Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Drittes Kapitel.

Magued's Zug gegen Cordova. – Vertheidigung des Vaterlandsfreundes Pelistes.

Während der alte Tarek diese ausgedehnte Streiferei durch das Land machte, setzte sich der Renegat Magued mit seiner Schaar gen Cordova in Bewegung. Die Bewohner dieser alten Stadt hatten das große Heer Don Roderich's gesehen, wie es sich, einem Meere gleich, auf der Ebene des Guadalquivir ausbreitete, und hatten mit Zuversicht erwartet, es würde die ungläubigen Eindringlinge aus dem Lande jagen. Wie groß war daher ihre Bestürzung, als zerstreute Flüchtlinge, außer sich vor Schauer und Schrecken, ihnen die Nachricht von der gänzlichen Niederlage jenes gewaltigen Heeres und von dem Verschwinden des Königs brachten. Inmitten ihrer Bestürzung langte der gothische Edle Pelistes, erschöpft durch körperliche Anstrengungen und die Leiden seiner Seele, mit den Trümmern der ihm ergebenen Ritter, welche die furchtbare Schlacht an dem Guadalate überlebt hatten, an ihren Thoren an. Die Cordovaner kannten den muthigen, unbeugsamen Geist des Pelistes und sammelten sich um ihn, als um ihre letzte Zuflucht.

»Roderich ist gefallen,« riefen sie, »und wir haben weder König noch Feldherren; bleibt bei uns als Herrscher; übernehmt den Oberbefehl über unsere Stadt und schützt uns in dieser Stunde der Gefahr.«

Pelistes' Herz war frei von Ehrgeiz, und der Kummer hatte sich zu tief in demselben festgesetzt, als daß ihm das Anerbieten eines Herrscherstabs hatte schmeicheln können; allein er fühlte vor allem Andern die Leiden seines Vaterlandes, und war bereit, jeden schwierigen Dienst zu dessen Rettung zu übernehmen.

»Eure Stadt,« sagte er, »ist von Mauern und Thürmen umgeben, und kann sich den Fortschritten des Feindes widersetzen. Versprecht, mir bis auf das Aeußerste beizustehen, und ich werde eure Vertheidigung übernehmen.«

Die Cordovaner versprachen sämmtlich den unbedingtesten Gehorsam und die eifrigste Ergebenheit; denn was versprechen und betheuern nicht die Bewohner einer reichen Stadt in dem Augenblicke der Gefahr? Sobald sie aber von der Annäherung der moslemitischen Schaaren hörten, packten die reichern Bürger ihre Habseligkeiten ein und entflohen in die Gebirge oder in die ferne Stadt Toledo. Selbst die Mönche sammelten die Reichthümer ihrer Kirchen und Klöster und entflohen. Obgleich sich Pelistes von denen verlassen sah, welchen die Erhaltung der Stadt am meisten am Herzen liegen mußte, beschloß er dennoch, die Vertheidigung derselben nicht aufzugeben. Er hatte noch sein treues, aber sehr zusammen geschmolzenes Ritterhäuflein um sich, so wie eine Anzahl von Flüchtlingen aus dem Heere, alle zusammen die Zahl von vierhundert Mann nicht übersteigend. Er stellte daher Wachen an den Thoren und auf den Thürmen aus, und machte alle Vorbereitungen zu einem verzweifelten Widerstande.

Mittlerweile rückte unter dem Befehle des griechischen Renegaten Magued, und von dem Verräther Julian geführt, das Heer der Moslemen und der abtrünnigen Christen näher heran. Während sie noch in einiger Entfernung von der Stadt waren, brachten ihre Späher ihnen einen Hirten, welchen sie an den Ufern des Guadalquivir aufgegriffen hatten. Der zitternde Knecht war ein Insasse von Cordova, und entdeckte ihnen den Zustand der Stadt und die Schwäche ihrer Besatzung.

»Und sind die Mauern und Thore,« fragte Magued, »stark und wohlbewacht?«

»Die Mauern sind hoch und von wunderbarer Stärke,« versetzte der Hirte; »und Kriegsleute halten Tag und Nacht Wache an den Thoren. Allein es gibt eine Stelle, wo man unbemerkt in die Stadt gelangen kann. In einem Theile der Stadtmauern, nicht weit von der Brücke, sind die Zinnen eingestürzt, und eine Oeffnung findet sich in nicht bedeutender Höhe von dem Boden. Nahe dabei steht ein Feigenbaum, mittelst dessen man leicht auf die Mauern steigen kann.«

Als Magued diese willkommne Nachricht vernommen hatte, ließ er seine Schaaren Halt machen und schickte mehrere ehemalige Christen, Anhänger des Grafen Julian, voraus, die in Cordova eintraten, gleichsam, als flüchteten sie vor dem Feinde. In einer dunkeln und stürmischen Nacht näherten sich die Moslemen dem Ende der Brücke, welche über den Guadalquivir führt, und legten sich in Hinterhalt. Magued nahm ein kleines Häuflein auserlesener Männer, setzte, von dem Hirten geführt, an einer seichten Stelle über den Fluß und schlich im Schatten der Nacht heimlich die Mauer entlang zu der Stelle, wo der Feigenbaum stand. Die Verräther, welche durch List und Trug in die Stadt gekommen waren, hielten sich auf der Mauer bereit, den Eindringenden Beistand zu leisten. Magued befahl seinen Begleitern, die langen Tücher ihrer Turbane statt der Stricke zu brauchen, und es gelang ihnen ohne Schwierigkeit, in die Bresche einzudringen.

Nun zogen sie ihre Säbel und eilten an das Thor, welches sich auf die Brücke öffnete. Die Wachen waren auf nichts weniger als einen Ueberfall von ihnen gefaßt und wurden überrascht und leicht überwältigt. Das Thor wurde geöffnet, und das Heer, das im Hinterhalt lag, eilte über die Brücke und zog ohne Widerstand in die Stadt ein.

Unterdessen hatte sich der Lärm in der Stadt verbreitet; allein ein Strom von Bewaffneten wogte bereits in den Straßen. Pelistes brach mit seinen Rittern und den Kriegsleuten, die er in der Eile um sich sammeln konnte, hervor und bemühte sich, den Feind zurückzudrängen; jegliche Anstrengung war jedoch umsonst.

Die Christen wurden allgemach von Straße zu Straße und von Platz zu Platz gedrängt und machten dem Feinde jeden Schritt streitig, bis sie, als ihnen eine neue Schaar der Moslemen in den Rücken kam und sie angriff, sich in ein Kloster flüchteten und es ihnen gelang, die schweren Thore zuzuwerfen und sie zu verrammeln.

Die Mauren versuchten die Thore zu sprengen, wurden aber mit Wurfgeschossen aller Art aus den Fenstern und von den Zinnen so ungestüm bedrängt, daß sie sich genöthigt sahen, zum Rückzug zu blasen. Pelistes untersuchte das Kloster, und fand es trefflich geeignet, als Schutzwehr zu dienen. Es war von großer Ausdehnung und hatte geräumige Höfe und Kreuzgänge. Die Thore waren stark und mit Riegeln und Barren vermacht; die Mauern hatten eine außerordentliche Dicke; die Fenster waren hoch und mit Gittern versehen; auch fehlte es nicht an einem großen Wasserbehälter oder einer Cisterne, und die Mönche, welche aus der Stadt geflohen waren, hatten einen guten Vorrath von Lebensmitteln zurückgelassen.

Pelistes beschloß daher, hier festen Fuß zu fassen und Alles zu thun, um sich so lange zu halten, bis Unterstützung aus irgend einer andern Stadt eintreffen würde. Sein Entschluß wurde von seiner treuen Schaar mit großem Jubel aufgenommen; denn es war nicht Einer unter ihnen, der nicht bereit gewesen wäre, sein Leben dem Dienste seines Anführers zu weihen.


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