Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Drittes Kapitel.

Von Don Roderich's Liebe und der Prinzessin Elyata.

Bisher war Roderich's Herz, das von den Entbehrungen und Kämpfen seines frühern Lebens, von kriegerischen Unternehmungen und den Beunruhigungen der neuerlangten Gewalt voll war, gegen die Reize des weiblichen Geschlechtes unempfindlich gewesen; jetzt aber machten in der üppigen Ruhe die sinnlichen Neigungen seiner Natur ihre Rechte geltend. Man hat mannichfache Nachrichten von der jungen Schönheit, welche zuerst Gunst vor seinen Augen fand und von ihm zum Throne erhoben wurde. Wir folgen in unserer Erzählung den Einzelnheiten eines arabischen ChronikenschreibersPerdida de Espanna por Albucacim Tarif Abentarique. lib. I.Der Verf., die von einem spanischen DichterLope de Vega.Der Verf. bewahrheitet worden sind. Diejenigen, welche eine bessere Autorität für ihren Widerspruch anführen können, mögen unsere Thatsachen in Abrede stellen.

Unter den wenigen befestigten Städten, welche Don Roderich nicht hatte schleifen lassen, befand sich auch die alte Stadt Denia, an der mittelländischen Küste gelegen und von einer auf einen Fels erbauten Burg vertheidigt, welche die See beherrschte.

Der Befehlshaber dieser Burg oder Veste lag eines Tages mit vielen Bewohnern Denia's in der Kirche auf den Knieen und flehte die heilige Jungfrau um Besänftigung eines Sturmes an, welcher die Küste mit Schiffstrümmern besäete, als eine Wache die Meldung brachte, ein maurischer Kreuzer halte auf die Küste ab. Der Alcayde gab Befehl, die Sturmglocke zu läuten, Signalfeuer auf den Gipfeln der Anhöhen leuchten zu lassen und die Umgebungen der Stadt zur Hülfe herbeizurufen; denn die Küste war oft den grausamen Plünderungen der Kreuzer aus den Barbareskenstaaten Preis gegeben.

Bald darauf sah man Reiter aus der Umgegend das Gestade entlang jagen, mit allem dem bewaffnet, was ihnen zuerst in die Hände gekommen war; und der Alcayde und seine kleine Besatzung stiegen die Anhöhe hinab. Mittlerweile kam das maurische Schiff, ein Spiel der rollenden Wellen, auf das Land zu. Wie es näher rückte, sah man an dem reichen Schnitzwerk und der Vergoldung, die es schmückte, an den seidenen Wimpeln und den Bänken vor den hochrothen Rudern, daß es kein Kriegsfahrzeug, sondern eine stattliche Gallione war, wie sie bei feierlichen Gelegenheiten und Prunkfesten gebraucht wurde. Man bemerkte die Wirkungen des Sturmes an dem Schiffe: die Masten waren zerbrochen, die Ruder zersplittert, und Bruchstücke von schneeweißen Segeln und seidnen Zeltdecken flatterten in dem Winde.

Als die Gallione auf dem Sande festsaß, stürzte der ungeduldige Pöbel in die brandenden Wellen, um zu rauben und zu plündern; allein die Erscheinung der glänzenden Gesellschaft an Bord flößte ihm Bewunderung und Achtung ein. Sie bestand aus Mauren beiderlei Geschlechts, die, prachtvoll gekleidet und mit kostbaren Juwelen geschmückt, das Ansehen von Leuten ersten Ranges hatten. Unter ihnen war vorzüglich eine junge, prachtvoll gekleidete Schönheit bemerklich, welcher Alle die größte Ehrfurcht zu bezeigen schienen.

Viele Mauren umgaben sie mit gezogenen Säbeln und bedrohten jeden mit dem Tode, der sich ihr zu nähern wagte; andere eilten aus dem Fahrzeug, warfen sich dem Alcayde zu Füßen und flehten ihn bei seiner Ritterehre und Artigkeit an, eine königliche Jungfrau gegen Unbild und Beleidigung zu schützen.

»Ihr seht,« sagten sie, »die einzige Tochter des Königs von Algier und die verlobte Braut des Sohnes des Königs von Tunis vor Euch. Wir waren im Begriffe, sie an den Hof ihres harrenden Bräutigams zu geleiten, als ein Sturm uns von unserm Kurse abtrieb und uns nöthigte, an Eurer Küste Zuflucht zu suchen. Seid nicht grausamer, als der Sturm, sondern handelt edel an denen, die selbst der Sturm geschont hat und die wilde See.«

Der Alcayde hörte auf ihr Flehen. Er führte die Prinzessin und ihr Gefolge in die Veste, wo man ihr jede ihrem Range gebührende Ehre erzeigte. Einige ihrer alten Diener baten, der Alcayde möge die Prinzessin wieder frei geben, und versprachen im Namen ihres Vaters unermeßliche Summen als Lösegeld; aber der Alcayde hatte für alle ihre goldenen Anerbietungen nur ein taubes Ohr. –»Sie ist,« sagte er, »eine Gefangene des Königs, und meinem Gebieter allein kömmt es zu, über sie zu verfügen.« – Nachdem die maurische Prinzessin daher einige Tage in der Veste ausgeruht und sich von der Ermüdung und dem Schrecken ihrer stürmischen Seefahrt erholt hatte, ließ er sie mit ihrem ganzen Gefolge in stattlichem Geleite an den Hof zu Don Roderich ziehen.

Die schöne ElyataVon Manchen wird sie auch Zara genannt. – Der Verf. betrat Toledo eher wie eine siegreiche Herrscherin, denn wie eine Gefangene. Eine ausgesuchte Schaar christlicher Ritter, in glänzendem Waffenschmuck, kam ihr entgegen und schien zu ihrer Ehrenwache bestimmt zu sein. Sie war von den maurischen Fräulein ihres Gefolges umgeben und von ihren eignen moslemitischen Wachen gefolgt, und alle hatten sich in die Pracht gekleidet, durch welche ihre Ankunft an dem Hofe von Tunis hatte verherrlicht werden sollen. Die Prinzessin war in bräutliche Gewänder gekleidet, welche aus den kostbarsten Geweben des Morgenlandes bestanden; ihr Diadem glänzte von Diamanten und war mit den seltensten Federn des Paradiesvogels geziert; und selbst die seidenen Decken ihres Zelters, welche bis auf die Erde niederhingen, waren mit Perlen und kostbaren Steinen bedeckt. Als dieser glänzende Reiterzug über die Brücke des Tajo kam, strömte ganz Toledo heraus, ihn zu schauen, und in der ganzen Stadt hörte man nichts, als das Lob der wunderbaren Schönheit der Prinzessin von Algier. Von der Ritterschaft seines Hofes begleitet, kam König Roderich zum Empfange der edeln Gefangenen heraus. Sein neueres üppiges Leben hatte ihn für zärtliche und verliebte Regungen empfänglich gemacht, und bei dem ersten Anblick der schönen Elyata war er von ihren Reizen hingerissen. Da er ihr Antlitz von Kummer und Besorgniß umhüllt sah, tröstete und beruhigte er sie durch freundliche und artige Worte, führte sie in einen königlichen Palast und sagte: »Sieh' hier deine Wohnung, wo Niemand dich belästigen soll; denke, du sei'st daheim in dem Hause deines Vaters, und schalte über Alles und Jedes nach deinem Willen.«

Hier brachte die Prinzessin mit dem weiblichen Gefolge, welches sie von Algier mitgebracht hatte, ihre Zeit hin, und Niemanden war es gestattet, sie zu besuchen, den König ausgenommen, der sich täglich mehr und mehr in seine holde Gefangene verliebte und durch zärtliche Aufmerksamkeit ihre Neigung zu gewinnen suchte. Diese freundliche Behandlung verscheuchte allmählich den Schmerz der Prinzessin über ihre Gefangenschaft. Sie war in einem Alter, wo der Kummer keine lange Herrschaft über das Herz haben kann. Von ihren jungen Gespielinnen begleitet, durchstreifte sie die geräumigen Hallen des Palastes und spielte in den Lustwäldchen und Alleen seiner Gärten. Tag um Tag wurde ihr die Erinnerung an die väterliche Heimath weniger schmerzlich, und der König gewann Tag um Tag mehr an Liebenswürdigkeit in ihren Augen; und als er ihr endlich anbot, Herz und Thron mit ihr zu theilen, hörte sie mit gesenkten Blicken und glühendem Erröthen, aber mit der Miene der Ergebung in ihr Schicksal, auf seine Worte.

Ein Hinderniß stand noch der gänzlichen Erfüllung der Wünsche des Monarchen entgegen, und dieses war der Glaube der Prinzessin. Roderich bestimmte ungesäumt den Erzbischof von Toledo, die schöne Elyata in die Geheimnisse der christlichen Lehre einzuführen. Der weibliche Verstand faßt ungemein schnell das Verdienstliche neuer Lehren; es gelang daher dem Erzbischof in kurzer Zeit, nicht nur die Prinzessin, sondern auch die Mehrzahl ihres Geleites zu bekehren, und der Tag wurde festgesetzt, an welchem sie öffentlich getauft werden sollten. Die Ceremonie wurde in Gegenwart des ganzen Adels und der ganzen Ritterschaft des Hofes mit großer Pracht und Feierlichkeit begangen. Die Prinzessin und ihre Fräulein gingen, weiß gekleidet, zu Fuß in die Hauptkirche, während eine Menge schöner Kinder, als Engel gekleidet, ihren Pfad mit Blumen bestreuten. Der Erzbischof empfing sie an dem großen Thor des Domes und nahm sie, wie man zu sagen pflegt, in den Schoos der Kirche auf. Die Prinzessin gab ihren maurischen Namen Elyata auf und erhielt in der Taufe den Namen Exilona, bei welchem sie hinfort genannt wurde und auch in der Geschichte allgemein bekannt ist.

Die Vermählung Roderich's und der schönen Bekehrten fand kurz darauf statt und wurde mit großer Pracht gefeiert. Kampfspiele und Turniere und Bankette und andere Belustigungen wurden veranstaltet und währten zwanzig Tage; die ersten Edeln aus allen Theilen Spaniens hatten sich dazu eingefunden. Als diese Feste vorüber waren, wurden die aus dem Gefolge der jungen Königin, welche nicht zum christlichen Glauben übertraten, sondern nach Afrika zurückkehren wollten, mit kostbaren Geschenken entlassen, und eine Gesandtschaft an den König von Algier geschickt, um ihn von der Vermählung seiner Tochter zu benachrichtigen und ihm die Freundschaft des Königs Roderich's anzubieten.»Como esta Infanta era muy hermosa y el Rey Don Rodrigo disperesto y gentil hombre, entro por medio el amor y aficion, y junto con el regalo con que la avia mandado hospedar y servir fu la causa que el Rey persuadio esta Infanta, que si se tornaba a su ley de cristiano la tomaria por muger, y que la haria sennora de sus Reynos. Con esta persuasion ella fac contenta y aviendose vuelto Christiana, se caso con ella y se celebraron sus bodas con muchas fiestas y regozijos, como era razon.« Abulcacim, Conq. de Espanna, cap. 3.Der Verf.


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