Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Vierzehntes Kapitel.

Musa langt zu Damaskus an. – Seine Zusammenkunft mit dem Kalifen. – Salomon's Tafel. – Ein strenger Richterspruch.

Kurz nach der Ankunft Tarek el Tuerto's zu Damaskus verfiel der Kalife in eine schwere Krankheit, die so gefährlich ward, daß man für sein Leben fürchtete. Während er so darnieder lag, kam die Nachricht, Musa Ben Nosair habe mit einem großen Reiterzuge die Gränzen von Syrien überschritten und bringe alle die in den westlichen Ländern, die er erobert, erbeuteten Schätze und Siegeszeichen mit sich. Nun war Soliman Ben Abdelmelek, der Bruder des Kalifen, dessen Thronfolger; und er sah, daß sein Bruder nicht lange zu leben hatte, und wünschte, den Antritt seiner Regierung durch dieses siegreiche Entfalten der Beute der Christenheit zu verherrlichen.

Er schickte demnach Abgesandte zu Musa und ließ ihm sagen: »Der Kalife ist krank und kann dich jetzt nicht empfangen; ich ersuche dich, unterwegs zu zögern, bis er wieder hergestellt ist.«

Musa achtete jedoch nicht auf die Botschaft Soliman's, sondern beschleunigte vielmehr seine Reise, um vor dem Tode des Kalifen einzutreffen. Und Soliman gedachte seines Benehmens in seinem Herzen.

Musa betrat Damaskus sozusagen im Triumph, mit einem langen die Schätze tragenden Zuge von Pferden und Maulthieren und Kameelen, und mit den vierhundert Söhnen gothischer Edlen, welche er als Geiseln mitbrachte und deren Jeder mit einem Diadem und einem Gürtel von Gold geziert war, und mit hundert christlichen Mädchen, deren Schönheit alle Beschauer blendete.

Während er durch die Straßen zog, ließ er der Menge schwere Börsen Goldes auswerfen, und das Volk erfüllte die Luft mit Jubelgeschrei.

»Seht,« rief es, »den wahren Besieger der Ungläubigen. Seht das wahre Vorbild eines Eroberers, welcher Schätze in seine Heimath zurückbringt.« Und sie häuften Segnungen auf Musa's Haupt.

Der Kalife Walid Almanzor erhob sich von seinem Krankenlager, um den Emir zu empfangen, welcher, als er sich in den Palast begab, einen der großen Höfe desselben mit Schätzen aller Art füllte; auch die Hallen wimmelten von den jungen prachtvoll gekleideten Geiseln und den christlichen Mädchen, welche schön waren, wie die Houris des Paradieses.

Als der Kalife einen Bericht über die Eroberung Spaniens verlangte, ließ Musa seiner Beredtsamkeit vollen Lauf; bei der Schilderung der mannichfachen Siege erwähnte er aber des Namens Tarek nie, sondern sprach so, als sei Alles durch ihn selbst geschehen. Wie die Rede auf die den Christen abgenommene Beute kam, gab er sich das Ansehen, als hätte er Alles mit seinen eigenen Händen genommen; und als er dem Kalifen die wunderbare Tafel Salomon's überlieferte, verweilte er mit großer Lebendigkeit bei den Kräften dieses unschätzbaren Talismans.

Darauf konnte Tarek, welcher gegenwärtig war, nicht länger schweigen.

»Gebieter der Gläubigen!« sagte er, »untersuche diese kostbare Tafel und sieh, ob irgend etwas daran fehlt.«

Der Kalife untersuchte die Tafel, welche aus einem einzigen Smaragd bestand, und er sah, daß der eine Fuß durch einen Fuß von Gold ersetzt war. Der Kalife wandte sich zu Musa und sprach:

»Wo ist der andere Fuß der Tafel?«

»Ich weiß es nicht!« antwortete Musa; »der eine Fuß fehlte, als die Tafel in meine Hände kam.«

Darauf zog Tarek unter seinem Gewande einen Smaragdfuß, von gleicher Arbeit wie die übrigen und zu der Tafel vollkommen passend, hervor.

»Sieh, Gebieter der Gläubigen,« rief er, »den Beweis, wer der wahre Finder dieser Tafel ist; und in gleicher Art verhält es sich mit dem größern Theil der Beute, welche Musa als Zeichen seiner Thaten vorgelegt hat. Ich habe diese Schätze erobert; ich habe die Städte eingenommen, in welchen sie gefunden worden sind. Glaubt ihr meinen Worten nicht, so fragt die hier anwesenden christlichen Ritter, welche ich fast sämmtlich zu Gefangenen gemacht habe; fragt jene sarazenischen Krieger, welche mich in meinen Schlachten unterstützten.«

Musa war einen Augenblick verwirrt, versuchte aber bald, sich zu rechtfertigen.

»Ich habe,« sagte er, »als der Oberbefehlshaber deiner Heere gesprochen, unter dessen Befehlen, unter dessen Fahnen die Eroberung vollendet worden ist. Die Thaten des Kriegers sind die Thaten des Befehlshabers. Man kann bei einem großen Siege nicht annehmen, daß der Befehlshaber des Heeres alle Gefangene selbst genommen, alle Erschlagene selbst getödtet, alle Beute selbst gesammelt hat, obgleich in dem Berichte seines Sieges all das aufgezählt wird.«

Der Kalife zürnte aber und achtete auf seine Worte nicht.

»Du hast deine eigenen Verdienste herausgehoben,« sagte er, »und die Verdienste Anderer vergessen; ja, du hast einen Andern, der sich um seinen Gebieter höchst verdient gemacht hat, herabzusetzen gesucht. Der Lohn deines Neides und deiner Habsucht komme auf dein Haupt!«

So sprach er und bestimmte einen großen Theil der Beute dem wackern Tarek und den andern Häuptlingen, Musa aber gab er nichts; und der alte Emir zog sich unter dem Hohne und Murmeln der Anwesenden zurück.

Wenige Tage darauf starb der Kalife Walid Almanzor, und sein Bruder Soliman folgte ihm in der Regierung. Dieser neue Herrscher hegte einen tiefen Haß gegen Musa, weil er, seinem Befehle entgegen, sich an den Hof seines Bruders verfügt hatte, und er lieh den Verläumdungen seiner Feinde ein bereitwilliges Ohr; denn Musa's Thaten waren zu glorreich gewesen, als daß er nicht viele Feinde hätte haben sollen. Alle faßten nun Muth, da sie sahen, daß er in Ungnade gefallen war, und sie häuften üble Nachreden auf sein Haupt, indem sie ihn anklagten, er habe einen großen Theil der dem Kalifen gehörigen Beute für sich behalten. Der neue Kalife lieh diesen Anklagen gern sein Ohr, und befahl ihm, Alles herauszugeben, was er in Spanien erobert habe.

Musa hätte den Verlust seiner Reichthümer vielleicht mit standhafter Seele ertragen; aber die Schmälerung seines Ruhmes erfüllte sein Herz mit Bitterkeit.

»Von meiner ersten Jugend an,« sagte er, »bin ich ein treuer Diener des Thrones gewesen, und jetzt, in meinem Alter, werde ich meiner Ehren entsetzt. An den Schätzen liegt mir nichts; aber man beraube mich der Ehre nicht, welche mir von Gott gekommen.«

Dieses Murren erbitterte den Kalifen nur noch mehr, und er nahm ihm seine Befehlshaberstelle, zog sein ganzes Habe ein, legte ihm eine Buße von zweihunderttausend gewichtigen Goldstücken auf und befahl, daß er gepeitscht und der Mittagssonne ausgestellt und dann in das Gefängniß geworfen werden sollteConde, p. I. cap. 17.Der Verf. . Auch das Volk verspottete und verhöhnte ihn in seinem Elende, und als es ihn den Blicken aller Welt blosgestellt und in der Sonnengluth ohnmächtig werden sah, deutete es lachend auf ihn und rief aus: »Sieh da den Neiden und Lügner! Der ist's, der vorgab, er habe das Land der Ungläubigen erobert.«


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