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Ellen

Eine Tür geht auf,
Ein Hemd wird hell
Im gedämpften Mondlicht.
Und es flattert fort
Zum Stall des Bauern,
Wo die Hufe der Pferde
Aus steinernem Estrich
Schläfrig Funken kratzen.
Es tastet am Riegel,
Und die Tür geht auf,
Das Hemd verschwindet
Im feuchten, weißen Wärmedampf.

Das war des Bauern Tochter,
Das war Ellen!
Arme Ellen,
Sie hat kein andere Seele
Als ihre klaren Augen,
Weiß ja nicht was und weiß ja nicht wie
Mehr als die armselige Trespe,
Weiß nicht, ob der Regen hell ist und warm
Und feucht und kalt der Sonnenstrahl,
Fasset nicht Mienen und fasset nicht Worte,
Sendet den letzten Laut, den sie hört,
Tot von dem Mund wie ein Echo,
Mag es nun sein der Henne Glucken
Oder der Mutter tränenschwere Stimme.

Sie löst ein Pferd,
Und sie führt es vor,
Das Tier erbebt;
Gesenkten Hauptes starrt es wild
Und stemmt seine Hufe
In seltsamem Grauen
Gegen die Erde,
Als ob es verstünde, daß seine Führerin
Mehr sei gebunden, weniger Herr,
Hilfloser noch als es selbst.

Sie schwingt sich hin auf das Pferd,
Und von dannen es geht
Durch dichtes Gras,
Durch der Wiese Ried,
Hin über die dunkle Heide.
Des Mädchens Arm umschlingt den Pferdehals,
Und ihre Locken und des Tieres Mähne
Flattern wild verwebt.

Hügel aufwärts, tief in Gräben
In rastloser Eile,
Schaum fliegt dem Pferde von dem Maul,
Aus taunassem Heidekraut sprüht es auf,
Sand wirbelt von Dünen,
Auf dem Wege entlang, den Weg zurück,
Die Kreuz, die Quer,
Hin und her.
So geht die Fahrt die lange Nacht
Gen Morgengrauen und Tod.

War es nur ein Wahnsinnsritt,
Oder war es ein Körper, der raste, seine Seele zu fangen?
Sind dort hinter den funkelnden Sternen Augen, die wachen?
Gibt es mehr Leben als das auf der Erde?

Reinschrift 3. April 70.


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