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Zweites Buch

1.

Die Scene ändert sich, und wir finden auf einmal den düstern Giafar auf einem so glänzenden, als gefährlichen Schauplatz, wo Keiner einen Schritt thut, der nicht für ihn oder Andere von wichtigen Folgen begleitet wird. Als sie den Boden des reichen Indostans betraten, sagte ihm Ahmet:

»Sieh, die Schranken öffnen sich nun dem kühnen Kämpfer! Erinnere dich, daß du dich erst besiegen mußt, wenn du in der Fehde mit Andern den Siegeskranz erwerben willst. Ich stelle dich dahin, wo du dein Gutes und Böses mit dem Guten und Bösen Andrer abwägen kannst, und überlasse dich deinem eigenen Herzen. Dein Gewinn sei es, wenn dich dieses Land einst segnet! aber auch sein Fluch liege nur auf deinem Haupte.«

Giafar lächelte, als sei er seines Sieges gewiß.

Ueberall kündigte ihn Ahmet als einen Barmeciden an. Der Ruf, der weise Ahmet führe dem Kaiser einen Barmeciden zu, erreichte vor ihnen die Residenz und erfüllte alle Herzen mit Hoffnung. Man drängte sich von allen Seiten zu ihnen, und als sie in der Kaiserstadt anlangten, eilten ihnen viele Tausende entgegen. Ahmet begrüßte man als einen alten Freund des Volks mit lauter Freude und nahte Giafarn wie einem künftigen Erlöser mit tiefster Ehrfurcht. Er hörte mit innigem Wohlgefallen, wie das Volk jubelnd in den Straßen schrie:

»Einer der Barmeciden! Einer der Gerechten Asiens ist in unsern Mauern!

Da Giafar diese schmeichelhafte Aufnahme nicht begriff, wandte er sich zu Ahmet, der ihm in diesem Augenblick ernster als je zu sein schien, und fragte ihn um die Ursache.

Ahmet antwortete kalt: »Du siehst hier, was ein großer Name, den uns die Tugend unsrer Ahnen erworben hat, wirkt. Vergiß darüber nicht, was man von dem Manne fordert, der ihn trägt. Dieses Volk zählt die Barmeciden unter die Helden der Tugend, und ihr Herz setzt dich, in der Voraussetzung, ein Mann aus ihrem Blute müsse ihnen gleichen, unter ihre Zahl. Lange schon seufzen sie unter der Regierung des Kaisers, des unumschränkten Sklaven eines harten Vizirs, einer herrschsüchtigen Gemahlin und schmeicheln sich nun, der Barmecide würde allem ihrem Elend ein Ende machen.«

Bei der Asche meiner Väter, rief Giafar, sie sollen sich nicht betrügen, wenn ich mich je in der Lage befinde, ihre Hoffnungen erfüllen zu können.

Ahmet. Folge mir zu dem Kaiser, vielleicht daß dein Wunsch in Erfüllung geht.

Giafar sah den wunderbaren Mann erstaunt an; aber seiner Zuversicht war nicht zu widerstehen.

Das Volk, das Ahmet mit Giafar nach dem Palaste gehen sah, folgte ihnen mit großem Freudengeschrei. Der Vizir Hasan, den seine Kundschafter von Allem unterrichtet hatten, warf sich mit seinem Gefolge aufs Pferd, trieb das Volk aus einander und nahte Ahmet mit Ehrfurcht.

»Weiser Ahmet, glücklich ist das Land, das du betrittst, und glücklich würde sich der Kaiser, mein Herr, fühlen, dich und den edlen Barmeciden zu empfangen, wenn es nur seine allzu große Betrübniß zuließe, Menschen zu sehen.«

Ahmet sah ihn ernsthaft an und entfernte ihn mit einem Wink. Der Vizir zog sich zurück und schoß einen Blick auf Giafar, der allen Haß, alle Bitterkeit und Verachtung ausdrückte, die ein Staatsmann gegen einen Nebenbuhler fühlt, von dem er fürchtet verdrängt zu werden. Dieser Blick erweckte einen finstern Groll in dem Herzen Giafars gegen den Vizir. Sein Reisegefährte ward ihm nach Allem, was er wahrnahm, noch unbegreiflicher, und da er ihm in diesem Augenblick sagte: »Giafar, der Mann, dessen Brust nicht gegen den Haß, den Spott und die Verachtung der Ungerechten gestählt ist, steht in Gefahr, ihnen gleich oder ihr Sklav zu werden,« sah er ihn mit einem innern Schauder an.

Die Verschnittenen öffneten die Säle und führten sie zu dem Kaiser ein. Giafar erblickte einen jungen Mann von der edelsten Gesichtsbildung, die aber gegenwärtig der tiefste Kummer entstellte. Er lag auf einem Ruhebette, seine Augen sahen starr auf ein ihm gegenüberstehendes, goldnes Vogelhaus, das mit reichen und glänzenden Edelsteinen verziert war. Die Verschnittenen fielen vor ihm nieder und verkündigten ihm die Ankunft des weisen Ahmet und des edlen Barmeciden. Er richtete sich freudig auf.

Kaiser von Indostan. Willkommen, weiser Ahmet Willkommen, Mann aus dem edlen Blut der Barmeciden! Eurer bedurft' ich, nur Männer Euresgleichen können mir, dem Unglücklichsten in Indostan, helfen. O welch ein trauriges Loos, Beherrscher unwissender Menschen zu sein! Ihr seht mich hier aus Gram verschmachten, da meine Lieblinge ohne Rettung sind. Längst ließ ich durch mein ganzes Reich ausrufen, daß ich Dem meinen Schatz öffnen würde, der ein Mittel fände, diesen Geliebten zu helfen. Keiner hat sich bisher gezeigt, und da ich aus Erfahrung weiß, daß sie um des Golds willen auch selbst ihr Leben wagen, so seh' ich wohl, daß alle Hoffnung umsonst ist, und daß mir nichts übrig bleibt, als mit ihnen zu sterben.

Da bei diesen Worten des Kaisers Thränen seine Wangen netzten, so fragte ihn Giafar sehr gerührt um die Ursache seiner Leiden; er glaubte nun nicht anders, als daß Seine Majestät in bittre Klagen über das Elend und Unglück ausbrechen würde, das Indostan durch die Schuld des Vizirs betroffen, und daß er es darum für unmöglich hielt zu heilen, weil ein Monarch, den sein Günstling unterjocht hat, das von ihm veranlaßte Unheil wohl einsehen kann, aber selten den Muth und die Kraft hat, diesen außer Stand zu setzen, es zu begehen. Doch er betrog sich; der Kaiser richtete sich auf, nahm sie beide an der Hand, führte sie vor das goldne Vogelhaus und sagte:

»Unter diesen meinen zarten Lieblingen wüthet der Tod. Ein Feind meiner Ruhe hat die Pest unter sie geschickt – könnt ihr sie nun durch Zauber oder Heilmittel stillen, so laßt euch meine Schätze öffnen.«

Giafar erstaunte, sah Ahmet an und flüsterte ihm zu: ist dieses der Weg, den du mir zeigst, der Erretter Indostans zu werden?

Ahmet sah kalt vor sich hin; der Kaiser fuhr fort:

»Hier seht ihr die schönsten Vögel der Welt versammelt. Wenn das Gefieder dieses euer Auge bezaubert, so singt euch jener die süßesten Gefühle ins Herz. Ich kannte keinen größern Genuß, als hier auf diesem Ruhebette zu liegen, ihren Gesang zu hören und die feinen Schattirungen ihres Gefieders zu bewundern. Kühlten mich dann noch die kühlen Winde und brachten mir aus meinen Gärten den Geruch der Blumen, so ward mir dieser Saal zum Paradies, und glücklich war Der, welche mir mit einer Bitte nahte. Dieses Vergnügen unterbrachen noch angenehmere. Bald sah ich ihren kleinen Neckereien, den Ausbrüchen ihrer Eifersucht und ihren Zänkereien zu. Bald beobachtete ich das zärtliche, feine Spiel ihrer Liebe. Hier schnäbelte sich ein Pärchen – dort trug ein Mütterchen ein Nest zusammen – hier sang ein Väterchen einem Mütterchen vor, ihm die Zeit bei dem Ausbrüten der Eier zu verkürzen – dort zerbrach und zerpickte ein kleines sein Gefängniß und sah mit seinem Köpfchen in die Welt. In einem andern Nestchen nährte die zärtliche Mutter die Unmündigen – hier lehrte ein Väterchen seine Kinder, mit ihren kleinen Flügelchen zu schweben, flog ihnen vor und lockte die Verzagten, ihre Kraft zu erforschen. Kurz, es war in der Welt kein glücklicherer Mensch als ich – mit Allem zufrieden, genoß ich eines Vergnügens, das keinen beschwerte. Ach, vor einigen Tagen hauchte eine giftige Krankheit Verderben und Tod in das Behältniß meiner Freude. Die Mutter stirbt und läßt die Jungen verschmachten – das Väterchen hängt das Köpfchen, trauert, bis er der Geliebten folgt. Gesang, Liebe, Spiel, Alles ist verschwunden. Wohl sagt man, des Bösen sei viel in der Welt, des Guten wenig, und der Mensch sei zur Plage geschaffen!«

Giafar erröthete, indem er bei diesen Worten dem Blick Ahmets begegnete, so erzürnt er auch über Das war, was er hörte.

»Ach,« fuhr der Monarch fort, »könnte ich nur diese purpurfarbigten, mit goldnen Sternchen besäten Wachteln retten, die mir mein Vizir mit eigenen Händen auf einer fernen Insel fing und sie mir mit einer Freude brachte, die mich innigst rührte. Er versicherte mich, sie würden goldfarbene Eier legen. – Nun hab' ich euch meine Leiden geklagt und sage euch, wenn ihr der Gewalt des Todes über diese Geliebten nicht Einhalt zu thun wißt, so ist der Kaiser Indostans –«

Giafar ließ ihn nicht ausreden. Er glühte vor Zorn, Scham und Unwillen über Das, was er hörte, stampfte respektwidrig auf den Boden und schrie:

»Zeit ist es also, daß ich den übrigen die Freiheit gebe und dich zu deiner Pflicht zurückrufe, von welcher dich die List deines Vizirs und die Trägheit deines Geistes entfernt haben. Erblasse nur, ich muß dir etwas stark an deine entnervte Seele greifen, muß tief dein Herz erschüttern, wenn ich versuchen will, ob deine eingeschlafene Kraft noch zu erwecken ist. Du hast nie Wahrheit gehört, bereite dich, sie zum erstenmale zu vernehmen.

»Wie? Du, Kaiser von Indostan, den Ormozd als Vater so vieler Millionen eingesetzt hat, jammerst hier über den Verlust dieser Vögel, die nur darum hinsterben, weil du sie den Gebüschen, ihrem natürlichen Aufenthalt, entrissen hast und sie in ein Gefängniß sperrst, das ihnen zum langsamen Tod wird? Fühlst du nicht, daß dich dein herrschsüchtiger Vizir darum mit ihnen einbauert, daß die Kraft deines Geistes vermodere, Trägheit und Weichlichkeit dich zu allen ernsthaften Beschäftigungen unfähig machen und du deinem Volke ein Gegenstand des Spotts und der Verachtung werdest! Hast du je einen Blick auf Indostan geworfen? Je bedacht, daß der Tod Tausende deiner Unterthanen jede Stunde hinrafft? Daß vielleicht Tausende durch Hunger und Krankheiten hinsterben, die du durch Vorsorge, wie es deine Pflicht erfordert, hättest retten können! Hast du bedacht, daß, während du hier deine Vögel fütterst, der Vizir und seine Mitverschworenen dein armes Volk martern und aussaugen – hier einen Unschuldigen einkerkern, dort einen verjagen – einen andern gegen Recht und Gesetz erdrosseln, um sich in Besitz seiner Güter zu setzen oder ihre Rache zu kühlen? Bist du geboren, Vögel zu füttern und singen zu hören? Könnte ich dir doch die dicke Decke von den Augen wegreißen! Mit feurigen Zügen wollte ich dir die schrecklichen Bilder des Elends deines Volkes hinmalen, daß deine schwache Seele davor erbeben sollte. In Indostan herrscht die Pest, und sie ist dein Werk! Gedrückte Wittwen, beraubte Waisen, verfolgte Unschuld, mißhandelte Tugend – alle deine Unterthanen, die unter der Geißel einiger wenigen üppigen gefühllosen Sklaven winseln, diese rufen dir zu! Auf die Töne ihrer Verzweiflung horche! Sie schreien unter Flüchen über dein Haupt zum Himmel, daß der Mann, der für sie wachen, der sie schützen soll, sie gleich einer Heerde ohne Hirten den reißenden Thieren zur Beute hingeworfen hat. Richte dich auf und strebe einmal, ein Mensch zu sein und als ein Mensch zu fühlen. Ich, ein Barmecide, rufe dich dazu auf und will dir den Weg dazu zeigen.«

Mit diesen Worten drang er nach dem Vogelhaus, riß gewaltsam die Thüre auf, und freudig flogen gesunde und kranke davon.

Der Kaiser griff wüthend nach seinem Dolche. Giafar trat ihm entgegen, öffnete seine Brust und sagte:

»Tödte einen Barmeciden dafür, daß er dich zu einem edlen Manne machen wollte, und bleibe ein Sklave!«

Ahmet sah den Kaiser so ernst an, daß ihm der Dolch entfiel.

Schmerzhaft sagte er endlich: Aber glaubst du, daß die armen nun gesund werden? O ich fürchte, der Geier wird sie verschlingen!

Giafar. Jammert dich ihrer? und du achtest nicht, daß deine Großen deine Unterthanen wie Tiger zerreißen. Ich will dir es noch näher legen, dein Herz noch mehr verwunden, und dann greife nach deinem Dolche.

Hierauf malte er ihm erstlich mit den glänzendsten Farben der Begeisterung der Regenten Tugend und Pflicht. Sprach in dem Geiste Ahmets über die Quelle des Bösen und über die moralische Harmonie der Welt. Zeigte ihm, wie er sie durch seine Trägheit aufgelöst habe, und wie er sie wieder durch edle Thätigkeit herstellen könnte. Legte ihm darauf seine Lage auseinander und bewies ihm seine sklavische und entehrende Abhängigkeit von seinem Vizir.

Ahmet unterstützte Giafarn und sagte bedeutend:

»Ich habe dir einen Barmeciden, einen Abkömmling der alten Herrscher Persiens, das heißt: einen Helden der Tugend zugeführt; vernimm, was dein Volk von ihm erwartet.«

Großes Geschrei erscholl: »Es leben der Barmecide und der weise Ahmet, welcher ihn zu unserm Glück nach Indostan gebracht hat.«

Der Kaiser faßte Giafarn bei der Hand: »Barmecide, du hast meinen Vögeln und mir die Freiheit gegeben, und ich hoffe, bald soll mir der Freudenschrei meines Volkes so süß wie der Gesang der Nachtigall tönen.«

Giafar war entzückt über die Wirkung, die er gemacht hatte; er sah, er habe festen Fuß gefaßt, und da er den Monarchen in dem Guten bestärken und zugleich unterhalten wollte, ließ er Musikanten und Sänger kommen, welche nach seiner Anweisung die erhabenen Thaten der Helden der Tugend vergangener Zeit besangen. Die Sänger merkten bald, daß es dem neuen Günstling vorzüglich gefiel, wenn sie seine Ahnen besangen, und so erfüllten sie den Saal mit dem Lob der Barmeciden. Gleichwohl sagte der Kaiser gerade heraus, seine Vögel hätten besser gesungen, und Giafar schrieb dieses indessen der Gewohnheit zu. Bei dem Abendessen unterhielt er den Monarchen mit Märchen, die, ob sie gleich alle einen moralischen Endzweck hatten, doch mit so vielem Wunderbaren gewürzt waren, daß der Kaiser Vergnügen daran fand und den Erzähler im Rausch der Freude zum Vizir an die Stelle Hasans ernannte. Da er zugleich hinzusetzte, er wünschte und hoffte, durch seine Anschläge ein Vater seines Volkes zu werden, so gestattete ihm Giafar aus Dankbarkeit das Vergnügen eines Vogelhauses, das er in einem Lustwäldchen anlegen könnte, weil dort, wie er freundlich hinzusetzte, die armen Vögel in freier Luft sein würden, von Krankheiten nichts zu fürchten hätten, Seine Majestät einige Verschnittene zu ihrer Aufsicht bestimmen und sich alsdann ohne weitere Sorge an ihrem unschuldigen Spiel ergötzen könnte. Ahmet sah ihn ernst an; aber Giafar lächelte ihm zu, als wollte er sagen: die Schwachen muß man schonen und sie spielend zum Guten leiten.

Indessen rannten die Verschnittenen auf des Kaisers Befehl keuchend hinweg, um den so sehr gefürchteten Hasan noch diesen Abend mit aller Härte und Schmach aus seinem Palast zu treiben, damit ihn der neue Günstling Augenblicks beziehen konnte. Giafar hörte gleichgültig diesen Befehl an, frohlockte aber ein wenig in seinem Innern, sich so schnell an einem Mann gerächt zu sehen, der es gewagt hatte, einen Barmeciden verwegen anzublicken.

Als die Verschnittenen dem Kaiser die Botschaft brachten, der Vizir sei vertrieben, lächelte er und sagte:

»Es ist mir lieb, daß ich seiner los bin, und wenn sich meine Unterthanen so vor ihm gefürchtet haben, als ich, so wird ihnen sein Fall viele Freude machen; doch sieh, Giafar, wenn er mir die purpurnen Wachteln mit den goldnen Sternchen wiederbringt, so will ich ihm alle seine Reichthümer lassen und ihn noch obendrein zum Aufseher des neuen Vogelhauses in meinem Lustwäldchen machen; denn gar zu gerne möchte ich die goldfarbenen Eier von ihnen sehen.«

Der Lieblings-Verschnittene des Kaisers, auf dem er seine Füße ruhen ließ, schrieb sich diese Worte in sein Gedächtnis.

Giafar überhörte sie eben so wenig, er sah den Monarchen ernsthaft an und dachte in seinem Geiste: »Ich sehe wohl, du Schwächling, daß man dir die Tugend nicht zur Pflicht machen kann; aber sie soll dir zur Nothwendigkeit werden.«

Seine Majestät fing nun stark an zu gähnen; Giafar nahm dieses für ein Zeichen seines Urlaubs und begab sich auf den Weg nach seinem Palast, nachdem er noch einige schöne Tiraden hergesagt hatte. Der Jubel des Volks, das sich an eben der Schwelle versammelt hatte, von welcher man einige Augenblicke vorher den vorigen Vizir mit Spott und lautem Gezische gestoßen hatte, schwellte sein Herz so hoch und berauschte ihn so gewaltig, daß er nicht einmal gewahr wurde, sein Freund, der weise Ahmet, sei ihm nicht gefolgt. Da er es endlich bemerkte, fand er sogar in seiner Entfernung eine Art von Erleichterung. Sein Blick schien ihm zu scharf und ernst; auch dachte er, es würde seinem Ruhme zuträglicher sein, alle das Große und Gute ohne einen Mann zu bewirken, für den das Volk so viele Vorliebe zeigte.

Als er in seinen Palast eintrat, ward er von einer Menge prächtig gekleideter Verschnittenen und andern Sklaven empfangen, die bei seiner Erscheinung auf das Angesicht fielen und in dieser Stellung seine Befehle erwarteten. Er gab ihnen ein Zeichen, aufzustehen; der oberste Verschnittene, Asuph, stellte ihm die Vornehmsten derselben vor, und der ganze Haufe that und handelte nun in seinem Dienste, als hätte er nie einen andern Herrn gehabt. Sie waren dieses Wechsels des Glücks so gewohnt, daß der Fall eines Vizirs nicht mehr Eindruck auf sie machte, als wenn sie eine überreife Granate von dem Baum herabfallen sahen. Das Glück lächelte den Barmeciden zu freundlich an, als daß er hierüber eine Bemerkung hätte machen können. Asuph führte ihn in das Harem, dessen reizende Bewohnerinnen ihn mit Tanz, Musik und Gesang empfingen. Sie schlangen sich um ihn in Gruppen und zauberten seinen Sinnen das schönste Bild des Paradieses vor. Die Verschnittenen gingen indessen mit köstlichem Rauchwerk herum und erfüllten die Säle mit einem Geruch, der nach Genuß und Wollust lüstern machte. Fatimens Bild stellte sich, in aller Schönheit der Unschuld, vor Giafars Augen, und das Erinnern der Empfindungen, die sein Herz bei ihrem letzten Kuß durchglüht hatten, öffnete es nun den Eindrücken, welche die schönen Sklavinnen durch Reiz und Kunst auf ihn zu machen suchten. Sie besangen seine Tugend, aber noch lieblicher klang ihm das feine Lob seiner Schönheit aus ihrem lieblichen Munde. Bald hörte er ohne Verdacht die Versicherung des Eindrucks, den er auf sie alle gemacht hatte, und mit innigem Wohlgefallen vernahm er die bittern Klagen der Schönen über den mürrischen Vizir Hasan, dessen Herz, wie sie sagten, gegen allen Reiz des Körpers und des Geistes, ja selbst gegen Musik und Gesang unempfindlich war.

So umfaßte nun das Glück Giafarn mit so sanften Armen, überschüttete ihn mit so vielen süßen, berauschenden Liebkosungen, daß er gar keine Tücke ahnte und es als ein ihm zugehörendes Eigenthum gefesselt zu haben glaubte.


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