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Siebenter Abend.

Ben Hafi erschien auf den Glockenschlag und begann: Der Sultan von Giuzurat, Herr der Gläubigen, fühlte zwar Mitleid mit Abdallah: aber dieses Mitleid war mehr ängstlich als rein. Vor seinem erschütterten Geiste zog sich ein dunkles, zweideutiges Gebilde um Abdallahs That und Schicksal, und ohne daß er ihn beschuldigen konnte oder wollte, sah er ihn doch unvermerkt als die entfernte Ursache des Mords Khaleds und des schrecklichen Verbrechens Mansurs, seines Bruders, an. Von diesen Empfindungen gequält, blickte er von nun an auf ihn, als auf einen Mann, der, so uneigennützig, großmüthig und gerecht er auch wäre, doch etwas Unerklärbares, Drückendes an sich trüge: der vielleicht darum zu solchen schauderhaften Ereignissen Anlaß gäbe, weil ihn entweder das Glück gänzlich verlassen hätte, oder weil er aus Stolz, Starrsinn und allzu schonungsloser Strenge die Tugend übertriebe. Ebu Amru, der diese noch dunkeln Empfindungen leicht klar machen konnte, weil er sie selbst nach und nach erzeugt hatte, spielte auf diesen düstern Saiten fort, und ehe es sich der Sultan versah, so theilte er die Blutschuld zwischen Abdallah und seinem Bruder. Ebu Amru konnte ihm nun leicht beweisen, daß, wenn Abdallah seinem unglücklichen, um den Staat so sehr verdienten Vater Wort gehalten und die großmüthigen Gesinnungen des erhabenen Sultans für seinen einst edeln Bruder benutzt hätte, so würde Khaled noch für den Dienst des Vaterlandes leben, Mansur von Verbrechen rein sein und dem Sultan durch seine entschiednen großen Eigenschaften nützen können. Ja, selbst der große und tugendhafte Abdallah würde nun nicht als ein Mann dastehen, der aus Grundsätzen, die Jedem verdächtig schienen, weil sie Keiner faßte, Unglück um sich her verbreitete und dadurch das traurige, niederdrückende Vorurtheil erweckte, es müsse von nun an jedem seiner Schritte folgen, da er es selbst über Die gezogen, deren Glück und Wohlfahrt ihm die Natur als Hauptpflicht auferlegt hätte.

Doch war Ebu Amru weit entfernt, die Tugend Abdallahs, die auch selbst in der Übertreibung noch Tugend bliebe, anzutasten. Er bedauerte nur, daß Hof und Volk den seltnen Mann als die Ursache des Unglücks seiner Nächsten ansehen und nach ihrer Art ihn laut beschuldigen würden, er habe seinen Bruder aus Neid zurückgedrängt. So habe man ihn auch schon längst, zwar unverdienter Weise, beschuldigt, er gäbe darum nicht zu, daß der Sultan die ledige Kanzlerstelle besetzte, damit Keiner den Ruhm mit ihm theilen möchte, die Giuzurater so glücklich zu machen, als er sie unter seiner unbeschränkten Alleinherrschaft zu sein glaubte.

Seufzend setzte er hinzu: »Gehören zu der Ausübung der Pflicht und zu der Beförderung dieses Glücks solche schreckliche Ereignisse, so mißgönne ich ihm seinen zweideutigen Ruhm nicht, und lieber wünschte ich, wenn ich einmal wählen müßte, daß man ein Verbrechen gegen mich beginge, als daß einer der unbedeutendsten deiner Unterthanen mir die Veranlassung zu einem Verbrechen gegen ihn zuschriebe. Dies kommt daher, Herr, daß der Flug, den Abdallahs Geist genommen hat, für den meinen viel zu hoch ist: daß ich, ein ganz gewöhnlicher Mensch, nur den gewöhnlichen Gang der Menschen gehen kann, das Gute zwar willig und mit Freuden bewirke, ohne es doch von Andern und selbst von mir strenger zu erzwingen, als es ihr und mein Bedürfniß erfordert.«

Du siehst, Herr der Gläubigen, daß Ebu Amru mit deinem Großvizir so ziemlich aus einem Tone singt.

Großvizir. Da es der rechte ist, so wird er damit nicht übel fahren, das versichre ich dich.

Khalife. Aber sein Herr?

Großvizir. Wird sein Dienst dadurch befördert, so kann er nur gewinnen, und Ebu Amru scheint mir der Mann dazu. Träumer, wie dieser Abdallah, zerstören nur durch ihr wildes Feuer, bis sie sich endlich selbst aufbrennen. Alsdann muß ein Mann auftreten, der die Menschen kennt, sie für Das nimmt, was sie wirklich sind und sein können, um den Staat wiederum aus den Trümmern aufzubauen. Der edle Bruder meines erhabenen Herrn, des Nachfolgers des Apostels, war gerade ein solcher Mann wie dieser Abdallah, und auch er hatte das Schicksal –

Khalife. Kühner! wagst du die tiefe Wunde meines Herzens so frech anzutasten? Einen Mann mit einem Seitenblick zu nennen, den ich so stark beleidigt – durch euer Einblasen beleidigt habe – in dessen Armen ich nun sicher ruhen würde, und der des Thrones würdiger war als ich! Laß mich noch einmal diesen Mißklanq von deinen verwegenen Lippen hören, bei dem erhabenen Propheten! – ich halte meinen Schwur zurück! aber, bei dem Regen des Himmels, der das trockne Land erquickt! ich will dich in die weite Welt senden, und du sollst mir nickt eher wiederkehren, bis du ihn in Meine Arme zurückgeführt hast.

Ben Hafis und des Khalifen Augen begegneten sich in einem Punkte des Gefühls, und der Großvizir wußte, wann er durch Schweigen gewann.

Ben Hafi fuhr fort:

Während man Abdallah und sein Unglück so schonungslos beurtheilte, fühlte er die schwere Last desselben, und nicht das Bewußtsein seiner Unschuld, nicht die Ueberzeugung, nach Pflicht gehandelt zu haben, konnten seine Leiden lindern. Er sah seinen mit Ketten belasteten Bruder zum Tode des Verbrechers verurtheilt – sein Vater stand vor ihm – die weißen Haare, die über seine vor Wuth funkelnden Augen stürzten, bewegten sich unter dem Schrei der Verwünschung, die seine Seele zerriß. Er fühlte den Tritt des Verwerfenden an seiner glühenden Stirne. Gepeinigt von diesen Vorstellungen, traten ihm die Bilder des Todes des Greises, des Bruders näher, und die ungerechte Anklage der Giuzurater sauste durch seine empörten Geister: »Du bist Schuld an dem Falle, der Schmach deines Hauses und verdienst deines Vaters Fluch!«

Er empfand, daß sogar der innre Beweggrund seiner Handlungen, und wenn er ihn auch laut bekennte, von den Verblendeten würde mißdeutet und verspottet werden.

Zum ersten Mal sah er nun mit Schauder auf die eingegangene Verbindung mit einem Wesen, das ihn durch seine Weissagung gegen seinen Bruder so gestimmt, das bisher alle seine Schritte so geleitet hatte. Schon jetzt würde er es als die einzige Ursache seines Elends angesehen haben, wenn seine letzte rächende Erscheinung seinen Geist nicht unterjocht und ihm das Geständniß abgedrungen hätte, seine Weissagung sei durch die blutige That seines Bruders bestätigt, und er habe durch die Erfüllung seiner Pflicht sein Vaterland vor noch schrecklichern Verbrechen bewahrt. Eben so empörend fühlte er, daß der Sultan einen Schuldlosen verdammen wollte, und daß diesen nur die Erscheinung des furchtbaren Geistes gerettet hatte. An diesen Gedanken schloß sich die Betrachtung des unmenschlichen Betragens seines Bruders, der durch sein Schweigen, da ein Unschuldiger vor seinen Augen um eines Verbrechens zum Tode verdammt ward, das er selbst begangen hatte, seine entsetzliche That so ungeheuer machte, daß sich selbst das brüderliche Herz dem Mitleid verschließen mußte. Schaudernd rief er: »Und diesen mit einem Morde befleckten Mann erklärte der Sultan zum Statthalter seines Volks, und dieser Mann dankt ihm vor den Augen Dessen, den er für sein Verbrechen so eben zum Tode verurtheilen hörte – und ich sollte über sein Schicksal klagen – es bereuen, daß es sich so entwickelt hat!«

Sein Herz ermannte sich, dankend blickte er auf den ernsten, furchtbaren Geist, der durch Enthüllung der verborgenen That die verletzte Gerechtigkeit so erschütternd gerächt, das Vergeltungsrecht so schaudernd ausgeführt und den Verblendeten eine unauslöschliche Warnung hinterlassen hatte. Diese That unterjochte jetzt sein Herz und seinen Verstand, so unbegreiflich ihm auch dieses Wesen nach seinen zweideutigen Aeußerungen vorkam.

Trotz der allgemeinen Anklage, den Verwünschungen, dem Hasse seines Vaters, den ihn umheulenden Vorwürfen seiner Verwandten, dem kalten Blick der Hofleute würde er sich doch durch seine innre Kraft und sein reines Bewußtsein empor gearbeitet und dem rächenden Gesetze seinen Lauf gelassen haben, wenn ihn sein Vater, den er auf seinen Befehl bis hieher fliehen mußte, nicht plötzlich in seinem Kampfe gestört hätte. Er ließ ihn rufen. Die Erschütterung des Geschehenen, der Todesspruch des Sultans über seinen Sohn Mansur hatten den Greis wiederum an den Rand des Grabes getrieben, von welchem ihn die Hoffnung der glänzenden Versorgung desselben auf einige Augenblicke entfernte.

Der Greis lag ringend mit dem Tode, seine Stirne benetzt von dem kalten Schweiße des letzten schweren Kampfes. Er winkte Abdallah, faßte seine Hand und sprach mit schwacher Stimme:

»Rette deinen Bruder von dem schmählichen Tode des Verbrechers, und ich will vergessen, was du ihm und mir gethan hast. Laß mir nur diesen Gedanken nicht das Herz brechen: er sterbe als Mörder, weil sein Bruder ihn verwarf. Rette den Unglücklichen, ich will meinen Fluch zurücknehmen und dich segnend sterben. Eile schnell, das schwache Leben zittert nur noch in meinem bangen Herzen, ich will es fest halten, bis du zurückkommst und mir Nachricht von seiner Flucht bringst – dann will ich an der letzten, traurigen Freude sterben!«

Abdallah zitterte beim Eintritt vor Vorwürfen und Verwünschungen; aber mächtiger als Vorwürfe und Verwünschungen wirkten die mit dem letzten Hauche des Lebens ausgesprochenen, kaum vernehmlichen Worte des milden, stehenden, sterbenden Vaters. Der Blick, der sie begleitete aus den verlöschenden, düster funkelnden Augen, aus denen der sich lösende Geist, nur noch von dem letzten Wunsche, der einzigen Hoffnung gefesselt, strahlte – der schwache Druck der erkalteten Hand, entschieden über Abdallahs Schicksal. Alles versank um ihn her, das Geschehene, das Zukünftige, das zu Befürchtende – Pflicht, Tugend, Vaterland verloschen – er drückte die kalte Hand an seine Lippen, netzte sie mit seinen herabrollenden Thränen und eilte davon, entschlossen, sich, Alles, den Gewinnst seines vergangenen und künftigen Lebens hinzugeben, kaum denkend des Zwecks seines Lebens.

Der Abend war eingebrochen.

Auf dem Wege nach dem Staatsgefängnisse fühlte er den Athem des Geistes an seinen Wangen:

»Du eilst, Verblendeter, dein Schicksal zu entscheiden, deine Zwecke zu vernichten, deinen Fall zu befördern, Ebu Amru zu erheben, einen Verbrecher dem Gesetze zu entziehen, um ihn zu künftigen Freveln auszurüsten!«

Abdallah. Laß Ebu Amru steigen und mich fallen! Laß Alles geschehen!

Näher dem Staatsgefängnisse vernahm er abermals den Geist:

»Unsinniger! um die letzten unnützen Stunden eines Sterbenden zu erheitern, der morgen in Verwesung sinkt, vergißst du deine Pflicht.«

Es ist mein Vater, seufzte Abdallah, dessen Segen allein mein Leiden lindern und heilen kann.

Geist. Soll der Mörder nicht büßen?

Abdallah. Das Bewußtsein eines Verbrechens folgt ihm.

Geist. Umsonst, sein Herz ist verhärtet, und du greifst gewaltsam durch die Gesetze, die ich gerächt habe. Du öffnest dem Verbrecher das Gefängniß, um ihm zu neuen schrecklichen Freveln Muth zu machen. Befreie ihn, und er wird unter Ebu Amru's Schutz, mit Elm Amru's Hülfe vollziehen, was ich dir geweissagt habe.

Abdallah ächzte, und der Blick des sterbenden Vaters drang in sein Herz, und seine letzten Worte drangen in sein Herz und verdunkelten das Licht seines Herzens und seines Geistes.

Als er in den Vorhof des Gefängnisses trat, vernahm er nochmals das Lispeln des Geistes:

»Erfahre nun, was du gewinnst, wenn du deiner Neigung und nicht meiner Warnung folgest.«

In der nämlichen Sekunde hörte Abdallah Getöse und Geschrei. Das Licht vieler Fackeln erleuchtete plötzlich den Vorhof. Die Wächter des Gefängnisses umringten, erkannten ihn und traten ehrerbietig zurück. Der Oberaufseher eilte hinzu und berichtete ihm: »Mansur sei entflohen, und er tröste sich in seinem großen Unglück, daß er sehe, die Flucht desselben sei ihm nicht fremd, da er sich selbst an diesem Ort befinde.«

Abdallah floh betäubt zurück, eilte zu seinem Vater und rief ihm zu:

»Dein Sohn Mansur war vor meiner Ankunft entflohen und ist gerettet!«

Der Greis hob die starren Hände langsam empor, blickte gen Himmel, und der letzte glühende, zitternde Funke der Freude schimmerte in den schon brechenden Augen; dann sagte er zu Abdallah:

»Nahe, mein Sohn, daß ich dich segne und den Fluch von deinem Haupte nehme, bevor ich sterbe. Du wirft nun nicht mehr ganz unglücklich werden können.«

Er segnete ihn.

Der schreckliche Gedanke, sein Vater segne ihn, weil er wähnte, er habe seinen mit Mord besteckten Bruder in Freiheit gesetzt und ihm nach der Weissagung des Geistes zu neuen Verbrechen den Weg geöffnet, schauderte, während des Segens des Alten, durch Abdallahs Herz. Er hörte ihn nicht, er glaubte nicht an die Wirkung des Segens des sterbenden Vaters. Das Loos der verblendeten, über ihr Dasein, Entstehen und Wirken unsichern, zweifelnden und immer forschenden Menschen drückte mit zermalmendem Gewichte auf ihn.

Als der Greis ihn gesegnet hatte, horchte er erst auf das Nähere, und er sprach:

»Abdallah, du sollst doch gesegnet bleiben, denn du wolltest ihn retten! Und gesegnet sei auch Der, der ihn gerettet hat!«

Bald darauf versank der Greis in einen sanften Schlummer, Abdallah wachte an seinem Bette, empfahl ihn Morgens den Dienern und begab sich in seinen Palast.

Der Ober-Kadi stattete ihm Bericht von der Flucht seines Bruders ab und setzte hinzu:

»Sie war dir vor mir bekannt, da du dich selbst im Augenblick seiner Flucht in dem Vorhofe des Gefängnisses befandest!«

Abdallah begab sich mit ihm zum Sultan und meldete die Flucht seines Bruders.

Entrüstet fuhr ihn der Sultan an:

»Mag der Mörder unstät irren und das Gewissen an seinem Herzen zehren, bis er sterbe! Aber daß du, Abdallah, deine Pflicht so weit vergessen hast, die Gesetze, deren Rächer du sein sollst, aus Liebe zu einem Bruder zu verletzen, den du doch zum Verbrechen gereizt hast, dies nebst der Rache der unbefriedigten Vergeltung lege ich zu meiner und meines Volkes Rechtfertigung deinem Gewissen heim. Trage die Blutschuld! Und was wirst du dem künftigen Verbrecher antworten, wenn er dich an diesen Fall erinnert?«

Abdallah. Ich habe die Flucht meines Bruders nicht befördert.

Sultan. Fand man dich nicht im Vorhofe des Gefängnisses? Ließ nicht der Oberaufseher von der Verfolgung des flüchtigen Verbrechers ab, da er dich erkannte und aus deiner Gegenwart sehr richtig schloß, nur der Mann, der mir an Macht der Nächste ist, könnte die Kette seines Gefangenen gelöst haben.

Abdallah. So scheint es.

Sultan. Und ist es nicht so?

Abdallah. Nein!

Sultan. Was führte dich nach dem Gefängniß?

Abdallah. Eben Das, dessen du mich beschuldigest; das ich zwar thun wollte, aber nicht gethan habe.

Sultan. Absicht und That – straft nicht beide das Gesetz? Dem Gesetze soll genug geschehen und Khaleds Blut versöhnt werden.

Abdallah wollte nun dem Sultan die ganze Veranlassung des Geschehenen erklären, als er das leise Lispeln des Geistes vernahm:

»Greife in deinen Gürtel über der rechten Hüfte, ziehe das beschriebene Blatt hervor und überreiche es dem Sultan.«

Abdallah that es. Es war ein handschriftlicher Befehl des Sultans an den Ober-Kadi: Mansur heimlich entfliehen zu lassen, auszustreuen, er habe sich selbst gerettet, man wisse nicht wie, und über diesen Befehl bei Todesstrafe zu schweigen.

Abdallah küßte das Blatt und überreichte es dem Sultan. Die Stirne des Sultans ward dunkeler, und er sprach:

»Abdallah ist rein von der Ausführung der That, nicht von dem Willen, sie zu begehen, wie er selbst gestanden hat. Die Anklage mag fallen, das Gesetz mag schweigen. Könnte ich nur vergessen, daß ein Fall möglich war, in welchem Abdallah Pflicht und Gerechtigkeit verletzen konnte. Aber wie kommst du zu diesem Blatt?«

Abdallah. Es rechtfertigt mich von der That, mehr sollt' es nicht; laß dir dieses genug sein, Herr, und erlaube mir, mich zu entfernen, die Augen meines Vaters zu schließen und seine Leiche der Erde zu geben.

Der Sultan hatte wirklich diesen Befehl an den Ober-Kadi gesandt; denn Ebu Amru stellte ihm Abdallahs Neid so lange als die Ursache des Verbrechens Mansurs vor, bis er sein Mitleid für den Mörder rege machte. Sobald er diese Wirkung wahrnahm, malte er ihm das bevorstehende, alle Herzen empörende Elend des Vaters vor, da gewiß Abdallah seinen Bruder der Rache der Gesetze hingeben und in der Verdammung desselben einen Ruhm, nach Pflicht und Recht zu handeln, suchen würde, wovor die Menschheit erbeben müßte. Um Abdallah ein noch größres gesetzliches Verbrechen zu ersparen, setzte er hinzu, müßte der Sultan die Tafeln des Vergeltungsgesetzes in diesem Falle verhüllen.

Als nun der Sultan die Gegenwart Abdallahs in dem Gefängnisse nebst der Deutung derselben vernahm, so wollte er die Gelegenheit nutzen, ihn dadurch zu verwirren und zu demüthigen, daß er ihn zu einem Geständnisse zwänge: er habe hier seine Pflicht der Neigung aufgeopfert. Diesmal hoffte er gewiß das Vergnügen zu genießen, dem Mann einen gegründeten Vorwurf machen zu können, der sich bisher gegen Alle decken konnte.

Da sich aber nun das Spiel gegen ihn selbst wandte, so fühlte er sich durch das Mißlingen seiner Absicht um so mehr beleidigt, und sein Herz, das die Junge Ebu Amru's schon lange vergiftet hatte, machte Abdallah den vermeinten Sieg über ihn zu einem größern Verbrechen, als die That, der er ihn überführen wollte, vor seinen Augen gewesen war.

In diesem finstern Augenblick entschied er in seinem Geiste: Ebu Amru zum Kanzler zu machen, und sei es auch bloß darum, den Stolz Abdallahs zu demüthigen.

Sieh, Herr der Gläubigen, so handelt selbst der sonst gerechte Herrscher, wenn er einmal dem gefährlichen Beschwörer sein Ohr geöffnet hat. Dieser spielt dann so lange auf der Saite seiner Schwäche, bis er ihn in dem Netze seiner eignen Thorheit verstrickt hat, das er mit eignen Händen weben mußte.

Der Ober-Kadi, welcher des Sultans Fragen nicht zu beantworten wußte, wurde aus Verdacht, er habe Abdallah den Befehl des Sultans überliefert, in Mansurs Gefängniß geworfen.

Khalife. Ich fürchte für diesen guten Abdallah, er steht zwischen zwei gleich gefährlichen Wesen; doch scheint mir der Mensch Ebu Amru noch weit gefährlicher, als der frostige Geist. Gott helfe ihm und bewahre mein Ohr vor dem Gifte des Beschwörers und lasse mich, wenn er lispelt, so taub wie mein treuer Masul sein!

Wahrlich wir wollen die Tobten zum Leben auferwecken, und wir wollen die Werke niederschreiben, die sie vor sich her gesandt haben, und die Fußtapfen, die sie hinter sich gelassen haben.«

Ich hoffe, dein Abdallah wird sich in seiner Lage dieser Worte erinnert und in ihnen Trost gefunden haben. – Friede sei mit dir und euch.


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