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Semmering-Melodie

(Geschrieben 1942)

I.

Unwirklich fast, wie hergezaubert, lag
Gebirg getürmt. Aus Felsenwildnis strebte
spielend der Zug empor. Es schien, als schwebte
ein Cherub über ihm. Im Waldeshag

erschrak ein Reh – und auch mein Herz erbebte:
wie keines Märchenorients Nacht und Tag,
melodisch-süß in ihm erklingen mag,
was es, vom Glück jäh angerührt, erlebte.

Unirdisch Glück! Ich will die Stunde preisen
als Blütenzweig, den du vom Himmel brachst,
erregend Traum und Freude immerfort.

Du lehntest leise dich an mich und sprachst
und legtest lächelnd Seele in dies Wort:
»Ich möchte immer weiter mit dir reisen …«

II.

O Wind der Fahrt, von dem der Vorhang zuckte,
frisch wie der Atem eines Alpenquells,
phantastisch-keck geschwungen Viadukte,
die pantherhaft anspringen an den Fels …
Und jählings, als den Zug der Waldberg schluckte,
barg uns das Zauberdunkel des Tunnels.

Da küßten wir uns, nahm ich deine Hände –
du überließest sie mir warm und gut,
ich aber spürte Segen ohne Ende
von dir ganz leise strömen in mein Blut,
daß er sich an mein ganzes Sein verschwende,
das ruhelose, das in dir nur ruht.

Die Finsternis zerriß. Ein Wolkenschatten
webt wiesenhin. Die Luft wird seidig-weich.
Sonntrunken schweift der Blick auf grüne Matten,
und über Schrunden steilt ein steinern Reich.
Uns aber, die wir keine Heimat hatten,
winkt blaue Ferne: Traumland, heimatgleich …

III.

Maria-Schutz am Waldrand thront,
von Engeln auf den Berg gehoben,
die süße Mutter hoch zu loben,
die droben in den Sternen wohnt.
Marie, sei meiner Liebe gnädig
in dieser kalten Welt und Zeit,
daß sie vor Hohn und Haß gefeit!
Mit deinem Mantel, zauberfädig,
hüll auch die Liebste sorglich ein,
daß sie kein dunkles Leid verwunde!
Laß sie bewahren diese Stunde
in ihres Herzens rotem Schrein!


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