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20.

Nachdem nun Giafarn das Vergangene immer deutlicher geworden war, und er den ganzen Sinn aus dem Gebilde aufgefaßt zu haben glaubte, setzte er sich endlich nieder und schrieb es nebst seinem Gespräch mit Ahmet ohne alle Schonung seiner selbst nieder. Es sollte ihm zur Richtschnur in seiner Art zu denken und zu handeln werden, und weder das Gefühl der Scham, noch das öftere Herzklopfen, das er bei dieser Arbeit empfand, konnten ihn davon abhalten. So wie er damit fertig war, las er es mit vieler Beklemmung durch und sagte endlich, hingerissen von einem bittren Unwillen über sich selbst:

»O wahrlich, darum brauchte wohl kein Genius von dem Himmel zu steigen, um mir zu beweisen, der Mensch sei ein unsichres, ungerechtes und undankbares Geschöpf! Ohne ihn konnte ich dieses wissen, so wie ich fühlen konnte, daß es in ihm liegt, glücklich zu sein und Andere glücklich zu machen. Ja, ich begreife sogar, dieses sei seine Bestimmung, die moralischen Uebel seien sein Werk, und die physischen eine Nothwendigkeit – aber warum? und warum konnte es nicht anders sein? Warum geschieht von allem Dem, was nach den Worten des Genius geschehen sollte, gerade das Gegentheil, und die Welt geht trotz dem ihren Gang fort, als leitete sie –«

Er fuhr vor der Folge dieser Gedanken zurück. Sein Blick fiel auf die um ihn her zerstreut liegenden Bücher: »Es ist das Gift, das ihr in euch schließt, welches diese Wirkung auf mich thut. Ich will euch vernichten, Fatimen zum Weibe nehmen, Kinder zeugen und sie vor euch bewahren. Der Genius sagt: jede unmoralische Handlung des Menschen sei ein Widerspruch seiner Natur, und Giafar sagt: je beschränkter unsere Verhältnisse sind, je weniger laufen wir Gefahr, unsere moralischen Pflichten zu verletzen. Darum will ich mich hier anbauen und nie einem Khalifen oder Großen nahen. Mein Ehrgeiz sei, weise und vergnügt zu werden!«

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als alle seine Sklaven zu ihm rannten und ihm eine Gesandtschaft des Khalifen ankündigten, die mit aller Pracht und Feierlichkeit nahte. Giafar empfing sie nach der Weise des Landes und betete das überbrachte Schreiben an.

Der erste Gesandtschafter sprach: »Haroun Alraschid, der Khalife, sendet uns zu dem Barmeciden Giafar! Er läßt dich an seinen Hof einladen, wie dieses Schreiben dich lehren wird. Er sucht einen Freund und weisen Rathgeber und hofft ihn in dir zu finden. Auch wünscht er die Tugend deines Vaters in dir zu belohnen, die Hadi zu seinem Unglück mißkannt hat. Durch deine Hülfe denkt er die Wunden zu heilen, die Hadi's Unsinn seinen Unterthanen geschlagen hat.

Giafar fuhr bei dem Namen Hadi zusammen; das schreckliche Erinnern, er habe Hadi mit eigner Hand getödtet und das Schwert gegen Haroun aufgehoben, drang wie ein Pfeil durch sein Gehirn. Er sah seine Thaten in diesem Augenblick für Wirklichkeit an und fragte mit zitternder Stimme:

»Ist der Khalife Hadi todt? Wann und wie ist er gestorben?«

Der Gesandtschafter. Seine Mutter hat ihn vergiftet, weil er zum Nachtheil ihres Sohns, des tapfern Harouns, einen seiner Söhne zum Erben des Throns der Khalifen ernennen wollte.

Giafar athmete frei, blickte freudig gen Himmel. Er sah den Spruch Ahmets in Erfüllung gehen, vergaß seinen Plan, sich zu beschränken, und als die Gesandten ihn als Vizir im Namen des Khalifen begrüßten und hinzusetzten: »die Völker Asiens richten ihren Blick auf Jahiah Saffah's edlen Sohn,« rief er mit Feuer:

»Soll noch ein Opfer um der Tugend willen aus dem Stamm der Barmeciden bluten, so bin ich bereit. Ahmet sagte mir, meine Tugend sollte erprobt werden, wie es nie die Tugend eines Menschen ward. Die Weissagung schreckt mich nicht ab. Ich werfe mich muthig jedem Sturm entgegen. Laß mich ihn bekämpfen, mein Vater, wie du es gethan hast; soll ich dann fallen, so falle ich wie du, und mein Name werde genannt, wie der deine!«


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