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IX.

Von König Wilhelms-Land nach den gefährlichen Stromschnellen des Großen Fischflusses.

Abermalige Theilung der Partie. – Abmarsch der Partie. – Die Schwatka'sche Partie. – Sherman-Golf. – Vorbereitungen zum Abmarsch der zweiten Partie. – Der Abmarsch. – Die Hungerbucht. – Der Letzte der Vermißten. – Rückblick auf die Forschung. – Abschiedsfest von den Netchilliks. – Montreal-Inseln. – Eine Nacht auf dem glatten See-Eise. – Die Insel Ominäkzuak. – An der Delta-Mündung des Großen Fischflusses. – Der Lady Daly-See. – Ein historischer Cairn. – Eine schauerliche Fahrt. – Die Ukusiksillik-Eskimos. – Reicher Fischfang. – Die gefährlichen Stromschnellen. – Wiedervereinigung der Partie.

Der langersehnte Zeitpunkt der Abreise nach Hudsons-Bai war gekommen und die Partie theilte sich abermals in zwei nach verschiedenen Richtungen marschirende Abtheilungen. Lieutenant Schwatka mit Gilder, Tuluak, Eskimo Joe und den dazu gehörigen Familien wollten mit nur einem Schlitten die Adelaide-Halbinsel westlich umgehen und einen tiefen Golf, der nach den Berichten der Eingebornen sich dort befand, und nicht auf den Karten verzeichnet war, vermessen; während der Rest mit drei Schlitten seinen Weg direct nach dem großen Fischflusse zu nehmen, die Hungerbucht zu besuchen, darselbst ein Monument zu errichten, ein Document zu deponiren und bei den »Gefährlichen Stromschnellen« des besagten Flusses behufs Wiedervereinigung auf die andere Partie, falls sie noch nicht am Platze sein sollte, zu warten bestimmt war.

Am 1. November Morgens gingen ich und Melms in Gesellschaft mehrerer Netchilliks hinüber in Lieutenant Schwatka's permanentes Camp, um bei seinem Abmarsch zugegen zu sein. Zur leichteren Transportirung der großen Fleischvorräthe hatte er sich für den ersten Tag einen unserer Schlitten geborgt und ließ Tuluak und Joe beim Vertheilen ihrer Ladungen freie Hand. Unsere 300 Pfund Rennthiertalg bildeten jedenfalls für die Eingebornen den werthvollsten Theil der Ladung, nach ihm aber die Rennthiere, die als ganzer Rumpf, d.h. ohne Füße und Kopf aufgeladen wurden. Es dauerte bis gegen Mittag, bevor Alles auf den beiden Schlitten war, die, mannshoch beladen, ein Bild des Ueberflusses, die Frage aufdrängten, wie die Partie Alles dieses in den späteren Marschtagen fortbringen werde. Eines mußte zu unserem größten Bedauern zurückbleiben. Es waren dies die stattlichen Geweihe, die bis 5 und 6 Fuß hoch mit ihren großen, schaufelartigen Enden und den breiten, zum Auswühlen des Schnees bestimmten Vorderblättern für manche Sammlung unserer Jagdfreunde ein Schatz gewesen wären. Es fehlte uns zu ihrer Mitnahme an den erforderlichen Transportmitteln.

Unser Thermometer zeigte -33ºC. und die Sonne stand bereits im Meridian, als die wohlgenährten Hunde anzogen und wir mit einem warmen Händedruck auf baldiges Wiedersehen uns von unseren Reisegenossen verabschiedeten.

Kaum hatte sich der Schlitten aber auch nur in Bewegung gesetzt, als die Netchilliks in das Eishaus drangen und dieses durchsuchten. Die Geweihe, alte Felle, zurückgelassene Fleischtheile, die wegen ihres Knochenreichthums nicht mitgenommen wurden, wie die Köpfe ec., ferner Kleinigkeiten, die bei einem einmonatlichen Aufenthalte im Schnee verdeckt liegen geblieben waren, dies Alles bildete für sie noch verwendbare und nützliche Gegenstände. In dem einfachen, anspruchlosen Leben der Eskimo spiegelt sich die Sparsamkeit oft im kleinsten Detail. Ein gefundenes Zündhölzchen z.B. wird auf das beste aufgehoben, ja, wie schon erwähnt, gespalten, um durch seine Verwendung die mühselige Arbeit des Feuermachens durch Reibung des Holzes zu ersparen.

Daß Lieutenant Schwatka heute schon aufbrechen konnte, ist aber auch zum großen Theile das Verdienst des eben so flinken wie energischen Tuluak. Man kann ihn mit all' seinen herrlichen Eigenschaften, wenn er einmal an die Arbeit gegangen war, nicht als ein Muster der Eskimos, sondern muß ihn, was Willenskraft und Ausdauer anbelangt, als eine Ausnahme unter denselben hinstellen. Leider hatten ich und Melms keinen Tuluak mit uns, sondern eine ebenso langsame als willenlose Bande, die unter Anderem nicht begreifen konnte, weshalb wir den Marsch nach Hudsons-Bai im strengsten Winter durchzuführen nöthig hatten. Daß ich manche Stunde des Aergers erleben werde, bevor ich Netchillik Joe und dessen Sippschaft, der sich auch noch dessen Schwager beigesellte, an dem besprochenen Vereinigungspunkte dem Commando des Lieutenants werde übergeben können, dachte ich mir wohl, begann aber auch gleich zu unserem eigenen Aufbruche Vorbereitungen zu treffen. Meiner Partie Fleischvorräthe lagen noch in den bekannten tuktuksuks (Steinhaufen) im Lande umher, und während die Eskimos diese langsam sammeln, folgen wir dem Lieutenant auf seinem Wege nach dem Süden.

Sein erster Tagemarsch war ein sehr kleiner. Nach zurückgelegten drei Meilen schon hielt er am Meer-Eise der Simpson-Straße und blieb bis nächsten Morgen, den ausgeborgten Schlitten noch benützend, um seine großen Vorräthe über die genannte Straße an die Küste der Adelaide-Halbinsel zu bringen. Dort wurden die ganzen Rennthierrümpfe zerschlagen, die Hunde noch einmal gefüttert, die compactere Masse nun auf einen Schlitten geladen und mit Zurücklassung eines großen Superplus der Weitermarsch angetreten. Von Smith's Landspitze, die, wie die südlich gelegene Grant-Landspitze, sehr flach gegen die See ausläuft, konnte die Partie einen Blick auf die circa fünf Meilen entfernten zwei Inseln werfen, in deren Nähe (3 Meilen westlich davon nach Ikinilik petulak's und anderen Eskimos Aussagen) eines der Franklin'schen Expeditionsschiffe scheiterte. Theils auf dem Land, theils auf See-Eis setzte die Partie ihren Marsch südlich fort und gelangte im Camp Nr. 83 zu einer großen Ansiedlung von Eskimos, die, den Ugzulik- und Netchillik-Eskimos angehörend, bezüglich des einst gefundenen Schiffes allen früheren gleichlautende Angaben machten. Ob das Boot, welches einst in Wilmot-Bai gefunden und von dem für uns noch ein Stück als Reliquie käuflich erworben wurde, mit Menschen an's Land gekommen war, oder nach dem Sinken dorthin getrieben wurde, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Doch behaupten die Eskimos mehrfach, daß sie im Winter, nachdem sie das Frühjahr zuvor beim Schiffe gewesen und Spuren von Menschen gesehen zu haben glaubten, ebenfalls am Lande, nahe dem Boote, Fußspuren fanden. Die Weißen selbst sind ihnen nie zu Gesichte gekommen. Die Behauptung, das Schiff habe die Segel ausgebreitet gehabt, mag eine irrige sein, im besten Falle aber mögen diese, durch Stürme von den Raaen gelöst, in Fetzen von diesen gehangen haben.

Die Existenz eines großen, flaschenförmigen Golfes, der in einer Länge von etwa 45 Meilen in südöstlicher Richtung die Adelaide-Halbinsel in einer verhältnißmäßig nur schmalen Landenge mit dem Continente verbunden ist, hat sich erwiesen. Lieutenant Schwatka hat denselben Sherman-Golf genannt, seiner vollen Länge nach bereist und, so weit es die vorgerückte Zeit zuließ, kartographisch dargestellt. So wenig Interesse er der Erdkunde mit seinen felsigen Küsten und seinen rundlichen Klippen-Inseln auch bietet, so ist er doch darum bemerkenswerth, weil er die Bewohnbarkeit der Halbinsel selbst durch einen so verhältnißmäßig zahlreichen Volksstamm ermöglicht. Wie schon erwähnt, locken die schönen Mooswiesen und die sehr beträchtliche Küstenentwicklung zahlreiche Rennthiere an, die den Sommer hindurch an der Küste reichlich ihr Bedürfniß an salzhaltigem Moosfutter finden; erst mit dem ersten Schneefall beginnen sich die Heerden zu sammeln und nach dem Süden zu ziehen.

Karte von Sherman-Golf.

Der Golf, über den sie im Frühjahre auf dem Eise kamen, ist dann offenes Wasser, zu breit, um hinüberschwimmen zu können, und so haben die Rennthiere entweder den östlichen Weg über die Landenge zu wählen, oder den westlichen, kaum drei Meilen breiten Canal, der den Golf mit dem Meere verbindet, zum Uebergang zu benützen. Beide Stellen sind von den Eingebornen strenge überwacht und bilden für dieselben einen sehr wichtigen Landtheil, da sie dort nicht nur die erforderliche Herbstnahrung finden, sondern auch ihre Wintervorräthe sammeln, ohne die sie bei der sonstigen Armuth an Thieren den langen Winter hindurch gar nicht existiren oder sich nur nothdürftig und sehr mühselig ernähren könnten. Auch der Eskimo weiß, wie gut es ist, in den Winterstürmen daheim bleiben zu können, wenn für die betreffenden Vorräthe schon in der besseren Jahreszeit gesorgt worden ist.

Nahe dem Ende des Golfes fanden unsere Reisenden einen größeren Teich, Ein Zusammenhang des Teiches mit dem Golfe wurde zwar nicht constatirt, mag aber doch stattfinden. Die Vermessung unbekannter Landstrecken ist namentlich im Winter bei flachen Landschaften eine sehr schwierige und zeitraubende, und auf zu pedantische Arbeiten konnte man sich bei unserer einfachen Ausrüstung ohnehin nicht einlassen. der einen bedeutenden Zufluß aufnahm, und welch' letzteren sie so lange verfolgten, bis sich derselbe mit seinem Laufe in einer ihrer Marschdirection ungünstigen Richtung abwandte.

In südsüdöstlicher Richtung weitergehend, erreichte Lieutenant Schwatka den Backs-Fluß, doch ohne eine auf den Karten als Chattery-Mounts verzeichnete Hügelkette überstiegen oder auch nur gesehen zu haben. Am 6. Dezember langte er am oberen Theile der »Gefährlichen Wasserfälle« an, wo wir ihn später treffen werden.

Ich kehre nun zu unserer Partie zurück. Durch ununterbrochenes Zusprechen und beständiges Drängen brachte ich meine Leute dazu, daß sie am 7. November mit zwei Schlittenladungen von Fleisch- und Oelvorräthen einen kleinen Tagemarsch vorfuhren; am 8. Morgens brachen auch wir auf, kreuzten die Simpson-Straße und machten etliche 11 Meilen weiter unser erstes Lager in Schneehütten. Aber wie schwer war diese Trennung für die Eingebornen; mußten wir doch noch viel Fleisch zurücklassen, das nach ihren Begriffen (es waren lauter Beine und Köpfe) zu den besten Stücken des Rennthieres gehörte.

Der Marsch ging wohl ziemlich gut, doch hatten wir so furchtbare Ladungen, daß wir immer einen Tag einen Theil vorfahren mußten, um den nächsten Tag erst mit Kind und Kegel zu folgen. Um eine Strecke von 10 Meilen vorwärts zu kommen, mußten unsere Hunde also 30 Meilen machen, und wenn ich sie auch jeden zweiten Tag auf das beste füttern ließ, so nahmen doch unsere Ladungen sehr unbedeutend ab. Nördlich vom 67. Breitegrad konnten wir uns, weil wir meistens auf Salzwasser-Eis marschirten, keine Hoffnung machen, Rennthiere zu sehen, und wäre dieses auch der Fall gewesen, die besten Jäger waren bei der anderen Partie, und ich hätte mir im Falle einer eintretenden Noth an Proviant den Vorwurf machen lassen müssen, der Schuldtragende zu sein.

Am zweiten Marsche trafen wir schon wieder eine Netchillik-Ansiedlung, und am dritten waren wir theils über kurze Landstrecken, theils auf Flußwasser-, stellenweise auch auf dem Salzwasser-Eise der massenweise vorkommenden Einbuchtungen, in die Nähe jener Stelle gelangt, wo wir am 31. Mai die erste Netchillik-Ansiedlung getroffen hatten. Auch heute war ein bedeutender Theil der Netchilliks in der Nähe des Ortes ansässig, und da sie von unserem Kommen bereits Kunde hatten, sendeten sie uns schon auf etwa fünf Meilen ihre sämmtlichen Hunde entgegen.

Gegen 2 Uhr Nachmittags rückten wir in ihrem Lagerplatze ein und fanden sogar unsere Schneehütten schon gebaut, eine Aufmerksamkeit, die bei Wintermärschen nicht gering zu achten ist. Es waren lauter bekannte Gesichter, die wir fanden, und sogar der Hohepriester hatte die Mühe nicht gescheut, uns noch einmal nachzukommen. Es war die letzte Ansiedlung, die wir zu passiren hatten. Unsere dem Netchillik-Stamme angehörigen Begleiter wollten noch einige Tage daselbst zubringen; dieses Verlangen wurde befriedigt, indem wir vor Allem der »Hungerbucht« (Starvation Cove) einen Besuch abstatteten.

Dieselbe ist die kleine Nebeneinbuchtung eines tief in das Land gehenden Meereinschnittes unter 68° 9' nördl. Breite und 96° 20' westl. Länge mit so flacher Küstengestaltung, daß man im Winter, wäre es nicht einiger aus dem Schnee herausschauender Steine halber, kaum eine Ahnung von der Anwesenheit von Land hätte. Wahrlich, der Anblick schon genügt, um den Besucher in eine Stimmung zu bringen, welche der historischen Bedeutung des Punktes entspricht. Einen öderen und verlasseneren Punkt hat die Mutter Natur auf dem weiten Erdenkreise wohl nicht mehr schaffen können, als den, wo die letzten Reste der Franklin'schen Expedition ihr Ende fanden. In Begleitung eines Augenzeugen der traurigen Scene, die ich in einem der vorhergehenden Capitel bereits geschildert habe, waren wir bald an Ort und Stelle, und ließen uns genau den Punkt zeigen, wo das Boot gefunden wurde, und wo und wie die Skelete herumlagen, sammelten dann die im Sommer gefundenen Ueberreste, begruben dieselben und errichteten darüber aus den herumliegenden Steinen ein Denkmal in Form eines Kreuzes. Auch deponirten wir 10 Fuß nördlich davon im Sande ein Dokument, welches in kurzen Worten die Bedeutung des Denkmals, sowie auch den bisherigen thatsächlichen Verlauf unserer Partie schilderte. Die wichtigste Bedeutung des Ortes liegt jedenfalls, so weit man den Eskimo-Aussagen Glauben schenken kann, darin, daß hier einst die blecherne Büchse mit Papieren und Schriften gefunden worden war. Auch behaupten einige Aussagende, daß dieselbe noch ein Stück Eisen mit magnetischen Eigenschaften enthalten habe. Es wäre möglich, daß die Franklin'sche Expedition in Bezug auf den magnetischen Pol, der ja am Cap Felix in ihrer unmittelbaren Nähe war, interessante Beobachtungen angestellt hatte, die sie bewogen, das Instrument selbst in besonderen Ehren zu halten. Unter den von uns mitgeführten Reliquien befindet sich auch eine Verticalnadel, und es wäre uns im Interesse der Erfolge unserer Forschung erwünscht gewesen, die dazu gehörigen Papiere und Schriften zu erhalten. Doch von diesen war bei einem dreimaligen Besuche des Ortes im Frühjahre, Sommer und Winter keine Spur zu sehen, und auch unter den Eskimos konnten wir nichts als die Versicherung erhalten, daß die Papiere alle zerstört sind. Mit der Vernichtung der Dokumente (denn solche mögen es wohl gewesen sein, die der letzte Rest der Leute so lange bestens bewahrte, als sie oder auch nur Einer von ihnen Hoffnung hegen konnte, die Heimat wiederzusehen) ist der Geographie ein unersetzlicher Schatz geraubt worden. Wir waren mit der Errichtung unseres Denkmals erst fertig, als die Zeit bereits vorgerückt war und der Mond hoch am Himmel stand. Die langen Schatten, die öde Landschaft, die tiefe, einsame Stille, welche nicht einmal ein Windhauch unterbrach, sie verfehlten nicht, einen gewaltigen Eindruck auf uns zu machen, und als wir uns endlich auf den Heimweg machten, blickten wir noch einmal auf die fernen, am Horizonte sichtbaren Gestade von König Wilhelms-Land, das mit seinen nunmehr schneebedeckten Grabhügeln ganz einsam und verlassen die letzte Ruhestätte der dort Dahingeschiedenen ist.

Den nächsten Tag folgten wir einem Jungen, der uns auf einen Hügel etwa fünf Meilen südlich und etwas östlich von der Hungerbucht brachte und uns die Ueberreste von Kleidern zeigte, die darauf zu deuten schienen, daß der hier Umgekommene mit Aufbietung seiner letzten Kräfte den Marsch, zu dem seine früheren Begleiter nicht mehr fähig waren, fortsetzte, aber hier sein Leben endete.

Der Backs-Fluß war den unter Capitän Crozier sich zurückziehenden Mannschaften beim Verlassen der Schiffe das erste Ziel, das ihnen eine günstige Fahrstraße nach den südlich gelegenen englischen Handelsstationen zu bieten schien. Und im Angesichte dieses ersten Zieles finden wir, so weit unsere Forschung reicht, den Grabeshügel des Letzten der Verschollenen. Mit der Errichtung eines kleinen Monumentes hatten wir unsere Schuldigkeit gethan, doch als wir am Schlusse einer beinahe sechsmonatlichen Periode die Forschung für vollkommen beendet erklären mußten, drängte sich uns die Frage auf: Was haben wir durch unsere Arbeit in Bezug auf die Aufklärung der Franklin'schen Katastrophe erreicht?

Vergleichen wir die Errungenschaften eines Dr. Rae und des Capitäns Mc. Clintock in den Jahren 1854 und 1859 mit den Erfolgen unserer Forschungen, so erscheinen die letzteren im ersten Augenblicke verschwindend klein. Aber nur im ersten Augenblicke. Rae brachte die erste Kunde von den Vermißten, Mc. Clintock das erste authentische Document nach England, und doch können wir mit vollem Rechte nach Ablauf von 25, beziehungsweise 30 Jahren seit deren Expeditionen und nach 31 Jahren seit dem Stattfinden jenes noch immer nicht ganz aufgeklärten Unglücks die bescheidenen Errungenschaften unserer kleinen Partie würdig neben die der beiden obgenannten englischen Forscher stellen.

Das Terrain, welches uns zur Begehung diente, war kein unerforschtes mehr, Weiße sowohl als Eskimo hatten dasselbe durchsucht, und mit der Mitnahme der am meisten zu Tage liegenden Merkmale weitere Spuren für uns vernichtet. Unsere Forschung mußte schon deshalb eine sehr genaue sein, und die Auffindung von Mc. Clintock's eigenem Handschreiben an der Irving-Bai liefert hiefür den genügendsten Beweis. Ob es der Schwatka'schen Partie gelungen ist, in Bezug auf das große Ziel der Franklin'schen Aufsuchungs-Expeditionen im Allgemeinen neue Thatsachen zu Tage zu bringen, überlasse ich des Lesers eigener Beurtheilung. Doch glaube ich, daß bei Beantwortung dieser Frage folgende Punkte im Auge behalten werden müssen:

1. Hat die Schwatka'sche Expedition durch eine genaue Sommerbegehung der westlichen und südlichen Küste von König Wilhelms-Land und Adelaide-Halbinsel bewiesen, daß die Deponirung von ausführlichen Documenten daselbst in einer für die Eingebornen unzerstörbaren Weise nie stattgefunden hat.

2. Sie hat durch Beerdigung von 15–30 (die Zahl läßt sich nicht genau angeben) Personen den humanen Zweck der Expedition erfüllt, und

3. die Reihe der Forschungs-Expeditionen durch ihre Erfolge negativer Bedeutung, also durch den Beweis, daß Zeit, klimatische Verhältnisse und die Eingebornen jede Hoffnung auf Auffindung genügender Schlüsselpunkte zur Weiterforschung vernichtet haben – zum unbezweifelbaren Abschlusse gebracht.

Nimmt man dann aber noch die Art und Weise der Durchführung ihrer Aufgabe mit den bescheidensten Mitteln, ohne Proviantvorräthe und den Besuch des Forschungsortes von einer weit entfernten Basis von Hudsons-Bai aus in Betracht, so kann die Schwatka'sche Expedition jedenfalls in die Reihe der hervorragendsten der 19 verschiedenen Forschungsversuche gestellt werden und schließt selbe würdig ab.

Mit dem Gefühle, den Umständen gemäß vollkommen unsere Pflicht gethan zu haben, wenden wir uns nun dem Marsche nach Hudsons-Bai zu, und da dieser in der Geschichte arktischer Reisen wohl einzig und allein dasteht, so sei er möglichst detaillirt geschildert.

Der 15. November war unwiderruflich zum letzten Tage des Aufenthaltes unter den Netchilliks bestimmt worden. Er sollte ein Versöhnungs- und Abschiedsfesttag zugleich werden.

Seit langer Zeit schon standen die Netchilliks und Eivillik-Eskimos (Letzteren gehörte der größte Theil unserer Begleiter an) in einer Fehde, deren Ursprung in längst vergangenen Generationen zu suchen ist und nur durch die unter den Eskimos allgemein noch existirende Blutrache fortgepflanzt wird. Diese Blutrache war es, die unseren Eskimo Joe, wenn er in die Nähe der Netchilliks kam, stets in einer gewissen Furcht erhielt, daher er uns auch bei seinem Abgehen mit der Schwatka'schen Abtheilung ganz besonders an's Herz legte, aus seinen Schwiegervater ja recht gut Acht zu geben. Durch näheres Befragen kam ich der Sache auf den Grund, und ließ allsogleich durch den Netchillik Joe dessen Stammesgenossen die Warnung zukommen, ja keine Feindseligkeiten zu beginnen. Nach längerer Besprechung wurde denn auch beschlossen, daß die gegenseitige Aussöhnung der betreffenden Betheiligten in gemeinschaftlicher Zusammenkunft erfolgen solle, und ich fand mich mit in der großen Schneehütte des Netchillik Joe ein. Die einzelnen Personen, insgesammt Männer, kamen mit Messern bewaffnet und die Verhandlung begann, wie alles Andere, mit einem schon einmal beschriebenen Imbiß aus Rennthierfleisch und Seehundsthran. Dem Mahle folgte eine lange Konversation und erst nach Ablauf von etwa zwei Stunden legten Alle die Messer weg und die zwei feindlich gesinnt Gewesenen griffen einander gegenseitig auf die Brust und sprachen das Wort ilaga (laßt uns Freunde sein). Beide Theile gingen augenscheinlich befriedigt auseinander, und für den Abend wurde eine gemeinsame Unterhaltung, ein Kalaudi veranstaltet.

Kalaudi-Spiel der Netchillik-Eskimos.

Diese Vergnügungsart hat ihren Namen nach dem einzigen Musikinstrumente der Eskimos. Ueber einen großen, etwa vier Fuß im Durchmesser zählenden Reifen mit einer daran befestigten Handhabe wird ein haarlos gegerbtes Rennthierfell naß gespannt und dann über einer Thranlampe getrocknet. Dies ist das Kalaudi. Die Bewohner unserer Ansiedlung schienen ihre Feste öfter zu wiederholen, denn sie hatten für die Abhaltung derselben eine eigene große, ungewöhnlich hohe Schneehütte erbaut, und als von Seite des Hohenpriesters das Zeichen gegeben wurde, fand sich Alles, Mann, Frau und Kind, in der Festlocalität ein. Sie erschienen sämmtlich in besonders geschmückter Weise, denn sowohl Männer als Frauen trugen, die ersteren um den Hals, die letzteren vom Kopfe herunterhängend, Fransen aus Bärenfell und jeder männliche Eingeborne, der einmal irgend ein Thier erlegt hat, trug ein Zeichen desselben an einem Gürtel aus Seehundsfell über der Schulter. An diesen Gürteln befanden sich die Füße von Krähen, Gänsen, Enten, Schwanzflossen von großen Salmen, Zähne von Seehunden, Rennthieren und Wölfen, und die vielen großen Bärenzähne zeigten, wie oft dieser Stamm mit solchen Raubtieren zu kämpfen Gelegenheit hatte. Am auffallendsten sah der Hohepriester aus. Er stak ganz in einem in feine Streifen geschnittenen Bärenfell. Kopf und Hände waren frei, der übrige Theil jedoch reichlich und wild ornamentirt. Alle waren wie gewöhnlich bewaffnet und behielten, die Frauen nicht ausgenommen, alle die Messer auch während der ganzen Unterhaltung in den Händen. Die Frauen bildeten einen Kreis, so groß als es die Hütte zuließ, die Männer schlossen einen zweiten um den der Frauen und mit einer gewissen Würde trat jetzt der Priester in denselben ein. Er hielt eine kleine Ansprache an die Versammlung, die natürlich wir Nicht-Eskimo auch nicht verstehen konnten, ließ sich dann das Instrument, das Kalandi, geben und übergab es ohne es sonst zu berühren, nach eigener Wahl einem Manne. Damit hatte seine Amtsfunction ihr Ende erreicht und das Vorspiel der Vorstellung war beendet.

Der Gewählte hat seinen Platz im Ring eingenommen, nahm das Kalaudi bei der Handhabe in seine linke und einen kurzen Schlägel in die rechte Hand und führte einige leise Schläge auf den Reifen, aber nicht auf das Fell des Instrumentes.

Eine bejahrte Frau, gewissermaßen eine Vorsängerin, begann mit anfangs leiser, dann immer stärker werdender Stimme eine Melodie, in die nach und nach sämmtliche Frauen einfielen. Mit dem Anstimmen des Liedes, wenn man diesen ohrenbeleidigenden Gesang so nennen kann, begann auch der Kalaudischläger seine Begleitung und je nachdem er die der Handhabe nähere oder weitere Stelle des Reifens trifft, bringt das Instrument auch höhere oder tiefere Töne hervor. Aus dem langsameren Tempo überging Musik und Gesang, sich gegenseitig übertäubend, in ein schnelleres, und der Spieler, indem er sich langsam im Kreise drehte, stieß von Zeit zu Zeit einen barbarisch klingenden Jauchzer aus.

So vergingen 10, 15 Minuten, auch noch mehr, bis der Mann ermüdet war und das Instrument einem Zweiten übergab. Dieselbe Musik, derselbe Gesang wiederholte sich, in den Gesichtern der Betheiligten aber, namentlich der Frauen, lag ein feierlicher Zug, der am allerwenigsten verrieth, daß die Leute wirklich vergnügt waren. Der kalte, einförmige Volkscharakter spiegelte sich auch hier wieder. Erst als die Festvorstellung zur Befriedigung unserer Trommelfelle, wenigstens was das Kalaudi anbelangt, ihr Ende genommen, gingen die Frauen in ihre eigenen Hütten, die Männer und Jungen aber begannen gemeinschaftlich eine Art gymnastische Uebung aufzuführen. Sie leisteten hierin, besonders was Kraft anbelangt, Bedeutendes, und die 10- bis 14jährigen Jungen, die sich bei der Gelegenheit im Ringkampf producirten, verriethen, wie früh sich dieselben die körperliche Gewandtheit und Gelenkigkeit aneignen, die ihnen später die erste Bedingung zur erfolgreichen Benützung von Pfeil und Bogen wird. Die ganze Unterhaltung dauerte tief in die Nacht hinein.

Als wir am kommenden Morgen unsere Schlitten beluden. um den Weitermarsch anzutreten, umstanden uns die anwesenden Netchilliks, um sich von uns zu verabschieden. Ein großer Theil begleitete uns noch bis zu einer kleinen Insel im Barrow-Golf, wo wir heute an demselben Punkte, wie am 30. Mai unseren Campirungsplatz wählten. Von dort aus war Ogle-Halbinsel, in einer Breite von neun Meilen, die einzige zu passirende Landstrecke, die uns von der großen meerbusenförmigen Mündung des Großen Fischflusses trennte; ihr Uebergang war selbst bei dem flachen Terrain ein schwieriger. Der Schnee war nämlich noch nicht in jener Menge und Solidität vorhanden, wie es zum Befahren derselben mit Schlitten wünschenswerth erschien, dazu war die Jahreszeit noch nicht genug vorgerückt.

Zu all' den Schwierigkeiten, die uns die schweren Ladungen und die Fahrbahn selbst in den Weg legten, gesellte sich noch die energielose Langsamkeit der Eskimos. Das jedesmalige Vorausfahren von Vorräthen hatte nur dann einen Zweck, wenn diese einen ganzen Tagemarsch in der Marschrichtung vorwärts gebracht wurden, und um dieses zu erreichen, mußte ich oder Melms jedesmal selbst mitgehen. Bevor wir am 24. das Festland verließen, begruben die einzelnen Netchillik-Familien einige alte Kleidungsstücke ganz nahe der Küste unter großen Steinen. Es ist dies einer ihrer religiösen Gebräuche, eine ihnen durch den Glauben an eine Auferstehung auferlegte Pflicht, die sie immer zu verrichten haben, bevor sie die Stätte ihrer Geburt und die Grenzen ihrer Jagdgründe, die als Begräbnißort von Anverwandten dienen, auf längere Zeit verlassen können. Am 24. Abends campirten wir auf der uns bekannten Montreal-Insel. In den Granitblöcken der Insel begrüßten wir seit langen Monaten das erstemal wieder eine höhere, dem Auge gefälligere Landformation, und ein so einfaches Bild das schwarzbraune Gestein mit den schneebedeckten Steinhügeln auch bot, es war eine liebliche Abwechslung nach den monotonen Thonsteinlagerungen der jüngst begangenen Küsten.

Die Montreal-Insel ist mit ihrem westlichen Ende nur wenig von dem Fuße des Festlandes entfernt, und falls Lieutenant Schwatka den Sherman-Golf, dessen Richtung wir von Westen nach Osten gehend glaubten, in seiner ganzen Länge verfolgte, so mußte er, den Isthmus zum Backs-Fluß kreuzend, diesen an einem Punkte der Elliot-Bai, also in unserer Nähe, erreichen. Ich benützte einen Tag, um in dieser Richtung nach seinen Fußspuren zu suchen, fand aber keine und setzte am 26. Morgens meinen Marsch südlich fort. Das Eis schien eben und ich ließ keine separaten Ladungen vorausfahren, sondern brach diesmal mit Allem auf einmal auf. Der Marsch ging gut von Statten, der Tag war schön und das uns umgebende Landpanorama ein prachtvolles. Die äußerst klare Luft ließ selbst 10 bis 15 Meilen entfernte Objecte viel näher erscheinen, und die östliche Küste der großen Flußmündung zeigte sich in schönen Schattirungen ihres bunten Farbengemisches, hervorgerufen durch die reiche Abwechslung von Granit und Schnee. Ich hatte meinen Curs in südsüdöstlicher Richtung genommen, um die auf den englischen Admiralitätskarten verzeichnete Gage-Landspitze wo möglich vor Einbruch der Nacht noch zu erreichen. Doch die Sonne war schon lange untergegangen, die Fernsicht wurde eine geringe, und weder die angestrebte Landspitze zeigte sich, noch war von der östlichen Küste der Flußmündung eine Spur zu sehen.

Auch die Eingebornen zeigten keine besondere Lust, auf dem glatten See-Eise, das zum Bau der Hütten kaum genug Schnee bot, zu campiren, doch hatte diese heute von ihnen an den Tag gelegte Energie, wie jedesmal bei ähnlichen Anlässen, ihren guten Grund. Auf einer kleinen Schneewehe machten wir Halt und erst als wir am kommenden Tag statt um neun schon um sechs Uhr Morgens im tiefen Nachtdunkel zum Abmarsche bereit standen, und nach den Sternen unsere Richtung einzuhalten suchten, erfuhr ich den Grund der mir vorher unbegreiflichen Eile. Netchillik Joe hatte vor Jahren in dieser Gegend am westlichen Ufer des Flusses plötzlich seine Mutter verloren. Dieselbe hatte, wie aus seinen Angaben zu schließen war, den Blutsturz bekommen, war schnell verschieden und lag dort begraben. Nun existirt der Aberglaube, wie er bei den Eskimos, namentlich bezüglich ihrer Todten, vorkommt, daß es für sie nicht räthlich sei, in der Nähe einer Begräbnißstätte von Verwandten lange auf dem Salzwasser-Eise zu weilen. Daher der frühe Aufbruch, der natürlich Niemandem lieber war als mir, denn obwohl ich meinerseits das Möglichste that, um die langweilige Bande, welche auf das eifrigste bemüht war, auch die geringste Gelegenheit zum Herumlungern zu benützen, vorwärts zu bringen, so ging es im Ganzen doch nur sehr langsam und ich wollte den Lieutenant bei den »Gefährlichen Stromschnellen« nicht zu lange warten lassen. Eine Gage-Landspitze schien nicht zu existiren, denn auch heute, den 27. November, fanden wir sie nicht und mußten wir noch in den späten Nachmittagsstunden unseren Curs nach Südost ändern, um eine Insel als Campirungsplatz erreichen. Die Fahrbahn war schlecht geworden; die erste Eiskruste war kurz nach ihrer Bildung im Herbste durch einen südöstlichen Sturm wieder aufgebrochen worden und die einzelnen Tafeln lagen in einer Weise zusammengeworfen, daß wir drei Stunden benöthigten, um drei Meilen zurückzulegen und erst nach neun Uhr Abends zu einem Lagerplatz gelangten. Eben als wir in heller Mondscheinnacht die hohe Felseninsel erreichten, wurden wir zweier Rennthiere gewahr, kamen aber, in Folge unserer Ueberraschung, diese Thiere hier mitten im Fluß am Salzwasser-Eise zu sehen, nicht zum Schuß. Einige Risse im Eise luden uns ein, den Salzgehalt des Wassers zu versuchen. Bei Ebbe war das Wasser zur Noth trinkbar, bei Hochfluth aber sehr salzig. Es war zwölf Uhr Nachts, als wir unsere Hütten, die wir mangelnden Schnees wegen an einer steilen Wand über der halben Höhe der Insel bauen mußten, fertig hatten, und da für den morgigen Tag kein großer Fortschritt zu erwarten war, so wurde Rasttag und Hundefütterung angesagt.

Ein November-Mittag am Backs-Flusse.

Ein November-Mittag auf der verhältnißmäßig hohen Felseninsel (Ominakzuak heißt dieselbe in der Eskimosprache) gehörte zu den wenigen Naturschönheiten, die der Norden einem Wanderer zu bieten im Stande ist. Mit Papier und Bleistift war ich auf den höchsten Punkt gestiegen und hielt Rundschau über das breite Flußthal mit seinem bergigen Westufer, das in Victoria-Vorland, schroff gegen die Küste abfallend, seine reizendste Küstengruppirung erreicht. Auf der bläulich schimmernden Eisdecke zeigte sich eine Unzahl kleinerer Inseln, und nur in westlicher Richtung hin deutete eine dunkle Linie das linke Ufer des Flusses an. Die große Elliot-Bai ist auf den Karten mit punktirten Linien, also unbestimmt angegeben, doch scheint sie an Größe und Tiefe die gezogenen Grenzen noch weit zu überschreiten, denn so weit das Auge westlich immer reichen konnte, fand es nur an der flachen Eisgrenze einen Horizont.

Die Luft war still, der Himmel klar in helllichtblauer Färbung; das Centrum des ganzen winterlichen Bildes war aber die Mittagssonne, die am südlichen Himmel für den Tag ihre höchste Höhe erreichte. Kaum ihren scheinbaren Durchmesser über dem Horizonte, ließ sie die unter ihr befindlichen Höhen im grellsten Dunkel gegen die sonst lichte, mit langen Schatten durchzogene Landschaft abstechen, und das Parhelion, das in kalten Wintertagen an dem leicht umnebelten Horizonte ihr steter Begleiter ist, zeigte sich in seinem regenbogenfarbigen Prachtspiele in zwei ungeschlossenen Kreissegmenten zu beiden Seiten.

Trotz einer Temperatur von -41° C. ließ ich es mir nicht nehmen, mit einigen Linien und beigefügten Bemerkungen den schönen Eindruck des Ganzen auf's Papier zu bringen. Das Zeichnen ist natürlich in solchen Temperaturen mit Schwierigkeiten verbunden und nur mit vielen Unterbrechungen, während denen man seine Hand nach je einer oder zwei Minuten in den Handschuh steckt, für den Zeichner möglich, sein Vorhaben auszuführen.

Erst am 29. erreichten wir die langgesuchte Gage-Landspitze, die viel weiter südlich liegt, als sie auf der Karte angegeben ist, und hatten von dort aus den ersten Anblick auf die dunklen Höhenzüge, die das eigentliche Bett des Backs-Flusses einsäumen.

Die Thonformation war an der Gage-Landspitze gänzlich dem Granit gewichen, und nur am 30. passirten wir weiter südlich eine sandige Insel, der wir es, ohne ihre nähere Lage zu untersuchen, ansahen, daß sie eine Anschwemmung im breiteren, Salzwasser haltenden Theile des Strommündungs-Deltas war. Die Insel ist sehr flach, schwach mit Moos bewachsen und theilt den Fluß in zwei Arme, deren östlicher die Hauptmündung bildet. Auch in der Eskimosprache hat die Insel, so unbedeutend sie auch für den nordischen Bewohner in Bezug auf Vorhandensein von Ernährungsquellen sein mag, ihren eigenen Namen und heißt nach siowak, der Sand – siowakalu, das sandige Land. Von größerer Wichtigkeit sind die sogenannten Amujets gleich vor, d. h. stromaufwärts dieser Delta-Insel. Dieselben sind eine Unzahl Klippen, über die das Wasser im Sommer wohl hinwegrauscht, die in den Wintermonaten aber theilweise aus dem Flußbette hervorragen und die Bildung von Bassins bewirken, deren Verbindung mit dem Außenwasser so lange eine unterbrochene bleibt, bis der schmelzende Schnee des Inlandgebietes eine Vermehrung des Wasserzuflusses bewirkt. In diesen Lagunen werden die Fische festgehalten und der Fang derselben ist ein leichter. Der Salm ist ein Raubfisch und ergreift jede ihm hingehaltene Lockspeise.

Am 1. December gelangten wir an diese Stelle und benützten diesen und den folgenden Tag, um unserer Küche eine Abwechslung zu verschaffen. Nalijau, der dem Stamme der Ukusiksillik's angehörte und uns vom Hayes-Fluß aus begleitet hatte, war schon früher in dieser Gegend ansässig gewesen und kannte das Flußterrain sehr gut. Kaum waren unsere Schneehütten fertig, als auch die Eskimos schon anfingen, Löcher in's Eis zu machen, und zwar fünf, in Entfernungen von etwa 3 – 4 Fuß von einander. Die Zahl der Salmen, die jährlich in diesen Amujets durch die schnell eintretende Kälte gefangen gehalten wird, ist eine sehr große. Wir fingen im Laufe des nächsten Tages 59 Exemplare, deren jedes eine Länge von bis 2½ bis 3 Fuß hatte. Die Fische werden mit an Leinen gebundenen gewöhnlichen Fischhaken gefangen und meistens Salm selbst als Lockspeise benützt.

Eine so reichliche, mit itha (Essen) gesegnete Stelle war denn besonders unseren Eivili-Eskimos, wenigstens im Winter, noch nicht vorgekommen, und sie wären natürlich am liebsten gleich an Ort und Stelle geblieben.

Wie in Betreff aller Nahrungsmittel, so haben die Eskimos selbstverständlich auch bezüglich der Fische verschiedene alberne Gebräuche. Der auffallendste davon war, daß die gefangenen Fische nicht durch den gewöhnlichen Eingang in die Hütte gebracht werden durften, sondern durch eine separat gemachte Oeffnung sowohl hinein, wie beim Beladen der Schlitten auch hinaus gereicht werden mußten, damit sie nicht mit dem Seehundsthran durch die gleiche Oeffnung in die Hütte gelangen. Desgleichen durfte an Ort und Stelle auch kein Fisch im gekochten Zustande, sondern blos roh genossen werden, und erst, wenn man einen Tagemarsch weit von der Stelle ist, wo die Fische gefangen worden, ist es erlaubt, dieselben an dem Feuer der Thranlampen zu kochen. Dieser Aberglaube hatte für uns Weiße manche Unannehmlichkeiten, da wir uns gleichsam verpflichtet sahen, in Begleitung von Eskimos auch eskimoisch zu leben, folglich auch im Aberglauben mitzuhalten. Gelegentlich nahm ich mir die Mühe, nach dem Grunde aller dieser weisen Vorsichten zu fragen. Die Antwort war eine sehr gelungene. Es waren dies nämlich zwar nicht die Gebräuche unserer Eskimos, doch jene der Ukusiksilliks, und so lange wir durch deren Jagdgründe zu gehen hatten, waren wir verpflichtet, ihre Stammessatzungen zu befolgen. »Wer unter Wölfen ist, muß mit den Wölfen heulen,« heißt ein deutsches Sprichwort, und die Moral davon scheint sich überall, selbst unter den Eskimos gleich zu bleiben.

Auf dem Weitermarsche das Flußbett zu verfolgen, wäre zwar der beste, wenn auch nicht der kürzeste Weg gewesen, da aber Nalijau behauptete, wir kämen, per Land südlich gehend, über einen großen See, der uns eine ebenso gute Fahrbahn böte, wie der Fluß selbst, so benützte ich die Landroute um so lieber, als ich dachte, der vermeintliche See könnte der große Franklin-See, eine große Ausweitung des Backs-Flusses selbst sein. Ein kürzerer Weg war es keinesfalls, doch lernten wir einen schönen, etwa 12 – 14 Quadratmeilen großen See kennen, der in seinen Uferrändern in steilen, steinigen, schroff abfallenden Kegelhügeln ein hübsches Bild bot. Der See wurde nach der Gemahlin des Präsidenten der amerikanisch-geographischen Gesellschaft »Madame Daly-See« benannt, und ist auch insoferne interessant, als sich seiner ganzen Breite nach von Osten nach Westen eine dammartige, seichte Stelle befindet, die sich im Winter durch das Brechen der ganzen Eisfläche und die Zurücklassung eines breiten Risses bemerkbar macht. Der Eisriß läuft in beinahe gerader Linie über den ganzen See, und nur durch Nalijau's Ortskenntniß konnte ich auf den Grund dieser eigenthümlichen und doch so einfachen Erscheinung kommen.

Am 6. December Mittags erreichten wir in einer Temperatur von -43º Celsius bei einem sehr scharf wehenden Südwinde den Fluß an dem Punkte wieder, wo er seinen östlichen Lauf verläßt und sich nordwärts wendet.

Den 7. December traten wir schon zeitlich den Marsch an und passirten einen Steinhaufen, den Lieutenant Back, als er den Fluß vermessen, daselbst unter den Augen der Eskimos errichtete. Es waren vier große, in Säulenform aufeinander gestellte Steine, doch fand sich bei Untersuchung der Fugen zwischen denselben kein Document vor. Etwa vier Meilen östlich von dort kamen uns Eskimos entgegen, die zu demselben Stamme gehörten, den wir im vergangenen Frühjahre auf dem Backs-Flusse getroffen hatten. Ihr Aussehen war diesmal ein besseres und eine kurze Unterredung schon brachte uns die Gewißheit, daß sie, wie wir im eigenen Interesse auch hofften, dieses Jahr bedeutende Fischvorräthe für den Winter zurückgelegt hatten. Unsere ersten Nachfragen, nachdem wir ihre Schneehütten-Ansiedlung erreicht hatten, waren natürlich nach der zweiten Partie, doch hatte Niemand von Weißen in der Umgebung weder etwas gesehen, noch gehört.

Wir campirten und unsere Schneehütten waren beinahe beendet, als zwei Jungen, die den Tag über den Strom aufwärts gegangen waren, um dort deponirte Fische zu holen, in's Lager zurückkehrten, und die Nachricht brachten, sie hätten eine Strecke westlich Weiße gesehen, die ihnen viele Fische abkauften, und noch eine weitere Ladung, falls sie Ueberfluß daran hätten, bestellten.

Wie ich später erfuhr, hatte die den Tag vor uns angekommene Schwatka'sche Abtheilung ihre Vorräthe an Proviant bereits ziemlich verbraucht und durchstreifte die Gegend, um nach uns und den Eingebornen zu fahnden, von deren Anwesenheit sie unterrichtet war. Statt Menschen fanden dieselben einige große Steinhaufen, in denen sich Fische vorfanden und nahmen einen Theil davon zum Füttern ihrer Hunde mit, in der Absicht, die Eigenthümer später zu entschädigen. Den kommenden Tag, also den 7., Morgens, gingen sie wieder aus, wurden aber nur kurze Distanz von der Hütte von Tuluak's Frau zurückgerufen, die ihnen zwei Burschen zeigte, welche gemeinschaftlich mit zwei Hunden einen Schlitten zogen. Die Jungen hatten bemerkt, daß Jemand in ihre Fischmagazine eingebrochen war und gelangten, der fremden Schlittenspur folgend, zu Schwatka's Hütte. Die beiderseitige Ueberraschung war groß, doch hatte Tuluak den neu Angekommenen bald den Sachbestand begreiflich gemacht und sie für das genommene Gut entschädigt.

Als ich von Schwatka's Nähe erfuhr, ließ ich in aller Eile einen Schlitten abladen, nahm einen Eingebornen als Führer, einen Jungen als Hundelenker mit und verließ meine Partie, um den Lieutenant aufzusuchen. Es war beiläufig vier Uhr Nachmittags aber dunkle Nacht, als ich aufbrach und einen dreistündigen Marsch begann, der mir unvergeßlich, heute eine ebenso interessante Erinnerung ist, als er mir damals eine große Unannehmlichkeit war.

Unsere Hunde waren müde und auf dem Schnee lag eine Kruste Frost, der wie gestreuter Sand die Reibung mit dem Schlitten erhöhte, und ein Fortkommen nur langsam möglich machte. Ich wollte, kaum eine Meile vom Ausgangspunkte entfernt, den Schlitten zurücksenden, um in Begleitung des Führers den Weg zu Fuß zurückzulegen, doch dagegen wehrte sich der Wegeskundige und ließ mir durch den Jungen begreiflich machen, daß wir den Schlitten später benöthigen würden. Die Sache klang freilich spaßig, doch noch spaßiger schien es mir, als wir uns alle Drei in unseren, als eigene Fahrgelegenheit mitgenommenen Schlitten spannen mußten, um den Hunden ziehen zu helfen.

Mittlerweile waren wir vom ebenen Eise weggekommen, der Weg wurde holprig, die Stille hatte aufgehört, wir vernahmen das Rauschen von Wasser und standen wenige Minuten später zwischen einer hohen Felswand zur linken und einer wild daherbrausenden Stromschnelle zur rechten Hand, beide nur etwa 13 – 15 Fuß von einander entfernt. Das Wasser toste in schäumenden Wellen, hier und da konnte man die Geschwindigkeit des Wassers an einem vorbeigeführten Stück Eis sehen und ich war vollkommen geneigt, den Namen »Gefährliche Wasserfälle« zu beherzigen und von einem weiter gelegenen Punkte mir lieber morgen bei Tag die Sache näher anzusehen. Doch dieser Ort war erst der Anfang eines Labyrinthes von offenen Stellen, die wir in der ersten Stunde passirten und die alle den gleichen Charakter hatten. Wir kamen dann wohl an bessere Plätze, doch beobachtete ich mit einer gewissen Unruhe meinen Führer, der uns durch die finstere Nacht das Geleite gab und uns hier und da halten ließ, während er mit einem Stabe einige Schritte vorging, sich umsah, sich das Ohr auf's Eis legend horchte und auf die vorsichtigste Weise sich von der Sicherheit seiner Bahn überzeugte. Einige Schritte ging es vorwärts und dann hielt er abermals, aber nicht, um den Weitermarsch zu Fuß anzutreten. Die Schneelagerung auf dem Eise hatte gänzlich aufgehört unter uns hatten wir nur das blanke Eis. Ich sah eine dunkle Stelle ungefähr drei Schritte vor mir und dachte, es sei ein Stein, doch kaum wollte ich auf denselben zugehen, als mich auch mein Junge beim Aermel zurückhielt. Er nahm seinen Stock und mit einem leichten Stoß in unmittelbarer Nähe des Schlittens stieß er ein Loch durch's Eis. Dieses war kaum 2½ Zoll dick und ich begriff nun, um was es sich handelte. Wir mußten die Wasserschnellen kreuzen und zwar an einer Stelle, die erst seit Kurzem und daher nur leicht überfroren war. Ich frug mich selbst, wie wir das anfangen werden, doch die Antwort wurde mir erst klar, als wir auf der anderen Seite waren. Wir setzten uns Alle auf den Schlitten, die Hunde wurden angetrieben und als ob sie wüßten, warum es sich handelte, liefen sie, so schnell sie nur laufen konnten, und der Schlitten, einmal auf der glatten Fläche in Bewegung, glitt schnell hinter ihnen her. So ging es ungefähr zehn Minuten fort, kein Halt, keine Unterbrechung – eine solche wäre unser Durchbruch, wenn nicht Untergang gewesen. Sehen konnten wir nichts, um so schauerlicher aber rauschte es unter der kaum zwei Zoll dicken Eisdecke, und der Zuruf des Eskimos war bei all' seinem wilden Tone Gesang und Musik gegen das schaudervolle Toben dieses so gefährlich verkleideten naßkalten Elementes unter uns.

Die Gefährlichen Stromschnellen

Wir waren alle seelenfroh, als wir die spiegelglatte Fläche verließen und wieder schneebedecktes Eis unter uns hatten. Wer eine recht wilde Schlittenpartie machen will, dem empfehle ich die Ausführung einer solchen Fahrt; er braucht nicht einmal Decken mitzunehmen, denn ich kann versichern, trotz einer Temperatur von -45º Celsius habe ich auf dieser Tour geschwitzt.

Es war inzwischen 7 Uhr geworden, die Nacht war finster, kein Mond, keine Sterne sichtbar, an eine Orientirung daher nicht zu denken. Ich wünschte von den Eskimos zu wissen, wie weit des Lieutenants Schneehütte entfernt sei, und da ich ihren Ausdruck kani tukulu (sehr nahe) in Anbetracht ihrer schwachen Begriffe von absoluten Distanzen kannte, frug ich sie, ob es näher oder weiter wäre, als die Distanz, die wir im Laufe des Tages zwischen unseren eigenen zwei Lagerplätzen zurücklegten. Ich erhielt zur Antwort, es wäre nicht so weit, wie unser letzter Marsch – also nicht über höchstens sieben Meilen. Als mir denn die sieben Meilen doch etwas lang vorkamen, richtete ich die Frage an den Führer, wie weit denn die Schneehütte des Lieutenants noch entfernt sei und erhielt zur Antwort, kani tukulu. Nun forschte ich, wohin es weiter wäre, ob zum Lieutenant oder zu den Eskimos zurück, und erhielt für den ersteren Fall eine bejahende Antwort. Mißvergnügt über den Erfolg meiner Frage, wünschte ich, ich hätte meine nächtliche Expedition auf den nächsten Tag verschoben, als die Hunde zu laufen anfingen und über holpriges Eis und Steine uns an eines der Ufer brachten und bei einem zusammengeworfenen Steinhaufen stehen blieben. Es war dies der Aufbewahrungsort der Fische, von dem des Lieutenants Abtheilung ihr Hundefutter genommen. Den Platz aufspürend, glaubten die Hunde, dort eine Mahlzeit finden zu können. Nur mit Mühe brachten wir den Schlitten wieder auf das Eis und bogen nach etwa einer weiteren Stunde in eine kleine Uferbucht ein. Durch das Dunkel schimmerte ein mattes Licht – es drang durch das Eisfenster der ersehnten Schneehütte. Wenige Augenblicke später und ich stand zur allgemeinen Ueberraschung sämmtlicher Insassen im Innern der Hütte.

Unsere gegenseitigen Erlebnisse waren schnell ausgetauscht und ich erhielt nach einer wohlverdienten Nachtruhe am nächsten Tage die Ordre, wieder zurückzukehren, so viel Fische, als ich bekommen könne, aufzukaufen, meine Hunde gut füttern zu lassen, und am 10. zur Hauptpartie zu stoßen. Demzufolge blieb ich zwei Tage, mit Fischkauf beschäftigt, bei den Ukufiksillik-Eskimos. Die hier wohnenden neun Familien des Stammes ernähren sich beinahe ausschließlich von Fischen. Der Backs-Fluß trägt seinen zweiten Namen »Großer Fischfluß« in vollkommen gerechtfertigter Weise. Außer dem Salm ist es der Kawaschili (eine Fischgattung, die in Form, Flossensetzung und Kopf dem Salm sehr ähnlich ist, jedoch große Schuppen hat und die Länge von achtzehn Zoll nicht überschreitet), der besonders zahlreich in dem Flusse vorhanden war.

Im Hochsommer, wenn das Wasser seine volle Höhe erreicht, füllt es eine Unzahl von Felsenbecken und Schluchten, es bilden sich eine Menge Seitenarme und Inseln und diese ersteren sind es, in denen die Eskimos mittelst Netzen große Massen Fische fangen. Tritt das Wasser im Herbste in sein gewöhnliches Niveau zurück, so sind in den Schluchten ebenfalls reichlich Fische vorzufinden, die dann geköpft, flüchtig ausgenommen, dicht auf große Haufen geschlichtet und mit Steinen bedeckt als Vorrath für den Winter aufbewahrt werden. Aus den Köpfen und Eingeweiden wird durch Kochen eine Art Thran gewonnen, der einen annehmbaren, sogar etwas süßlichen Geschmack hat, und den Eingebornen wenigstens für die längsten Nächte die so seltene Bequemlichkeit einer Beleuchtung verschafft.

Am Morgen des 10. verließ ich mit meinen drei Schlitten die Ukusiksillik-Ansiedlung, um nach dem Campirungsplatze des Lieutenants zu übersiedeln.

Die Eskimos hatten allerdings Recht, als sie mir am 7. sagten, die Strecke sei nicht weiter, als zwischen unseren letzten zwei Lagerplätzen; es war thatsächlich nicht weiter wie sieben Meilen, doch hatten wir damals in der Dunkelheit, um sicher zu gehen, große Umwege machen müssen. An den »Gefährlichen Stromschnellen« ( itumnakzuk in der Eskimosprache) mußten wir halten, um beim Vorbeifahren bereits gekaufte Fische aufzuladen. Jetzt hatte ich Gelegenheit, die Stellen näher zu betrachten, die wir früher Nachts passirt hatten. Unter den imposanten Erscheinungen auf den verschiedenen Gewässern der Erde nehmen die Stromschnellen auf dem Backs-Fluß im Winter einen hervorragenden Platz ein. Großartig kann man sie zwar nicht nennen, schön um so weniger, aber an Wildheit und Ungestüm suchen sie ihresgleichen. Die hohen Flußufer zu beiden Seiten treten plötzlich eng aneinander und die sonst gleichförmige Eisdecke ist wie abgeschnitten. Zwei Fuß vom Rande steht man noch auf ebenso dickem Eis – und auf diese kurze Entfernung kocht und schäumt das Wasser mit einer Geschwindigkeit von sechs bis acht Meilen per Stunde in drei bis vier Fuß hohen Wellen einher. Zu beiden Seiten an den Ufern sind schmale Eiswege. Mit dem Austritt des Flusses aus der Thalenge hört die Gewalt des Wassers auf und das Eis beginnt. Welche Kraft muß das Wasser hier haben, wenn, wie alte Leute, die in der unmittelbaren Nähe der Stromschnellen leben, berichten, die größte arktische Kälte – ich möchte sagen, am Kältepole selbst – nicht im Stande ist, über den offenen Stellen eine Eiskruste zu bilden!

Die »Gefährlichen Stromschnellen« haben in drei großen Hauptabtheilungen eine Länge von circa acht Meilen, doch sind die großen offenen Stellen noch lange nicht die gefährlichsten. Man trifft, wie schon erwähnt, große Eisflächen, in denen sich Oeffnungen von oft nur ein bis zwei Quadratfuß befinden, die manchmal kaum sichtbar sind – aber das Eis in ihrer Umgebung wird nie stark genug, um darüber gefahrlos hinweggehen zu können. Es sind dies Stellen, die sehr seicht sind, und deren Eiskruste, wenn sich überhaupt eine solche bildet, nur eine geringe Dicke erreicht.

Am 10. December um zwei Uhr Nachmittags langten wir mit unseren Schlitten bei Lieutenant Schwatka an, und ich war froh, die mir zur Führung anvertraute Abtheilung nunmehr wieder seinem Commando übergeben zu können. Ich war seit dem 6. August detachirt gewesen, und freute mich ordentlich, des ewigen Zusprechens, durch das die Eskimos gleichsam vorwärts geschoben werden mußten, für die Zukunft entledigt zu sein.


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