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4.

Der Verschnittene, Asuph, trat mit ängstlicher Geberde zu Giafar und raunte ihm ins Ohr, er habe ihm wichtige Dinge zu hinterbringen. Giafar entfernte den Troß von Höflingen, und Asuph begann:

»Großer Barmecide, ein fürchterlicher Sturm zieht sich über deinem edlen Haupte zusammen, der Geist des Bösen sucht das Gute zu verschlingen, das du wirkst.«

Giafar. Laß ihn kommen; Giafar fürchtet ihn nicht, und noch weniger den Geist des Bösen, den das Herz des Menschen zeugt und den ein Geist, wie der meine, bei seiner Erscheinung vernichtet.

Asuph. Wer weiß, ob dir's mit dem gelingt, den ein weibliches Herz zeugt. Wisse, daß die von dir vernachlässigte Kaiserin alle ihre Kräfte und, was noch mehr ist, ihre List aufbietet, den Vizir Hasan, durch den sie Hindostan beherrschte, wieder in Gunst zu setzen. Lächle nicht, weiser Barmecide, suche vielmehr deine Fehler gut zu machen; denn, unter uns gesagt, deine Aufführung gegen sie ist eben kein Meisterstück deines Kopfes, so viel Ehre es auch deinem Herzen macht, das nun einmal den geraden Weg der Tugend wandeln möchte. Ach, der Tugend! Wie oft ist der Kluge gezwungen, eben um ihretwillen Schleich- und Nebenwege einzuschlagen.

Giafar lächelte, ob er gleich von dem Vortrag des Verschnittenen nicht wenig betroffen war. Und wie wäre es anzufangen, wenn wir nun das Geschehene besser machen wollten?

Asuph. Nichts ist leichter; aber vorher muß ich dich mit dem feinen Plan deiner Feinde bekannt machen.

Der Lieblings-Verschnittene des Kaisers, der dich, zur Nachricht und Warnung sei es dir gesagt, ärger haßt, als den Mann, der ihn einst verstümmelt hat, vertraute dem Vizir, der Monarch habe geäußert: daß, wenn er ihm die berühmten purpurnen Wachteln wiederbringen würde, er ihm seine Schätze zurückgeben und ihn noch obendrein zum Aufseher des von dir sehr weislich erbauten Vogelhauses machen wollte. Beim Propheten, ein für dich sehr gefährlicher Posten! Aus diesen Worten hat nun der Vizir sehr klug geschlossen, es stecke noch ein Häkchen seines Machwerks in des Kaisers Herzen, das ein gescheiter Mann durch Gewandtheit wohl noch ergreifen könnte. Er trug es der Kaiserin Astarte zu, und die Kabale entwarf folgendes Gewebe, dich zu verstricken. Die Kaiserin selbst will die gefährlichen Vögel ihrem Gemahl im Namen des Vizirs überbringen und ihm dabei so zärtlich thun, ihn so süß in das Netz durch verstellte Liebe schmeicheln, daß er ein Barmecide sein müßte, um ihren Lockungen zu widerstehen. Darauf wird der Verschnittene den Schritt Hasans in ein schönes Licht zu setzen suchen, dem Kaiser zugleich zeigen, wie sich der Enthusiasmus des Volks für dich längst abgekühlt hätte, und ihm so viel zu sagen wissen, daß ich sehr fürchte, alle deine Tugend, alle deine trefflichen, Indostan beglückenden Werke werden an ihrer Bosheit und den purpurnen Wachteln scheitern. Ist der Verschnittene gar so schlau oder boshaft, deine so edle als kühne That, die gleichwohl zwei Seiten hat, in diesem Augenblick auf der gehässigsten vorzustellen – o so ist es um Indostan geschehen!

Giafar. Von welcher That sprichst du?

Asuph. Von jener, durch welche du gewaltsam die Lieblinge des Kaisers in Freiheit setztest. Es ist wahr, ganz Indostan bewunderte bebend die erhabene That, man bewundert sie noch; aber nur so lange du auf der Höhe stehst und beglücken und verdammen kannst. Fällst du, so heißt sie schrecklicher Hochverrath, wovon die Geschichte kein Beispiel aufbehalten hat. Weh uns, weh dir, weh Indostan, wenn sie der Verschnittene dem Kaiser in diesem Gesichtspunkte zeigt; denn, unter uns, die Kühnheit deiner That hat den Monarchen wohl erschüttert, aber wahrlich nicht ihr edler Bewegungsgrund.

Diese Worte fielen stark in Giafars Seele. Unwillig rief er: Ahmet, ständest du nun hier, um Zeuge zu sein, wie weit man mit der Tugend kommt, in wie fern man Herr seiner Handlungen und seiner guten Absichten ist. Ist das menschliche Herz die Quelle des Bösen, was vermag ein Einzelner? Sieh hier die Folgen meiner edlen Bemühungen, ja das Glück und Heil dieses großen Reichs von einem Paar purpurfarbenen Wachteln abhängen, und dann rede mir von deiner moralischen Schöpfung und Harmonie.

Asuph. O was das belangt, das Wohl der Völker hängt oft von noch kleinern und lächerlichern Dingen ab. Deine Tugend übrigens ist ein sehr schönes Wort, womit du aber leider, so lange du bleibst, was du bist, die Hofsprache nur bereichert hast.

Haß, Wuth und Stolz schwellten Giafars Herz. Er ging hastig auf und ab und sann auf Mittel, die Kabale seiner elenden Feinde zu sprengen; und da er es gefunden zu haben glaubte, wandte er sich zu Asuph und sagte: »Laß sie nur kommen!«

Asuph. Die Klugheit sagt: laß sie lieber nicht kommen. Edler Barmecide, selbst der Sieg blendet nur hier. Für den Mächtigen hat nichts bösere Folgen, als wenn es einmal ruchbar wird, man habe es gewagt, ihn anzugreifen. So lange du die Gunst der Kaiserin nicht hast, stehst du nicht fest, und wenn du auch mit ehernen Füßen vor dem Monarchen einwurzeltest. Sie herrschte durch Hasan über Indostan, und wenn du zum Heil Indostans vollenden willst, was du so schön angefangen hast, so suche Astarte zu beherrschen, und Indostan liegt für immer zu deinen Füßen.

Giafar. Wie kann ich dies?

Asuph. Fragt ein Mann, gebaut wie du, voll Kraft, Muth und Geist einen unglücklichen Verschnittenen? Zeige dich ihr, und ich stehe dir für den Eindruck auf ihr allzu empfängliches Herz. Nur mache sie glauben, es würde ihr gelingen, dich zu leiten. Das Uebrige sind Dinge, worüber ein Mann in meiner Lage das Recht zu reden verloren hat.

Giafar. Melde mich bei der Kaiserin; um der Tugend willen mag auch ein Barmecide eine unbedeutende Regel verletzen.

Asuph. Vergib! Je plötzlicher und unerwarteter deine Erscheinung sein wird, je größer wird die Wirkung davon sein. Weiß ich doch, was die Weiber deines Harems von dir sagen.


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