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Vierter Abend.

Ben Hafi erschien auf den Glockenschlag und begann:

Abdallah erhielt einen Eilboten von seinem Vater, der seit langer Zeit krank darnieder lag. Er fand ihn schwach; sein Bruder Mansur saß düster an dem Haupte des Alten. Bei seinem Antritt richtete sich der Greis auf, ergriff seine Hand und sagte:

»Ich habe dich rufen lassen, mein Sohn Abdallah, um Abschied von dir zu nehmen und die letzte, einzige Bitte vor meinem Ende an dich zu thun!«

Abdallah drückte gerührt seines Vaters Hand, Thränen drangen in seine Augen. Der Alte fühlte die Antwort des Herzens, sah ihn freundlich an und fuhr nach einer Weile fort:

»Du warst mir immer ein guter, freundlicher Sohn, bliebst gut und freundlich in einer Lage, in welcher es so Wenige bleiben. Heute sage ich dir zum ersten Mal, ob ich gleich weiß, es sei dir unvergeßlich, daß es meine Verdienste um den verstorbenen Sultan allein waren, die dich mit seinem Sohne, unserm Herrn, in Verhältniß gesetzt und dich zu Dem gemacht haben, was du bist – der Glücklichste, der Mächtigste in Giuzurat. Rechtschaffenheit, Bescheidenheit und Weisheit machen dich des Glücks würdig, das ich dir zubereitet habe, und ich für meine Person würde mich dadurch reichlicher belohnt finden, als es je ein Vater ward. Gerne würde ich mich mit diesem schönen Lohn begnügen, wenn nicht noch ein Mann lebte, dessen Ansprüche auf glänzende Versorgung eben so billig und gerecht sind, als es die deinen waren. Fühlte ich mich bei Kraft, so würde ich die Erfüllung meines stillen Wunsches noch ferner mit eben der Geduld abwarten, als ich bisher gethan habe. Auch mache ich dir keine Vorwürfe darüber, daß du weder deinen Bruder hier, noch einen deiner Verwandten emporgehoben hast; müßte ich dich nicht zugleich fragen, ob du keinen derselben dazu würdig fändest? Es ist keine bedeutende Familie in Giuzurat, die dir nicht für einen der ihrigen gedankt hat, nur die deinige konnte dieses Glücks nicht theilhaftig werden.«

Abdallah. Mein Vater!

Vater. Du kannst sagen, wir alle seien dir schon genug verpflichtet, daß du uns durch deinen Ruhm verherrlichest; aber sie können antworten: warum du allein? Gib uns Gelegenheit, daß auch wir zeigen mögen, wir seien deines Namens würdig.

Sieh hier deinen Bruder Mansur! ein Mann voll Muth, Feuer und kühnen Geistes. Er hat den Feinden Giuzurats bewiesen, von welchem Stamm er ist, und ihm kommt die Statthalterschaft in Baglana an den Grenzen unseres Reichs zu, als meinem Sohne, als deinem Bruder, als einem Manne, dessen Namen den Feinden furchtbar geworden ist. Dadurch wird nun Giuzurat erfahren, daß Abdallah nicht allein mein Sohn ist, daß er noch einen würdigen Bruder hat.

Mansur stand auf, umarmte seinen Bruder und sprach: »Abdallah, es geschieht wider meinen Willen, daß unser guter Vater so in dich dringt. Nur seiner Liebe schreibe seine Bitte zu, so wie Alles, was er zu meinem Lobe sagt. Jeder meines Alters und meiner Ansprüche, den du emporgehoben hast, beugte meinen einst kühnen Stolz, weil ich fühlte, wie wenig geltend meine Ansprüche vor deinen Augen sein müßten. Ich gestehe, daß diese Ueberzeugung mein Gemüth erbittert hat. Das Einzige, was mich beruhigte, war der Gedanke, dir und dem Sultan endlich, durch Verdienst und That, Belohnung abzuzwingen. Doch, wenn es mein Vater will und Trost für sich darin findet, so nehme ich diese Statthalterschaft mit Dank von der brüderlichen Freundschaft an, vorausgesetzt, daß du mich ihrer für würdig hältst.«

Vater. Hörst du, welcher Geist aus Mansur spricht?

Abdallah. Ich hörte lieber einen sanftern; doch es ist des jungen Kriegers Art. Mein Vater, du siehst mich über Das, was du mir gesagt hast, tief gerührt. Wenn ich weder meinen Bruder, noch einen unsrer Verwandten emporgehoben habe, so hatte ich Gründe, die du einst selbst gebilligt, mir selbst eingeflößt hast. Sollte ich die hohen Stellen mit ihnen besetzen, damit ganz Giuzurat sagen möchte, ich wollte meine Macht durch sie furchtbar machen? Sollte man dem Sultan zuflüstern können, ich befestigte die von ihm mir übertragene Gewalt gegen ihn selbst, indem ich ihm auf jedem bedeutenden Posten Leute entgegen stellte, die durch Blut, Nothwendigkeit und Gefühl der Selbsterhaltung so innig mit mir verbunden wären, daß er Keinen antasten, beleidigen und bestrafen dürfte, ohne sie alle in Einem anzutasten, zu beleidigen und zu strafen? Sollte ich mich und ihn dadurch in ein Netz verstricken, das der Mächtigste nicht ohne Gefahr zerreißt, wenn es ihn umfangen hat? Dein Sohn mußte nur seine Fehler zu verantworten haben und darum frei von jeder Rücksicht auf Andere sein. Ich kann für die gute Sache als Opfer fallen; aber weiß ich, ob ich in meinem Bruder oder meinem Verwandten der guten Sache ein Opfer bringe oder bringen darf? Wahrlich, mein Vater, wer einen wichtigen Posten im Staate nur um der Vortheile, der Macht und des Glanzes willen sucht und antritt, ist desselben selten werth. Kann, will sich Jeder vergessen? Du weißt, mein Vater, daß ich nicht Vizir um meinetwillen bin. Wie ich es sein sollte, lernte ich in deiner Schule. Es ist genug, wenn Einer deines Hauses für alles Böse, das in einem so großen Staate geschieht, das oft keine menschliche Vorsicht hindern kann, sich zu verantworten hat. Laß Einem allein die traurige Last, die gewissen Vorwürfe, und sieh ihn als ein Opferthier an, das sich für sein Haus, sein Volk dem unausbleiblichen Schicksal geweiht hat, mit Undank belohnt zu werden oder unverdient zu fallen. Nur dadurch, daß ich diesem Grundsatz getreu verblieb, bekämpfte ich bisher den Neid; soll ich ihn nun erwecken und mich mit dem Vorwurf stechen lassen, ich gösse Giuzurats Macht und Schätze über unser Haus allein aus?

Khalife. Großvizir, wie viele deiner Verwandten dienen mir?

Großvizir. Die, welche dir dienen, Herr, sind alle rechtschaffene Leute und arbeiten mit mir in gleichem Geiste.

Khalife. Ich wünschte, ein Anderer sagte mir dies.

Ben Hafi. Der Vater Abdallahs antwortete: Diese Grundsätze waren anfangs gut und nöthig; aber nun, da du die Höhe der Macht erstiegen hast, mußt du alle Mittel anwenden, dich darauf zu erhalten.

Abdallah. Alle?

Vater. Oder du bist nur für dich allein weise.

Abdallah. Ich muß es hören und schweigen.

Vater. Du hast nur einen Bruder, dein sterbender Vater bittet dich für ihn allein, nicht für deine übrigen Verwandten.

Abdallah. Und eben dieses würde die Forderungen aller reizen, die ich bisher nur dadurch zurückgehalten habe.

Vater. Um der Gegenstand ihres Hasses zu werden.

Abdallah. Auch dieses muß ich leiden und kann es nicht ändern.

Mansur. Und wie, wenn auch deines Bruders –

Abdallah. Von ihm hoffe ich besser –

Vater. Und der Unwille deines Vaters –

Abdallah. Ich fühle nun erst schrecklich die Last, die ich, sicher deines Beifalls, bisher so leicht und freudig trug. Alles verliere ich und gewinne nichts als Haß und Neid.

Vater. Der verdiente Lohn aller Derer, die nur für sich besorgt sind. Gut, ich wollte dir's zu danken haben. Da du nun meinen Dank verwirfst, so will ich mich an den Sultan selber wenden. Wirst du mir entgegen sein?

Abdallah. Ich werde dem Sultan sagen, was meine Pflicht erfordert und ihn dann handeln lassen.

Vater. Wer ist der Mann, der nach deiner Meinung diese Stelle haben soll?

Abdallah. Khaled, der einmal schon Giuzurat errettet hat, es zum zweiten Mal erretten wird, wenn es die Noth erfordert.

Vater. Dies kann auch dein Bruder; half er nicht Khaled den letzten Sieg erfechten?

Mansur. Mein Vater, tief erniedrigest du deinen Sohn!

Vater. Laß mich nun immer sterben. Ich habe einen kalten, nur um seine Macht besorgten Staatsmann gezeugt und keinen Sohn. Wenn er etwas wagt, so geschieht es bloß um seiner Träume willen. Er, der Ohren für die Bitten aller Unglücklichen hat, verschließt sie der letzten, der einzigen Bitte seines sterbenden Vaters, dem er sein Dasein und, mehr als dies, sein Glück zu danken hat. Er, der Alles wagt, um das Wildfremden angethane Unrecht wieder herzustellen, der um das Heil eines elenden Bettlers mit dem Reichsten und Größten kämpft, kann seinen Vater über die Schmach, die er ihm selbst anthut, kalt und gleichgültig leiden sehen! Vor meinen Augen, die ihn vielleicht zum letzten Mal anblicken, verwirft er meinen tapfern Sohn, seinen Bruder, und in ihm einen Mann, dessen Tugenden, ohne seinen Neid, so hell wie die seinigen strahlen würden.

Abdallah. Du verkennst mich gänzlich, mein Vater. Von dir gezwungen, von deinen Vorwürfen überwältigt, soll ich einen meiner weisen und festen Grundsätze aufgeben, um in Zukunft keines einzigen mehr Herr zu sein? Aber du willst es, und dein letzter stechender Vorwurf verwundet mein Herz zu tief; bin doch auch ich ein Mensch! Gut, mag Mansur steigen und einst Abdallahs Schicksal theilen.

Der Geist erschien und warnte ihn mit finsterm Ernste; er fuhr fort:

Mein Vater, wenn unser Haus zusammenstürzt, so erinnere er sich, daß ich ihn retten und mich den Schlägen des Schicksals allein aussetzen wollte.

Vater. Furchtsame Ahnungen eines um seine Macht zu ängstlich besorgten Großen! Ihr Beide seid Männer, die es mit der Welt aufnehmen können, da Weisheit und Muth euer Erbtheil sind.

Abdallah. Sind sie das seine, so kann er es beweisen, wenn der Sultan hier nichts einzuwenden hat.

Mansur. Bruder, ich würde dir wärmer danken, wenn dir unser Vater mein Glück nicht abgedrungen hätte.

Abdallah. Um so wärmer müßte dein Dank sein, wenn ich des Danks bedürfte. Doch laß uns zuvor abwarten, ob das ein Glück ist, was du so nennst.

Als Abdallah, bekümmert über das Vorgefallene, in sein Zimmer trat, stand der Geist in seinem düstern, kalten Ernste vor ihm.

Abdallah fuhr zurück: »Abermals! Düstrer, wenn du zu meinem Schatten werden willst, so nimm etwas Menschliches an, damit mir deine Erscheinung erträglich werde.«

Geist. Erträglich oder nicht, dies ist mir gleich.

Abdallah. Und was wolltest du dort? –

Geist. Dort? – Mußte ich nicht? Bin ich nicht von dir gedungen, dich vor jeder Thorheit deines Herzens zu warnen und dir zu sagen, was aus deinen Thorheiten erfolgen wird?

Abdallah. Beging ich eine, da ich auf die letzte Bitte eines sterbenden Vaters horchte?

Geist. Die Menschen, um deren willen du da zu sein glaubst, leben fort. Was liegt mir an ihm, an dir, an ihnen; ich würde schweigen, wäre ich nicht gezwungen, dir zu sagen, daß du diese Bitte nicht erfüllen darfst, weil ihre Erfüllung Folgen haben soll, die Giuzurat erschüttern werden – doch die Nichterfüllung desselben wird dein eignes Herz zerreißen. –

Abdallah. Willst du mich mit dieser Zweideutigkeit tödten?

Geist. Was kümmert mich die Wirkung meiner Worte, die du zweideutig nennst? Ich thue meine Pflicht, gleichviel für mich, ob sie dich tödtet oder ergötzt. Kennst du den Mann, den du nach Baglana als Statthalter senden willst, oder verblendet dich brüderliche Liebe? Weißt du, daß es Ebu Amru ist, der im Bunde mit deinem Bruder an deinem schwachen Vater so lange arbeitete, bis er dir abdrang, was du nun eben zu bewilligen so thöricht warst?

Abdallah. Wiederum Ebu Amru?

Geist. Er ist überall, wird überall sein. In deines Bruders Masur Busen glüht längst ein stilles, eingeschloßnes, wildes Feuer der grenzenlosen Herrschbegierde. Ebu Amru blies es nun zu Flammen auf. So lange dein Bruder auf deinen Beistand hoffte, beneidete er dich nur. Von dem Augenblick, da er zu hoffen aufhörte, mischte sich Haß in seinen Neid, und diese beiden schwarzen Empfindungen haben nun sein Herz so vergiftet, daß ihm jedes Mittel gleich ist, Macht zu erhalten und sich an dir und dem Sultan zu rächen. Selbst deinen alten Vater hat er mit diesem Gifte angesteckt.

Setze nun Mansur als Statthalter ein, und er macht bei der ersten sich schon nahenden Gelegenheit einen Bund mit den Feinden Giuzurats, reißt die ihm vertraute Grenzprovinz von seinem Vaterlande und überzieht das Land, das ihn genährt hat, mit verheerendem Kriege.

Folge nun der Bruderliebe und sende diese Pest den Baglanaren. Ebu Amru hat dir schon fleißig vorgearbeitet, und der Sultan fordert für seine Einwilligung weiter nichts – als daß Ebu Amru Kanzler werde.

Verdient meine Weissagung keinen andern Dank, als diesen Blick des Unwillens?

Abdallah. Fürchterlicher Wahrsager, dessen frostige Blicke noch mehr zermalmen als seine Worte – schütte deine ganze Weissagung in mein zerrißnes Herz und sage, was geschieht, wenn ich der Pflicht gehorche?

Geist. Ich spreche Leben und Tod, Vergnügen und Schmerz, Glück und Unglück mit gleichem Tone aus, und mein Blick wird weder von deiner Freude erwärmt, noch von deinem Unwillen betrübt.

Was alsdann geschehen wird? Willst du von nun an beginnen, das Böse mit dem Bösen abzuwägen – abwägen, was dich treffen kann, mit Dem, was andern widerfahren mag? Soll aus dem Fall, dem Sturz, dem Leiden und Unglück Anderer deine Erhaltung, deine Größe, dein Glück aufblühen?

Sprich ein Ja und sage: der Großvizir und Günstling des Sultans handelt von nun an um seiner Größe und Erhaltung willen, und ich will dir eine Bahn andeuten, auf welcher du Alles niedertreten kannst, was dich in deinem Laufe hindert. Fürchterlich erhaben, gleich einem Gedächtnißhügel, den die Menschen aus prächtigen Trümmern verwüsteter Paläste und Tempel zusammen getragen haben, um die Nachkommen an ihren wilden Zerstörer zu erinnern, sollst du am Ende derselben stehen.

Sprich dies Wort, mir ist Alles gleich – ich rathe und führe dich, wie du wünschest, und lasse dich das Gute aus dem Bösen, das Böse aus dem Guten nach deinem eigenen Wohlgefallen machen, oder es so mischen, daß deine blinden Brüder es nicht mehr begreifen werden, wie sie dein Wirken nennen sollen. Für mich ist nichts böse und nichts gut, und wenn du dieses Wort einmal gesprochen hast, so wird dein innerer Mensch das Weitere schon besorgen.

Abdallah. Durchsiehst du das Herz des Menschen, so hast du deine Antwort schon in dem meinen gelesen.

Geist. Mich kümmert's nicht. Freilich sehe ich, wie der Bund deines Bruders mit diesem Ebu Amru in die Begeistrung der Pflicht einbläst.

Abdallah. Siehst du dieses, so siehst du auch die tiefe, blutende Wunde, die deine Weissagung hier geschlagen hat. Ich soll meines Vaters Herz in dem Augenblick, da es kaum noch das Leben bewegt, mit Kummer füllen – seine letzte, einzige Bitte verwerfen – vielleicht seine Todesstunde dadurch schneller befördern? Geh, verschwinde, du bist kein Mensch; und ich wollte, ich hätte dich nie gesehen. Was habe ich durch dich gewonnen, als Furcht und Beben vor jedem Unternehmen?

Geist. Vortrefflich! Der Mann, welcher ein Wesen meiner Art zwang, ihm die Folgen seiner Thaten zu enthüllen, möchte nun des gegenwärtigen Augenblicks ruhig genießen, unbekümmert, was die Zukunft mit seinen Thaten zeugt. Wo bleibt dein Zweck? Wo der Vertrag mit mir? Mir zürnst du vergebens; die dichte dunkle Wolke, die dort am Horizont schwebt, ist eben so in deiner Gewalt, als ich. Sie kommt herauf, wenn die Dünste der Eide sie gebildet haben: ich komme herauf, wenn dein Geist Gedanken gebärt, die dem Zweck widerstreben, zu welchem du mich gedungen hast. Jene Wolke hat keinen Willen, dein Diener hat keinen Willen, auf ihr und ihm liegt das Joch der Nothwendigkeit. Wer wird es zerschlagen? – Von dir erwarte ich nichts als Undank, den Lohn, der Jedem gewiß ist, der euch wohlthut.

Freilich würdest du nun ohne meine Warnung eine sehr vergnügte Stunde leben. Deines Vaters schwacher Lebensfaden würde sich fester an sein Herz knüpfen, er würde dich mit stammelnder Zunge, nassen Augen segnen, dein Bruder dich mit falschen Küssen liebkosen, der Sultan dir schmeicheln, und du würdest in süßer Täuschung hinträumen, bis der Sturm dich überfiele und die Gespenster an das Licht sprängen, welche die rastlose Kabale, der verbündete Neid und Haß im Finstern zeugen.

Thue nun, was du willst. Hast du vergessen, warum du mich aus meiner düstern Wohnung gerufen hast, so habe ich's nicht vergessen, weil ich nicht vergessen darf.

Abdallah. Ich habe es nicht vergessen; doch, wann und wo du mir auch immer erscheinest, so erstarren meine Kräfte, und du bist mir nur ein Unglücksbote.

Geist. Beschuldigst du mich Dessen, was doch nur aus deiner Rolle und deinem Zweck entspringt! Habe ich dich zu einem Vizir, zu einem Günstling, zu einem Manne von einem Wirkungskreise gemacht, den des Menschen Kräfte nicht umspannen können?

Abdallah. Du weißt es, was mich dieser Last unterwirft.

Geist. So trage sie und sei deiner Tugend Sklav; Keiner verbleibt es lange, der nicht des Leidens fähig, zum Leiden ausgerüstet ist.

Abdallah. Ich soll, ich muß meines Vaters Herz brechen.

Geist. Was liegt mir daran!

Abdallah. Ungeheuer, das weder Mitleid noch Achtung fühlt.

Geist. Nun sprichst du Unsinn, das Einzige, was der Mensch vermag, wenn er sich selbst quält, oder Andere ihn plagen; und darum entfliehe ich.

Thue, was du willst – Verbrechen oder edle That – beides seh' ich mit den Blicken an, die dich so sehr empören. Was daraus entsteht, sage ich dir voraus – du selbst gibst dem Entstandnen Namen und Bedeutung.

Khalife. Mich däucht, Ben Hafi, dein Abdallah weiß nicht recht, so klug er auch sonst sein mag, was er will. Sein Geist da, der mir übrigens gar nicht gefällt und bei dessen Erscheinung mich immer ein Frost anwandelt, handelt doch gerade so, wie er es von ihm verlangte, wie er es wirklich zu bedürfen scheint. Und wenn ein Mann, der am Ruder des menschlichen Wesens und Lebens sitzt, das Glück oder Unglück hätte, voraus zu wissen, was auf sein Thun erfolgte, so würde doch des Bösen sehr wenig geschehen.

Ben Hafi. Und des Guten vermuthlich eben so wenig. Irre ich nicht, so fühlte Abdallah dies schon dunkel. Den Blick in die Zukunft kann nur Gott ertragen; er übersieht die Reihe der Dinge, von ihrer ersten Entstehung bis zu ihrer letzten Entwicklung, und führt jede zu dem Zwecke, dem er Alles unterworfen hat.

Khalife. Und vom Anfange bis zu dieser Sekunde war ihm Alles so gegenwärtig, wie ihm das Künftige von dieser Sekunde bis zum letzten freudigen und schrecklichen Tage ist. Er hat Alles angeordnet, trägt Alles, und die Welten sind ihm nicht schwerer, als der Flügel einer Mücke.

»Er weiß alle Geheimnisse des Himmels und der Erde. Das Geschäft der letzten Stunde soll sein wie der Wink des Auges. Gott hat euch aus eurer Mutter Leibe hervorgebracht; Ihr wußtet nichts, und Er gab euch die Sinne des Hörens und Sehens, und des Verstandes, daß ihr denken möchtet. Seht ihr nicht die Vögel, die begabt sind, an dem Gewölke des Himmels zu fliegen! Keiner unterstützt sie als Gott. Und Er hat für euch gesorgt und für euch aus Dem, was Er erschaffen hat, Bequemlichkeiten vorbereitet, daß ihr euch schützen könnt gegen die Hitze der Sonne. Er hat euch Kleider gegeben gegen die Kälte und Panzer, euch im Kriege zu vertheidigen. So füllte er das Maß seiner Gnade für euch, damit ihr euch ihm allein ergebet.«

Ben Hafi. Nach dem Verschwinden des Geistes fühlte Abdallah gleichwohl den Werth des Dienstes, den er ihm jetzt geleistet hatte, und schauderte vor dem Bösen, das sein Bruder thun sollte, das er durch ihn zu befördern auf dem Wege war. Seufzend unter der Last der Vorstellung des Schmerzes seines Vaters, begab er sich zum Sultan.

Kaum betrat er die Treppe des Palastes, so fühlte er abermals den kalten Athem des Geistes an seinen Wangen. Dieser lispelte ihm zu:

»Ergrimme, erstarre, und doch mußt du hören, was Ebu Amru diesen Augenblick dem Sultan sagt.

»Mit geheucheltem Kummer beklagt er: daß der erhabene Sultan, der so viel Gutes und Großes, zum Glück für seine Unterthanen, durch seinen sehr edlen und mächtigen Diener Abdallah wirkte, im Grunde nur für den Ruhm und die Macht seines sehr edlen Dieners Abdallah arbeitete, weil dieser vortreffliche Mann die Kunst verstände, Alles so zu thun, als sei es sein Werk allein. Noch leiser gibt er ihm zu verstehen, das gefährliche Vorurtheil sei so tief in den Köpfen der Giuzurater eingewurzelt (die Ursache davon möge nun List oder Zufall sein), daß Alles noch viel besser gehen würde, wenn man diesem edlen Manne nicht so viele Hindernisse in den Weg legte. Und da man diese Hindernisse dem Sultan selbst zuschriebe, so geschähe hier das Unerhörte, Empörende und Beispiellose: daß dieser edle Mann den Ruhm alles Guten erntete, während man den Sultan als den Urheber alles Bösen anklagte. So meint nun Ebu Amru, die Weisheit eines Monarchen von so vielem Geiste und Willen, wie derjenige, zu welchem er das Glück zu reden hätte, müßte darin bestehen: die Macht unter seine Diener zu vertheilen und sie dann so zu leiten, daß jeder nur für des Herrn Ruhm arbeitete und jeder nicht allein bloß Werkzeug seines Geistes sei, sondern es auch zu sein schiene. Geschähe dieses nicht bald, so liefe er Gefahr, von seinen Unterthanen, wo nicht ganz vergessen, doch wenigstens verkannt zu werden.«

Khalife. Bei Dem, was der Mensch da sagt, kommt Alles auf die Absicht an, die er dabei hat. Meint es dieser Ebu Amru gut, woran ich doch zweifle, so sagt er sehr kluge Dinge, und daß es so herzugehen pflegt, davon habe ich Beweise genug. Hatte ich zum Beispiel dieses verwegene Spiel nicht sehr früh bemerkt, meine Diener, unter welchen doch kein Abdallah war und ist, das den Fall etwas zu verändern scheint, würden es gerade so mit mir gemacht haben. Wenn dein Sultan ein weiser Mann ist, das ich gerne von jedem Sultan glaube, so merkt er sich, was ihm dieser Ebu Amru da sagt; denn so vortrefflich auch sein Vizir sein mag, so ist er doch nur ein Mensch. Sollte es aber der Sultan ertragen können, daß die Vortrefflichkeit des Vizirs ihn ganz verdunkelte, oder er nur vortrefflich durch die Vortrefflichkeit des Vizirs zu sein schiene, so muß der Sultan selbst ein wenig mehr als Mensch sein, und so etwas, Ben Hafi, erwartet man billiger Weise weder von einem Sultan, noch von einem Großvizir. Fahre nun fort.

Ben Hafi. Obgleich die Worte des Geistes stechend durch das Herz Abdallahs fahren mußten, weil er sich einer solchen Absicht nicht bewußt war und wirklich so unwahrscheinlich, eigen und sonderbar in seiner Lage fühlte, daß er mehr an den Ruhm des Sultans, seines Herrn, als den seinen dachte, oder vielmehr an dies gar nicht dachte und nur bloß auf den Vortheil sah, der durch seine Thaten den Giuzuratern und durch sie dem Sultan zuflösse, so faßte er sich doch schnell genug. Denn noch trug er in seinem Busen Das, was den Menschen in jeder Lage des Lebens in festem Gleichgewicht erhalten kann – edles Bewußtsein reiner Zwecke. Und damit, Herr, geht ein Mann sogar am Hofe sehr weit, und fällt er auch, so scheint er doch mehr zu fallen, als er wirklich fällt.

Khalife. Wie verstehst du dies?

Ben Hafi. Weil Das, was andern Fallen scheint, für ihn kein Fallen ist, so lange er auf dieser festen Säule ruht.

Khalife. Nun verstehe ich dich; du meinst, der Vizir könnte fallen, und der innre Mensch noch größer aufstehen.

Ben Hafi. So meine ich.

Großvizir. Die Einbildungskraft, mit Stolz vermählt, thut Wunder.

Ben Hafi. Mit denen – ich meine dieser Art – du uns wohl schwerlich überraschen wirst.

Khalife. Gewiß nicht, Ben Hafi, er ist nur Vizir!

Großvizir. Und will bei deinem Glanze, so lange ich das Glück habe, dir als Großvizir zu dienen, nichts anders sein. Die Pfuschereien des innern Menschen, wie du ihn nennst, in das Amt des Großvizirs, wirken selten etwas Gutes. Dieses Amt hat seine strengen, fest bestimmten Pflichten, in die sich nichts Fremdartiges mischen muß.

Ben Hafi. Ich beneide dich um diese Meinung nicht.

Großvizir. Ich antworte wie dein kluger frostiger Geist: was kümmert's mich!

Ben Hafi. Abdallah stand nun vor dem Sultan frei und gerade und wartete lange auf den Wink zu reden. Jeder andere Günstling, Großvizir oder Höfling, der die mißmuthige Verlegenheit, die vornehme Kälte des Sultans bemerkt, der vernommen hätte, was Abdallah so eben vernahm, würde auf Feuer gestanden, oder doch wenigstens gesonnen haben, wie er die bösen Geister beschwören möchte, welche ihm jetzt so furchtbar drohten. Der unsre stand so fest auf seiner Säule, wie die Pyramiden des Nils auf dem Punkte ihrer Schwere. Sogar das Spiel des Sultans mit seinem Lieblingsaffen, seine kalten Spöttereien mit seinem Verschnittnen über Dinge, die er vorher nie bespöttelt hatte, brachten ihn nicht aus dieser Fassung. – Sieh, Herr, so sicher ruht der Mann, der auf sich selber ruht.

Als nun ein giftiger versteckter Spott gegen Abdallah von des Sultans Lippen flog und der Sultan nach ihm schielte, die Wirkung seines Witzes wahrzunehmen und sich vielleicht seines großen Siegs zu erfreuen, so sah ihm Abdallah so treu und aufrichtig in die Augen, daß sein Blick in das Herz des Spötters schlug, das verkaltete Gefühl plötzlich erweckte, er auf ihn zutrat und mit bewegtem Athem fragte:

»Was bringt mein Freund Abdallah?«

Du glaubst vielleicht, Herr der Gläubigen, die plötzliche Veränderung des Sultans hätte die gewöhnliche Wirkung hervorgebracht, und Abdallah hätte sein Entzücken darüber in einem Strom von Worten ausgedrückt; auch dies geschah nicht. Seine Worte, wie der Ausdruck seines Gefühls, blieben männlich, fest und bieder.

Khalife. Schaffe mir den Mann, wenn er zu haben ist.

Ben Hafi. Er fühlte tief den Zug der alten Freundschaft in dem Herzen des Sultans; aber er fühlte auch Bedauern mit dem Sultan, in das sich natürlich einiges Mißbehagen mischte. In dem Gefühl dieses Mißbehagens rechnete er dem Herzen des Sultans als Gewinn an, was er seinem Verstand als Verlust aufmerkte, und Das, was nun erfolgt, bestätigte ihm, was er geahnet hatte, was ihn der Geist so deutlich merken ließ – mit einem Wort, er sah, daß er nur noch Großvizir war.

Khalife. Wie das? Wodurch?

Ben Hafi. Abdallah dachte: wäre der Sultan noch mein Freund, so würde er mir die Ursache seiner Kälte oder seines Unwillens geradezu gesagt haben; da er aber sein Mißvergnügen durch erkünstelte Mittel zeigt und mir die Quelle davon verschweigt, so muß ich schließen: nur die zufällige Erinnerung der alten Freundschaft unterstützt den Großvizir, nicht mehr sein Wirken, die Anerkennung seines Werths und seiner Treue. Und war Abdallah nun gerührt, so war er es über Das, was er für verloren ansah.

Khalife. Ich verstehe nicht, was du mit dieser Spitzfindigkeit sagen willst – Nein! Nein! Laß es nur genug sein. Ich merke wohl, Alles läuft dahin aus: es tauge nichts, daß ein Monarch mit seinem Vizir auf dem Fuß einer solchen Freundschaft stehe. Auch war ich immer davon überzeugt; denn gesetzt, ich stände mit dem meinigen in diesem Verhältnisse –

Großvizir. Herr, der Großvizir, der es wagte, der Freund seines Herren sein zu wollen, beginge Hochverrath. Im Stillen mag er ihn verehren, anbeten, in der Tiefe seines Herzens als seinen erhabenen Wohlthäter und Erhalter – gar lieben, wenn ich dieses vertrauliche Wort hier zu brauchen wagen darf; aber öffentlich, vor Aller Augen sein Freund sein und heißen zu wollen, das wage er nur nicht! Davor hüte er sich!

Khalife. Halte ein, Vizir, du gehst zu weit; doch es mag leicht sein, daß du hierin nicht zu viel thun kannst.

Ben Hafi lächelte und fuhr fort:

Abdallah antwortete dem Sultan: Ich komme, Herr, dir vorzutragen, daß die Besetzung der Statthalterschaft an den Grenzen deines Reichs keinen weitern Verzug erlaubt. Geruhe einen Mann für diesen wichtigen Posten zu ernennen.

Sultan. Ich trug dir auf, unter den verdienstvollen Großen den Mann zu wählen. Wen hast du gefunden, der sich besonders empfohlen hätte?

Abdallah. Empfohlen haben sich Viele! Du weißt, Herr, daß da des Empfehlens sehr viel ist, wo des Verdienstes wenig ist. Nach meiner Meinung habe ich einen gefunden, dem man ohne Gefahr diesen höchst wichtigen Posten anvertrauen kann. Treue, Tapferkeit und Klugheit sind in ihm vereint.

Der Sultan, welcher, wie du weißt, an Mansur, Abdallahs Bruder, und mehr noch an Ebu Amru dachte, antwortete freudig: »Ich kann mir zu dem Manne nur Glück wünschen, den du mir empfiehlst – nenn' ihn schnell.«

Abdallah. Es ist Khaled, der Held Giuzurats.

Sultan. Khaled? Er?

Abdallah. Sollt' ich mich in ihm irren? Hast du Entdeckungen gemacht, die Dem widersprechen, was ich mit dir und den Giuzuratern von ihm sage, so laß mich sie gefälligst hören. Alles, was ich bis jetzt von ihm weiß, macht ihn zum trefflichsten Unterthan deines Reichs.

Sultan. Allerdings, und selbst mein Vater hielt ihn dafür, auch hat mich sein letzter Dienst völlig davon überzeugt. Aber mich deucht gleichwohl, er sei nicht der Einzige, den du zu diesem Posten vorzuschlagen übernommen hast. Besonders weiß ich Einen, den ich um deinetwillen gern befördert hätte.

Abdallah. Warum um meinetwillen, Herr; was der Vizir um seinetwillen thut, ist selten wohl gethan. War dies nicht immer deine Meinung?

Sultan. Und ist es noch, auch selbst in Ansehung meiner, und ich sage mit dir: Das, was der Sultan um seinetwillen thut, ist selten wohl gethan. Doch der Mann, von dem ich rede, verdient diesen Posten auch um seinetwillen, und kann ich auch dir keinen Theil meiner Schuld dadurch abtragen, so kann ich's doch einem alten treuen Diener meines Vaters. Errathst du nicht, von wem ich spreche?

Abdallah. Ich errathe es, ohne zu begreifen, wie diese Bitte oder Forderung schon an dich gekommen ist.

Sultan. Ist sie nicht an dich geschehen?

Abdallah. Sie ist es.

Sultan. Und gleichwohl verschweigst du mir die letzte Bitte eines Vaters für einen Bruder, der deiner so würdig ist.

Abdallah. Dieses that ich.

Sultan. Warum?

Abdallah. Ich denke, daß ich darum Vizir bin, um auf Das zu sehen, was deinem Dienste, nicht, was meinem Hause nützt. Außerdem habe ich Gründe dazu, die dir nicht fremde sind, die du so schnell nicht vergessen kannst. Dein weiser Vater hatte es so eingerichtet, daß sich nie eine der großen Familien in die mächtigen Posten allein theilen möchte. Er befand sich gut dabei, verpflichtete sich Alle, blieb Aller Herr und konnte ohne Furcht und Rücksicht den Einzelnen strafen und belohnen. Auf deinen eigenen Befehl befolgte ich diese kluge Regel in Ansehung Anderer, soll ich sie nun um meiner Familie willen verletzen und die Forderungen Aller reizen?

Der Sultan liebkoste Abdallah und sprach: Du bleibst dir immer gleich und treu –

Abdallah. Dir treu!

Sultan. Grundsätze der Pflicht verstatten keine Ausnahme. Du hast Recht. Die kleinste Abweichung zerrüttet das Vergangene und übergibt dem Zufall das Zukünftige; aber wie wirst du den Kummer deines Vaters lindern, den Unwillen deines Bruders besänftigen? Die dir am liebsten sind, werden dich nun hassen?

Abdallah. Ich werde es ertragen und schweigen, bis meine Liebe und Geduld sie wiederum mit mir aussöhnen. Außerdem sind nur dieses die gewissen Früchte meiner Ernte, und ihr Samen schlug von dem Augenblick Wurzel, da du mich emporhobst.

Sultan. Meine Freundschaft sei dein Ersatz.

Abdallah. Darum kämpfe ich, finde nur darin meinen Lohn. Ja, mein Vater wird mich hassen, und was das Peinlichste für mich ist, man hat diesen Wunsch durch Vorspiegelung in ihm erzeugt, hat ihn dahin gebracht, daß er vergaß, was er mir einst selbst als Pflicht auflegte.

Sultan.. Wer that dies?

Abdallah. Der Mann, welcher dir seine Bitte für meinen Bruder Mansur vorgebracht hat – Ebu Amru.

Sultan. Ebu Amru? – Ja, mich däucht, er war es. Nun, er meint es gut mit deinem Bruder; verdient er darüber Vorwürfe?

Abdallah. Ich mache sie ihm nicht.

Sultan. Er ist der Einzige, der mit mir von deinem Bruder Mansur sprach, wie er es mir zu verdienen scheint, und darum möchte ich hier nach Neigung handeln können, darum und um deinetwillen, so wenig du auch dieses gelten lassen willst. Ich weiß es, daß ich dich dadurch dem Neid und Haß noch mehr aussetzte, daß man deinem Verfahren eine deiner unwürdige Deutung geben wird, und ich möchte dich geliebt und nicht gehaßt wissen, weil der Haß mich in eben dem Grade in dir trifft, in welchem mich die Liebe meines Volks zu dir in dir beglückt. Jetzt sagt ganz Giuzurat: Abdallahs Tugend verherrlicht den Thron des Sultans, und ich höre es gerne.

Abdallah. Weil du fühlst, daß der Ruhm des Herrschers über Giuzurat nie reiner glänzt, als in der Tugend seines Dieners, und weil der Giuzurater von dem Diener auf den Herrn schließt, der so durch seinen Diener wirkt, ihn so zu wirken durch seine eigne Tugend und Weisheit antreibt.

Sultan. Es sei so; ich beneide den Glanz nicht, der dich umstrahlt, und sollte selbst der meinige dadurch verdunkelt werden.

Abdallah. Kann er dies? Dein Ruhm, Herr, kann nur durch schlechte Thaten deiner Diener verdunkelt werden, jede gute wird zwiefacher Gewinn für dich, sie verbreitet Wohlsein und verherrlicht deinen Namen. Du bist der einzige Erbe aller guten, schönen, großen Thaten, und dein Name verschlingt in der Geschichte die Namen Aller, die unter deiner Leitung wirkten. Doch was du jetzt gesagt hast, hat einen andern, einen tiefern Grund – und ich weiß, was du mit diesen versteckten, dir bisher ungewöhnlichen Anspielungen sagen willst –

Sultan. Sprich!

Abdallah. Ich möchte vorher von unsrer jugendlichen Verbindung reden – dann von den glücklichen hoffnungsvollen Tagen, da du mir, begeistert von deinem erhabenen Berufe, den Plan vorzeichnetest, nach welchem du dein Volk beherrschen wolltest. Von den Thaten, die dir – und durch mich dir gelungen sind – die du damals nicht mir, sondern dem Geiste zuschriebst, der uns Beide verbunden hatte. Du nanntest meine Tugenden die deinigen, ich durfte es wagen, deine Tugenden die meinigen zu nennen. Alles, was mir Gutes gelang, sah ich als Gewinn für dich an: du als Gewinn für Die, welche dir das Schicksal zur Leitung übergeben hatte. Ich suchte keinen andern Lohn, als die Gewißheit, deiner würdig zu handeln, und damals schmeichelte ich mir, dein künftiger Geschichtsschreiber würde unter deinen vielen, menschlich schönen Thaten auch diese nicht vergessen aufzuzeichnen.

Sultan. Und nun? – Und jetzt, Abdallah!

Abdallah wollte dem Sultan sein ganzes Gefühl darlegen, ihm Alles sagen, was er von Ebu Amru für den Sultan und sich befürchtete; aber in dem Augenblick, da die Reinheit und Aufrichtigkeit seines Herzens in allen Zügen seines Angesichts strahlten, seine Lippen sich eben zu reden öffnen wollten, fühlte er den kalten, erstarrenden Athem des Geistes an seinem Ohr: »Wohin verleitet dich die Täuschung? Du verkennst den Mann, der vor dir steht!«

Sein Herz zog sich während des frostigen Lispelns des Geistes zusammen, die Begeisterung verlosch in seinen Augen, seine Züge wurden düster, kalt – er fuhr fort:

»Du kannst mich verkennen, Herr, aber ich werde immer Derselbe bleiben, den du einst in mir geliebt hast, dem du einst getraut hast.«

Die plötzliche Veränderung Abdallahs beleidigte den Sultan tief. Er sah den warmen Ausdruck der Empfindung in dem Augenblick verschwinden, da sich sein eignes Herz ihr öffnete, und schrieb die ihm unbegreifliche und unerwartete Zurückhaltung einer unzeitigen Aufwallung des Stolzes, eines finstern Trotzes zu. Nach einer Weile sagte er:

»Traut mir Abdallah nicht mehr?«

Abdallah. Ich traue mir und traue mir um so mehr, je eifriger Haß und Neid das Bündniß zu zernagen streben, welches uns, von frühster Jugend an, so schön umschlossen hat. Sultan.. Abdallah! Deinem Mißtrauen allein könnte es gelingen, was du diesen widrigen Empfindungen zuschreibst. Du hast dich gegen mich verändert, ich nicht gegen dich: wenn dir dies der Herrscher vergeben und zum Besten auslegen kann, so kann es doch der Freund nicht, ohne aufzuhören, es zu sein. Was trat zwischen uns, das uns jetzt von einander scheidet? Warum erkalten deine Blicke? Warum ersterben die Worte auf deinen Lippen, deren Sinn und Geist doch so lebendig aus deinen Augen spricht? Was tödtet die Empfindung in eben der Sekunde, in welcher sie lebendiger Ausdruck werden will? Ist Das, was du denkst, Beleidigung, so beleidige grad und frei; kalte, zweideutige Beleidigungen lassen einen Stachel zurück, welcher Freundschaft am gefährlichsten ist. Mit dir ist etwas vorgegangen, das ich nicht begreife. Wozu nun diese feierliche Miene? Mein Herz spricht dich frei; aber mir ist nicht mehr so wohl in deiner Gesellschaft, als mir sonst war, und daß es anders werde, hängt noch von dir allein ab.

Abdallah. Herr, mache diese Stunde zu einer meiner glücklichsten – was hast du gegen mich?

Sultan.. Du wendest meine Frage gegen mich – wohl, ich beantworte sie – Nichts!

Abdallah. Nichts.

Sultan.. Nichts; und hätte ich auch etwas gegen dich, wer öffnet sich dem Verschloßnen? – Fertige die Bestallung für Khaled zum Statthalter aus; ich bewundere dich und wollte, ich könnte in diesem Augenblicke noch mehr thun.

Khalife. Ben Hafi, so schön Dies alles sein mag, so ist doch deine Geschichte für ein Märchen etwas zu ernsthaft und langweilig, und verständest du die Kunst nicht, Einen mit der Hoffnung auf das Bessere hinzuhalten, du würdest bald dir allein erzählen. Aber ich muß nun einmal wissen, wie sich dein Abdallah aus dieser Lage zieht, die er, wie mich däucht, selbst erzwungen hat, und wundern soll es mich, wenn er sich lange der Bekanntschaft dieses kalten Geistes erfreut. Freilich kann ich mir, wenn ich nur will, ganz deutlich vorstellen, was es für ein Ende mit ihm nehmen wird; aber ich will dir die Freude nicht verderben. Uebrigens ist dein Abdallah für einen Vizir ein ganz rechtschaffner Mann, und gut hätte er gethan, bloß dabei zu bleiben.


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