Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Sechsunddreißigstes Kapitel

Wie Hieronimus Nachtwächter ward in Schildburg, und wie seiner Mutter Traum und Frau Urgalindinens Weissagung erfüllet ward.
  1. Nun ware gerade in diesen Tagen
    Der Nachtwächter in Schildburg zu Grabe getragen,
    Und seine Bedienung war bisher
    Noch unbesetzet, vacant und leer.
  2. Da nun in allen gutgeordneten Staaten
    Man den Nachtwächter nicht kann entrathen,
    So ward von den Bürgern deliberirt,
    Damit ein andrer würde ordinirt.
  3. Nun fanden sich zwar fähige Subjecte,
    Denen der entledigte Dienst wol schmeckte,
    Doch wegen der Stimme starken Ton
    Nahm man auf Hieronimus Reflexion.
  4. Zwar machten Anfangs einige Personen
    Dagegen Einwürfe und Objectionen,
    Als wenn Hieronimus eben nicht sehr
    Zu dieser Bedienung geschicklich wär'.
  5. Denn weil man ihm die Nachrede machte,
    Daß er lieber schliefe als wachte;
    So wäre infolglich auf diese Art
    Das Städtlein nicht gehörig bewahrt.
  6. Indessen ward er doch bald einhellig
    Von der ganzen Bürgerei, förmlich und völlig,
    So daß am Berufe nichts gefehlt,
    Zum neuen Nachtwächter erwählt.
  7. Jedoch musste er sich vorhero bequemen,
    Des vorigen Wächters Wittwe zur Frau zu nehmen,
    Denn der verstorbene selige Mann
    Nahm sich gar treulich des Städtleins an.
  8. Um also seine Treue zu vergelten
    An der hochbetrübten Wittwe, so stellten
    Die Bürger die Heirath ihrer Person
    Als eine Conditio sine qua non.
  9. Weil sie nun erst alt war dreißig Jahre
    Und ihre Person nicht hässlich ware,
    So nahm Hieronimus den Vorschlag an
    Und wurde also ihr Ehemann.
  10. Es wurden nunmehro Alten und Jungen
    Die Stunden der Nacht wieder vorgesungen,
    Denn der neue Wächter Hieronimus
    Nahme das Horn vor's Maul und blus.
  11. Und so oft er die Glocke hörte schlagen,
    Hub er an Folgendes zu sagen:
    »Höret ihr Herren in der Still,
    Was ich euch singen und sagen will:
  12. Die Kirchglocke hat so eben
    Eilf, zwölf, ein, zwei, drei Schläge gegeben,
    Bewahret, wenn ich euch rathen soll,
    Das Feuer, das Licht und eure Töchter wohl;
  13. Damit sich niemand etwa verbrenne,
    Oder sonst Schaden entstehen könne,
    Und seid sehr wohl auf Eurer Hut,
    Hut, Hut, Hut, Hut, Hut, thut gut.«
  14. Er hat sich übrigens stets aufgeführet,
    Wie's einem frommen Nachtwächter gebühret,
    Er schlief am Tage desto mehr,
    Damit er des Nachts fein wachsam wär'.
  15. In aller Zeit, da er gewacht und gesungen,
    Ist es keinmal einem Diebe gelungen,
    Daß in Schildburg eine Räuberei
    Irgendwo nächtlich geschehen sei.
  16. Und jeder Bürger, wenn er noch so hart schliefe,
    Erwachte, wenn Hieronimus blies oder riefe,
    Und seines Horns und Halses Schall
    Hörte man im Städtlein überall.
  17. So hat sich denn alles curios gereimet;
    Mit dem, was Frau Jobs Kapitel zwei geträumet,
    Und alles trafe nun haarklein,
    Bei dem Nachtwächter Hieronimus ein.
  18. Auch von dem, was Urgalindine gesaget,
    Als man sie um das Schicksal des Knaben gefraget,
    Nach den Gründen der Chiromantia,
    Ware nunmehro die Erfüllung da.
  19. Man konnte, nach nun vollendeten Sachen,
    Von allem diesem die beste Deutung machen,
    Wie's dann mit Prophezeiungen überhaupt geht,
    Daß man selbige hernach erst versteht.
  20. Was indessen Frau Schnepperle gesprochen,
    Als Frau Jobs war mit dem Kind in den Wochen,
    (Wie Kapitel drei zu ersehn)
    Das ist vor diesesmal nicht geschehn.
  21. Aus demjenigen, was wir nunmehro wissen,
    Lässet sich gegen Frau Schnepperle schließen,
    Daß sie in der Kunst der Physiognomei
    Nicht genug erfahren gewesen sei.

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