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VII.

Indes die beiden langsam dem Thal zuschritten, trat Katharina in ihre Stube, warf sich auf einen Stuhl und bedeckte das glühende Gesicht mit den Händen.

Ob's wahr ist, ob er ihr diesen Schimpf angethan hat! Ihr Bild auf sein Haus gemalt! »Wie an Steckbrief,« stammelte sie, die Zähne zusammen beißend. »Und i hab' ihm doch nix than, gar nix. Jetzt is alles aus. I kann mi nit mehr bei Tag sehen lassen. Mit die Finger wern's zeign auf mich. Ka Mensch wird mi mehr für rechtschaffen halten. Alles is aus, verlorn. Aber wart! das sollst bezahln. Eingsperrt wirst. Hinrichten laß i di. Hinrichten!«

Sie sprang empor, riß mit zitternden Händen ihren Schrank auf, zog ihre guten Kleider an, warf noch einen verstörten Blick in der Stube umher und stürmte davon.

Ihre Leute, die in großer Arbeit begriffen waren, sahen sie nicht fortgehen. Sie eilte wie eine Gemse den steilen Weg hinab, der am schnellsten in den Ort führte. Die Nadeln aus ihrem Haar glitten herab, ihr Hütchen verschob sich, etliche Distelsträuche zerrissen ihr Kleid, sie merkte alles nicht. »Wart, wart,« murmelte sie vor sich hin, »das sollst bezahlen, teuer, teuer bezahlen.«

Sie wußte selbst nicht, wie sie nach unten gekommen war. Vor dem Brückenwirtshaus stand Leni, ihre Schulfreundin, ihren kleinen Buben im Arm. Als sie Katharinens ansichtig wurde, wollte sie ihr freudig entgegen eilen, um ihr mit Mutterstolz das kleine Wunder zu zeigen. Katharina stieß sie zurück. »Laß mi.« Sie eilte weiter. Im Schulgarten hörte sie Severin mit einem Kollegen sprechen. »Wenn mi nur der nit sieht,« fuhr es ihr durch den Kopf, und sie beschleunigte ihre Schritte.

Endlich blieb sie stehen. Ihre Hand preßte sich auf die Brust. Da – ein sauberes, hohes, frisch gestrichnes Haus. Auf der Vorderfront leuchtet und gleißt es. Eine schöne, schlanke Frau mit kühnen Zügen und dunklem Haar erhebt sich von goldigem Untergrund. Ihre Hand ist auf ein Rad gestützt. Darunter steht in zierlich geschwungenen Buchstaben: Heilige Katharina, bitte für uns. Vor Katharinens Augen dunkelt es. Sie lehnt sich an den Zaun des Gärtchens, um nicht umzusinken. So verharrt sie etliche Minuten, dann öffnet sie langsam die geschlossenen Augen, um sie von neuem auf das Bild drüben zu heften.

»Und das hat er mir anthun können, mir!« Und plötzlich rollen siedende Thränen aus ihren Augen, ihr ganzer Körper bebt und zuckt. Da nähert sich ihr jemand.

»Bäuerin, warum weinst?«

»Du,« schreit sie, die Fäuste ballend, »du elendiger, schlechter, nichtsnutziger Mensch.« –

»Laß mi red'n –« er will nach ihrer Hand fassen.

»Rühr' mi nit an, sonst erwürg' i di.«

»Laß mi red'n, Bäuerin!« Auf seiner Stirn schwellen langsam die Adern an.

»Reden willst? dich verteidigen, du schamloser Teuxel? Weißt was d' than hast?«

»Bäuerin, laß mi red'n!«

»Na, i laß di nit red'n. Jed's Wort von dir is a dicke, giftgeschwollne Lug, a Todsünd' ... a Sakrileg ... a ... weißt, was d' than hast? An unschuldigen Menschen hast um sein Ruf bracht, das hast than, du Schuft, du elendiger ...«

Der Lukasbauer preßt beide Hände an seine Schläfen und entfernt sich langsam. Einen Augenblick will ihm die Rasende nachstürzen, da hört sie Stimmen, ihr Bewußtsein kehrt zurück, sie trocknet sich das nasse, brennende Gesicht und kehrt taumelnd um. Teilnahmlos, auf keinen Gruß, kein freundliches Anrufen ihrer Bekannten achtend, geht sie durch die paar Gäßlein, die sie zu durchschreiten hat, und ist bald wieder im Wald. Ihr Kopf schmerzt sie. Sie wirft sich etliche Male nieder, um die brennende Stirne im Moos zu kühlen. In ihrem Hof angelangt, begiebt sie sich gleich auf ihre Stube und dreht den Schlüssel im Schlosse hinter sich zu. Nur allein sein, allein sein jetzt ...

Sie saßen eben beim Nachtessen. In der Mitte des Tisches auf einem Brett stand eine riesige schwarz angeräucherte Kupferpfanne mit Kartoffeln, daneben eine Schüssel von ebensolchen Dimensionen mit saurer Milch. Vier Knechte und fünf Mägde tauchten ihre Löffel bald in die Pfanne, bald in die Schüssel und ließen sich den Inhalt der beiden schmecken. Katharina saß zu oberst am Tische. Ihre Wangen waren blaß, sie aß wenig. Von Zeit zu Zeit mischte sie sich ins Gespräch, mehr spielend mit ihrem Löffel, als ihn gebrauchend. Plötzlich stand die hohe Gestalt des Lukasbauern unter der offnen Thür.

»Wünsch gut'n Appetit allen z'sammen. Laß di nit stören, Bäuerin.«

Einen Moment war sie fassungslos vor Überraschung, dann raffte sie sich zusammen.

»I hab schon gessen g'habt, wie i di derblickt hab.« Sie stand rasch auf. »Was führt di her. Bleibs ös sitzen.«

Sie trat hinaus vor die Thür. Alois errötete vor Ärger, aber er mußte nolens volens ihr folgen.

»Wenigstens vor die Leut nimm' di zsamm,« knirschte er.

»Deshalb bin i ja a außa gangen.« Sie sah ihm steif in die Augen. »Wie hast di unterstehn können aufa z' kommen?«

»Bäuerin, sei gscheidt, dei Wut nutzt nix. Setz di her auf d' Bank.«

Er ließ sich auf das Bänkchen vor der Thür nieder und rückte zur Seite. Katharina biß sich zornig auf die Lippen, doch setzte sie sich in einiger Entfernung von ihm hin. Er hatte recht, die Dienstboten brauchten nichts zu erfahren.

»Koflerin, 's thut mir leid, wenn di das Bild auf meim Haus ärgert. I schwör dir beim heiligen Sakrament, i hab di nit beleidign wolln. Der Maler is a fremder Mensch, a eingwanderter Italiener, der di no nie im Leben gsegn hat. Das Bild hat a, wennst's ruhig anschaust, nit die gringste Ähnlichkeit mit dir. An 'n ganzen Gedanken is der Mathes schuld. Der hat immer gsagt: du, auf die leere Wand, da muß was aufi kommen. A Heiligenbildl. D' heilige Notburga habn eh schon alle, nimm a andere. Nimm d' Katherina. Wie er grad auf die kommen is, weis i nit. I will ihn fragn. I will d'r ihn aufaschick'n, daß er si verantwort'. Aber glaub nur nit, daß a böse Absicht dahinter steckt. Wie sollt i di denn beleidign wolln, du hast mir ja nix than.«

»Hast sonst nix z' sagen als dei Verteidigung z' führen?« rang es sich herb von ihren Lippen. »Dann häst unten bleiben können.«

»Sixt, da is scho wieder dei Teufl ... weißt,« er ballte die Faust, er konnte kaum sprechen vor Bewegung, »abkratzen hätt i das Bild lass'n um deinetwilln – aber weilst ... weilst wie der leibhaftige Satan bist, just nit. Just nit. Zürn' weiter.«

»Zürnen? Na, das thu i nit. Mei Recht wer i mir zu an Advokaten holen gehn.«

»Dei Recht? Was denn für ans? Glaubst, es is verbotn, sich a Heilignbildl auf sei Haus maln z'lassen? Is nit auf jedem Hof a Mutter Gotts, a Joseph oder Notburga aufi gmaln? Unten in Zell kenn i gar ka Häusl, wo nit a Florian oder a Nepomuk drauf is. Da kommst nit weit mit deinem Recht. Wennst mi schön beten häst' ...«

»I di schön bitten,« fuhr sie auf! Ihr Zorn war schon im Verrauchen gewesen, seine Worte fachten ihn wieder an.

»Na, dann geh' i halt wieder. Dein Trotzkopf kann nur unser Herrgott brechen. Mei Schuldigkeit hab i than, weiter hab i hier nix z' suchen.«

»Gwiß nit,« sagte sie.

Er blickte sie lodernd an.

»Der Mertens hat do' Recht: a wilds Tier bist.«

»So? hat er das gsagt?« Sie stemmte die Arme in die Seiten. »Und er is a Viehzüchter, jetzt is mir's klar, warum er mi hat heiratn wolln.«

Riegl zuckte die Schultern. »Deine Heiratsanträg wern nit alle gar so ernst gmeint sein. Kriegst ja alle Wochn ein. Sogar das Büberl, der Severin, hat d'r an gmacht.«

»Du ...« ihren Lippen versagte die Sprache. »Das ... das wagst mir z' sagn, mir, auf der ihrer Ehr ka Tüpferl unrechts is.« ... ihre Stimme brach in Thränen.

Er stand einige Minuten steif da, in seiner Brust arbeitete es mächtig, dann packte er Katharinens Hände.

»Sixt, so weit bringst ein, daß m'r si selber vergißt, du, du ...«

Sie riß sich los und eilte ins Haus.

Er entfernte sich mit unsichern Schritten, von den Dienstboten, die eben herauskamen, mit neugierigen Blicken verfolgt. Als er sich im Wald befand, wo ihn niemand mehr sehen konnte, warf er sich nieder und vergrub die Zähne ins Gras ...


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