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Barcarole

I

(Altes Venedig)

Die Stadt ist eine Schöne, wunderbar
gehüllt in feenfarbiges Gewand.
Ferne Galeeren lenkt die schmale Hand,
Schirokko greift ins golden-wirre Haar,
und wenn er nachts aufrüttelt die Lagunen,
Seefahrer träumen noch von den Taifunen
indischer Meere – Marco Polo stand
mit ihnen irgendwo in Märchenland …
Die Stadt ist eine Schöne: wie sie lächelt,
von Orients Düften süß und schwül umfächelt …
Herrin, die fernhin ihren Zepter hält,
zu Füßen alle Schätze dieser Welt,
Seide aus Trapezunt, Ultramarin
und Perlen, würdig einer Königin,
als deren Kleid der Ozean sich bauscht,
Gold, Silber, aus Ägypten eingetauscht
Gewürz und Balsam, Elfenbein:
Du, aller Träume zauberreicher Schrein,
du, aller Märchen muschelbunter Hafen,
Herrin der Welt, vor der wie Mohrensklaven
sich die Geschicke neigen, schenke mir

von deinem Prunk nur einen leisen Schimmer,
daß er auf meinen Versen ruht, sie immer
fremdländisch-schön macht, voll von Glanz und Zier …

II

Gleite, singe, silberhelle,
sommerabendlaue Welle
stolze Marmorhäuser hin.
In der Gondel sinne, säume,
Herz, und träume deutsche Träume
am Palazzo Vendramin.

Über dem beredten Volke
am Rialto webt die Wolke
einer tatenlosen Zeit –
aber mild aus Glockenstühlen
raunt, was wir süß-schaurig fühlen:
Stimme der Vergangenheit.

Herz, hier denke nur an Eine,
Sternenferne, Sternenreine …
Alle Lust der Sinne schied.
Leis von Kirchen und Palästen
grüßen Orient und Westen,
weht Venedigs Schicksalslied …

III

Wohin führtst du, Sehnsucht, sag' …
Die Laterne brennt am Tag.
In die Irre läuft die schmale,
dunkle Gasse. Am Kanale
steh' ich plötzlich, und der fahle
Tag wird golden-blauer Tag …

Stimmen wehen, zag und zart.
Eine silbersanfte Fahrt
hält an lau umspülten Stufen.
Heimelig-unheimlich rufen
Stimmen: Was die Dogen schufen,
dir gehörts nach Traumes Art …

Sehnsucht lächelt licht und ruht …
Auf der spiegelnd-wirren Flut
zittern zierige Paläste,
und mit zauberischer Geste
lädt Vergangenheit zum Feste
in die Gondel: träume gut …

IV

O Meer – wildschönes Tier in träger Ruh …
Der Tag glomm heißer auf der Piazzetta.
In meinem Blut klang Sehnsucht immerzu
im Takt der Barkarole … Giulietta
kam aus dem Garten meines Jugendtraums
und lächelte so rätselhaft und traurig,
wie die Versunkenheit der Zeit, des Raums
die Seele stimmt, ein Liebesgeist, süß-schaurig …

Die Messe ist zu Ende. Aus des Doms
fast tausendjährig schätzebunter Muschel
verliert die Menge sich, und des Phantoms
Gesichte sind verblaßt. Geraun, Getuschel
wird wach, denn von den Stufen licht und traut
neigt frömmer sich als thronende Madonnen
die junge Prinzipessa. Tiefer blaut
der Himmel, golden, wie von tausend Sonnen …

V

Im Kanal flirrt des Himmels Sicht,
glitzern Säulen und Sonnenstäbe,
ich aber atme befreit und lebe
selbst wie ein Spiegelbild leicht und licht.

Immer fächelt die Luft ans Ohr
voll Geheimnisse, Melodien …
Ferne Glocken preisen Marien,
wie ein Glück, das ich längst verlor.

Immer träufelt die magische Stadt,
immer weht die silberne Stunde
Traum und Trost in wehsüße Wunde
einem, der keine Heimat hat …

VI

Der Verliebte schreibt:
Verliebtheit vergeht, die Liebe bleibt.
Venedig bleibt …

Die Stadt gleicht der Schönen dort mit mattbraunem Teint,
von Tauben umschwärmt – wie eine Herzogin von Zofen
auf dem marmorgleißenden Markusplatz.
Ich aber sitze im Café Quadri, nah einem warmen Ofen,
und denke deiner, ferner Schatz.

Es ist banal, wenn ich dich Schatz nenne,
wenn ich am Ende herzrot brenne,
die Markustauben sind banal.
Ich denke lieber an die Zeit des Markuslöwen,
ich schwirre mit dem Sehnsuchtsflug der Möwen
in große alte Zeit, die Gegenwart ist schal.

Wellen zittern wie hallende Harfen,
tausend strahlende Jahre warfen
goldene Pfeile in grüne Flut.
Mögen kühlere Winde schauern,
Wolken über den Zeiten trauern,
meine wegmüde Seele ruht.

VII

In Gondeln wie in Sänften leise
umfängt dich abends sanfter Sinn,
löst sich in Worte, müd und weise,
und letzter Glanz der Sonnenreise
webt über den Rialto hin …

Im Rosenschein des Unterganges
blüht Tages mystischer Gewinn.
und Glocken singen fern ihr banges,
traumtrautes Lied versehnten Klanges:
Maria, süße Trösterin …

VIII

(Altvenezianischer Garten)

Durch einen Hof von buntem Mosaik
mit Wasserkünsten gleich der Traummusik
von Muscheln, die ins Ohr uns Märchen raunen,
trittst leise du ins Gärtchen, aufgeschmückt
mit Statuen und Grotten, wo gebückt
ein Mohrensklav dich frägt nach deinen Launen.

In Sehnsucht ziellos kreist die Mövenschar,
und goldumnetzt das rötlich blonde Haar
weist eine üppig-schlanke Frau mit zarten,
ganz blassen Händen auf das nahe Meer,
und durch die Loggia, lagunenher,
weht Wind der Abenteuer und der Fahrten.


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