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13.

Kaum war Giafar in einiger Entfernung von Bagdad, so vertrockneten seine Thränen, so verschwand seine Scham. Der Zorn gegen Ahmet erwachte und erfüllte sein Herz so gewaltig, daß er all sein Unrecht vergaß und sich abermals nur an das hämische Betragen, das rastlose Verfolgen dieses ihm unbegreiflichen Menschen hielt. Nur ihn sah er als die Quelle seines Unglücks an und betrachtete ihn wie ein Ungeheuer, das unablässig über ihn herschwebte, den Augenblick ablauernd, wo es eine Tücke seiner Bosheit an ihm ausüben möchte. Sein Gespräch sah er als eine Falle, ein Gewebe der Bosheit an, um ihn in ein endloses Gewühl von Schande und Ungemach zu verwickeln. Ja, er glaubte in seinem Betragen nichts anders als einen Plan zu entdecken, wodurch er ihn zwingen wollte, ein System anzuerkennen, dessen Irrthum er durch sein Betragen allein sattsam bewiesen. Seine Eigenliebe brachte ihn selbst völlig aus dem Spiel, und er rief mit Unmuth:

»Wohin ich trete, legt er mir eine neue Falle – verwirrt meinen Verstand, unterwirft sich mein Herz, und dies mit einer Macht, daß ich bei seiner Erscheinung selbst der Rache vergesse, die ich, sobald er ferne ist, in meinem Busen kochen fühle. Er, der Geheimnißvolle ist es, der Alles anzettelt, meine Entwürfe vereitelt und meine guten Absichten ins Scheußliche umändert!«

Da er nun auf diesem Seitenwege von der Betrachtung seines innern Selbst abgekommen war, so ward es ihm leicht, der letzten Geschichte, wo nicht eine unschuldige, doch eine ganz erträgliche Wendung zu geben. Nur der Turban und das Schwert machten ihn noch zu Zeiten erröthen. Er faßte abermals den Entschluß, nach Hause zu gehen, sich einzusperren, allen Menschen zu entsagen und auf ewig den Anblick des Gefährlichen zu fliehen, der nie anders erschien, als ihn von der Höhe, die er durch seine Klugheit und den Ruhm seines Namens erstiegen, herunterzustürzen.

Eine heranziehende Karavane machte seinen Betrachtungen ein Ende. Er machte sich auf, nahte dem Führer derselben und bat um die Erlaubniß, sich anschließen zu dürfen. Der Führer erwiederte: »Sei willkommen, ein Mann wie du kann den Menschen, zu denen er tritt, nur Segen bringen. Geselle dich zu uns, und wenn wir nach meiner Heimath in Samarcand kommen, will ich dich aufnehmen, wie du es verdienst.«

Giafar sagte in seinem Herzen: so kennt mich denn der ganze Erdboden; doch wie gefährlich ist es, einen Namen zu führen, von dem man so viel erwartet, besonders, wenn sich ein so rastloser, mächtiger Feind gegen uns verschworen hat. – Woher kennst du mich? Hab' ich doch nie dein Angesicht gesehen?

Der Führer (mit Ehrfurcht). Du bist einer der Barmeciden!

Ein Barmecide! rief der ganze Zug; unsre Reise ist gesegnet.

Hierauf sagte ihm der Führer, er nenne sich Nagor, sei einer der reichsten Kaufleute in Samarcand, kehre mit dieser Karavane heim und würde sich für glücklich halten, seine Schätze mit ihm zu theilen, da er sein erstes Glück dem Barmeciden Jahiah Saffah, dem Vizir des Khalifen Hadi, zu danken habe. Ach, setzte er hinzu, sollte ich jemals so glücklich sein, seinen Sohn zu finden, der, wie ich höre, vor der Rache des Khalifen flieht –.

Giafar. Binde dich nicht zu stark, Nagor – du siehst ihn hier vor dir, und er bittet dich um Schutz.

Nagor drückte ihn an seine Brust und vergoß Thränen der Freude. Jedermann nahm Theil an seiner Rührung, und Giafar sammelte sich wieder zur Ruhe.

Als die Karavane in Samarcand ankam, räumte ihm Nagor die prächtigsten Zimmer seines Hauses ein, öffnete ihm seine Schätze und machte ihn zum Herrn derselben. Dann führte er ihm seine Familie und Hausgenossen vor. Seine Tochter, in welcher er Fatimen zu sehen glaubte, so sehr glich sie ihr, machte einen starken Eindruck auf ihn und erweckte alle Gefühle, die ihm jene eingeflößt hatte. Dem Vater entging dieses nicht. Einige Worte, die sie sprach, trieben die Täuschung beinah bis zur Wirklichkeit: Giafar glaubte, Fatimen zu hören und zu sehen, und mit Freuden nahm er den Antrag an, der Sohn des reichen Nagors zu werden.


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