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Neuntes Kapitel.
Budapest

Admiral Horthy de Nagybanya, der Reichsverweser von Ungarn, ist dem Titel nach zwar nicht König, aber de facto und allen äußeren Umständen nach Monarch. Der Reichsverweser ist der Meinung, daß Europa, wie eine Weste, die falsch zugeknöpft worden ist, »aufgeknöpft und wieder richtig zugeknöpft« werden muß.

Sein Palais erhebt sich über der Donau, glanzvoll, hoch, groß, gewaltig wie ein Berg. Hier residiert der Reichsverweser seit vierzehn Jahren. Und wahrscheinlich wird er auch bis zu seinem Tode hier bleiben. So lange er da ist, hat die Reichsverweserschaft die ganze Autorität der Krone und noch bedeutend mehr. Er ist unbestrittener Herr über das Land.

Auf dem Wege zum Palais präsentieren an den Kasernen Schildwachen das Gewehr. Schildwachen präsentieren am Portal. Schildwachen präsentieren am Eingang zum Palais. Ein Unteroffizier führt, vorbei an weiteren Schildwachen, zur Tür der Gemächer des Reichsverwesers. Vor der Tür steht eine prächtige Gestalt in Scharlachrot und Gold, mit Helm, Pike und Schild. Ein magyarischer Leibgardist.

Im ersten Vorzimmer empfängt ein Offizier in Marineuniform. Der Verweser war aktiver Admiral. Im zweiten Vorraum bildet eine Gruppe von Offizieren in veilchenblauen Kavalleriejacken die letzte Verteidigungslinie.

Der Reichsverweser selbst ist einfacher gekleidet als alle seine Adjutanten außer dem Marineoffizier. Er trägt die schlichte blaue Admiralsuniform. Eine einzige weiße Dekoration schmückt seine Jacke.

Er ist ein warmer, freundlicher, offener, freimütiger, energischer Mann. Er hat die Roten mit so starker Hand unterdrückt, daß die dritte Internationale in ihm einen Kommunistenfeind allerersten Ranges erblickt. Er sieht auch danach aus. Vor allem aber hat er das Äußere des Marineoffiziers. Das Nachkriegsungarn hat keine Seeküste und nennt nicht ein einziges Schiff sein eigen, aber um seinen Beherrscher ist noch immer die Atmosphäre des Meeres. Sein Kabinett ist einfach wie eine Kapitänskajüte.

Er scheut sich nicht vor dem Reden. Er spricht langsam, aber sein Englisch ist gut. »Um es ganz kurz zu sagen«, erwiderte er rasch auf meine erste Frage, »im vergangenen Jahr war ich überzeugt davon, daß es heuer Krieg geben würde. Jetzt glaube ich, es wird überhaupt keinen Krieg geben.

Die schwerste Gefahr«, sprach er weiter, seine rotbraune Faust schüttelnd, »war die des sogenannten Präventivkrieges. Natürlich wäre damit nichts verhütet worden. Er würde schließlich über Europa nur dasselbe Unheil gebracht haben, das Europas Los nach jedem Krieg wäre, ob man ihn nun ›präventiv‹ nennt oder nicht.

Dieser Gedanke des ›Präventiv-Krieges‹ ist einer der ältesten in der Geschichte.« Der Admiral explodierte geradezu. »Seit undenklichen Zeiten sagt jeder, der Krieg führen will, er tue es, um den Frieden zu erhalten. Napoleon durchraste ganz Europa, Tag um Tag kämpfend, gegen jedermann, der zu sehen war, Krieg führend, und das alles nur, um den Frieden zu wahren.« Der Admiral lachte. »Die Römer«, sagte er, »auch die Römer machten es so. Und natürlich hatten sie recht. Sie schlugen alle, die sich zeigten, und dann hatten sie dreihundert Jahre lang Frieden.«

Der Reichsverweser blickte für einen Augenblick zum Bild des Kaisers Franz Joseph hinauf. Er war fünf Jahre lang Adjutant des Kaisers gewesen und sagte von ihm: »Der beste Mann, den ich kannte, der vollkommenste Gentleman, einen Menschen von größerer Herzensgüte habe ich niemals kennen gelernt.«

»Der Gedanke des Präventivkrieges ist also nicht neu. Und doch wäre in dem Europa von heute ein Präventivkrieg der katastrophalste Irrtum. Er wäre für das Volk, das ihn beginnt, ebenso unheilvoll wie für das Volk, gegen das er geführt wird.

Aber nun scheint es so gut wie sicher zu sein, daß klügere Überlegungen Platz gegriffen haben. Wenn man Krieg führen will, ist es schließlich auf jeden Fall notwendig, daß man glaubt, daß man fest davon überzeugt ist, man werde siegen. Wer könnte nun heute gegen wen immer zu Felde ziehen und positiv sagen: ›Wir werden gewiß siegen‹?

Welche Mächtekombination ist so sicher der inneren Stärke aller ihrer einzelnen Mitglieder und der Treue ihrer Verbündeten, daß sie es sich leisten könnte, einen Konflikt mit irgend einer anderen Macht oder Mächtegruppe zu provozieren? Das ist ein Risiko, das kein verantwortungsvoller Staatsmann eingehen könnte, und ich glaube auch, ein Risiko, das kein verantwortungsvoller militärischer Führer in Europa heute auf sich nehmen würde.

Nein, ich glaube nicht nur, daß es keinen Krieg geben wird, ich glaube auch, daß die Fragen, die jetzt den Frieden Europas stören, schließlich ohne jeden Krieg gelöst werden. Es gibt nicht einen Reibungspunkt, der nicht aus der Welt zu schaffen wäre, wenn von den Großmächten der richtige Druck ausgeübt wird.«

Zur Erklärung mag bemerkt werden, daß Ungarns Hauptziel heute darin besteht, von der Kleinen Entente die gewaltigen Territorien, die es verloren hat, wieder zu bekommen, insbesondere die Slowakei von der Tschechoslowakei. Wenn die Großmächte »den richtigen Druck« auf die Tschechoslowakei ausübten, könnten die ungarischen Ansprüche, so denkt man im Lande, ohne Krieg befriedigt werden.

»Was wir aber in Europa brauchen«, sprach der Reichsverweser weiter, »ist mehr Autorität. Autorität ist unbedingt eine wesentliche Vorbedingung zur Erhaltung des Friedens. Denn wenn Augenblicke der Anspannung kommen und große Entscheidungen getroffen werden müssen, muß man seine Kraft konzentriert haben. Ich bin ebenso wie Mussolini der Ansicht, daß grundlegende Änderungen in der Organisation Europas wesentlich notwendig sind – wesentlich notwendig für die Erhaltung des Friedens.

Die Reorganisation muß auf einer Grundlage erfolgen, die es den Großmächten ermöglicht, zusammenzukommen und jedem Unruhestifter, wer es auch sei, zu erklären: ›Du mußt dich anständig benehmen, du mußt aufhören dies zu tun, oder du mußt das und das unternehmen.‹ Ich denke nicht an eine Völkerbundsarmee. Das ist nicht notwendig. Es würde genügen, wenn die Großmächte lediglich ihre eigenen Streitmächte als Drohmittel benutzen. Ich bin überzeugt, daß die Ordnung in Europa in einem einzigen Tage wieder hergestellt wäre, wenn hinter allen eine solche Autorität stände.

Aber die Organisation muß gründlich sein, und die Ungerechtigkeiten müssen wieder gut gemacht werden. Ich führe den Fall meines Vaterlandes an. Die Situation, in der wir heute sind, ist völlig untragbar. Kein zivilisiertes Volk kann erwarten, daß wir uns damit abfinden, und ich kann zu meiner größten Freude konstatieren, daß die Würdigung der Lage Ungarns in England und anderen Staaten im Zunehmen begriffen ist. Man erkennt nicht nur die materiellen Ungerechtigkeiten an, die uns angetan worden sind, sondern vor allem auch die moralische Demütigung, die am schwersten zu ertragen ist.«

Der Admiral wurde heftig. »Wir hatten alles – wir besaßen Kohle und Eisen, und Gold und Salz und Petroleum. Und was haben wir jetzt? Man hat uns zweiundsiebzig Prozent unseres Landes und sechzig Prozent unserer Bevölkerung genommen. Nichts hat man uns gelassen als Weizen und Soldaten. Guter Weizen und gute Soldaten haben heute keinen Wert.

Und was das Ganze besonders schwer erträglich macht, ist die Tatsache, daß unter allen Völkern gerade die Ungarn eine solche Behandlung nicht gewohnt sind. Sie als Amerikaner, der aus dem Süden stammt, wissen noch, was für Gefühle Ihre Landsleute hatten, als nach dem Bürgerkrieg in den Südstaaten Negergouverneure mit Machtvollkommenheiten ausgestattet wurden.

Schließlich sind wir Ungarn seit tausend Jahren ein organisiertes Volk mit einer ganz einzigartigen Kultur, und für einen Kavalier, dessen Vorfahren tausend Jahre lang Kavaliere waren, ist es sehr schwer zu ertragen, wenn er aus seiner Burg vertrieben, seines Landes beraubt, auf die Straße geworfen und zum Betteln verurteilt wird.

Ich verstehe die Gefühle unseres Volkes. Wir mußten in den vergangenen vierzehn Jahren unsere ganze Autorität einsetzen, um die natürlichen Empfindungen eines Volkes zu beruhigen, das so schwer unter den unerträglichen Ungerechtigkeiten leidet, die ihm zugefügt worden sind. Ich mußte es tun, weil ich die realen Seiten der Lage kenne und weil ich weiß, daß es keinen Sinn hat, mit dem Kopf gegen eine Ziegelmauer zu rennen.

Aber die Geduld unseres Volkes wird gewißlich eines Tages ihren Lohn finden. Ich bin überzeugt davon, daß die Revision mit friedlichen Mitteln kommen wird.

Sie fragen, was geschehen wird, wenn Deutschland aufgerüstet ist. Es ist gar nicht notwendig, daß dann überhaupt etwas geschieht. Früher oder später werden die berechtigten Revisionsansprüche erfüllt werden, und es ist kein Grund dafür zu sehen, weshalb es überhaupt zu einem Krieg kommen sollte.

Aber« – er stand auf und zog seine Jacke zurecht – »zuerst müssen Reorganisation und Revision kommen.« Er zeigte auf seine Knöpfe. »Wenn Ihre Weste nicht richtig zugeknöpft ist, müssen Sie sie zuerst von oben bis unten aufknöpfen, bevor Sie sie wieder zuknöpfen können. Europa muß aufgeknöpft und dann wieder richtig zugeknöpft werden, und dann werden wir den Frieden haben, für den wir alle in Ungarn arbeiten.«

Unterhalb des Palais floß die Donau dahin. Auf ihrer grauen Wasserfläche spiegelte sich das Sonnenlicht. Seit tausend Jahren fließt sie durch das Land der Magyaren, eines stolzen Volkes. Sie kann noch tausend Jahre weiter fließen, ehe Ungarn seine Ansprüche aufgibt.

*

In Paris wird man aufgefordert, sich die Champs Elysées anzusehen. In Rom weist man auf das Forum. In London wird man zu einer Besichtigung des Tower eingeladen.

In Budapest wird man aufgefordert, auf eine Karte zu sehen.

Es ist eine Karte, die im engsten Zusammenhang steht mit der Frage: »Kommt Krieg in Europa?« Denn solange diese Karte nicht verbessert wird, wird die heißblütige Nation der Magyaren sicherlich keine Ruhe geben. Sobald einmal sein ehemaliger großer Verbündeter Deutschland Österreich nimmt, wird Ungarn ein Teil des deutschen Blocks sein, und die ungarische Karte wird eine neue und schicksalsschwere Bedeutung für Europa gewinnen.

Dieses Land ist der einzige Nachbar Österreichs, der aus einer österreichisch-deutschen Vereinigung entschieden Gewinn ziehen würde. Es gibt Ungarn, die das Dritte Reich nicht zum Nachbarn haben wollen und fürchten, das kleine Ungarn werde als Ganzes von Hitler verschlungen werden. Klügere Ungarn sind der Meinung, was immer Deutschland durch die Drohung seiner wachsenden Macht gewinne, werde seine Parallelen für Ungarn haben.

Julius de Gömbös, der Ministerpräsident Ungarns, fordert wie jeder andere Ungar seinen Besucher auf, einen Blick auf eine Karte zu werfen. Es ist eine eindrucksvolle Karte. »Da ist sie«, rief er aus, »sie hat keinerlei politische Tendenz, sie zeigt lediglich die Grenzen des alten und des neuen Ungarn.«

Seine Exzellenz paßt gut als Gefährte zu dem freimütigen Admiral auf dem Reichsverweserstuhl. Soldat, Kriegsminister, General: er spricht ebenso geradezu wie sein Chef. Nichts Zeremonielles ist um ihn. Später empfing er mich in einer Hausjacke.

»Vor allem hat der Friedensvertrag dreieinhalb Millionen Ungarn von ihrem Vaterland abgetrennt. Wie Sie weiter sehen, war Ungarn eine natürliche Einheit, fast völlig umgeben von Gebirgen, auf denen die Wasserscheiden die natürlichen, von Gott gegebenen Grenzen bilden.

Wenn Sie sich aber die jetzigen Grenzen ansehen, bemerken Sie, daß uns in einem Kreis rings um das ganze Land in solchem Maße Land genommen worden ist, daß nur der Kern übrig geblieben ist. Das Sonderbarste war aber die Art, wie die Grenzen gezogen wurden. Wie Sie sehen, wurde die Linie ringsum auf der flachen Ebene innerhalb des Kreises der Gebirge gezogen. So wurden wir zweitens unserer wertvollsten natürlichen Rohmaterial-Quellen beraubt. Hier im Norden unser Eisenerz. Im Osten unser Salz. Hier unsere Kohle und da unser Petroleum – alles fortgenommen.

Aber der wahre Sinn dieser neuen Grenze kann erst verstanden werden, wenn man sich ihre militärische Bedeutung überlegt. Alle unsere natürlichen Verteidigungsmittel wurden uns genommen. Heute liegt unsere militärische Grenze nach allen Seiten für jeden Angriff frei, es ist, als lebten wir in einem Haus, in dem alle Türen aus den Angeln gehoben sind. Überall an der ganzen Grenzlinie sicherte man sich jeden großen und kleinen Berg oder Fluß, um das neue Ungarn in eine Lage zu versetzen, in der es ohne die geringste Anstrengung von fremden Truppen überschwemmt werden kann.

Das neue Ungarn ist eine Ebene innerhalb eines Kreises von Bergen, von denen aus Truppen mit der größten Leichtigkeit auf das schutzlose Zentrum zu marschieren könnten. Es gleicht einer Stadt, die einen Kranz von Befestigungen um sich errichtet hat – aber die Befestigungen wurden eingenommen und sind jetzt vom Feind besetzt. Diese Grenze konnten nur Generalstabsoffiziere ziehen. Auch das ist ein Grund, weshalb ich meine, wir haben ein Recht darauf, unsere jetzt schutzlose Lage zu verbessern.«

Der Ministerpräsident machte wenige Pausen. Er sprach mit einer entwaffnend freundlichen Art, aber mit großer Geschwindigkeit. »Exzellenz«, warf ich ein, »was für Hoffnungen haben Sie auf eine Revision.«

»Ich verstehe zweierlei unter der Revision. Das erste ist die Erreichung der Gleichberechtigung. Das muß kommen. Das ist ein Recht, das uns durch das Völkerbundstatut gewährleistet ist. Es wird Tatsache werden, und zwar zweifellos sehr bald. Es ist völlig undenkbar, daß große Nationen dauernd gezwungen werden sollen, sich in eine inferiore Lage zu fügen. Unser Heer ist jetzt auf 35 000 Mann beschränkt, während rings um uns Länder liegen, deren Truppen in Friedenszeiten zehn mal so groß sind. Das zweite ist die territoriale Revision.

Was wollen wir denn? Wir verlangen eine Korrektur unserer Grenzen, die die schlimmsten Ungerechtigkeiten, unter denen die ungarische Nation zu leiden hatte, wieder gut machen und es uns ermöglichen würde, wieder wirtschaftlich zu leben und einigermaßen das Gefühl der Sicherheit zu haben. Dazu gehört auch eine volle Garantie der Minderheitenrechte für alle Magyaren, die unter fremder Herrschaft leben. Ich hoffe, die Großmächte werden bald eine Konferenz einberufen, um diese Frage zu diskutieren, die von so großer Bedeutung für den Frieden Europas ist.«

»Exzellenz, Sie sprechen von friedlicher Revision, aber können Sie mir einen Fall in der Geschichte nennen, in dem es zu einer territorialen Revision ohne Krieg gekommen ist?«

Der Ministerpräsident lachte. »Ja«, sagte er, »ich kenne mehrere solche Fälle in der Geschichte. Zum Beispiel: Rumänien erwarb Beßarabien von Rußland.«

Es darf vielleicht daran erinnert werden, daß Rumänien Beßarabien in einem Augenblick nahm, als Rußland von Revolution und Bürgerkrieg zu zerrissen war, um Widerstand zu leisten.

»Aber«, sprach der Ministerpräsident weiter, »ich bin gezwungen, an die Möglichkeit einer friedlichen Revision zu glauben, und ich werde weiter für sie arbeiten. Kein Mensch nimmt an, daß sie in ein oder zwei Jahren kommen kann, aber einmal muß sie kommen. Die Kleine Entente ruft aus: Revision bedeutet Krieg! Wozu wurde dann Paragraph neunzehn in das Völkerbundstatut gesetzt? Unser Revisionsverlangen ist nicht illegal. Es ist ausdrücklich vom Völkerbund vorgesehen.

Einer Sache können Sie sicher sein – Ungarn beabsichtigt nicht, es mit Gewalt zu versuchen. Welche Nation hat diese Absicht? Wenn wir eines durch den Krieg gelernt haben, so ist es dies: der nächste Krieg wird die Zivilisation in Europa und vielleicht in der ganzen abendländischen Welt von Grund aus zerstören.

Damit bewiesen wird, daß Spengler in seinem Untergang des Abendlandes vollständig recht hat, braucht nur der nächste Krieg zu kommen. Das wissen wir alle. Ich kenne keinen Menschen, der sich nicht darüber im klaren wäre.

Hitler, davon bin ich überzeugt, ist sich dessen wohl bewußt. Ich glaube nicht, daß Hitler den Krieg wünscht. Ich habe Hitler kennen gelernt, und mein Eindruck von ihm war, daß er weder jetzt noch zu irgend einer Zeit in der Zukunft den Krieg wünscht. Er hat viel zu viel mit der Ausführung des Programms zu tun, das er sich im Innern Deutschlands gesetzt hat. Ich hatte die Empfindung, daß er einen Instinkt, ein natürliches Gefühl für Politik hat. Aus Büchern kann man sich politisch belehren, aber praktische Politik treiben kann man nicht ohne diesen Instinkt. Hitler hat ihn.«

»Wie wird aber die Situation sein«, fragte ich, »sobald Deutschland wieder als die stärkste Militärmacht auf dem Kontinent dasteht, stärker vielleicht als alle anderen zusammen?«

»Das hat Hitler nicht gefordert. Er hat nur 300 000 Mann gefordert. Die Streitkräfte Frankreichs und Polens allein machen zusammen mehr als 700 000 Mann aus, und dabei ist die Kleine Entente noch gar nicht in Betracht gezogen. Hitler hat auch nicht mehr als einige Flugzeuge gefordert und nicht eine einzige der sogenannten Angriffswaffen. Bedenken Sie auch, daß er lediglich gefordert hat, das im Lauf der nächsten zehn Jahre zu bekommen. Vergessen Sie ferner nicht, daß die Alliierten, was die Reserven betrifft, Deutschland um fünfzehn Jahre voraus sind. Nein, alles spricht dagegen, daß Deutschland innerhalb kurzer Zeit eine militärische Überlegenheit erlangt, die es zum Kriege locken könnte.«

»Sie sind also überzeugt davon, daß ein Krieg europäischen Ursprungs mindestens zehn Jahre lang nicht zu erwarten ist?«

»Das habe ich zwar nicht gesagt, aber ich hoffe es mit allen Fasern meines Herzens. Nichts könnte jedoch kühner sein, als unter den heutigen Umständen prophezeien zu wollen. Propheten sind schlechte Politiker. Die Welt kann sicher sein, daß Ungarn trotz all seinen gerechten Ansprüchen mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, daran arbeiten wird, den Frieden zu erhalten.«

Ungarns Nachbarn sind die Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien. Sie nennen sich die Kleine Entente. Ungarn ist der Kitt, der sie zusammenhält. Wird der Kitt auch halten, wenn das Dritte Reich seine Kräfte mit denen des Magyaren-Staates vereint?


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