Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Achtundzwanzigstes Kapitel

Wie Hieronimus ein Autor ward, und wie er ein neues A-b-C-Buch heraus gab, und wie er darob von den Bauern bei dem gnädigen Herrn hart verklagt ward.
  1. Gleich bei dem Antritt der Schulregierung,
    Fand Hieronimus, mit äußerster Rührung,
    Daß das eingeführte A-b-c-Buch
    Nicht für Kinder sei faßlich genug.
  2. Denn da bisher die Mädchen und Knaben
    Gebraucht hatten die Ballhornschen Ausgaben,
    So nahm Hieronimus hier und da
    Darinnen verschiedene Fehler wahr.
  3. Nachdem er nun bei sich zu Rathe gegangen,
    Hat er zu veranstalten angefangen,
    Unter folgendem Titel, davon
    Eine nagelneue Edition:
  4. Neues A-b-c-Buch, verbessert
    Und mit verschiedenen Zusätzen vergrößert
    Von dem Autor Hieronimus
    Jobs, Theologiä Candidatus.
  5. Zu den schon längst bekannten Buchstaben,
    Welche wir im Alphabete haben,
    Setzte er noch das sst,
    Imgleichen das sch, und sp.
  6. Die Sporen des Hahns auf der letzten Seiten,
    Und mehr andre solche Kleinigkeiten,
    Ließ er hingegen, weislich und klug,
    Aus dem nagelneuen A-b-c-Buch.
  7. Er fügte aber unterdessen nicht minder,
    Zur Ergötzung der lernenden Kinder,
    Ein Nestlein mit einem großen Ei
    Dem ungesporneten Hahne bei.
  8. Kaum war dies Buch zu Ohnewitz eingeführet,
    So ward es von den Bauern recensiret,
    Und gab zu einem grimmigen Streit
    Die allererste Gelegenheit.
  9. Denn es wollte keinem einzigen von allen
    Recensenten die Einrichtung gefallen,
    Und sie sahen alle, Mann für Mann,
    Die Aenderung als höchst gefährlich an.
  10. Selbst den allerklügsten unter ihnen
    Hat's beim neuen A-b-c-Buch geschienen,
    Als hätte Hieronimus dadurch gezeigt,
    Wie sehr er zur Autorsucht geneigt.
  11. Wie wenn im Sommer von schwülen Düften
    Ein Ungewitter entsteht in den Lüften,
    So geht vor dem Donner ordinär
    Erst ein gelindes Murmeln vorher.
  12. Gleichermaßen entstund unter den Leuten
    Erst ein leises Gemurmel von allen Seiten
    Und es zoge sich bald darauf
    Ein Gewitter über Hieronimus auf.
  13. Er konnte nun zwar in Worten und Werken
    Den Unwillen der Ohnewitzer leicht merken,
    Doch verließ er, den Bauern zum Trutz,
    Sich auf des gnäd'gen Patron seinen Schutz.
  14. Jedoch die Ohnewitzer wollten nun zeigen,
    Daß sie länger nicht gesonnen zu schweigen;
    Denn sie spürten je länger, je mehr,
    An dem neuen Schulmeister neues Beschwer.
  15. Sie traten also sämmtlich zusammen,
    Und der Küster verfertigte in ihrem Namen
    Eine Klagschrift in folgendem Ton:
    Hochwohlgeborner, gnädiger Patron!
  16. Wir sämmtliche Bauern und Kossathen
    In Hochderoselben Ohnewitzer Staaten
    Nehmen in aller Unterthänigkeit
    Unsern Schulmeister zu verklagen die Freiheit.
  17. Sintemal sich derselbe leider vergangen,
    Und verschiedene Neuerungen angefangen,
    Alles unter dem nichtigen Vorwand,
    Zu verbessern den hiesigen Schulstand.
  18. Sich auch dabei nicht so aufgeführet,
    Wie's einem frommen Schulmeister gebühret,
    Sondern vielmehr, oft und viel,
    Uns Bauern gibt ein böses Beispiel.
  19. Um von den Punkten, worüber wir queruliren,
    Nur die vornehmlichsten anzuführen,
    So hat er pro primo und erstens sich
    Unterfangen eigenmächtiglich,
  20. Ein neues A-b-c-Buch zu verfassen
    Und drin die Sporen des Hahnes auszulassen,
    Da doch der Sporen, zu jeder Frist,
    Ein wesentlich Stück des Hahnes ist.
  21. Dagegen hat er das Lernen selbst beschweret,
    Weil er das Alphabet hat vermehret;
    Denn sst, sp und sch,
    Steht wider alle Gewohnheit da.
  22. Auch, obgleich die Hähne niemals pflegen
    Hühnereier in Nester hinzulegen,
    So liegt doch ein Ei nun bei dem Hahn,
    Gleichsam als hätt' es der Hahn gethan.
  23. Nun können solche Dinge beim Studiren
    Die Kinder leicht auf Irrthümer führen,
    Und ein neues A-b-c-Buch ist überhaupt
    Eine Neuerung und unerlaubt.
  24. Pro secundo lassen wir nicht unberühret,
    Daß von Alters her ein Eselskopf eingeführet,
    Welchen in unsrer Schule zu Buß'
    Jedes muthwillige Kind tragen muß.
  25. So hart und empfindlich nun diese Strafe
    Sonst demjenigen war, den die trafe,
    So trugen die Kinder doch gern und mit Lust
    Den Eselskopf an ihrem Hals und Brust.
  26. Herr Jobs ist aber nicht damit vergnüget,
    Sondern er hat jetzt zum Kopfe gefüget
    Einen Hals, Leib, Beine und Schwanz,
    Und so ist es nun ein Esel ganz.
  27. Wie jämmerlich indeß die Kindlein klagen,
    Wenn sie den ganzen Esel müssen tragen,
    Und stehen da gleichsam zum Spectakel so,
    Ist kaum zu glauben. Pro tertio
  28. Thut Herr Jobs mit mächtigen Ohrfeigen
    Sich gar zu barbarisch in der Schule bezeigen,
    Und einige Knaben sind wirklich schon
    Taub und gehörlos worden davon.
  29. Pro quarto: sind die Kinder der ärmern Bauern,
    Ob der vielen Prügel höchlich zu bedauern;
    Denn, wegen Ansehen der Person,
    Kriegen sie meist doppelte Portion.
  30. Pro quinto: sucht er in den Taschen
    Der Kinder nach, ob sie auch naschen,
    Und findet er Äpfel und Nüsse allhie,
    So nimmt er sie weg und isset selbst sie.
  31. Pro sexto: ist von seinem sonstigen Betragen
    Noch allerlei Besondres zu sagen,
    Denn mit des Schulzen Einliegers Frau
    Lebt er, wie es heißt, gar zu genau.
  32. Auch besucht er fast täglich die Dorfschenke
    Und genießt da allerlei hitziges Getränke,
    Hat auch oft bis um Mitternacht
    Mit dem Schulzen beim Spiel zugebracht.
  33. Wir hätten zwar noch mehrere Klagen
    Allerunterthänigst vorzutragen;
    Denn es sind noch viele Gravamina
    Neben den schon erwähnten da.
  34. Wollen sie aber diesmal nicht berühren,
    Sondern nur unterthäniglich suppliciren:
    Daß Sie, lieber gnädiger Herr!
    Uns geben einen andern Schulmeister.
  35. Beharren übrigens Eure Hochwohlgeborne Gnaden
    Allerunterthänigste Bauern und Kossathen,
    Im Dorfe Ohnewitz gegeben.
    N. N. N. N. N. N.

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