Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Vierzehntes Kapitel

Welches die Kopei enthält von einem Briefe, welchen nebst vielen andern der Student Hieronimus an seine Eltern schreiben thät.
  1. Sehr geliebteste Eltern!
    Ich melde,
    Hiebei, daß es mir fehlet an Gelde,
    Habet also die Gewogenheit
    Und schicket mir bald eine Kleinigkeit.
  2. Nämlich etwa 20 bis 30 Ducaten,
    Denn ich weiß mich kaum mehr zu rathen,
    Weil es alles so knapp geht hier,
    Drum sendet doch dieses Geld bald mir.
  3. Alles ist hier ganz erschrecklich theuer,
    Tisch, Stube, Wäsche, Licht und Feuer,
    Und was sonst etwa vorfällt noch,
    Drum schicket die 30 Ducaten doch.
  4. Kaum begreift ihr die starke Ausgabe,
    Welche ich auf der Universität habe
    Für so viele Bücher und Collegia,
    Ach wären doch die 30 Ducaten schon da!
  5. Ich studire täglich recht fleißig.
    Sendet mir doch nächstens die 30
    Ducaten, so bald als möglich ist, her,
    Denn mein Beutel ist jämmerlich leer.
  6. Wäsche, Schuhe, Strümpfe und Kleider,
    Friseur, Nähterin, Schuster und Schneider,
    Tinte, Federn, Bleistift, Papier,
    Kosten viel, schickt die Ducaten mir.
  7. Das Geld, welches ihr hoffentlich bald sendet,
    Wird, ich schwör' es euch, gut angewendet.
    Ich, liebe Eltern! ich behelfe mich
    Sehr genau und höchst kümmerlich.
  8. Wenn andre Studenten saufen und schwärmen,
    So entziehe ich mich allem wilden Lärmen,
    Und schließe mich mit den Büchern allein
    Auf meiner Studierkammer weislich ein.
  9. Außer den nöthigen Kosten und Speise
    Erspar ich, liebe Eltern! auf alle Weise
    Und trink vor'n Durst kaum einmal Thee,
    Denn Geld ausgeben thut schrecklich mir weh.
  10. Andre Studenten, die lüderlich prassen,
    Thun mich wegen meiner Eingezogenheit hassen,
    Und sagen: da geht der Knicker einher,
    Er studirt, als wenn er ein Pfarrer schon wär.
  11. Manchen Verdruß sie drob schon mir machten,
    Ich thu aber ihre Spötterei verachten,
    Und was man von meiner Frömmigkeit spricht.
    Vergeßt doch die 30 Ducaten nicht!
  12. Täglich hab' ich mich zehn ganze Stunden
    In den Collegiis bisher eingefunden,
    Und wann dann diese Collegia aus,
    Studir' ich in übrigen Stunden zu Haus.
  13. Die Professors sind trefflich mit mir zufrieden,
    Und rathen fast, mich nicht so zu ermüden
    In meinen beständigen Studiis
    Philosophicis und Theologicis.
  14. Es möchte sich zwar nicht geziemen
    Mich gegen euch, liebe Eltern! selber zu rühmen,
    Doch sage und versich'r ich euch frei,
    Daß ich der Fleißigste von Allen sei.
  15. Oft will mir von allen gelehrten Dingen
    Fast der Kopf, sammt dem Hirn, zerspringen,
    Und manchmal wird mir gar wunderlich.
    (A propos! die Ducaten erwarte ich.)
  16. Ja, liebe Eltern! ich lese schier beständig
    Und strap'ziere meine Sinnen sehr elendig,
    Und meistentheils wird sogar die Nacht
    Mit tiefem Meditiren zugebracht.
  17. Nächstens gedenk' ich auf die Kanzel zu steigen,
    Und mich einmal im Predigen zu zeigen;
    Ich disputir' mich auch im Collegium
    Ueber gelehrte Materien tapfer herum.
  18. Vergesset doch nicht die Ducaten zu schicken,
    Damit ich sie schier baldigst möge erblicken.
    Ihr bekommt einst dafür in meiner Person
    Einen hochgelehrten und klugen Sohn.
  19. Da ich auch ein Privatissimum gesonnen
    Zu halten und wirklich schon begonnen,
    Welches 20 Reichsthaler kosten thut:
    So erwart' ich auch diese wohlgemuth.
  20. Auch thu ich euch, liebe Eltern! zu wissen,
    Daß ich jüngst meinen Rock sehr zerrissen,
    Also füget zu obigen Geldern doch
    Zwölf Thaler zum neuen Rocke noch.
  21. Habe auch neue Stiefel sehr nöthig,
    Es ist auch kein Schlafrock mehr vorräthig,
    Imgleichen sind meine Pantoffeln und Hut
    Auch andre Kleidungsstücke caput.
  22. Da ich nun dies alles nicht kann entbehren,
    Wollt ihr mir noch a part 4 Louisd'or verehren,
    Welche alsdann zur Nothdurft mein
    Vielleicht möchten hinreichend sein.
  23. Ich bin auch kürzlich todtkrank gewesen,
    Und kaum mit genauer Noth wieder genesen;
    Doch versich're ich euch mit Hand und Mund
    Daß ich itzo sei wieder ziemlich gesund.
  24. Der Medicus, welcher mich curiret,
    Hat dafür 18 Gulden aufgeführet,
    Und die aus der Apotheke gebrauchte Arznei,
    Machet, laut Rechnung, zwanzig und drei.
  25. Damit nun Arzt und Apotheker kriegen
    Das Ihre, werdet ihr gütigst fügen,
    Diese ein und vierzig Gulden dazu.
    Seid übrigens wegen meiner Gesundheit in Ruh.
  26. Die Aufwärterin, welche mich that laben
    In der Krankheit, möchte auch wol was haben.
    Drum sendet noch sieben Gulden dafür
    Und adressirt's mit dem übrigen an mir.
  27. Für Citronen, Geleen und Confituren,
    Zur Stärkung kranker und schwacher Naturen,
    Steht auch noch als ein kleiner Rest,
    Acht Gulden bei dem Conditor fest.
  28. Diese bemeldte Posten allzumalen
    Möchte ich gerne nächstens richtig bezahlen,
    Denn ich liebe Ordnung und hüte mich
    Vor allen Schulden sorgfältiglich.
  29. Ich traue also zu euern milden Händen,
    Daß sie mir Alles, nebst den 30 Ducaten senden,
    Sobald als euch es möglich wird sein.
    Noch fällt mir eine Kleinigkeit ein:
  30. Vor 15 Tagen hatte ich's Ungelücke,
    Und fiel hoch von der Treppe zurücke,
    Als ich ging ins Collegium,
    Und stieß mir den rechten Arm fast krumm.
  31. Der Chirurgus verlanget derohalben
    Zwölf Thaler für Balsam, Pflaster und Salben,
    Spiritus und sonstige Schmiererei;
    Drum thut auch diese zwölf Thaler noch bei!
  32. Doch, damit ihr euch nicht alteriret,
    Ich bin, Gottlob! ganz wieder curiret
    Und geh' mit gesundem Arm und Bein
    Täglich in das Collegium ein.
  33. Nur habe ich einen sehr schwachen Magen,
    Die Aerzte, die ich consultirt habe, sagen,
    Das käme vom vielen Sitzen her,
    Und weil ich so erstaunlich fleißig wär.
  34. Sie haben mir dieserhalben angerathen:
    Warmen Burgunderwein, mit Zimmt und Muskaten,
    Des Morgens zu trinken statt des Thee,
    Das wäre gut für's Magenweh.
  35. Leget also noch bei zwei Pistolen,
    Um dafür Burgunder und Würze zu holen;
    Gewiß. Liebe Eltern! ich trinke es nur
    Blos zur verordneten Magencur.
  36. Endlich habe ich noch einige Schulden
    Von etwa 30 bis 40 Gulden,
    Schicket mir also auch, ohne Fehl,
    Liebe Eltern! dies Bagatell.
  37. Könnte ich, neben bei, für andere Ausgaben
    Auch etwa noch ein Dutzend Louisd'or haben,
    So käme mir dieses recht bequem,
    Und wäre mir wirklich auch angenehm.
  38. Wenn ihr euch übrigens gesund befindet
    Und nächstens im Briefe mir verkündet,
    So wird mir dieses erfreulich sein,
    Schließt aber auch ja das Geld mit ein.
  39. Hiemit will ich also mein Schreiben beschließen,
    Meine Geschwister thu ich freundlich grüßen
    Und verharre hierauf zum Schluß
    Euer gehorsamer Sohn
    Hieronimus.
  40. Ich setze noch eilig zum Postscripte:
    Meine hochgeehrte und sehr geliebte
    Eltern! ich bitte kindlich,
    Schicket doch bald das Geld an mich.
  41. Denn, lieber Vater! Ich legte 14 französische Kronen
    Zurück, sie bis zur äußersten Noth zu schonen,
    Allein zum größten Schmerz und Verdruß
    Stahl mir solche gestern ein Anonymus.
  42. Ich weiß, ihr ersetzt mir, ohne drum zu bitten,
    Den Schaden, den ich unschuldig erlitten,
    Denn Ihr, als ein hochvernünftiger Mann,
    Begreift leicht, daß ich solchen nicht tragen kann.
  43. Ich werde indeß möglichst dafür sorgen,
    Daß der Anonymus heute oder morgen
    Zu eurer Beruhigung und Satisfaction
    Bekomme den hanfenen Strick zum Lohn.

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