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III.

Einige Tage später, Katharina saß in der Eßstube am großen Tische in eine Rechnung vertieft, klopfte es kurz an ihre Thür, und unter derselben erschien die hohe Gestalt eines fremden Mannes.

»Bist du die Bäuerin?«

»Die bin i, und –?«

Sie hatte sich auf ihrem Stuhl umgewandt, und musterte ihn.

»I bin der Lukasbauer, ist's erlaubt?«

»Tritt nur ein und setz di. Bist allein auf dem Hof?«

Er ließ sich langsam, den Hut in der Hand, auf einem der hölzernen Stühle nieder.

»Ja allein, das heißt mit zwei Knechten. Es giebt ein ordentliches Stück Arbeit.«

»Das glaub i dir.« Sie sah ihn prüfend an. »Der Lukas hat ja a Mißwirtschaft g'führt, daß es zum Gotterbarmen war. Das Viech is fast im Unrat derstickt, auf seine Felder sein Kraut und Ruabn durchanonder gwach'sn.«

»Er war siebenundachtzig Jahr, und seine Leut haben mit ihm 'trieben, was sie wollen habn.«

»Und hast nix besseres zu kaufen gwußt, als die lumpige Wirtschaft?«

Riegls Brauen runzelten sich leicht.

»Erstens hat's mir Spaß gmacht gerad den verlotterten Hof wieder zum Ansehen zu bringen, das ist a schwerers Kunststückl als a Musterwirtschaft zu übernehmen; dann hat mir auch der Pfarrer, mein Onkel, zugeredt.«

»Richtig, der is ja a a Riegl. Oes seids aus'm Pusterthal?«

»Ja, aus Heiligenblut.«

»Die Pusterer, bei denen steht's a nit grad glänzend. Wenn die nit die Fremden hätten, die ihnen Brocken in ihre Milch gabeten, könntens auswandern.«

Der Lukasbauer heftete seine dunklen Augen auf das Gesicht der Bäuerin.

»Meinst, daß im Zillerthal a Musterwirtschaft is?«

»Gwiß mein i das, wenigstens bei die Erbang'sessenen.«

»Ja, wie viel seids denn solche? An die Finger herzählen kann ma's.«

»Was weißt denn du? so a Hereinkaufter!«

»Ich weiß mehr als du, die nit über ihre engen Thalwänd hinauskommen is.«

»So? Wer sagt dir denn das? Als mein Vater g'storbn is, war i sechzehn. Mein Vormund sei Schwester is Wirtin in Meran bei der Post. Kommst her und lernst di a bissl in der Kuchl umthun, hats ma gschrieb'n. I war nit faul und bin hing'fahrn. Vier Jahr hab i glernt ...«

»'s Kochen?«

»Weniger das als anders. Mußt wissen, bei der Post geht's winters und sommers lebendig zu. Da kommen Grafen und Prinzen und logieren oft mehrere Monate lang.«

»So, und bei denen hast glernt,« sagte Riegl mit leisem Aufwerfen seiner Lippen.

»Ja, bei denen –«

»Wird was Rar's gwesen sein.«

»Für mi g'wiß.«

»Wieso denn?«

»Weil i mir das, was i da g'hört hab, nie hätt' träumen lassen.«

»Was hast denn g'hört?«

»Mehr als d' denkst.«

»Was denn?«

»Na so – allerhand halt. Zan Beispiel, daß der Bauer a Vieh is, schlechter als der letzte Arbeitermensch, grad' gut genug, um si die Stiefelsohlen an sei'm G'sicht abz'wischen ...«

»Oho ...«

»Daß bei Gericht und in allen öffentlichen Ämtern jeder Spitzbub' mehr Recht auf Aufmerksamkeit und Gerechtigkeit hat, als unsereins –«

»Na hörst –«

»Daß wenn alle Ständ' Hoffnung auf Besserung ihrer Lag' erwarten dürfen, die chinesische Mauer, die die Pfaffen um d' Bauern aufg'richt habn, seiner Lebtag nit niederg'rissen wird ...«

Der Lukasbauer sah verblüfft auf die Sprecherin.

»Gelt, jetzt bist stad. Ja, ja, ma lernt so allerhand unter die vornehmen Leut. A in anderer Beziehung. Wenn so a Nobeliger a Madl beim Kinn faßt: kommst nicht auf ein Stündchen zu mir, reizendes Kind? ... Soll ja a Ehr sein, wenn a Herrschaftlicher, a Erzherzog oder so aner, si herablaßt zu an Bauerndirndl. Du, i sag dir's, Augen und Mund hab i aufgsperrt und mir den Kopf dermartert, warum d' Bäuerischen si so viel g'falln lassn müassn. Und ... wie i so nachdenkt und nachdenkt hab, bin i alleweil gscheidter worn und – aber warum hab i dir – jessas!« Sie schlug sich, ärgerlich über ihre Geschwätzigkeit, auf den Mund.

»Bist a Hitzköpfl,« sagte lächelnd der Lukasbauer, »recht hast ja, aber allzuviel Stolz taugt a nit. Und der Haß steht eim Frauenzimmer gar nit gut an. Was du da alles erfahren und zusammendenkt hast, kenn' i schon lang. Ich bin früher, was mei Vater noch is, Bergführer gwesen. Da kommt ma auch mit allerhand Leut z'sammen. A reicher Engländer hat mi gar bis nach Amerika mitgnommen. Da hab i viel kennen gelernt. Aber nach einer Zeit hab ich mir denkt: daheim ist's doch am feinsten, hab auf dem Engländer seine Goldfüchs' verzicht' und bin wieder zurück nach mein Landl.«

»Recht hast ghabt,« nickte Katharina, dann trat sie hinaus und rief:

»Zenzi, die Marent.« Nachmittagsbrot.

Das Dirnlein brachte hurtig einen Laib Brot, zwei Gläser und eine Flasche roten Tirolerweins.

»Wirst mir wohl den Bescheid nit abschlagen,« sagte Katharina einschenkend.

»Auf dei Wohl.« Alois hob das Glas an die Lippen. »Aber jetzt fallt mir erst ein, weg'n was i überhaupt herauf kommen bin. Möchtest nit so gut sein und mir den Gärtner nennen, bei dem du deine Pflanzen bestellt hast? Ich möcht das Gartl vor mein Wohnhaus a bissl in stand setzen, und hierherum kriegt ma keine ordentlichen Setzlinge zu kaufen.«

»Wegen dem bist heraufkommen,« sagte die Bäuerin, die wieder ihre Ruhe erlangt hatte, und nannte ihm den Namen des Gärtners, »das hätt' dir der Schulmeister auch sagen können.«

Alois biß sich auf die Lippen. Merkte sie seine Lüge? Um keinen Preis hätte er wollen, daß sie glaube, die Neugierde nach ihr habe ihn hierhergeführt.

»Ich wußt's nit, daß der Schulmeister oft herüber kommt,« warf er leicht hin.

»Ja, der kommt gern herauf.«

Alois beobachtete sie scharf. Ihm schien, als ob ihre Stimme bei den Worten weicher geklungen hätte.

Er rückte seinen Stuhl geräuschvoll zurück und stand auf.

»Und jetzt nix für ungut, Bäuerin, grüaß di Gott!«

»Pfiat di Gott, Lukasbauer, und laß dir die Zeit nit z' lang wern auf dein schön' Hof.«

»Er is ma lieber als der deinige; den hast fertig ererbt, ich aber wer' mir den meinigen erst aufrichten. Da liegt was drin, was nit a jeder kann. Adjes.«

Sie wollte ein trotziges Wort erwidern, aber er war schon draußen verschwunden.

»Nimm die Gläser da vom Tisch weg,« herrschte sie die hereinkommende Magd an, »und laß mi dann in Ruh', i muß fertig rechnen.«

Zenzi verschwand hurtig mit der Flasche und den Gläsern. Es war nicht ratsam, ihre Herrin zu reizen.


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