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Die Stumme.

In einem der prachtvollsten Gemächer ihrer Villa, zu welcher gleichzeitig ein Garten gehörte, in den man von der Straße aus unbemerkt gelangen konnte, hatte die Gräfin in einem kleinen, auf das kostbarste ausgestatteten Divan Platz genommen und richtete ihre Blicke auf die Stumme, welche auf einer reich mit Gold und Elfenbein ausgelegten Fußbank vor ihr saß.

»Manga!« rief plötzlich die Gräfin mit lauter Stimme, und lauschte aufmerksam auf die Wirkung, welche der unerwartete Zuruf bei dieser hervorbringen würde.

Aber die Malayin rührte sich nicht; emsig fuhr sie mit der sie beschäftigenden Handarbeit fort.

»Ich habe alle möglichen Versuche mit ihr angestellt, aber sie bleibt stumm, taub, und nur wenn ich in der Zeichensprache zu ihr rede, zeigt sie ein wunderbares Auffassungsvermögen. Ich bin also sicher, daß ich mich vollständig auf sie verlassen und sie zu meinen Zwecken gebrauchen kann.«

Die Gräfin erhob sich und berührte mir ihrem Finger leicht Mangas Schulter. Sogleich sprang diese auf, kreuzte die Arme auf der Brust und beugte sich demüthig vor der Gebieterin.

»Komm her, Mädchen,« rief diese, mit einem gewinnenden Lächeln den Arm ihrer Dienerin ergreifend und sie vor ein Portrait führend, welches kein anderes als ihr eigenes war. – Die Stumme blickte zu demselben auf, dann sah sie die Gräfin an und umschlang schmeichelnd deren Knie.

»Sie hat mich verstanden,« murmelte die Gräfin, »sie will ihr Entzücken und ihre Freude über die Aehnlichkeit ausdrücken, welche zwischen dem Original und der Copie besteht.«

Manga heftete noch immer fragend ihren ausdrucksvollen Blick auf ihre Herrin.

»Ah, sie ahnt, daß sie mir noch weiter Rede stehen soll,« rief diese befriedigt. »Warte, Kind, gleich!«

Und sie eilte nach einem Kästchen, holte ein Miniaturbild aus demselben und hielt es der Malayin vor die Augen.

Diesmal zuckte dieselbe unmerklich zusammen, aber dieses Zucken glich dem niederfahrenden Blitz, und in der nächsten Secunde war es schon wieder verschwunden.

»Auch sie also blendet die Schönheit dieser Adrienne?« murmelte die Gräfin; »wir wollen doch weiter sehen.«

Und abermals griff sie in das Kästchen und holte setzt ein männliches Portrait hervor, das unverkennbar die Züge des Herzogs wiedergab.

»Nun habe Acht, Mädchen,« rief sie, indem sie diese Worte mit einer entsprechenden Bewegung begleitete.

Manga nickte, zum Zeichen, daß sie verstanden, lebhaft mit dem Kopfe.

Die Elsenheim zeigte jetzt auf das Bild des Herzogs und dann auf Adrienne's, hierauf berührte sie das Erstere mit ihrem Finger, deutete nach dem Zweiten und streckte ihre Arme verlangend nach demselben aus.

Die Züge der Malayin belebten sich außergewöhnlich, und indem sie ihren Mund zu einem bedeutungsvollen Lächeln öffnete und die beiden Perlenreihen ihrer Zähne zeigte, legte sie gleichzeitig die Hand aufs Herz.

»Vortrefflich.« rief die Elsenheim, »sie begreift vollkommen, daß ich damit sagen will, dieser Herr liebt die junge Dame. Jetzt wollen wir doch weiter sehen.«

Und auf das Bild Adriennes deutend, machte sie gleich eine entschiedene Verneinung mit dem Kopfe, streckte die Hände abwehrend aus und zog sich zuletzt erschrocken zurück, wobei sie unverwandt das Portrait des Fürsten anblickte.

Diesmal gab sich bei der Malayin eine ausnehmende Aufregung kund. Sie verfolgte ihre Gebieterin und, was sie sonst nie gewagt hätte, sie ergriff sie bei den Händen und suchte sie, trotz ihres Sträubens, zu dem Gemälde, welches den Herzog vorstellte, zurückzuführen. Jetzt klatschte die Gräfin in die Hände und strich der Stummen schmeichelnd das volle Haar.

»Du bist ein Juwel, Mädchen,« rief sie entzückt, »Du hast eine Auffassungsgabe, wie sie mir noch nie vorgekommen ist! Doch nun kommt die Hauptsache.«

Und schnell füllte sie zwei kleine Kristallgläser, die auf dem Tische standen, holte ein weißes Limonadenpulver und reichte dasselbe Manga, wobei sie selbst in die Ecke des Divans sank und alle Zeichen der Ermattung und Schläfrigkeit zu erkennen gab, abwechselnd machtlos die Arme niedersinken lassend und erschöpft die Augen schließend.

Die Stumme war mit der größten Aufmerksamkeit ihren Bewegungen gefolgt. Jetzt flog sie plötzlich wie der Blitz aus dem Zimmer und kehrte wenige Minuten darauf mit einer kleinen, sorgfältig verschlossenen Büchse zurück.

»Oeffne!« sprach die Elsenheim und machte dabei das entsprechende Zeichen.

Manga befolgte den Befehl; ein zweites weißes Pulver wurde sichtbar.

»Nun?« rief die Gebieterin, in deren Augen Triumph und Freude leuchteten.

Jetzt machte die Malayin eine Bewegung, als wenn sie von dem Pulver etwas in eins der Gläser schütten wollte, zeigte dabei bedeutungsvoll auf das Portrait Adriennes und ahmte schließlich die müden, verworrenen, schlaftrunkenen Bewegungen der Gräfin nach.

»Genug!« rief diese mit leuchtenden Augen, »sie hat mich verstanden und zeigt sich bereit, mir zu dienen. So bestätigt sich also Alles, was Herr van Büren mir über die geheimen, wunderbaren Tränke erzählte, welche das Volk, dem sie angehört, zu bereiten versteht. Für heute ist, es gut, Manga,« fuhr sie fort, schmeichelnd die braunen Wangen der Malayin berührend. »Und hier – damit Du siehst, daß ich nicht undankbar bin, nimm dies!«

Die Gräfin holte ein reich mit Smaragden besetztes Armband hervor und legte es eigenhändig um den runden Arm der Stummen, während diese ihre Hand mit Küssen bedeckte. In diesem Augenblick trat Henriette, die Kammerfrau, herein und meldete:

»Die Frau von Lindenberg ist so eben angekommen, soll ich sie eintreten lassen?«

»Führe sie unverweilt herein; eile, ich erwarte sie schon mit Ungeduld!«

In der nächsten Secunde öffnete sie die Portiere, und die Baronin, aufgeputzt wie ein Pfau, stand vor ihrer Gönnerin.

»Schön, daß Sie kommen,« rief die Letztere; »welche Nachrichten bringen Sie?«

Die würdige Dame, in deren Augen man Alles, nur nichts Gutes lesen konnte, warf einen fragenden Blick auf Manga.

»Sprechen. Sie ganz ungenirt. Dieses junge Mädchen ist taubstumm, doch wenn sie dies auch nicht wäre, unsere Sprache ist ihr unbekannt, sie würde kein Wort davon verstehen,« sagte die Gräfin.

»Nun, gnädige Frau, Alles ist vorbereitet.«

»Sie haben also die Toilette Adriennes so gewählt, wie ich Ihnen angab?«

»Ganz wie die Frau Gräfin befahlen.«

»Um wie viel Uhr haben Sie den Wagen bestellt?« fragte die Gräfin weiter.

»Um Sechs. Meine Pflegebefohlene kann jeden Augenblick eintreffen.«

»In diesem Fall entfernen Sie sich durch den Garten, Adrienne darf Sie nicht sehen.«

»Sehr wohl, Frau Gräfin.«

»Haben Sie der Tante des jungen Mädchens, der alten Seebach, mitgetheilt, was Seine Durchlaucht auf die überreichte Bittschrift beschlossen haben?«

»Sie ist entzückt über die ihr zu Theil gewordene Gnade. Als Kastellanin auf Schloß Rosenthal angestellt zu werden, hatte sie nicht erwartet.«

»Es ist ein stiller, abgelegener Ort,« sagte die Elsenheim, ihre Vertraute bedeutungsvoll ansehend.

»Er konnte nicht besser gewählt werden,« antwortete diese eben so bedeutungsvoll.

»Nun hören Sie wohl, was ich Ihnen sage,« fuhr die Gräfin einen Schritt näher tretend, fort. »Morgen bezieht die Seebach das Schloß, sie wird Alles dort zu ihrer Aufnahme bequem eingerichtet finden. Heute über acht Tage – verstehen Sie wohl, was ich sage?«

»Die Baronin hatte ein kleines Notizbuch hervorgezogen. »Heute über acht Tage,« wiederholte sie schreibend.

»Muß Alles vorbereitet sein, um unsere bisherigen Bemühungen mit Erfolg zu krönen,« diktirte die Elsenheim weiter.

»Mit Erfolg zu krönen,« wiederholte Frau von Lindenberg.

»Der Herzog wird dann am Abend in Rosenthal eintreffen.«

»Eintreffen.«

»Natürlich erwartet er nur Adrienne dort zu finden.«

Diesmal antwortete Frau von Lindenberg durch ein bedeutungsvolles Nicken mit dem Kopfe, verbunden mit einem vielsagenden Lächeln.

»Um dies zu erreichen,« fuhr die Elsenheim in ihrem Dictat fort, »holen Sie die Seebach des Nachmittags nach der Stadt ab und behalten sie bis Mitternacht bei sich.«

Die Baronin schlug mit einem widerlichen Grinsen das Notizbuch zu, sie gewahrte nicht, daß die Stumme, welcher sie den Rücken zukehrte, einen Blick auf sie richtete, in welchem sich Haß und Verachtung aussprach.

»Keinen Irrthum also,« bemerkte die Gräfin, »Sie würden schwer dafür büßen.«

»Die gnädige Frau können unbesorgt sein.«

»Der Herzog wird um neun Uhr in Rosenthal eintreffen.«

»Mögen sich Seine Durchlaucht gut amusiren,« grinste die Baronin.

»Sie besitzen also nunmehr Ihre Instructionen, handeln Sie treu und klug. Für jetzt habe ich Ihnen Nichts weiter zu sagen, ich will Sie nicht länger aufhalten, Ihre Zeit wird kostbar sein. –«

Die Elsenheim machte zum Zeichen der Entlassung eine Verbeugung, aber Frau von Lindenberg rührte sich nicht von der Stelle.

»Haben Sie mir vielleicht noch Etwas zu bemerken?« fragte die Erstere mit einer Miene, welche eben keine große Achtung ausdrückte.

»Die Frau Gräfin wollen gnädigst verzeihen, aber die außergewöhnlichen Ausgaben – der Aufwand, den ich zu machen gezwungen bin – ich muß wirklich bekennen, daß meine Kasse bis auf den Grund erschöpft ist.«

»Mein Gott, wie kann das möglich sein? Ich gab ja erst noch vor wenigen Tagen dem Herrn von Neuburg wieder eine ansehnliche Summe!«

Die Baronin zuckte mit den Achseln. »Leider,« sagte sie mit einem scheinheiligen Seufzer, »scheint der Herr Vetter die Großmuth der Frau Gräfin zu mißbrauchen und auf meine Gutmüthigkeit und Pflichttreue zu spekuliren. Während er ein luxuriöses Leben führt und sein Neffe, der Herr von Bärenfeld, Hunderte von ihm empfängt, muß ich darben.«

Die ganze Erzählung enthielt kein wahres Wort; sie war nur darauf berechnet, der Elsenheim eine neue Summe abzuschwindeln, von welcher ihr sauberer Verbündeter nichts wissen sollte.

Mit einem Blick unverholener Geringschätzung langte die Gräfin nach ihrer wohlgefüllten Börse und warf sie der Baronin zu, die auf diesen Moment schon gelauert hatte.

»So entschädigen Sie sich hiermit,« sagte sie, den Kopf stolz zurückwerfend; »Herrn von Neuburg werde ich wegen seiner Handlungsweise bei nächster Gelegenheit zur Rechenschaft ziehen. Uebrigens – Warten Sie doch noch einen Augenblick! – Wie ist mir denn? – Hat dieser Assessor von Bärenfeld nicht ein Verhältniß mit einem jungen Mädchen?«

»Ja, mit einer gewissen Catharina Fischer, mit einer ganz leichtsinnigen Person, die sein Vertrauen mißbrauchte und welche ihm erst vor wenig Tagen mit einer ansehnlichen Summe durchgegangen ist.«

Während die Baronin mit der frechsten Unverschämtheit diese neue Lüge vortrug, war mit der Stummen eine wunderbare Umwandlung vorgegangen. Ihre Augen flammten und richteten sich wie zuckende Blitze auf die Erstere, ihre kleinen Hände ballten sich drohend zusammen und ihre leichte, biegsame Gestalt krümmte sich wie eine Tigerkatze, als wäre sie gleich dieser bereit, sich auf ihren Feind zu stürzen. Aber dennoch bezwang sie sich mit aller Kraft und indem sie die vollen, frischen Lippen fest zusammenpreßte, stieß sie schließlich nur einen tiefen schmerzlichen Seufzer aus.

»Meine arme Kleine langweilt sich,« sagte die Elsenheim theilnehmend, »doch es ist auch die höchste Zeit, daß Sie sich entfernen, meine Beste, gehen Sie also, unsere Geschäfte sind für heute beendet.«

In diesem Augenblick hörte man das Rollen eines Wagens; er hielt vor dem Hause.

»Das ist Adrienne,« rief die Elsenheim, welche an das Fenster getreten war, »geschwind, steigen Sie die Treppe hinab, meine Kammerfrau wird Sie durch die Gartenthür ins Freie lassen.«

Während die Baronin wie eine unheimliche, Widerwillen erregende Erscheinung hinter dem Ausgang verschwand, erstieg Adrienne leicht und behend den mit feinen Teppichen belegten Haupteingang und stand kurz darauf vor der Gräfin.

»Willkommen, mein liebes, theures Kind,« rief diese gleißnerisch, das junge Mädchen in ihre Arme schließend, »wie wunderschön sehen Sie heute aus. Wahrhaftig, wenn es sich mit der Liebe, welche ich für Sie hege, vertrüge, so könnte ich in der That auf Sie eifersüchtig werden.«

»O,« antwortete Adrienne, »Sie, die so schön und so hochgestellt sind, könnten doch unmöglich Ihren eigenen Werth so sehr vergessen. Und überdies,« fügte sie lächelnd hinzu, »sehen Sie nur, wie demüthig ich vor Ihnen stehe, niedergedrückt und im Herzen tief gerührt von Ihrer Großmuth, denn dieses schöne kostbare Kleid, welches ich trage, erinnert mich ja von Neuem an Ihr unerschöpfliches Wohlwollen.«

»Kein Wort mehr davon,« sagte die Elsenheim, Adrienne nochmals umarmend, »so ist von der Lindenberg dennoch geplaudert worden, ungeachtet ich es ihr so streng verboten hatte. – Doch genug! Lassen Sie uns in den Garten gehen, wir wollen heute dort den Thee einnehmen.«

Und die Elsenheim ergriff voll lebendiger Heiterkeit den Arm Adriennes und stieg mit derselben leicht und behend die schöngewundene Treppe hinunter.

»Laß uns den Thee im Pavillon serviren, Henriette,« sagte sie im Vorübergehen zu ihrer Kammerfrau.

In der That plauderte Adrienne auch wie ein frohes, unschuldiges Kind und auch die heitere Laune der Elsenheim steigerte sich von Minute zu Minute.

Plötzlich erschien die Kammerfrau mit beflügelten Schritten und stellte sich mit bestürzter Miene vor ihre Gebieterin.

»Was giebt es?« fragte diese verwundert, obgleich sie recht gut wußte, was für eine Antwort nun folgen würde.

»So eben ist Seine Durchlaucht der Herzog angelangt; er richtet seine Schritte unmittelbar hierher.«

»O, mein Gott,« rief Adrienne erschrocken, »und ich hier? – Was würden Seine Durchlaucht sagen, wenn Dieselben mich hier träfen! – Lassen Sie mich fliehen, gnädige Frau. Ach, ich geriethe in Verzweiflung, wenn ich wüßte, daß meinetwegen der Herzog unwillig würde!«

»Thörichtes Kind,« sagte lachend die Elsenheim, »wohin wollten Sie denn Ihren Rückzug nehmen? Etwa hier durch das dichte Gebüsch, welches uns von drei Seiten einschließt? Nein, bleiben Sie, der Herzog ist freundlich und herablassend und keinesweges unempfindlich gegen solche Reize, wie Sie zur Schau tragen.«

»O, gnädige Frau –«

Und Adrienne erröthete, während sich gleichzeitig das Gefühl befriedigter Eitelkeit bei ihr geltend machte.

In diesem Augenblick zeigte sich ein schöner, stattlicher Herr, von hohem, kräftigen Körperbau, mit einem Gesicht, welches Wohlwollen und Gutmüthigkeit ausdrückte, in der Ferne.

»Der Herzog!« rief die Elsenheim und erhob sich, um demselben entgegenzueilen, während Adrienne mit klopfendem Herzen und unter dem Zauber einer holden Verwirrung dastand, welche einen neuen Liebesreiz über sie ausgoß.

»Ah, Gräfin,« rief der Fürst, galant die Hand der Elsenheim küssend, »ich konnte mir die Lust nicht versagen, Sie einmal so recht unverhofft zu überraschen, und wahrlich, ich bereue diesen Einfall nicht, denn was ich sehe, reißt mich zum Erstaunen und zur Bewunderung hin.«

Der Herzog richtete bei diesen Worten seine Blicke so unzweideutig auf Adrienne und machte gegen sie eine so chevalereske Verbeugung, daß diese ihn gar nicht mißverstehen konnte und sich tief und ehrerbietig verneigte, während sie die Worte: »Durchlaucht diese Gnade – ich verdiene sie nicht –« hervorstammelte.

»Ew. Durchlaucht entgeht doch Nichts!« rief die Elsenheim, scherzend auf des Herzogs Aeußerung eingehend, »und jetzt, da das Geheimniß einmal verrathen ist, kann ich für meine junge Freundin nur um Höchstdero Huld und Nachsicht bitten.«

»Als wenn ich jemals gegen Ihr Geschlecht grausam gewesen wäre,« rief lachend der Fürst. »Uebrigens wissen Sie«,« fügte er mit einer artigen Neigung des Kopfes hinzu, »vor der Macht der Schönheit beugen sich selbst die Könige bereitwillig, und es giebt Augenblicke, wo es viel süßer ist zu gehorchen, als zu herrschen.«

Adrienne machte eine neue, ehrerbietige Verbeugung und erröthete diesmal noch tiefer.

»Die Demoiselle ist Euer Durchlaucht übrigens nicht so unbekannt wie Dieselben vielleicht glauben,« begann jetzt die Elsenheim. »Sie ist die Nichte der alten Seebach, die sich vor einiger Zeit erlaubte, durch meine Vermittelung eine Bittschrift in Ihre Hände zu legen.«

»Ah, jetzt entsinne ich mich! Nun, Sie wissen ja, Gräfin, was von mir in dieser Sache beschlossen worden ist.«

»Bedanken Sie sich, Adrienne,« sagte diese, »Durchlaucht haben die Gnade gehabt, Ihre Tante zur Kastellanin des Schlosses Rosenthal zu ernennen.«

Das junge Mädchen trat vor und wollte die Hand des Herzogs ergreifen, um sie zu küssen, doch mit einem freundlichen Lächeln verhinderte er dies und sagte galant:

»Ich schätze mich glücklich, Ihnen durch diese Ernennung eine kleine Freude gemacht zu haben, und da Sie ebenso viele Bescheidenheit wie Anmuth an den Tag legen, so wird es mir angenehm sein, wenn Sie mir noch weitere Gelegenheit bieten, Sie näher kennen zu lernen.«

Der Fürst verbeugte sich höflich, und indem sein Blick Adrienne nochmals so bedeutungsvoll traf, daß das Blut ihr ins Gesicht stieg, machte er Anstalt sich zu entfernen.

»Ew. Durchlaucht wollen also nicht von ihrer geringen Dienerin eine Erfrischung annehmen?« fragte die Elsenheim.

»Was könnten Sie mir noch Schöneres bieten, als Sie mir bereits geboten haben,« entgegnete der Fürst, einen vielsagenden Blick mit seiner Vertrauten austauschend – »leben Sie wohl, Mademoiselle, ich hoffe, daß wir uns recht bald wiedersehen werden.«

Als die Elsenheim, die den Herzog bis zum Ausgang des Gartens begleitet hatte, zurückkehrte, sagte sie:

»Die Auszeichnung, welche Durchlaucht Ihnen hat zu Theil werden lassen, ist eine so auffallende, daß ich Ihnen dazu Glück wünsche. Hoheit zeigt sonst nur sehr selten solche Zuvorkommenheit, und wenn Sie dieselbe gehörig zu benutzen verstehen, sind Sie auf dem besten Wege ihr Glück zu machen.«

Diesmal erröthete das junge Mädchen noch tiefer, das Blut drang ihr zum Herzen, und ohne daß sie sich eine bestimmte Rechenschaft darüber zu geben vermochte, fühlte sie sich von einem Gefühl der Angst und Bangigkeit ergriffen.

»Nein,« rief sie, »ich strebe nach keinem anderen Glück, als dessen ich mich jetzt erfreue; ich bin zufrieden und diesen Frieden, welcher mein kostbarstes Gut bildet, will ich mir bewahren.«

Die Gedanken Adriennes kehrten dabei unwillkürlich in die Vergangenheit zurück; sie erinnerte sich der Worte des Doctors beim Abschied, als er sie vor der Falschheit, der Verstellung, der Intrigue, denen sie in der Residenz entgegengehe, gewarnt, und wobei er besonders von Gefahren gesprochen hatte, die sie vielleicht bedrohen dürften.

Dies Alles bewirkte, daß ihr noch soeben in voller Heiterkeit strahlendes Gesicht plötzlich ernst wurde und daß ihr Mund, im Augenblick vorher zu einem Lächeln befriedigter Eitelkeit geöffnet, jetzt den Ausdruck des Schmerzes annahm.

Die Elsenheim war aber eine viel zu gute Menschenkennerin, als daß sie nicht hätte errathen sollen, was im Innern des jungen Mädchens vorging, sie war auch viel zu klug, um nicht zu wissen, daß ein einziges unvorsichtiges Wort bei demselben einen Verdacht hervorrufen könnte, wodurch ihre Pläne Gefahr liefen, über den Haufen geworfen zu werden. Sie lenkte daher vorsichtig ein und sagte lachend:

»Nun, im Grunde haben Sie auch recht, wenn Sie den Worten des Herzogs keine besondere Bedeutung beilegen. Er war bei guter Laune, er ist Ihnen wohlwollend entgegengetreten, und da dies gerade bei mir geschah, so macht mir dies doppelte Freude.«

Adrienne lächelte. Das bange Gefühl war verschwunden, Stolz und Eitelkeit regten sich wieder, und im Stillen freute sie sich nun doch ihres Triumphes. Ihre ganze heitere Laune kehrte zurück, und erst spät am Abend verabschiedete sie sich, mehr wie je von der Liebenswürdigkeit ihrer Gönnerin eingenommen und von der aufrichtigen Gesinnung derselben überzeugt.

 

Es mochte bereits Mitternacht sein. In der Wohnung der Elsenheim herrschte jetzt völlige Stille; kein Licht brannte mehr, Alles schlief fest und sorglos, und wie hätte unter dem Schutz einer solchen Gebieterin irgend Jemand hier auch stören können?

Nur eine Person wachte noch, die Stumme. Sie richtete sich in ihrem Bette behutsam in die Höhe und lauschte vorsichtig. Kein Laut ließ sich vernehmen. Sie verließ geräuschlos ihr Lager, schlüpfte in ihre Kleider und holte aus einem verborgenen Ort einen Schlüssel hervor.

»Sie schlafen Alle,« dachte Manga befriedigt und schlug die Portiere auseinander. Dann glitt sie geräuschlos die Treppe hinab, die nach dem im Erdgeschoß gelegenen kleinen Salon führte. Von dort trat sie in den Garten und schlüpfte wie ein Aal an Hecken und Sträuchern entlang, bis sie vor einer kleinen in der Mauer angebrachten Pforte stand.

Diese öffnete sie mit dem mitgenommenen Schlüssel und trat ins Freie. Ihr gegenüber, etwa zwanzig Schritte entfernt, befand sich eine Gruppe dichtbelaubter Bäume. In wenigen Sätzen hatte die Stumme, sie erreicht; hier stand sie einem Manne gegenüber, der sie erwartet zu haben schien.

»Catharina!« sagte der Unbekannte leise, ihr zur Begrüßung die Hand reichend.

»Mein Retter,« erwiderte die Malayin, die plötzlich die Sprache wiedergewonnen hatte, »Sie sehen, ich halte Wort und heute habe ich Ihnen Wichtiges mitzutheilen.«



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