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XV.
»Schlaf wohl, Alte«

Ein ganzes Jahr lang kämpfte Timpe diesen Kampf der Verzweiflung eines herabgekommenen Handwerkers. Das ersparte Kapital war längst den Weg alles Geldes gegangen.

Vor fünfzehn Jahren hatte er, um neue Drehbänke anzuschaffen und eine alte Schuld zu tilgen, eine Hypothek auf sein Haus eintragen lassen. In der letzten Zeit war es ihm nur mit Mühe gelungen, die fälligen Quartalszinsen zusammenzubringen. Der Darleiher war zwar ein vermögender Mann und wohnte zudem in einem Vororte Berlins, es konnte jedoch leicht die Möglichkeit eintreten, daß er von seinem Kündigungsrechte Gebrauch machte, sobald er erfuhr, wie übel es um den Meister stand. Und dann die Nachbarschaft, Gevatter Hinz und Kunz – die Klatschbasen und schadenfrohen Seelen, die immer noch auf die Stunde warteten, wo der vierstöckige Prachtbau entstehen sollte. Was für Augen würden sie machen, wie die Ohren spitzen, wie herausfordernd die Hüte auf dem Kopf behalten, wenn seine wirkliche Lage bekannt würde. Er dachte daran, eine zweite Hypothek aufzunehmen. Als er aber zu diesem Zwecke mit einem wildfremden Menschen in Verbindung getreten war und dieser die Verhältnisse näher geprüft hatte, meinte er, daß er für das Haus keinen Pfifferling gäbe. Man könne nur auf die Baustelle Rücksicht nehmen, der Grund und Boden sei aber durch das Berühren der Stadtbahn entwertet.

Timpe befürchtete nun, daß der Besitzer der ersten Hypothek von dieser Sachlage Kenntnis erhalten und sich dadurch gezwungen sehen könne, recht bald wieder zu seinem baren Gelde zu kommen. Um ihn nicht gänzlich mißtrauisch zu machen, unterließ er jeden weiteren Versuch mit der zweiten Hypothek.

Schon seit Monaten hatte er, um die Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen, Holzarbeit für eine Möbelfabrik übernommen, die weit unten im Süden der Stadt lag und in der man seine näheren Verhältnisse nicht kannte. Er arbeitete jetzt mit Thomas Beyer und dem Lehrling fast nur, um sich über den Tag hinwegzuhelfen, die Zinsen regelmäßig zu entrichten und seine Pflicht als Steuerzahler zu erfüllen. Große Gegenstände konnte er gar nicht annehmen, denn sie wurden in den Fabriken mit Dampfbetrieb schneller und billiger ausgeführt. Wie ein gewöhnlicher Tagelöhner stand er jetzt an einer der verlassenen Drehbänke in der Werkstatt und drehte Stuhlbeine für Luxusstühle, Säulen und Knöpfe aller Art. Einem anderen Gehülfen als Thomas Beyer hätte er nicht gewagt, einen Akkordpreis anzubieten, wie der Altgeselle ihn ohne Murren einsteckte. Aus diesem Grunde fand er es ganz zwecklos, neue Gehülfen einzustellen.

So weit war es mit seinem Kunsthandwerk gekommen! Niemals war ihn ein Gefühl tieferer Erniedrigung überkommen wie in diesen Tagen. Wer in ihm früher nur den zufriedenen Meister gesehen hatte, der kannte ihn nicht wieder. Sein Haar war gelichtet, die Wangen hatten ihre gesunde Farbe verloren, und die Augen lagen tief in den Höhlen. Dabei war er körperlich abgefallen. Das Entsetzlichste bei alledem war, daß er jetzt tatsächlich den Schnaps liebte. Um seine angegriffene Brust zu schonen, hatte er das Rauchen eingestellt; dafür sagte ihm ein Schluck aus der Flasche um so mehr zu. Anfänglich hatte er nur dazu gegriffen, um sich zu betäuben und Kraft zu machen, wie es Beyer sagte; schließlich aber war es ihm zur Gewohnheit geworden, die Flasche gleich der Schnupftabaksdose mit sich herumzutragen. Aber er trank mäßig und blieb stets bei Verstande. Er wollte sich nur Mut machen, wie er sich selbst belog. Die größte Mühe gab er sich, um seiner Frau das geheime Laster, von dem er nicht mehr zu lassen vermochte, soviel als möglich zu verbergen. Oftmals stieg ihm der Alkohol zu sehr nach dem Kopfe, daß ihn bei der Arbeit fast die Kräfte verließen. Dann ging er nach dem Gärtchen hinaus, um frische Luft zu schöpfen und die Stirn zu kühlen; oder er kletterte wie gewöhnlich zur Dachluke hinaus auf den Baum.

Die Maurer waren längst verschwunden. Über die Straße hinweg spannte sich, auf mächtigen Trägern ruhend, eine gewaltige eiserne Brücke. Auf der ganzen Linie sah man bereits die Eisenbahnarbeiter in emsiger Tätigkeit die Schwellen und Schienen zu legen; während die Schlosser damit beschäftigt waren, zu beiden Seiten des breiten Fahrdammes die Sicherheitsgitter zu errichten. An zehn Stellen zu gleicher Zeit erschallte der helle Klang des Eisens, ertönten die Schläge der schweren Hämmer und gaben ihr Echo wider.

Die ganze Gegend hatte ein anderes Aussehen bekommen. Jetzt erst konnte man den Bau in seiner wirklichen Größe ermessen. Im Sonnenlicht glitzerten die Schienen, zogen sie sich in kühnen Krümmungen die ganze Linie entlang, bis sie in weiter Ferne gleich der ins Unendliche verlängerten Spitze eines Pfeiles zusammentrafen. Von den Fenstern aus verfolgten neugierige Blicke die Bewegungen der Arbeiter, und auf der Straße blieben die Passanten stehen und reckten sich die Hälse aus, um das rotfarbige Ungeheuer zu begaffen.

Timpes Haus nahm sich jetzt geradezu kläglich aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, dort, wo mitten durch die Giebeldächer dem Dampfroß der Weg gebahnt worden war, strebten zu beiden Seiten der Viadukte vierstöckige Paläste zum Himmel empor; und links und rechts von ihnen zeugten Baugerüste für das neue Leben an Stelle der Ruinen.

Wenn jetzt Leute durch die Straßen kamen, die ihren Weg hier lange nicht genommen hatten, so blieben sie minutenlang vor der Brücke stehen und musterten kopfschüttelnd und mit komischem Gesichtsausdruck das alte Häuschen. Zuletzt betrachteten es sämtliche Bewohner des Viertels wie ein Unikum, das die Lächerlichkeit geradezu herausfordere. Allerlei Sagen entstanden, und über das ganze Gebiet des Ostens war die Mär verbreitet, daß Timpen ungeheure Summen für sein Grundstück geboten worden seien. Er aber habe beschlossen, in dem Hause, in dem er geboren worden, zu sterben.

Um diese Zeit war es, daß dem Meister abermals ein Kaufgebot gemacht wurde, und zwar von einem Fremden. Er sollte immer noch das Doppelte des früheren Wertes erhalten. Timpe wunderte sich darüber außerordentlich. Bald aber erfuhr er, daß die Frau seines Sohnes dahintersteckte, die auf Umwegen ihn aus seiner traurigen Lage zu reißen gedachte. Frau Karoline bat Johannes inständig, das Geschäft abzuschließen, er aber wollte davon nichts wissen und ließ sich in seinem grenzenlosen Haß gegen Urban und in der Verachtung gegen seinen Sohn hinreißen, den Schwur zu tun, niemals von jener Seite den kleinen Finger der rettenden Hand anzunehmen. Solange sie beide, Karoline und er, noch lebten, würden sie wohl so viel haben, um sich satt zu essen; und das übrige sei vom Übel.

Die Meisterin bat den Altgesellen, auf ihren Mann einzureden und ihn anderen Sinnes zu machen. Thomas Beyer aber zuckte die Achseln und sagte:

»Das wird nichts helfen, Meisterin. Ihr Mann ist ein Charakter, und solche Leute bleiben ihrer Gesinnung treu. Das ist gerade wie mit dem Stahl aus einem Guß; er bricht, aber er läßt sich nicht biegen.«

Der Winter hatte kaum begonnen, als Frau Karoline sich niederlegte, um nicht wieder aufzustehen. Sie litt bereits seit längerer Zeit an einem Magenübel, das nicht mehr zu heilen war. Vierzehn Tage lang erschien der Arzt. Johannes wich nicht von ihrem Lager. Als ihn der Altgeselle eines Mittags auf einem Stuhle schlummernd fand, war er von dem Anblick tief erschüttert. Er glaubte ein Gespenst vor sich zu haben, aber kein Wesen von Fleisch und Blut. Sofort schickte er den Lehrling zu seiner Schwester, die nach einer Stunde erschien.

Marie Beyer war ein hageres, verblühtes Geschöpf. Ihr Gesicht war von durchsichtiger Blässe, als käme sie direkt aus den Sälen eines Krankenhauses. Sie lächelte selten und machte den Eindruck, als hätte sie auf das Glück in der Welt verzichtet. Dafür entwickelte sie eine seltene Energie. Sie übernahm sofort die wirtschaftlichen Angelegenheiten, kochte, brachte die Zimmer in Ordnung und spielte mit der Hingebung eines hochherzigen Mädchens die Wärterin. Der Meister ließ sich von ihr wie ein Kind behandeln. Auf einen Wink von ihr ging er aus dem Zimmer, und bevor er an das Krankenbett trat, fragte er leise, ob er es dürfe. Sie duldete nicht, daß er des Nachts wachte, sondern löste sich darin mit ihrem Bruder ab. Stundenlang hielt sie die Hand der Leidenden, die fast keine Speise mehr zu sich nehmen konnte, in der ihrigen und sprach ihr in sanften Worten Trost und Mut zu. Karolinens seelische Schmerzen überwogen die körperlichen. Ihre Gedanken waren fortwährend bei ihrem Sohne. Einmal äußerte sie zu Marie, daß sie ihn zu sehen wünsche. Als aber diese sofort hinzuschicken versprach, strengte sie ihre Stimme soviel als möglich an, um sie wieder davon abzubringen.

»Tun Sie es lieber nicht, es könnte schrecklich für meinen Mann werden. Franz hat schlecht an uns gehandelt ... er ist ein gewissenloses Kind ... ich kann seinem Vater nicht unrecht geben.«

Als sie dann eines Abends still und gottergeben, umringt von den Geschwistern und ihrem Manne, die Augen für immer schloß, war das letzte Wort, das sie hinhauchte, der Name ihres Sohnes.

Johannes war von dem Ableben seines Weibes so niedergeschmettert, daß er keine Träne fand. Mit hohlem Blick betrachtete er das bleiche Antlitz, ohne sich zu bewegen. Dann wie aus einem langen Traume erwachend, stieß er einen entsetzlichen Schrei aus und sank vor dem Bette nieder. Er verharrte lange in dieser Lage, daß den Geschwistern bange wurde. Sie rüttelten an ihm und brachten ihn allmählich zu sich. Der fürchterliche Schmerz hatte ihm die Besinnung geraubt, aber immer noch blieben seine Augen trocken. Das Unglück hatte ihn bereits so abgestumpft, daß er nicht zu weinen vermochte.

In aller Stille machte man Anstalten zum Begräbnis. Marie erlaubte sich die Bemerkung, daß der Meister doch seinen Sohn von dem Tode der Mutter benachrichtigen möchte. Johannes war auch noch um diese Stunde hartnäckig. »Er hat sich bei Lebzeiten nicht um sie gekümmert, so hat er auch nicht nötig, ihrem Sarge zu folgen«, sagte er kurz und bestimmt; man sah es seinem Gesichte an, wie grenzenlos die Erbitterung gegen Franz war. Fast inständigst bat er den Altgesellen und seine Schwester, ihm nicht das Weh zu bereiten, das Ableben Karolinens in der Nachbarschaft auszuposaunen. Er hasse die Neugierde, die sich nicht scheue, das Sterbezimmer zu betreten und ihre tausend Blicke in alle Ecken und Winkel zu senden.

Am Tage der Beerdigung, als der Sarg gerade geschlossen werden sollte, kam aber doch Besuch. Es war Meister Nölte, der mit seinen zwei ältesten Kindern an der Hand erschien. Jedes der Mädchen trug einen kleinen, schlichten Kranz, den es mit einem Knix dem Drechsler überreichte. Der Klempner hatte schon längst erfahren, daß Timpes Verhältnisse nicht die glänzendsten seien. So zog er denn Johannes beiseite und erinnerte ihn an etwas, was dieser bereits vergessen hatte.

»Wissen Sie, lieber Herr Timpe«, sagte er leise, »ich kann Ihnen noch nicht alles auf einmal wiedergeben, aber die Hälfte habe ich mitgebracht. Sie werden es gewiß jetzt selbst gebrauchen ... Man erzählt sich so mancherlei ... aber Sie tun ganz recht daran, den Leuten etwas aufzubinden. Wenn mich heute jemand fragt, wie es geht, so sage ich ihm einfach, ich müßte mich von früh bis spät quälen, weil meine zwanzig Gesellen die Arbeit nicht mehr schaffen könnten. Dann wundert sich kein Mensch mehr über meine schwarzen Hände und die ewige Lampe in meiner Werkstatt. Nur dem Steuermann klage ich nach Noten meinen Dalles, denn der gehört zu den Leuten, denen ich nicht traue ... Ich würde gerne mitgehen zum Begräbnis, lieber Herr Timpe, aber die ›Goldene Hundertzehn‹ hat keinen passenden Anzug für mich gefunden, und mein alter Schneider ist jetzt selbst so arm, daß ich ihm jedesmal aus dem Wege gehe, denn ich fürchte, er könnte mich anpumpen.«

Timpe wollte nach diesen Worten das Geld nicht nehmen; aber Nölte rief die Tote zum Zeugen an, daß er im Weigerungsfalle dem Meister die Freundschaft kündigen werde. Da es gerade nach Tisch war, so bekamen die Kinder Kaffee und zwei Schnitten Brot, die Marie Beyer so dick mit Butter bestrichen hatte, daß Nölte meinte, es sei jammerschade, denn man könnte mindestens sechs damit bestreichen.

Es war an einem Wintertage. Um vier Uhr sollte das Begräbnis stattfinden. Gerade als man Anstalten machen wollte, den Sarg zuzuschrauben, wurde die Tür geöffnet, und hereintraten Spiller, gen. Spillrich, der kleine Sachse, und Fritz Wiesel. Sie waren im schwarzen Sonntagsstaat und traten, den Zylinderhut in der einen und einen großen Kranz in der anderen Hand haltend, zögernd näher. Das war eine Überraschung, die Thomas Beyer dem Meister zugedacht hatte. Es gab doch Menschen in der Welt, die seiner noch gedachten und ihre Anhänglichkeit bewiesen. Der Sargdeckel wurde noch einmal heruntergenommen, und die beiden Gesellen durften einen letzten Blick auf das Antlitz der verstorbenen Meisterin tun. Der Sachse konnte nicht an sich halten, seine Augen wurden naß. Und das zog auch das Gefühl des lustigen Berliners in Mitleidenschaft. Sie brachten dann stammelnd und äußerst unbeholfen ein paar an Timpe gerichtete Trostworte hervor. Er saß in der Nähe des Fensters, dessen untere Flügel der Leiche wegen geöffnet waren. Draußen fiel der Schnee dicht wie die Daunen eines ausgeschütteten Riesenbettes zur Erde. Einige Flocken flogen ins Zimmer hinein und näßten des Meisters Gesicht. Ihm tat das wohl, denn sein Kopf war heiß wie in Fieberglut. Nun erhob er sich und drückte seinen früheren Gehilfen warm die Hände. Nur schwer rangen die Worte sich über seine Lippen.

»Der Großvater hat ihr keine Ruhe gelassen ... er hat sie geholt...«

Er konnte nicht weitersprechen. Er trat noch einmal an die Tote heran und legte die flache Hand auf ihre Stirn, um sie zum letzten Male zu liebkosen.

»Schlaf wohl, Alte, grüße die Kinder und den Vater ... es gibt ein Wiedersehen, dort oben«, sagte er leise. Und nun fand er die Tränen, nach denen er so lange vergeblich gesucht hatte. Groß und schwer rannen sie über die Wangen. Alle waren tief erschüttert. Marie Beyer stand am Fenster und schluchzte laut und vernehmlich, und selbst ihr ewig ernster Bruder mußte sich abwenden, um seine Veränderung zu verbergen. Man begann, die Kränze festzunageln. Bei den ersten Schlägen, die dumpf durch das Zimmer schallten, mußte Timpe mit Gewalt zurückgerissen werden. Er war dem Zusammenbrechen nahe.

Als der Sarg hinausgetragen wurde, fragte Wiesel den Altgesellen: »Aber kommt denn sein Sohn nicht –?«

Thomas Beyer machte zu den beiden Gesellen eine abwehrende Bewegung: »Kein Wort darüber zu ihm, oder ihr bekommt es mit mir zu tun«, erwiderte er.

Trotz des Unwetters hatten sich doch Neugierige auf der Straße versammelt, darunter einige Nachbarsleute, die unverhohlen ihr Erstaunen über die eine Trauerkutsche und die simple Droschke zweiter Klasse äußerten.

»Man sieht noch jar nischt von die reiche Verwandtschaft«, sagte eine dicke Frau, deren Stumpfnase fast ganz im fettigen Gesicht verschwand.

»Sein einziger Sohn hat ja eene von die reichen Kirchberg jeheiratet«, fiel die lange Frau eines Budikers ein, die wie ein Laternenpfahl die Gruppe überragte. »Die haben sogar Equipage, aber ich sehe noch keene ... das scheint allens so ohne Klang und Sang vorüberzujehen.«

»Daß da etwas nicht richtig ist, habe ich mir schon lange jedacht. Aber man verbrennt sich nicht gern den Mund«, mischte sich eine dritte ins Gespräch.

»Es ist die alte Geschichte: Hochmut kommt vor dem Fall«, begann die Dicke wieder, »wie haben die Leute renommiert mit ihrem Jungen. Ih, da war jar nischt jut jenug ... und jetzt kommt er nich mal, um der Ollen die Oogen zuzudrücken. Das sollte meiner sind, den würde ich springen lassen. Ick sage Ihnen ...«

»Da kommen sie schon«, unterbrach sie die lange Budikerin; »aber da ist ja doch eene Frau, das ist wohl die Schwiejertochter?«

»Ih, Jott bewahre! Die reiche Frau wird doch nich so'n Kattunfummel tragen.«

Man machte ehrerbietigst Platz. Der Sarg wurde auf den Wagen geschoben, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. In der Kutsche saßen Timpe, der Altgeselle und seine Schwester. Spiller, Wiesel und der Lehrling hatten die Plätze in der Droschke eingenommen.

»Sie haben recht gehabt«, sagte die Dicke zu der dritten Sprecherin, als sie mit ihr über den Damm schritt, »es ist da etwas nicht janz richtig, oder die Jnädige hat ihre Mijräne, und ihr Mann muß sie aufwarten. Das ließe sich meiner nicht bieten, det kann ick Ihnen sagen.«

Mit diesen Worten verschwand sie, während ihre Begleiterin von der Budikerfrau zurückgehalten wurde. Unter einem Torweg stehend, vertieften sie sich in ein längeres Gespräch, dessen Thema nicht schwer zu erraten war, wenn man beobachtete, wie die dürren Finger der langen Frau gleich einem Wegweiser die Richtung nach Timpes Haus nahmen.

Der Schnee fiel noch immer dicht und gleichmäßig vom Himmel und verwischte nach und nach die Spuren des Leichenwagens und seines Gefolges ...


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