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Sechster Abend.

Ben Hafi erschien auf den Glockenschlag und begann: Abdallah, Herr der Gläubigen, eilte bebend nach Dolt-Abad zurück. Die schreckliche Verkündigung des Mords des edeln Khaleds gab den wilden, peinlichen und widrigen Vorstellungen, die der Geist in seine Seele geworfen hatte und die immer blutrother auf dem vor seinen Augen schwimmenden, düstern Flore schwebten und in sein Gehirn zu steigen schienen, einen tiefen, schaudervollen Sinn. Selbst das heitre Licht der nun im Mittag glühenden Sonne schien ihm dicke Finsterniß, gefüllt mit Werkzeugen des Todes und des Mords, welche um ihn herblitzten und das Gefühl seines edeln Selbsts zerstückten. In dem Lispeln des Windes hörte er das Zischen des giftigen Pfeils, in jedem leisen Geräusche das Aechzen Khaleds.

Sobald er seinen Palast erreichte, sandte er nach der Wohnung Khaleds. Man ließ ihm zurück sagen, er sei den vorigen Abend auf sein Landhaus geritten. Abdallahs Eilboten flogen hinaus, und nach einigen angstvollen Stunden, zwischen dem wachsenden Entsetzen der Gewißheit und einem zitternden Strahl der Hoffnung, trat der Oberkadi vor ihn und kündigte ihm den Mord des edeln Khaleds an. Abdallah erblaßte, Thränen füllten seine Augen und erstarrten, als ihn das Erinnern des furchtbaren, ernsten Weissagers überfiel. Mit zitternden Lippen fragte er:

Wie fiel er?

Der Oberkadi antwortete: »durch einen vergifteten Pfeil in der Morgenstunde. Die Wunde über dem Herzen ist kaum sichtbar: aber das Gift der spitzigen Stachel des Pfeils drang in die Quelle des Lebens.«

Bei diesen Worten drückte sich das schwere, zermalmende Siegel der Gewißheit allem Dem auf, was der düstre Geist mit glühenden Zügen in Abdallahs Phantasie gegraben hatte, und gab seinen übrigen Weissagungen einen Nachdruck, vor dem er nun erbebte.

Der Oberkadi fuhr in seinem Berichte fort und meldete: »der Thäter des Mords sei schon ergriffen und verhaftet, es sei Kasem, Khaleds bekannter Feind, den man, bewaffnet mit Schwert, Bogen und Köcher, in der Gegend, wo das Verbrechen geschehen, gefunden hätte. Er leugne zwar die schreckliche That; aber sein allgemeiner Haß gegen Khaled, der immer vergebens gestrebt hätte, sich mit ihm auszusöhnen, mache ihn nur zu verdächtig.«

Abdallah ging mit dem Oberkadi zu dem Sultan, den er in Ebu Amru's Gesellschaft fand.

Mit bebender Stimme und nassen Augen trug er dem Sultan den traurigen Bericht vor. Der Sultan antwortete kalt: »Ich war noch früher unterrichtet wie du und sitze morgen über den Schuldigen zu Gericht.«

Die Kälte des Sultans bei der Ermordung eines Mannes, welchen er als den zuverlässigsten, treuesten und tapfersten Vertheidiger seines Throns kannte, dessen Schwert ihm und seinem Volke so oft Sicherheit und Ruhe erkämpft hatte, sank schwer in die Schale des schon empfangenen Schmerzes und machte das Gewicht der männlichen Kraft Abdallahs auf einige Augenblicke so leicht, daß nun die Thränen aus seinen Augen träufelten, wie aus den Augen der Mutter, die heute den Säugling zur Leiche werden sieht, der noch gestern wie eine blühende Blume des Lebens an ihrem ihn nährenden Busen lag.

Khalife. Ich bitte dich, Ben Hafi, lege den Kummer dieses Mannes meinem Herzen nicht gar zu nahe, da ich ihm doch, wie du weißt, nicht helfen kann. Könnte ich dies, so möchtest du ihn immer noch quälender schildern, denn in seiner Heilung fände ich ja wiederum Linderung.

Großvizir. Laß dich dies nicht so sehr rühren, Herr der Gläubigen; Abdallah weint hier vor dem Sultan nicht über die Kälte des Sultans gegen Khaled, er weint schon im Voraus über die, welche einst seinen eignen Fall begleiten soll, begleiten wird und muß.

Khalife. Ich glaube es nicht; doch sage mir, Ben Hafi, ist es so?

Ben Hafi. Mischte sich auch dies Gefühl dunkel in seinen Schmerz, so bezeugte es ihm nur um so herber die schreckliche Wahrheit: daß Das, was er hier sehe und wahrnehme, der gewöhnliche Lohn der Tugend sei. Ich wünschte, dein Großvizir möchte einst in ähnlichem Falle Dasselbe fühlen und von sich sagen können. Doch, ich erzähle ja die Geschichte eines Menschen, leider eines seltenen Mannes, nicht die Geschichte eines Großvizirs – eines Mannes, der, wenn er auch fallen sollte, gewiß größer fällt, als gewisse Großvizire jetzt auf ihren Füßen zu stehen scheinen.

Uebrigens erzähle ich seine Geschichte dir, Herr, weil in deinem Herzen ein reiner Geist wohnt und kein feindliches Wesen, welches, wenn es recht höflich ist, das Gute nur zur Thorheit macht. Meine Geschichten erfordern Zuhörer, die ausgedehnte Menschheit und moralische Kraft in ihrem Busen tragen, und keine Großvizire.

Der Großvizir lächelte, Ben Hafi sah darüber weg und fuhr fort:

Abdallah wankte aus der Gegenwart des Sultans, überließ Ebu Amru das Feld, der bei dem Sultan Das schon zu Ende gebracht zu haben scheint, was, wie man glauben könnte, der frostige Geist mit unserm Helden selbst beabsichtiget.

Der Schlaf besucht einen Mann nicht wie Abdallah, wenn er einen solchen Tag gelebt hat. Die widrigen, verworrenen Bilder des Geschehenen, des geweissagten Künftigen zogen in ununterbrochener Reihe vor seinem Geiste auf und ab. Vergebens war das Streben und Kämpfen seiner Vernunft, diese schreckliche, feste Ordnung zu brechen und mit ihrem Lichte zu verscheuchen. Aus jeder Betrachtung, jeder Erinnerung des Vergangenen, jedem zaghaften Blick auf die Zukunft sprang ein neues Gewühl finstrer Bilder, die vor seinem Geiste hinzogen und sich an die vorigen anschlossen. In dieser ängstlichen Verwirrung wollte er den Geist heraufrufen, aber sein Herz erstarrte bei dem Gedanken, und die dunkle Ahnung fing nun an, sich deutlicher und peinvoller zu entwickeln. Er sah endlich die Sonne herauf steigen, um noch unglücklicher zu werden.

Der Sultan saß auf seinem Throne, die Großen des Reichs standen um ihn herum. Abdallah wunderte sich, seinen Bruder Mansur prächtig gekleidet, nicht weit von dem Throne neben Ebu Amru stehen zu sehen; aber er erstaunte, als er auch seinen Vater erblickte, der dem Tode schon so nahe war, sich nun hier befand und finster auf ihn sah.

Auf den Wink des Sultans ward Kasem, der Mörder Khaleds, vorgeführt und ihm sein Verbrechen von dem Ober-Kadi vorgelesen.

Er leugnete die That mit einer Art, die von einem reinen Gewissen zu zeugen schien.

Als man ihm sein feindliches Verhältniß mit Khaled vorhielt und die Zeugen auftraten, welche ihn in der Nähe des Ermordeten mit Bogen und Köcher gefunden hatten, antwortete er gelassen:

»Ich leugne nicht, daß ich ein Feind Khaleds war. Mein Haß war offen und Jedem bekannt, so wie seine Ursache. Er hat mir einst aus Eifer für deinen Dienst, Herr, das bitterste Unrecht angethan und mich unverschuldet vor den Augen meiner Waffenbrüder mit dem Namen eines Feigen beschimpft. Gibt es für einen Krieger etwas Schrecklichers, als den Vorwurf der Feigheit, von einem Manne, der, als der Tapferste, mit einem solchen Worte auf immer tödtet? Der Schein war gegen mich; aber auch nur der Schein, denn ich war tapfer, da ich feige schien, da ich durch Zurückweichen wirkte, was Andere in diesem Augenblick nicht mehr durch ihren Muth vermochten. Ich schwieg, weil ich von dem kalten Verstande und der strengen Gerechtigkeit Khaleds, von seinem Hasse gegen alle Verleumdung hoffte, er würde sich in einem Falle, wobei die Ehre eines alten erprobten Kriegers auf dem Spiel stände, nicht von dem Scheine blenden lassen. Und doch geschah es, und um so mehr haßte ich ihn, weil ich der Erste war, gegen den er sich ungerecht bewies, und weil ich glaubte, persönlicher Widerwille oder Neid trieben ihn zu einem, ihm so fremden Betragen. Ich trat entehrt aus der Zahl der Krieger, lebte hier verborgen, niedergedrückt von der Schande. Nun suchte schon seit langer Zeit Khaled mich wieder zu gewinnen. Oft klopfte er an die Thüre meiner Hütte: mein Haß kochte fort, ich wies ihn rauh zurück. Vor einigen Tagen drang er gewaltsam ein und rief mir auf der Schwelle stehend zu:

»Hasse mich, Kasem, nur höre mich! Mache mir Vorwürfe, nur laß mich gerecht gegen dich sein. Der Sultan hat mich zum Statthalter von Baglana ernannt, und wenn mich dieses erfreut, so geschieht es darum, daß ich dich zu dem mir Nächsten in Rang und Würde wählen darf. Der edle Abdallah hat schon eingewilligt. Nur dadurch kann ich unsern Waffenbrüdern zeigen, welches Unrecht ich dir einst gethan habe und wie ich mein Unrecht zu erkennen weiß.«

»Mein Haß schmolz mehr vor seinem Blick und durch seinen sanften Händedruck als durch das Glück, das er mir zeigte. Doch sprach ich nicht, denn er kam mir diesen Augenblick gar zu groß und gut vor. Er bestellte mich als einen wieder gefundenen und wieder gewonnenen Freund auf seinen Landsitz, um sich mit mir über das Weitere zu bereden. Einsam zog ich die Straße hin. Nahe an seinem Landsitze hörte ich das Zetergeschrei des Mords, und ehe ich mich erkannte, umringte man mich als seinen Mörder.«

Man forderte Beweise seines Vorgebens. Da er nun keine andern als die Worte des Ermordeten vorbringen konnte, und einer der Zeugen den Pfeil vorzeigte, womit Khaled getödtet worden, und dieser Pfeil den übrigen ganz ähnlich war, die Kasem in seinem Köcher führte, er ihn auch selbst für den seinigen erkannte, so fiel der Todesspruch auf sein Haupt.

Kasem rief: »O Khaled! Khaled! Tapferster der Giuzurater! In deinem Leben thatest du mir Einzigem schrecklich weh! Dein Tod von der Hand des verborgenen Meuchelmörders tödtet mich nun heute! Der Unschuldige, welcher unter der schmählichen Last der Schande, von dir ihm aufgelegt, so viele Jahre geschmachtet hat, muß nun in dem Augenblick als dein Mörder sterben, da du ihn davon reinigen wolltest. Unbegreifliches Schicksal! Den, welchen du zerschlagen willst, wählst du frühe zu deinem Raube aus. Du triffst ihn, gehst schweigend, verhüllt vorüber, und das stille Grab verschlingt dein gewähltes Opfer ohne Rechtfertigung und Genugthuung!«

Der Sultan erklärte von seinem Throne Mansur zum Statthalter in Baglana. Mansur und sein Vater fielen vor ihm nieder, zu danken. Abdallah erstarrte; die schwarze Weissagung des Geistes über seinen Bruder schauderte durch seine Seele – er bebte – erblaßte – und schon schoß, in gewaltigem Strome, die hohe Kraft seiner innern Tugend durch seine noch bebenden Glieder und unterjochte alle Verhältnisse, die ihn so drohend, so sprechend umgaben. Er öffnete die Lippen zu reden, und plötzlich erblickte er alle Anwesenden, den Sultan selbst auf seinem Throne, bebend, erstarrt, als zerschmetterte sie eine erhabene Macht. Aller Blicke waren starr auf einen einzigen Gegenstand geheftet. Abdallah sah sich um, und der Geist trat herein mit seinem kalten, ernsten, zermalmenden Wesen, gekleidet in sein wunderbares, rollendes und rauschendes Gewand, bewaffnet mit einem straff gespannten Bogen von Ebenholz, auf welchem ein gefiederter Pfeil zum Abflug fertig lag. Mit sausendem Gange, in das sein schwebendes Gewand lispelte, mit fester, unerschütterlicher, fürchterlich schön erhabener Miene, schritt er in die Mitte des Saals vor den Thron des Sultan, und Keiner seines Hofs, Keiner seiner Wache fühlte die Kraft, sich dem Zermalmenden mit That oder Rede entgegen zu stellen und den erstaunten Herrn gegen den drohenden Pfeil zu schützen.

Der Geist sprach, und langsam und schwer und schallend, wie der am fernen Gebirge hinziehende Donner, fielen seine Worte durch das Gehör in die Herzen der erstarrten Zuhörer.

»Söhne des Staubes, welche Schein, Wahn und Trug verblenden! Ich, der Rächer der ewigen Gerechtigkeit, trete unter euch, bewaffnet mit dem nie fehlenden Bogen der Rache, den Verbrecher zu strafen, den Unschuldigen zu retten und euch vor Mord zu bewahren. Dieser Krieger hier hat Wahrheit geredet. Euer Herz würde das seine aus seinen Worten erkannt haben, wäre euch der blendende Schein nicht willkommner als die nackte Wahrheit. Der Pfeil, den jener bestochene Zeuge vorwies, ward vorsätzlich mit dem vergifteten verwechselt, um den wirklichen Verbrecher zu retten. Hier liegt er auf meinem gespannten Bogen, den meine nie fehlende Hand umfaßt. Nun bewege ich langsam das nie irrende Geschoß durch euern Kreis, von Dem an, der auf dem Throne sitzt, nach seiner Linken, dann zu seiner Rechten – an allen hier Versammelten vorüber. Der Unschuldige fürchte das giftige Geschoß nicht, nur der Meuchelmörder bebe. – So wie der weit treffende, nie fehlende Bogen der Rache sich gegen seine Brust wendet, fährt der von ihm vergiftete, aus Khaleds Wunde gezogene Pfeil in sein Herz und zeigt euch Khaleds Mörder, ohne daß meine Hand die sausende Saite berührt!«

Während der Geist so sprach, bewegte er sich mit langsamen Schritten und wandte den gespannten Bogen, mit ernstem, forschendem, durchdringendem Blicke, von dem Sultan nach seiner Linken herunter, von seiner Rechten herunter – Bebend sah Jeder den Bogen gegen seine Brust gekehrt, doch stand der Unschuldige, obgleich mit zitternden Knieen. Da aber der Geist den Bogen langsam gegen Mansur wandte und sein kalter, zermalmender Blick in seine Seele drang – und die Sehne erklang, erblaßte Mansur und fiel zu Boden, als stürzte ein Felsen des Gebirges auf sein Haupt.

Der Geist rief in seinem kalten, düstern Tone:

»Hier liegt Khaleds Mörder, verblendeter Richter!«

Die Decke der Verblendung fiel vor den Augen der Anwesenden herunter, und die Angst des Todes ergriff das Herz Abdallahs. Sein Vater lag zu den Füßen des Sultans, eine starre Leiche, und Mansur erhob das Haupt, erblickte den Geist und rief:

»Verflucht sei mein Bruder! Verflucht sein Meineid! Verflucht sein Haß! Ja, ich vollzog die blutige That, um durch Mord zu erwerben, was sein Neid mir versagte!«

Der Geist wandte sich zu Abdallah:

»Laß sehen, ob deine Tugend diese Probe besteht, ob du Muth hast, den Verbrecher dem Gesetze zu opfern, der aus gleichem Blute mit dir gebildet ist, dessen Verbrechen das deinige wird, wenn er der rächenden Vergeltung nicht abbezahlt. Ich zog die Decke der Täuschung vor euren Sinnen weg, Söhne der Erde, und überlasse euch der ernsten Betrachtung über Das, was ihr gesehen und vernommen habt!«

Der Geist verschwand; der Pfeil war hinter Mansur tief in die Wand des Saals gedrungen.

Der Sultan winkte Abdallah, dieser der Wache, und der bestürzte, bebende Sultan entfloh.

Nun drangen die Verwünschungen des erwachenden Vaters, des gefesselten Bruders in die Ohren Abdallahs und zerrissen sein Herz. Er warf sich vor seinem Vater nieder und wollte seinen Fuß umfassen. In knirschender Wuth entzog er ihm denselben und stieß ihn damit gegen die Stirne. Aechzend küßte Abdallah den Fuß, der ihn so schmählich zertrat, und ein noch schrecklicherer Fluch fiel von den Lippen des wüthenden Greises auf sein Haupt.

Aber in dem erhabenen Gezelte fiel ein hell leuchtender Blitz auf die Bilder des Lebens Abdallahs.

In seinem Herzen erwachte der Geist, der mächtiger als das Schicksal ist; er richtete sich auf und sagte zu seinem Vater:

»Ich zürne dir nicht, mein Vater, daß dein Fuß meine Stirne trat – hätte er auch mein Leben zertreten, so würde dich doch mein fliehender Geist noch segnen. Hier stehe ich, von dir gehaßt, von Allen verkannt, und habe keinen Vertheidiger als die Stimme meines Herzens, der sich das Ohr der Menschen verschließt. Vernähmest du sie, du würdest deinen Sohn bedauern und deinen raschen Fluch bereuen. Dein Fuß stieß mich weg – es ist der Fuß eines Vaters, aber doch eines Menschen – die Tugend nimmt mich auf, sie ist ewig. Der Mensch vergeht, aber nicht Das, was seine moralische Kraft gewirkt hat, und was mich nun über das Elend emporhebt.

»Ihr alle hier, die ihr Zeugen Dessen wart, was mir geschah, verdammt mich; denn was mich frei spricht, ist euch fremd, und Das, was meine Zunge bindet, euch unfaßlich. Werft das Loos über Abdallah, er fürchtet es nicht.«

Er entfernte sich, sein Angesicht voll Mitleid, Milde und Freundlichkeit gegen seinen Vater gekehrt. Die Wache führte Mansur ab. Das Gerücht von der wunderbaren Erscheinung des Rächers, der Entdeckung des Mörders Khaleds, mit den Abdallah belastenden Zusätzen, flog vom Hofe nach der Stadt, aus der Stadt nach dem flachen Lande – jeder heimliche Verbrecher bebte, staunte – und keiner der Horcher begriff.

Der Sultan saß stumm und zerrüttet vor Ebu Amru und sann der furchtbaren Erscheinung nach. Endlich hob er seine Augen zum Himmel empor und sagte bewegt:

»Wer und was dieses wunderbare Wesen auch sei, es hat mich vor Vergießung unschuldigen Blutes bewahrt, mich auf mein ganzes Leben durch seine Erscheinung erschüttert und gewarnt. Ich danke ihm; der Mörder sterbe und versöhne die Schuld, die er über uns gebracht hat!«

Ebu Amru schwieg. Einem Manne wie ihm dringt sich eine solche Erscheinung um so fürchterlicher auf, je kürzer die Dauer der Wirkung auf ihn ist.

Als Abdallah vor den Sultan trat, umarmte ihn dieser, indem er gerührt sagte:

»Unglücklicher! Verbleibe dir getreu, ich verbleib' es dir!«

Abdallah verbarg sein glühendes, benetztes Angesicht und stammelte:

»Beladen mit den Flüchen meines Vaters, trete ich nun vor dich, und keiner der Lebenden erkennt meine Unschuld, wenn du es nicht thust.«

Kalife. Deine Geschichte da, Ben Hafi, hat mich erschüttert, gerührt und überrascht, und dafür, daß dieser unschuldige Kasem errettet worden ist und du diesem Sultan das Schrecklichste erspart hast, was einem Monarchen widerfahren kann, laß ich dir zweihundert goldne Derhem ausbezahlen. Um dieser That willen bin ich selbst mit deinem frostigen Geist zufrieden, ob ich ihn gleich nicht leiden kann und noch immer seine Tücke fürchte. Hier war er wenigstens zu Etwas gut, und der Gerechte, Ben Hafi, dankt selbst dem Teufel für das Böse, das er unterläßt: der Muselmann thut mehr, er hofft und wünschet seine Besserung. Dein Abdallah gefällt mir immer mehr; aber ich fürchte, ich werde um seinetwillen viel zu leiden haben. »Doch bei dem Schlage! Was ist der Schlag? Wer soll dir begreiflich machen, wie schrecklich der Schlag sein wird? An diesem Tage sollen die Menschen zerstreut werden, und die Gebirge sollen werden wie gekrämpelte Wolle von verschiedner Farbe, die der Wind vor sich her treibt. Aber Dessen Wage schwer von guten Werken sein wird, soll ein entzückendes Leben führen.« Dieses wird das Loos der Gerechten sein. Friede sei mit dir und euch!


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