Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IX.

Die Dienstboten schüttelten die Köpfe. Ein absonderliches Frauenzimmer war ihre Herrin immer gewesen, aber das Zillerthal ist reich an Originalen und Querköpfen. Man stößt sich nicht dran, sondern lacht darüber. Doch in den letzten Tagen hatte Katharina es gar ein wenig zu toll getrieben. Bald schalt sie ohne Ursache mit den Leuten, bald ließ sie ihnen ein Fäßchen Bier vorsetzen, was sonst nur immer an den höchsten Festtagen zu geschehen pflegte. Dann hörten sie wieder die Mägde in ihrer Kammer heimlich schluchzen.

»Was hat's denn nur?« fragten die ältern Dienstboten, die schon lange hier waren. »Was wird's habn? A Spandl hat's,« kicherten die jungen Mägde. Das »Spandl« war ein großer, wilder Lindwurm, der seinen gefräßigen Rachen nach der unbändigen Bäuerin aufgethan hatte und mit ihr Krieg begann. Sie wollte sich nicht ergeben und kämpfte mit aller Wut des Selbsterhaltungstriebes gegen das himmlische Ungeheuer. »So a Daherg'laufener,« sagte sie sich vor, »a Weltbummler, der vier Jahre bei die Wilden war. Wer weiß, was er dort trieben hat?« Dann sah sie wieder sein schönes, schmales Gesicht mit den dunklen Augen vor sich. »Die sein a Lug, denn giebt's auf der Welt no so an streitsüchtigen, giftigen Menschen wie den? Hakelt er nit immer mit mir? Derschlagen möcht ma ihn.« Und plötzlich legte sie die Hände vor ihr Gesicht und lachte heimlich. »Du bist d' adeligste Frau im ganzen Land. Du bist a tappetes Schulmadl. Jetzt, was soll i glaubn?« Und ein Frühlingsschauer glückseliger Gefühle überkam sie.

Obgleich reich, angesehen und heiß begehrt von vielen, war sie innerlich doch ein ganz vereinsamtes Geschöpf. Ihr Herz war unausgefüllt, ein trotz der äußern Herbheit tief in ihr glühendes Zärtlichkeitsbedürfnis blieb ungestillt. Reichtum macht mißtrauisch, besonders ein so allein stehendes von allerlei oft nicht ganz klaren Vorstellungen erfülltes Mädchen. Da sie nicht im geringsten eitel war und den Reiz ihrer Schönheit nicht begreifen konnte, so schrieb sie alle ihre Erfolge dem Zauber ihres Geldes zu. Das machte sie hart und kurz angebunden mit den Leuten.

Severin war der einzige Mann aus ihren Freiern, an dessen uneigennützige Zuneigung sie geglaubt hatte. Deshalb hatte sie ihn auch liebevoll behandelt. Sie empfand zärtliche Freundschaft für ihn, wußte aber aus ihrem Fraueninstinkt heraus, daß dieses Gefühl wohlmeinender Herzlichkeit nichts gemein hatte mit wirklicher, echter Liebe. Zum erstenmal in ihrem Leben war ihr jetzt einer begegnet, der ihr tiefstes Inneres bewegte, der all ihre Gedanken beschäftigte, der ihr wohl oder weh that, aber sie keinen Augenblick gleichgiltig ließ. Sie fühlte sich plötzlich unter dem Einfluß eines andern stehend, fühlte, daß einer da war, der ihr weit überlegen war. »A tappetes Schulmadl,« so erschien sie sich wirklich in manchen Momenten. Und das ärgerte sie bitter, denn sie war sich bis jetzt immer sehr klug erschienen. Und sie war sich bis jetzt auch immer als eine erschienen, die Haare auf den Zähnen hatte. Nun begegnete ihr einer, der noch schärfer und kantiger als sie selbst war, und das brachte sie eifersüchtig gegen ihn auf. Und doch wieder der Jubel des echten Weibes, einen gefunden zu haben, der ihr den Meister zeigte! Und wieder der Haß des echten Weibes, das sich überwunden fühlt! Alle diese Widersprüche und Gefühle brodelten in ihr und brachten ihre Augen des öftern zum Übergehen.

Am Samstag Abend, als alle bereits Feierabend gemacht hatten, und Katharina mit roten Wangen ihren Hund scherzend im Hof herumhetzte, schlug er plötzlich laut an, und vor ihr stand der Lukasbauer.

»'s is Feierabend,« sagte er trocken.

Sie fand kein Wort vor Bestürzung bei seinem Anblick.

»Gehst nit a bißl hinaus, 's is so fein draußen im Wald.«

Als sie noch immer nichts erwiderte, sondern ihn mit unsicheren Blicken ansah, rief er barsch:

»Also! Wennst a Stummerl spielen willst, geh i wieder.«

Er wandte sich um.

»Sei do nit so grob mit mir,« sagte sie ganz kleinlaut und wischte sich mit der Hand über die Augen.

»I bin ja nit grob.«

Er kehrte zurück. Ein glückliches Lächeln legte sich um seine Lippen.

»Geh, komm a bisserl außi.«

Sie schritt neben ihm hin und sah zu Boden.

Plötzlich lachte sie auf und hob den Kopf.

»Wo willst mi den hinführn?«

»Wo d' Holzarbeiter eben weggegangen sein. Da liegt a dicker, abg'sägter Baum, wo ma si hinsetzen und ins Thal schaun kann.«

»Da sieht ma was Rar's,« spöttelte sie, folgte ihm aber. Sie gingen nach der Lichtung. Herumliegende Baumrinden und aufgeschichtete Bretter zeigten die Tätigkeit der Arbeiter.

»Warum lasst denn lichten?« fragte der Lukasbauer.

»'s waren lauter morsche Bäum', ganz durchg'fault, i laß junge Feichten hersetzen.«

Sie ließen sich nebeneinander nieder.

»Sitzt si wirkli ganz weich auf dem alten Pfeifenröhrl,« sagte Katharina, ihre leichte Verlegenheit zu verbergen suchend.

»Schau abi!«

Die Ziller rauschte, von der Abendsonne gefärbt, rot dahin.

»Als ob's brennet,« bemerkte Katharina.

»Und d' Häuserln in Zell mit d' blauen Rauchsäulen, und wie d' Fensterln goldig leuchten, als ob hinter jedem a Christkindlbaum stund.«

»Jessas und 's Hahndl aufm Kirchturm.«

»Das zittert ornli vor Lust, is nit, als ob's mit d' Flügel schlug und aufsteign wollt' zu die goldnen Berg'? Warst scho am Federbett?«

»Na.«

»Aber übers Schmirrnjoch bist do scho kommen?«

»Natürli. Da kommt ma ins Hinderduxische. Du, dort is fein. Neun Monat habns turmhochen Schnee. Wann einer in so an einschichtigen Bauernhäusl stirbt, tragn's ihn in Keller und hebn ihn auf, bis der Schnee weg is und sie die sieben, acht Stunden Weg abi ins Kirchdörfl machen können. Da is vor etliche Jahr auf der Höh' über Lannersbach a Bauer g'storbn. Wohin mit seiner Leich'? Der Schnee is haushoch g'legn, ma hat wochenlang nit amal zum nächsten Nachbar können. Auf'n Scheunenboden war wenig Platz. In der ein Kistn sein Apfl g'wesen, in der andern Mehl. Endlich habn's eine g'funden, wo nix drein war. Sixt mi nit, habn's den Bauern z'samm'krumpelt, d' Füß' und den Kopf einknickt, in d' Kistn g'stopft und zug'nagelt. Alls is steinbein festg'froren, und der Bauer is wie bei Lebzeiten a nach sein'm Tod in kan schlechtn G'ruch kommen.

Im Frühjahr, das heißt: in den ihr'n, Ende Juni, wie der Schnee 's erlaubt hat, sein's auf'n Scheunenboden aufi und haben d' Kistn aufg'ladn. Jetzt wolln ma abi ihn begraben gehn. Richtig. Wie's nach langer, mühseliger Schlepperei auf'n Kirchhof abi kommen und den Kaplan zum Einsegnen rufn wolln, sagt der Seppl, der älteste von die Trager: ›meine Leut', dös is do seltsam. Der Bauer is so g'ring Leicht. g'wesen wie er g'storben is, und jetzt war er kaum zum derschleppen. Habn mir denn a – d' richtige Kistn derwischt?‹ Drauf habn's 'n Deckel a bisserl g'lupft, und – d' Äpfel sein außakugelt.«

Alois lachte herzlich.

»Ja ös! Alle Thaler, sagt ma, klingen, nur d' Zillerthaler nit. Ös habt's d' Weisheit mit'n Löffl gessn. Aber da schau aufi. Sixt die Firnen glühn? Sixt, wenn ma dort über den Schwarzensteingletscher steigt, kommt ma in Taufers im Südtirolischen außa. Is das a Glanz und a Leuchten! Der ganze Himmel glüht ... Jetzt hoch oben stehn. Mein!«

»Geh, laß di nit auslachn!«

»Ös Bauern habt's gar kan Sinn für Naturschönheiten.«

»Bist selber ka Bauer?«

»Weil d' fremden Leut mi auf d' Schönheit in unserm Gebirg aufmerksam g'macht habn, weil i schon Herrlich's in der Welt g'sehn hab, drüben übern Meer ...«

»Das war dei Dummheit, daß d' da übri bist.«

»Warum denn?«

»Da hast d'r den Hochmut ang'wöhnt.«

»Was ratschst denn da? Wo bin denn i hochmütig?«

»Willst ka Bauer sein.«

»Das hab i nit g'sagt. Ich hab nur –«

»Ja, ja, i – i kenn di schon.«

»Kruzinesertürken!«

Er sprang auf. Auch sie. Beide maßen sich. Aller Friede war plötzlich aus ihren Gesichtern gewichen.

»Mir is a Ziegelstein von mein' Hof lieber als dei ganze Reis'.«

»Hüt' deine Ziegelstein mein'twegen, was geht das mi an?«

Katharina lachte und setzte sich wieder.

»Du, vorig's Jahr hat mir a reicher Münchner Maler, der überall zu die Bauern um alten Kram hausieren geht, – ka Hufeisen von an verreckten Gaul is vor ihm sicher – fufzigtausend Gulden boten, wenn i ihm 's Anwesen überlaß.«

»Na, und was hast ihm denn g'sagt?«

»A Nasn hab i ihm dreht.«

»Recht so.«

»Also g'fallt d'r das Keuscherl do?«

»Du Aff' du. I könnt di mir gar nit denken ohne den Hof. Er is wie a Kron, die zu aner Königin g'hört.«

Ihre Augen leuchteten.

»Der Tepp,« fuhr Alois geringschätzig fort, »fufzigtausend Gulden! Für das Anwesen kriegst, wennst es heute verkaufn willst, mehr als 's Doppelte von an ordentlichn Käufer.«

»Traust di nit mehr neben mir z' sitzen,« fragte Katharina.

»Du bist ja vorhin aufg'sprungen.«

»Hab mi ja wieder hing'setzt. Hast Furcht um dein guten Namen, wenn ma di nebn an ledign Frauenzimmer sieht?« witzelte sie.

»Ja, i fürcht mi, wenn's der Koflerin z' Ohren kommt, könnt's eifersüchtig wern.«

Sie lachten beide.

»In Tirol is ja 's Liebn derlaubt.«

»Im Salzburgischen is 's a nit verboten. In Kitzbüchl nimmt ka Frau a Magd, die nit wenigstens ihre zwei ledign Kinder hat.«

»Hör auf.«

»Wirklich wahr,« bekräftigte Katharina ihre Worte, »weils nacha weiß, daß das arme Weibsbild lang auf der Stell aushalt. I bitt di, sie muß ja für d' Kinder sorgen.«

»Nit unschlau von d' Herrenleut. Weißt, daß von euch Zillerthalern d' Red geht, ös seid's eing'wanderte Juden?«

»Ja, i weiß. Erstens, weil ma z'sammhaltn, und weil manche lieber Kaufleut' als Bauern san. Aber hauptsächlich deswegen, wei ma kane Kröpf' habn. An echter Innthaler verlangt von seinm Weib außer der Mitgift no an Kropf. Sonst glaubt er, sie is a Walsche, oder so wo her.«

»Du hast do an, richtig, an mordsdickn.«

»Das geht di nix an,« sagte sie, unter seinen lachenden Blicken errötend.

»Wohl 's geht mi an. Wenn i di zum Beispiel heiratn möcht'.«

Sie machte eine Bewegung, als ob sie davonspringen wollte.

»Bleib' nur,« sagte er ihren Arm fassend.

»Laß mi aus.«

»Na, Koflerin, – bist ... kannst mi jetzt besser leiden als wie am Anfang?«

Sie knirschte die weißen Zähne zusammen.

»San ma in der Christenlehr, daß d' mi so ausfragst?«

»Weil i 's wissen möcht.«

Sie hatte sich von seinem Arm befreit und sprang auf. Auch er.

»Du, Koflerin, auf dein Haar sitzt a Viecherl.«

»So? Wo denn?«

Sie griff sich ins Haar und sah ihn an.

»I wollt dir nur in die Augen schaun. Heut hast keine grauen, ganz blaue Augen. Und drauf brennt a rot's Lichtl, das is d' Lieb.«

»O du Narr!«

Sie rannte davon. Er holte sie ein.

»Schau Katherl –« sie lehnte sich an einen Baum und schloß die Lider, damit er ihr nicht in die glückberauschte Seele sähe – »mußt ja do amal an habn, der dir dei Wirtschaft richti anpackt, immer wirst es nit selber können, wirst müd werden –«

Sie war bei seinen letzten Worten zusammengezuckt.

Was redete er da? Die Wirtschaft führen? Die ging ihm also im Kopf herum! Herrgott! Ja, eine schöne, eine prächtige Wirtschaft war es. Alle hätten gern ihr als Herr vorstehen gemocht.

Er also auch. Er! Seine Liebeserklärung galt – und der! Gerade ihn hatte sie in dieser Beziehung für ganz anders als die andern gehalten. Also auch ihn trieb die Hoffnung auf den schönen Besitz. Doch da ... da irrte er sich. Ganz gewaltig. Ihre Pulse flogen vor Schmerz, den wollte sie hineinfallen lassen, daß er es nie vergaß. Und schämen sollte er sich vor ihr, wie ein auf Bösem ertappter Junge.

»Lukasbauer,« sagte sie nach einigen Sekunden des Schweigens, die Augen niederschlagend, »dir sag i was, was i no kein andern anvertraut hab: mei Hof is bis zum letzten Ziegelstein verschuldt. Weißt, a Frauenzimmer ... d' Händler habn mi beim Fruchtkauf betrogn, d' Knecht', d' Mägd' in der Milchwirtschaft, i bin ka gute Rechnerin ... Hab a Hypothek um die andere aufnehmen müssn, was soll ma machn, d' Leut wolln lebn, die täglichen Auslagn in so aner weitschichtigen Wirtschaft machn a Heidengeld. Dazu no d' Steuern. Es wird mir nix anders über bleibn, als d' ganze G'schicht wie's liegt und steht zu verkaufn, sonst wird's ma no zwangsrechtlich versteigert. Bleibn thut mir so wie so ka Heller, wenn i alle Schulden bezahl', aber mindestens – du, Lukasbauer, schwörst aber, daß d' kan Menschen a Wort davon sagst ... schwörst es, gelt?«

»Ach was, schwören, das versteht si do von selbst. Aber ... natürli, wie kann a a Frauenzimmer wie du a Bauernwirtschaft führ'n, dei Kopf is mit so viel andern ang'füllt ...«

Er war ganz niedergeschmettert von ihrer Eröffnung und mußte mühsam nach Fassung ringen.

Katharina fühlte ihr Herz zittern vor schmerzlichem Ärger. Ihr diesen Vorwurf, ihr, deren Hof geradezu eine Musterwirtschaft war, die ihr ganzes Sinnen und Trachten darauf lenkte, den blühenden Besitz noch mächtiger und reicher zu machen. Ihr, die so klug und treulich das Erbe verwaltete, das ihre Eltern ihr hinterlassen. Ihr, der stolzen Bäuerin, die es überhaupt fast als Gnade ansah, wenn sie, von Kauflustigen gedrängt, ein oder das andere Stück Jungvieh aus ihrem Stall oder den Überfluß an Holz aus ihren Wäldern veräußerte. Die Empörung, in die sie durch Alois' ungerechtes Urteil geriet, riß sie hin.

»Deshalb ... weißt, meine Freier ... Narrn warn's alle, 's Geld habn's wolln, und Schuldn hättn's kriegt ...«

»Und d' Frau, d' Frau rechnest für nix?« Er bemühte sich heiter zu sein.

»D' Frau? Ach was, die is a nit mehr wert als ihr Hof ...«

»Jetzt haltst d'n Mund, augenblicklich, sag i dir, oder –« er packte sie an den Schultern. Sie schnellte in die Höhe.

»Was, du ... du unterstehst di, mir ... du ... was meinst eigentlich, wer d' bist, ha?«

»A Mensch, der's nit duld', daß d' in dei'm Wahnsinn was Reins in den Staub trittst, verstanden?«

»Ah, na ja, du kennst's besser, das Reine wie i, hahaha, ... der Severin und d' andern habn scho g'sorgt, daß i dei'm Reinen ka Unrecht nit thu' ...«

Er fuhr zurück und drückte die braune Faust zwischen die Lippen ...

Katharina wandte sich um und that einige Schritte. Sie schlug den Heimweg ein. Nach etlichen Minuten wollte sie sich nach ihm umsehen. Aber sie vermochte es nicht. Ihre Wangen glühten vor Scham, vor Wut. Ob er ihr nicht nachstürzte und sie niederschlug? Ob er ihr nicht eine Beschimpfung nachdonnerte?

Kein Schritt regte sich, es blieb alles still.

Am Himmel war das Rot erloschen, braungelbe Wolken trieben hin. In der Ferne kreischte ein Rabe.

Die Dienstboten waren bereits zur Ruhe gegangen. Im Hof war alles leer und still. Fast ohnmächtig kam Katharina in ihre Kammer und sank vor dem großen Kruzifix über ihrem Bette nieder.

»Warum hast mi denn so schlecht g'macht, mein Herrgott? I will's ja nit sein! I will nit, hörst es, aber i muß. I weiß nit warum. Grad' gegen den, den i so schreckli gern hab, grad gegn den. Mit den andern allen bin i ja gut, aber der, der ... zerreißen, 's Herz aus der Brust reißen möcht' i ihm, daß er vor mir auf'n Knien drum bitten müßt. O du mei lieber Herr Jesus, häst ane gern habn können, so wie i ane bin? G'wiß nit. So a gallbitteres Dirndl voll Stachln, jed's Wort a Bremsen, die si ins Fleisch einibeißt.

Laß mi so wern, daß i dir g'fallen thät, wennst no lebast. O du mein Gott, o du mein Gott, o du mein, o du mein ...«

Sie weinte und schluchzte wie ein kleines Kind. Dann kauerte sie sich auf das Bänkchen vorm Kreuze und drückte die Schürze gegen ihr nasses Gesicht. Ans Zubettgehen dachte sie nicht.

Draußen war es ganz finster geworden, ein leiser Wind bewegte die Fensterflügel, die noch offen standen. Die Weinende vernahm nichts mehr. Sie war über ihren Thränen entschlummert.

Irgend woher aus einem fernen Kirchlein tönte eine Frühglocke.

Katharina fuhr auf. Ein tiefblauer Himmel spannte sich über den schimmernden Gletschern. »Herr Jesses, scho Tag!« Sie rieb sich die Augen und erhob sich. Sollte sie sich jetzt niederlegen? Dann wird sie mit einem dumpfen Kopf erwachen. Lieber ein bißchen vors Thor, um sich das verweinte Gesicht zu kühlen, bevor die Dienstboten aufstehen. Das Ereignis des gestrigen Abends fiel zentnerschwer auf ihr Herz. Sie fühlte ein dumpfes Weh, aber klare Gedanken konnte sie nicht fassen, ihr Kopf war zu übernächtig, zu schwül. Sie empfand nur, daß sie höchst unglücklich war. Ihre Füße trugen sie kaum. Schwankend schritt sie über den Hof, öffnete das nur angelehnte Thor, und stieß einen Schrei aus. An der äußeren Hofmauer lehnte der Lukasbauer. Sein Gesicht war aschfahl. Halme und Gräser hingen in seinem Haar. Seine Augen glühten. Katharinens erste Bewegung war, sich ihm an den Hals zu werfen; sie faßte sich gewaltsam.

»Du hier?«

»I war nit daheim, hab d' Nacht im Wald verbracht. Bäuerin ... komm her zu mir ...«

Sie gehorchte zitternd. Er faßte ihre Hände und zog sie an sich, daß ihr Kopf an seine Brust zu liegen kam.

»Hör Kathi, bist a arms G'schöpfl, hast alles verloren, was ein'm Menschen Freud und Lust zum Leben giebt. Aber – i hab di trotzdem und alledem so lieb ... am End gar no lieber als früher, laß mi dir dei verlorne Ehr zurückgebn ...«

»Ja glaubst es denn?« schrie sie auf, »glaubst es denn? Aber Bauer ... so schau mi do an, schau mi an, ... schaut a verkommene Person nit anders aus? Glaubst es denn, Lois ... es ist ja alles nit wahr, alles derfunden ... die G'schicht von die Schulden und ... dem andern, i hab mir einbildt, du magst mi nur wegn dem ... mein Hof ... mein Geld ...«

»Dirn!«

Er stieß sie von sich.

» Mir hast das zutraut, mir, der i immer davon träumt hab', a ganz arm's Madl z' nehmen, wie mein Vater than hat, mir ... der i ... g'fürcht hab i mi vor dein Hohn, wenn i nur von meiner Lieb' zu dir red, deshalb hab i die Sach ... deinetwegn ... von der praktischn Seiten anfassen wolln ... mir ...«

»Wenn i dir nit zutrauen darf, daß d' mi wegn mein Geld nimmst, wie hast du mir zutrauen können, daß i mei Ehr weggeworfn hab, sei nur stad du –« ihre Reue, ihre heiße Liebe, alle Vorsätze waren in diesem Augenblick vergessen – »sei stad, mir san anonder nix schuldig.«

»Bäuerin, in dir wohnt der Teufel!«

»Kann scho sein, aber erscht – seit i di kenn ...«

»Nacha ...« seine Adern schwollen dunkel an, »vergiß halt, daß d' mi kennt hast.«

»Das wer i a, hüt di nur, mir wieder mein Weg z' kreuzen, sonst ... meine Hund hetz i auf di ...«

»Jesus, Jesus,« stammelte er, krallte die Finger in die Wangen und stürzte fort.


 << zurück weiter >>