe ich die Jungfrau Maria und die heiligen Jungfrauen und die Engel Gottes, wie sie mit den Seelen der Gefallenen gen Himmel steigen.« Unter diesen Seelen aber, das sah sowohl die Nonne in Schwaben als auch der Bauer in Preußen, waren zwei von besonderem Glanze, und das waren die Seelen des Bruders Hermann, des Sarazenen, und eines Bruders, genannt von Glisberg, der schon bei Lebzeiten im Schloß Christburg seines frommen Wandels halber besonderer himmlischer Gnade gewürdigt war. Jene beiden Visionäre sahen aber auch, daß alle Seelen der Gefallenen gerettet wurden, bis auf eine; warum diese aber der ewigen Verdammnis verfiel, das weiß Gott allein.

18. Albert von Meißen

In Königsberg saß unter dem Hochmeister Burkard von Schwanden als Komtur Bruder Albert von Meißen, ein ob seiner Frömmigkeit hochgesegneter Mann, den in früheren Jahren, als er vom Stachel des Fleisches hart gepeinigt ward, auf sein inständiges Flehen eine Stimme vom Himmel selbst belehrt hatte, auf welche Weise er Widerstand zu leisten vermöge.

Einst fiel dieser Bruder in eine Krankheit, wodurch ihm die Haare des Hauptes, die Brauen und Wimpern gänzlich ausfielen, so daß er schrecklich anzusehen war und niemand mit ihm verkehren mochte. Da bat er in der Betrübnis seines Herzens, Gott möge ihn von der Erde fortnehmen; aber siehe, in der nächsten Nacht wuchsen ihm die Haare dergestalt wieder, daß am anderen Morgen keine Spur der Krankheit mehr zu erblicken war.

Als Bruder Albert einst mit andern Brüdern im Felde lag und nun der Tag herankam, an dem daheim die Brüder und andere fromme Leute zum Tische des Herrn zu gehen gewohnt waren, da entfernte er sich von den übrigen und sprach seufzend: »O Herr Jesus Christus, wenn ich jetzt daheim wäre, so würde ich deinen Leib empfahen.« Sowie er dies gesagt hatte, erschien ihm in der Luft schwebend der Leib des Herrn in Gestalt einer Hostie, wie sie am Altar dargereicht wird, unfern seines Mundes. Als er dies sah, entsetzte er sich und sprach: »O Herr Jesus Christus, wenn diese Oblate dein wahrer Leib ist, so möge sie in den meinigen übergehen!« Und wie er darauf den Mund öffnete, empfing er mit unbeschreiblichem Entzücken den Leib des Herrn.


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