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IX. Von den Litauer-Kriegen

38. Das Grab des Bruders Guntram

Im Jahre 1301 war im Deutschen Orden Bruder Guntram, der, obgleich klein von Leibe, doch ein sehr tapferer Ritter war. Dieser zog in dem gedachten Jahre bloß mit neun Knechten von Christburg nach Litauen. Als er nun die Litauer in der Wildnis traf, fiel er alsbald über sie her. Er ward aber von einem starken Litauer mit einem Spieß durchstochen, also daß die Eingeweide ihm aus dem Leibe herauskamen. Der fromme Guntram stopfte die Wunde zu und stritt weiter, bis daß die Litauer alle erlegt und erschlagen waren, darauf fiel er von seinem Pferde und starb. Seine Diener nahmen seine Leiche und brachten sie nach Christburg, da er begraben ward. Auf dem ganzen Wege dahin flogen über seinem Sarge zwei weiße Tauben; wenn die Leiche voran gebracht wurde, flogen auch die Tauben voran, wenn man damit hielt, so schwebten sie still über derselben, so erzählten die Christenweiber, die Bruder Guntram aus der litauischen Gefangenschaft erlöst hatte. Auch über seinem Grabe, an welchem viele Wunder geschahen, hat man nachher oft die Tauben gesehen.

39. Das schwarze Roß

Als die Brüder des Deutschen Ordens von dem Feldzuge, den sie Anno 1304 gegen das Schloß Dukaim in Litauen unternommen hatten, heimzogen, stürzte Bruder Heinrich von Wolfersdorf, der sich auf dem Rückzuge unter den Vordersten befand, bei einem Überfall in den Waldverhauen zu Boden, und der Raum war so schmal, daß niemand den Gefallenen umgehen konnte, sondern alle mit ihren Rossen über ihn hinwegreiten mußten. Und obwohl er zum Schutze seinen Schild über sich hielt, so war dieser doch in wenigen Augenblicken in unzählige Stücke zermalmt. Aber durch Gottes Hilfe erhob er sich, als endlich der ganze Zug über ihn hinweg war, unverletzt vom Boden. Und da er nun kein Pferd mehr hatte, um zu entreiten, da sah er mit einemmal von fern einen Schildknappen zu Pferde, der ein zweites schwarzes Roß an der Hand führte. Den sprach er an und bat ihn, ihm eins von den beiden Pferden zu leihen, doch jener sprengte ihn grimmig an und ritt ihn nieder. Aber auch diesmal blieb Bruder Heinrich unbeschädigt, es gelang ihm sogar, den Zügel des schwarzen Rosses zu ergreifen, sich hinaufzuschwingen und den Gefährten nachzueilen. Soviel er nun aber auch fragte, wem das schwarze Roß gehöre und wo jener Schildknappe geblieben sei, niemand konnte es ihm sagen. Als er aber vom Pferde stieg, siehe da war auch dieses ebenso wie der Knappe plötzlich verschwunden, und es wurde niemals aufgeklärt, was aus beiden geworden sei.

40. Der Streit um die Jungfrau

Als im Jahre 1326 die Litauer in Preußen einbrachen, befand sich unter den Gefangenen auch eine adlige Jungfrau von hoher Schönheit, um deren Besitz zwei von den Bojaren so in Hader gerieten, daß sie auf Leben und Tod darum zu kämpfen beschlossen. Dies ersah von ungefähr der Litauer oberster Feldhauptmann, David von Garthen, des Großfürsten Gedimin Marschall. Den verdroß es sehr, daß um ein gefangen Weib zwei tapfere Helden sich selbst untereinander verderben sollten, legte sich bald dazwischen, sagend: sie sollten ihm die Sache anheimstellen; und als sie nun beide darein verwilliget, hieb er die Jungfrau vor ihrem Angesicht mitten voneinander und sprach, es möge nun jeder von ihnen ein Stück, und also zugleich einer so viel als der andre von der begehrten Maid hinnehmen.

41. Die Rettung der jungfräulichen Ehre

Auf demselben Zuge hatte ein anderer Litauerhäuptling eine schöne Jungfrau aus einem Kloster geraubt; die konnte er weder mit Bitten noch mit Drohungen dahin bringen, ihm zu Willen zu sein, weshalb er sie mit Gewalt dazu zu nötigen strebte. Da die Jungfrau sah, daß auf die Dauer ihre Kraft zum Widerstande nicht ausreiche, so bat sie ihn mit weinenden Augen, er wolle ihrer schonen, ihm dagegen eine Gabe verheißend, die ihn zum glückseligsten aller Menschen machen würde; und als er fragte, welche diese sei, antwortete sie ihm, es wäre eine bewährte Kunst; wenn sie ihn diese lehre, so könne er mit keinerlei Waffen an seinem Leibe versehrt werden. Ob er nun wohl gänzlich entschlossen war, seiner Lust zu frönen, so verzog er doch noch, um die Kunst zu erlernen, sein Fürhaben und sagte ihr zu, sie bei Ehren zu behalten, wofern sie ihn solches lehren würde. Es sind, sagte sie ihm, wenige Zauberworte, und kannst du die selber alsbald an mir erproben. Damit kniet sie nieder, segnet sich mit dem Kreuze und betet den Vers aus der Heiligen Schrift: »In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist.« Welches jener aber nicht verstand, meinend, es wären die Zauberworte, worauf die ganze Kunst beruhe. Da sprach die Jungfrau ferner, den Hals ausreckend, er solle nur getrost zuschlagen, so werde er gewisse Bewährung der Kunst finden. Als er nun aber den Säbel zuckte, da flog mit einem Hieb das Haupt vom Rumpfe. Da erst erkannte er, daß sie die Ehre höher gehalten denn das Leben.

42. Das Nonnenkloster zu Thorn

Das Nonnenkloster zu Thorn ist zum Gedächtnis eines großen, wunderbaren Sieges über die Litauer erbaut. Nachdem nämlich im Jahre 1311 der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen gestorben war, fiel der Litauerkönig Witen urplötzlich mit 4000 auserlesenen Kriegern in das Gebiet des Ordens ein und verwüstete Samland und Ermland dermaßen, daß außer den festen Städten kein Stein auf dem andern blieb. Überall wurden die Kirchen mit allen heiligen Sakramenten entweiht und geschändet. Über 1200 Gefangene, Weiber und Kinder trieben die Litauer bei ihrem Abzüge mit sich fort. Unterwegs lagerten sie in einem Walde im Lande Barten und teilten die Beute. Davon nahm Witen eine Monstranz mit der geweihten Hostie, hob sie empor und zeigte sie den gefangenen Christen und sprach voller Hohn: »Wer ist nun euer Gott, daß er euch und sich selber beschützen mag?« und die Christen mußten seufzend dazu schweigen. Aber der König wurde sofort dafür bestraft, denn die Brüder unter dem Großkomtur Heinrich von Plotzke waren ihm unvermerkt gefolgt, und unversehens griffen sie die sorglos lagernden Litauer an und setzten sie in solche Furcht, daß selbst die gefangenen Weiber Waffen ergriffen und auf die Feinde einschlugen. Nur wenige entrannen, unter ihnen Witen, der am Kopfe verwundet war. So wurden die Gefangenen befreit und eine unermeßliche Beute gemacht. Zum Dank für diesen schönen Sieg stifteten die Brüder zur Ehre Jesu Christi das Nonnenkloster in der Stadt Thorn und begabten es mit reichen Geschenken.

43. Der Zug über das Eis

Sehr oft machten die Ritter des Deutschen Ordens ihre Heerfahrten gegen Litauen im Winter, wenn die Wege hart gefroren und Sümpfe und Seen mit Eis bedeckt waren und leichter überschritten werden konnten. So mußten sie einst einen gefährlichen Rückzug antreten über das Kurische Haff, und das Eis war so schwach, daß es unter den Hufen ihrer Rosse sich bog und senkte wie die Wellen im Winde; aber Gott schützte sie und alle kamen sicher hinüber, obgleich es Nacht war. Als sie aber am andern Morgen das Land erreicht hatten und sich umschauten, da war alles Eis verschwunden, so daß kein Feind ihnen folgen konnte.

44. Die Nebelschlacht

Als im Jahre 1394 der Hochmeister mit dem Ordensheere die litauische Hauptstadt Wilna belagerte, nahm der Großfürst Witorot in der Nähe seine Stellung, um sich an die zu machen, welche den Belagerern die Zufuhr brachten. Da sandte der Meister vierhundert Mann in vier Bannern aus den Gebieten Balga, Brandenburg und Barten und dem Bistum Ermland aus zum Schutze für die Zufuhr. Als diese nun nach Redemynne gelangten, da kamen ihnen Witorot und der Fürst Korybut von Sewerien mit dem ganzen Heere der Litauer entgegen. Doch lag zwischen beiden Teilen noch ein Fließ und Bruch, so daß sie nicht sogleich aneinander geraten konnten. Die Kreuzritter aber zogen um dieses herum. So sahen sie, daß der Feinde so viel waren, daß zehn auf ihrer einen kämen. Aber unverzagt stürzten sie auf dieselben und stellten ihre Sache Gott anheim. Und der verließ die Seinen nicht. Denn plötzlich erhob sich ein so dichter Nebel, daß die Litauer nicht die geringe Anzahl ihrer Gegner zu erkennen vermochten und in der Meinung, der Meister mit dem ganzen Ordensheere greife sie an, eilig die Flucht ergriffen. Da ward ein großes Schlagen, und viele der Feinde blieben in der Schlacht. Solange aber der Kampf währte, vermochten die Winde nicht den Nebel zu zerstreuen.


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