Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Wie Hieronimus vergnügt zu Ohnewitz ankam, und wie er da Schulmeister ward, in einer Schule von kleinen Knäblein und Mägdlein.
  1. Derjenige Herr und die junge Dame,
    Zu deren Rettung Hieronimus herbei kame,
    Waren ein liebes artiges Paar,
    Welches kürzlich erst getrauet war.
  2. Der Herr hatte unter sein adliges Gebiete
    Dörfer und Schlösser von mancherlei Güte,
    Aber im Dörflein Ohnewitz
    War eigentlich sein Rittersitz.
  3. Um seiner Gemahlin den Gefallen zu erweisen,
    That er oft mit ihr kleine Reisen,
    Denn er hielte große Freundschaft
    Mit allen in seiner Nachbarschaft.
  4. Damalen hatte er auch eben
    Einem benachbarten Edelmann den Besuch gegeben,
    Und wurde bei der Rückkehr im Wald
    Angegriffen von den Räubern bald.
  5. Sogleich warfen sie den Kutscher zu Boden,
    Daß er da lag fast ohne Odem;
    Drauf forderten sie mit Ungestüm
    Sein Geld und sonstige Sachen von ihm.
  6. Sie rissen ihn auch aus dem Wagen
    Und fingen an auf ihn loszuschlagen;
    Als auf das ängstlich Geschrei der Dam'
    Hieronimus, wie gesagt, zur Rettung kam.
  7. Diese Geschichte erzählten sie unter-
    wegens ihrem Erretter, der nun munter
    Daher fuhr mit gar leisem Schritt,
    So gut es der gehabte Schrecken litt.
  8. Hieronimus hat ihnen gleichfalls erzählet,
    Wie ihn das Schicksal bishero gequälet,
    Und so gelangten sie, wie der Blitz,
    Endlich an zu Ohnewitz.
  9. Hier vergaß man bald alles Leiden,
    Lebete herrlich und in Freuden,
    Und für den ehrlichen Hieronimus ward
    Gesorget auf die liebreichste Art.
  10. Neue Kleider, Essen und Trinken,
    Wein, Tabak, Braten und Schinken
    Waren da, alles im Ueberfluß,
    Zum Dienste unsers Hieronimus.
  11. Nach einigen so vergnügt verstrichenen Wochen
    Hat auch der Herr dem Hieronimus versprochen,
    Für seinen zukünftigen Unterhalt
    Zu sorgen ferner bester Gestalt.
  12. Nun ist auch grade dazumalen
    Ein absonderlicher Umstand vorgefallen,
    Welcher für unsern Hieronimus gar
    Sehr erwünscht und gelegen war.
  13. Nämlich, die Ohnewitzer Bauern haben
    Eine Schule für kleine Mägdlein und Knaben,
    Und der Herr, als des Dorfes Patron,
    Hatte darüber die Collation.
  14. Das A, B, C, D zu studiren,
    Und zu lernen Lesen und Buchstabiren,
    Waren alleinig die Studia,
    Welche man hieselbsten treiben sah.
  15. Alle Gelegenheit, mehrers zu lernen,
    That der Herr Patron weislich entfernen,
    Denn ein Bauer, welcher gelehrt
    Ist, wird hochmüthig und höchst verkehrt.
  16. Ja, die Erfahrung lehrt es, wenn der
    Bauer schon versteht seinen Kalender
    Und sein Katechismus-Büchlein,
    So bildet er sich schon was Rechtes ein.
  17. Hat er sich nun noch höher verstiegen,
    So läßt er gemeiniglich die Arbeit liegen,
    Und dann sieht's höchst elendig und kraus
    Mit den Pächten und Abgaben aus.
  18. Außer dreißig Thaler Fixum trug dies Dienstchen
    Dem Herrn Schulmeister noch manches Gewinnstchen
    An Eiern, Butter, Hühnern und Gäns
    Und manchem ähnlichen Accidens.
  19. Auch ging er, wenn die Herrschaft zu Hause,
    Am Neujahrstag bei ihr zu Schmause
    Und bekam dann für die Gratulation
    Noch ein Geschenk, nach Proportion.
  20. Nun hat es sich damals just begegnet,
    Daß der Schulmeister dies Zeitliche gesegnet;
    Und also war man weislich bedacht,
    Daß ein neuer würde gemacht.
  21. Sobald dies der Herr Patron gehöret,
    Hat er dem Hieronimus den Dienst verehret;
    Und folglich trat Hieronimus dann
    Das Amt des Dorfschulmeisters an.
  22. Zwar wollte ihm anfangs das Schulleben
    Ihm kein sonderliches Vergnügen geben,
    Denn erhielte von Müßiggang mehr,
    Als von solcher beschwerlicher Lehr'.
  23. Doch, da er auf dem herrschaftlichen Schlosse
    Manche Wohlthat und Mahlzeit genosse,
    Und sich nach geendigter Schule erquickt;
    So hat er sich in das Lehramt geschickt.
  24. Und sich nunmehr ernstlich vorgenommen,
    Seinen Pflichten möglichst nachzukommen,
    Damit er nun lebenslang hinfort
    Bleiben möchte an diesem Ort.
  25. Auch gedachte er, in verschiedenen Sachen
    Einige wichtige Aenderungen zu machen,
    Weil er im hiesigen Schulstand
    Viele eingerissene Fehler fand.
  26. Er fing auch, nach langem Deliberiren,
    Wirklich an, manches zu reformiren,
    Jedoch bekam ihm dieses nicht wohl,
    Wie der geneigte Leser bald hören soll.

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