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8.

Einige Tage nach der Unterredung mit Khozaima ließ der Khalife den Großvizir in seine innersten Zimmer rufen. Er faßte ihn mit Wärme bei der Hand und sprach zu ihm mit festem Tone:

Heute will ich sehen, ob du mein Freund bist. Die Ruhe meines Reichs, die Sicherheit meines Throns, meiner ganzen Familie erfordern eine That, die ich verabscheue, die ich beweine, in dem Augenblick, da ich sie gebiete. – Mein Neffe muß sterben.

Giafar. Was hat er verbrochen, Herr?

Haroun. Nichts – sein Verbrechen ist, daß er mein Neffe ist.

Giafar. Und muß sterben?

Haroun. Sein Verbrechen ist, daß meine in- und auswärtigen Feinde in ihm, so lang' er lebt, den Mann sehen, durch den sie mir gefährlich werden können.

Giafar. Darum, nur darum müßt' er sterben! Unmöglich, dies kann nicht die Ursache sein; der große Haroun kennt die Furcht kleiner, zager Geister nicht. Ihn schützen seiner Thaten Ruhm, seine Weisheit, seine Großmuth, die Liebe seines Volks, das sein gegenwärtiges Glück allzu sehr empfindet, als daß es nach dem unbedeutenden, ihm unbekannten Sohne eines Herrschers aufblicken sollte, dessen Andenken ihm verhaßt ist.

Haroun (finster). Einen Beweis deiner Treue wollt' ich sehen. Ich weiß, was ich zu fürchten habe, nicht du! Dich blendet mein und dein gegenwärtiges Glück, und in dieser Täuschung knüpfst du das Vergangene nicht mit dem Künftigen zusammen und blickst nicht auf Das, was die Erfahrung lehrt. – Wohl, es sei, der Herr soll sich zu dem Diener herablassen, dem Diener Gründe für die That darlegen, die er von ihm fordert, die er gebieten kann und muß. Das thut nur Haroun, thut es nur gegen einen Barmeciden; doch der Barmecide traue darum sich und ihm nicht allzu sehr. – Du weißt, mein Vater Mahadi ernannte mich, den zweiten seiner Söhne, in seinem letzten Willen zum Nachfolger des Erstgebornen; auch weißt du, daß ich diesem gegen die Aufrührer zum Thron verhalf, ihn mit meinem Schwert darauf schützte. Dir ist bekannt, daß er zum Lohn dafür mich ermorden lassen wollte. In den weiten Staaten meines Bruders war bald kein Ort der Sicherheit für mich. Aus einem verborgenen Winkel mußt' ich mit meiner geliebten Schwester, meiner einzigen Freundin, meinem einzigen Trost, in den andern flüchten; mit den wilden Thieren auf den Gebirgen um Herberge kämpfen und in jedem Menschen, der mir nahte, einen abgesandten Mörder ahnen. Ein Wort von mir konnte ganz Asien in Flammen setzen; ich sprach es nicht und hoffte, endlich meinen unsinnigen Verfolger durch Großmuth zu besiegen. Er fiel – und wer kann, wer darf Die beschuldigen, durch die er fiel, die nur auf diese Weise den geliebtern, bessern Sohn erretten konnten? Der Spruch meines Vaters setzte mich auf den Thron, gegen den Spruch des Vaters meines Neffen; aber meines Neffen Rache, sein eingebildetes Recht leben so lange, als er athmet, sind als gültig von Jedem anerkannt, der in Staatsveränderungen Vortheil hofft.

Giafar. Zürne mir nicht, wenn ich, ohne jetzt auf dies zu antworten, nur von dem Unglücklichen zu reden wage. Was ist dein Neffe, den du so gefährlich denkst? Ein roher, sinnlicher, junger Mensch, der üppige Ruhe, Genuß und Wollust den glänzenden Beschwerlichkeiten deines Throns vorzieht. Der, zufrieden, seinen Sinnen zu leben, der Herrschaft über die Welt keine Stunde seines Vergnügens aufopferte. Der, stumpf an Geist, nur den Genuß des Thieres kennt. Weiber, berauschende Getränke und Schlaf ist Alles, was er wünscht. Und nun denke deiner, Herr!

Haroun. Du täuschest dich – denn sieh, eben dieses macht ihn so gefährlich. Eben in ihm sehen die Elenden, die unter meinem Bruder den Staat verheerten, einen Herrscher, in dessen Namen sie abermals die kaum vergeßnen Gräuel ungestraft erneuern können. Diesen ist meine Strenge, meine Wachsamkeit beschwerlich. In den finstern Winkeln, in die ich sie gestoßen habe, lauern sie nur auf die Gelegenheit, die mich, den nur von ihnen Gefürchteten und Gehaßten, in eine Lage versetzte, die ihre Absichten befördern könnte. Wäre mein Neffe ein Mann von Geist und Sinn, der meinen Werth, mein Recht vor ihm zu erkennen fähig wäre, der fühlbar für meine Wohlthaten sein, der begreifen könnte, daß ihn diese Elenden nur darum zu Meutereien reizen, um ihn zu mißbrauchen, den Staat auf seine eigene Gefahr zu verwirren, so möchte er leben und mein Freund werden. Aus dem Menschen, Giafar, auf den Jeder wirken kann, der seinen Sinnen neuen Kitzel zeigt, macht man, was man will, und der stumpfe, furchtsame Mensch läßt sich leichter zu einem kühnen Schritt verleiten, als der Mann von Geist, der die Folgen vorsieht und erwägt.

Giafar. Verzeihe, Herr, ich kann mit dir nicht einstimmen; ich fühle nur, daß durch diese That der großmüthige Haroun seine Tugend befleckt, daß er dadurch zu verstehen gibt, er glaube an die Möglichkeit, daß man etwas gegen ihn unternehmen könnte. Dies glaubt und denkt nun Keiner in deinem weiten Lande; willst du sie darauf aufmerksam machen? Wenn dein Volk Denen verzeiht, die deinen Bruder stürzten, so geschieht es darum, weil sie die Nothwendigkeit davon fühlen, weil sie einsehen, daß ihr Freund und Vater nur dadurch erhalten werden konnte, weil sie deiner Rettung ihre Ruhe und ihr Glück verdanken. Du selbst hattest keinen Theil an jener That; aber diese – die schreibt man dir allein zu; und eben dieses Volk, das dich wegen deines Muths und deiner Menschlichkeit erhebt, wird dich der Feigheit, der Rachsucht und des Hasses beschuldigen. Die hohe Meinung, die deine Großen von dir haben, welche die Edlen zur Nacheiferung anspornt, die Schlechten zur Erfüllung ihrer Pflichten zwingt, wird auf einmal sinken, und Jeder wird in dem erhabenen Khalifen den Mann zu sehen glauben, der seiner Tugend nicht mehr allein vertraut.

Haroun. Eben darum trag' ich diese That einem Manne auf, dessen anerkannte Tugend sie rechtfertigt, dem man kein Verbrechen zutraut, dem man selbst Das verzeiht, was ihm ähnlich zu sein scheint. Und dieser Mann bist du! In jeder deiner Thaten liegt schon meine und deine Rechtfertigung eingeschlossen.

Giafar (rasch). Unmöglich, Herr!

Haroun. Ging je ein Befehl aus meinem Munde, der unvollzogen blieb?

Giafar. So befiehl da, wo ich gehorchen kann und darf.

Haroun. Kühner – auf was trotzest du?

Giafar. Auf dich! Auf deine Größe! Auf deine Tugend, die, wenn du sie auch nur einen Augenblick von dir entfernst, nie so wiederkehrt, wie sie dir nun noch zur Seite steht.

Haroun. Deine stolze Tugend ist's, auf die du trotzest, die mir durch deinen Trotz zweideutig wird. Wem dienst du, daß du ein Luftgebilde neben mich hinstellst; nach ihm hinstarrst, wenn ich dir gebiete – ich, der verantworten muß, was ich dir gebiete? Ich kann das Werkzeug leicht zerschlagen, das sich zu meiner Hand nicht schicken will – dies merke und gehorche! – Wie, stumm? – Warum blickest du zum Himmel auf – dahin blicke, wo dein sichtbarer Herr hinzeigt.

Giafar. Da ein Haroun so denken und fühlen kann, so danke ich ihm in diesem Augenblick, daß er mich nicht zum Herrscher der Menschen gemacht hat. Ja, ich bin dein Werkzeug; doch nur, so fern ich will, und stärker ist mein Wille, als deine Macht. Ein größrer Meister, ein erhabenerer Künstler hat auch mich gebildet; in meinen Busen das Gefühl von Recht und Unrecht, von Menschenwerth gelegt. Auch du bist sein Werkzeug; so hoch der Zufall dich gestellt hat, bist gebildet, wie ich es bin, und wir beide, Herr und Diener, stehen vor ihm auf Einer Linie. Der einzige Unterschied zwischen uns ist nur der vor ihm, daß du des Guten mehr und leichter thun kannst, daß du das Gute, welches du durch Andere wirkst, zu dem deinen machen kannst; und gerne will ich dir den Gewinn Dessen überlassen, das du durch mich beförderst. Ob du das Böse, welches du selbst thust, zu thun befiehlst, damit entschuldigen kannst, weil ein Thron dein Sitz ist, dies überlaß ich deinem eigenen Gewissen. Die Rechtfertigung meines Thuns behalt' ich nur mir vor und beklage es, daß der edle Haroun sich so weit vergißt, dem Mächtigen dadurch Hohn zu sprechen, indem er sein schönstes Werk so tief heruntersetzet, als könnte er, gleich dem Töpfer, der bald ein Gefäß für Wohlgeruch, bald für den niedrigsten Gebrauch bildet, seine Bestimmung nach eigener Willkür entwerfen.

Haroun. Ich ließ dich reden, um dich näher kennen zu lernen. Mir mißfällt nicht ganz, was du sagst, und wie du denkst. Ich, der ich mich auf der Khalifen Thron mehr Mensch fühle, als der Bettler auf der nackten Erde, kann es leiden, daß man mich so betrachte. Auch ziehe ich den innern Werth dem Glanze vor, den mir der Thron verleiht; doch an der Stelle, wo ich nun stehe, zu der ich dich so nahe gezogen habe, gibt es Lagen, die die allgemeinen Regeln nicht vertragen. Die Tugend eines Derwisches hält kein Reich zusammen, und die Tugend eines Regenten würde den Derwisch in seinem Kloster zum Verbrecher machen. Ich sagte dir, daß ich die That verabscheue, die ich von dir fordere; aber der Regent thut viel, muß viel thun, das er verabscheuet. Dies schreibe nicht ihm, sondern den Menschen zu, die ihre wilden Leidenschaften und Begierden beständig gegen einander treiben, die er zusammenhalten muß, es sei durch Gewalt, List oder Ränke, wenn er nur diesen Zweck erfüllt, nur so viel Gutes hervorbringt, als die Menschen fähig sind. Alle Mittel müssen uns hier gleich sein; er, der die Menschen so gebildet hat, sieht heller in das Spiel, das wir mit ihnen treiben müssen, und rechnet uns vielleicht die Tugenden zu, die wir gezwungen unterlassen müssen. Soll ich dir nun zur Pflicht machen, was ich von deiner Treue erwartete? Ich suchte für mich und meine Kinder einen Freund in dir. Sind meine Kinder nicht unmündig? Kann ich nicht heute sterben? Soll ich in dem Gedanken sterben, er, der Erwachsene, der solche Rechte für sich hat, den Rache entflammt, würde sie nach meinem Tode seiner Sicherheit aufopfern? Soll dem Vaterland, alle meine nahen und fernen Provinzen unter der Regierung eines Elenden abermals verwüstet werden, das Geheul der jetzt Glücklichen wiederum erschallen und ihr unschuldiges Blut den Boden netzen?

Giafar. Die düstern Gedanken über der Menschen Leiden und Bestimmung haben mich noch vor Kurzem sehr unglücklich gemacht; von Neuem weckst du sie mit allen ihren Schrecken in mir auf. In der peinlichen Verwirrung, in welcher ich jetzt vor dir stehe, fühl' ich nur dies ganz helle: der Mensch müsse nicht gewaltsam durch das dunkele Gewebe greifen, welches das Schicksal, die Vorsicht, nenn' es wie du willst, entworfen hat. Das, was du bist, durch dich sein und werden kannst, dieses seh' ich nur; was aus deinen unmündigen Kindern werden wird, was ihnen schaden oder nutzen kann, dies weiß ich nicht, weißt auch du nicht. Aber daß sie, wenn sie dir einst gleichen, von deinem Neffen nichts zu fürchten haben, dieses weiß ich, und daß dies geschehe, hängt von dir ab. Erfüllt Haroun seine Pflichten als Regent und Mensch, so darf er noch Lohn für seine Nachkommenschaft erwarten. Gerne schließen sich die Menschen an die Guten, und so schlecht auch du von ihnen denken magst, so vergessen sie doch ihren Vortheil nicht. Heute, Herr, ermordest du deinen Neffen; wer steht dir dafür, daß nicht einer deiner Söhne einst ein Gleiches an seinem Bruder, an seines Bruders Kindern aus den nämlichen Gründen thut? So kannst du durch eine rasche That den Samen zu Verbrechen aussäen, die durch Jahrhunderte laufen, und dann noch die Welt erschüttern, wenn du längst Asche bist.

Haroun. Ha, welcher böse Geist treibt dich düstern Schwärmer an, über die Wiege meiner Kinder diese schreckliche Weissagung auszusprechen? Meinen Verstand zu verwirren, mir die Freude des Lebens, alle Hoffnung auf Lohn für meine Thaten zu rauben? Weg von mir! Die Weissagung treffe dein Haus! deine Kinder! Du bist ein unglücklicher, verhaßter Mensch, der mich durch schwarze Träume erschrecken will, weil er zu feig ist, mir zu dienen, weil er vielleicht in dem Dunkel seines Herzens den Feind meines Hauses als einen Mann ansieht, dessen Dasein ihm wichtig ist, wichtiger werden kann. Entferne dich, zeige dich nicht vor meinem erzürnten Angesicht, bis die That geschehen ist. Geschieht sie nicht in diesem Augenblick, so fliehe schnell, daß mein Zorn dich nicht erreicht. – Noch stehst du da?

Giafar. Wie mein Vater vor deinem Bruder Hadi, als du sicher in seinem Palast schliefst und er ihm auftrug, dich zu ermorden. Hätte er ihm gehorcht, so würde er nun leben, und du würdest seinem Sohne heute diesen Befehl nicht geben.

Haroun wandte sein Gesicht von ihm ab. Giafar fuhr fort: Zwingt dich die Notwendigkeit zum Frevel, so bedaure ich dich, beklage, daß du so tief von deiner Höhe sinken mußt, und mit Wehmuth seh' ich deinen guten Geist sich von dir entfernen.

Haroun. Thor, um hundert Derhem vergiftet ihn der Christ, mein Arzt, und sein Pfaffe spricht ihn noch obendrein von der Sünde frei.

Giafar. Um so weniger wünscht' ich mir ihn zum Arzt, denn ich würde fürchten, der Mann, der so geschwind mit seinem Gewissen aufs Reine kommen kann, dem das Leben eines Menschen so wohlfeil ist, möchte leicht einen Kaufmann für das meine finden.

Haroun. Du reizest meine Wuth – noch eine Sekunde! – Meine Stummen sind bereit, den ungehorsamen Sklaven zu erwürgen. Eins meiner Worte vernichtet dich.

Giafar. Dies kann auch ein Fieber. – (Er kniet nieder, streckt seinen Hals dar.) – Laß die Stummen eintreten und Jahiah Saffahs Sohn erwürgen.

Haroun stürzte aus dem Zimmer, seine heftige Bewegung zu verbergen. Er sank in die Arme Abbassa's, die im Nebenzimmer die ganze Scene behorcht hatte. Er starrte zurück, da er sie erblickte, eilte schnell mit ihr in ein entfernteres Zimmer. Sie fiel um seinen Hals: »Laß mich diese Thränen von deinen Augen küssen! keine Perle glänzt in deiner Krone, wie diese hier!«

Haroun drückte sie heftig wider seine Brust. Geh, sage ihm, daß er sich entferne.

Abbassa schwebte in das Zimmer wie der Genius der Menschheit, der zum Trost des unschuldig Leidenden herbeifliegt. Noch kniete Giafar in voriger Stellung. Sie ergriff seine Hand: »Entferne dich, edler Barmecide, und fürchte nichts.« Sie begleitete diese Worte mit einem leisen Druck ihrer Hand, mit dem innigsten, seelenvollsten Blick.

Giafar erstaunte – stand auf – seine Hand bebte in der ihren – seine Seele verlor sich in dem Glanz, den ihr hohes, theilnehmendes Gefühl über ihre ganze himmlische Gestalt gegossen hatte. Er stammelte: »Prinzessin, nur für den Khalifen fürchtete ich!«

Haroun war ihr gefolgt. Er beobachtete sie von ferne, hörte ihre Worte, die Empfindung, die sie begleitete, aus dem Tone ihrer Stimme, vernahm Giafars Antwort, erinnerte sich, daß sie, ihm unbewußt, die ganze Scene behorcht hatte, und kalter Ernst folgte auf die tiefe Rührung.

Haroun (nach einer Pause). Er hat mich überwunden; mein Herz freute sich seines Siegs, und doch wünscht' ich, daß er mich nicht so überwunden hätte, daß er wenigstens keine mir verborgene Zeugen seines Sieges gehabt hätte.

Abbassa. Zürne mir nicht – deine Stimme erscholl fürchterlich zu mir – ich bebte – zitterte – eilte herbei – o laß mich nur nicht den innigsten Kuß bereuen, den ich meinem Bruder je gegeben habe!

Haroun. Bruder! Bruder!

Abbassa. Meinem Haroun – meinem großen, edlen Bruder! O sei nur mir und ihm ein Mensch – und ich will dein ganzes schönes, ernsthaftes Gesicht mit Küssen überdecken – o dieser Thränen – ich will sie nie vergessen – ich habe sie in dieses Tuch gesammelt – es sind die ersten, die Haroun weinte, seitdem er auf dem Throne der Khalifen sitzt – sonst sah ich öfter Thränen in seinen Augen; aber da war er unglücklich – da liebte er wie der Unglückliche – da liebte er seine Schwester, vergab ihr jeden kleinen Fehler, freute sich ihrer Gebrechen, um nur etwas zu verzeihen, nur etwas an ihr zu dulden zu haben –

Haroun (sie heftig an seine Brust drückend.) Mehr liebt dich der Glückliche – denn nur durch dich ist er's, nur durch dich kann er's bleiben; aber warum nur dir und ihm? Ha, daß du Zeugin seines Sieges warst –

Abbassa. Du möchtest mir den Dank deiner Vergebung gern' erlassen – gut – ich verschließe ihn hier. Sind doch die Worte ein armer Dank für ein solches Schauspiel, für die Folgen eines solchen Schauspiels!

Haroun. Folgen! Welche Folgen?

Abbassa. Sah ich nicht Haroun, den Schrecken Asiens, bis zu Thränen gerührt? Bemerkte ich nicht auf seiner hohen Stirne die Bewundrung des edlen Mannes? Sank er nicht an meinen Busen darüber in Entzücken, daß er endlich einen Mann gefunden hat, der die Tugend ihm, seiner Macht, allem seinem Glanze vorzieht, der selbst um ihretwillen den gedrohten Tod nicht fürchtet? Hättest du ihn gesehen, wie er hier kniete, ihn erwartete – hättest du gefühlt, wie leise seine Hand in der meinen bebte – wie seine Seele Alles verstand, was die meine empfand – Nie, nie werde mein geliebter Bruder anders besiegt – hier auf dieser Stelle steht er größer vor mir als auf dem Schlachtfelde seiner überwundenen Feinde.

Haroun. Ich fühle die List – den Bruder lobst du – um sein Lob in das meine zu verflechten. –

Abbassa. Abbassa und Haroun sprechen, wie immer, nur aus Einem Herzen, und wäre dies nur hier der Fall nicht, so gewönne nur sie, so wäre sie einmal größer als ihr Bruder, und dadurch größer als alle Männer. Doch ich merke wohl seit einiger Zeit, daß der Khalife ernst und kalt durch den zärtlichen Bruder blickt. Wie und was es sei, die Schwester soll sich daran nicht stören lassen; kann er ihr doch nicht entwischen, da sein Herz, Leben und Zufriedenheit nur in ihrem Busen wohnen.

Haroun. O so bewahre sie ja wohl.

Abbassa. So unzärtlich feierlich!

Er umschlang sie ungestüm. Sie zog sich sanft, jungfräulich beschämt aus seinen Armen. Mürrisch stand er auf. Ich kann diesem Menschen die verwegene Weissagung über meine unmündigen Kinder nicht verzeihen.

Abbassa. Weissagung? Das, was er sagte, sah sein kalter Verstand als Folge der Thaten, die du von ihm fordertest. Nur wenn dir's damit Ernst war, verdienen seine Worte erwogen zu werden. Wäre mein Bruder nun freundlicher gestimmt, so wagte ich eine Frage –

Haroun. Ich verstehe dich – mag er noch leben – er gräbt sein Grab durch seine Sinnlichkeit – o dieser Giafar!

Abbassa. Ist er nicht ein achtungswerther, trefflicher Mann?

Haroun. Ein Schwärmer ist er, der der Schwärmerin nur allzusehr gefällt; doch ich – ich will dafür sorgen, daß der Schwärmer den Herrscher Asiens mit seiner erkünstelten, tief angelegten Tugend nicht allzu sehr verblende.


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