Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Fünfzehntes Kapitel.

Gefecht zwischen den beiden Heeren. – Pelistes und sein Sohn. – Pelistes und der Bischof.

Am folgenden Tage blieben die Heere in den Lagern und schauten sich wechselseitig mit vorsichtigen, aber drohenden Blicken an. Gegen Mittag schickte König Roderich eine auserlesene Schaar von fünfhundert Reitern und zweihundert Mann zu Fuß, die bestbewaffneten Mannen seines Heeres, ab, um dem Feind ein Gefecht anzubieten, weil er, wenn er einen theilweisen Sieg davon trüge, den Muth seiner Krieger zu beleben hoffte. Sie wurden von Theudemir, demselben gothischen Edeln, angeführt, welcher sich durch seinen ersten Widerstand gegen den Einfall der Moslemen ausgezeichnet hatte.

Die christlichen Schaaren stellten sich mit fliegenden Fahnen in dem Thale, welches die beiden Heere trennte, in Schlachtordnung auf. Die Araber zeigten sich nicht träge, der Herausforderung zu entsprechen. Ein zahlreicher Reiterhaufen stürzte zum Angriffe hervor, unter ihnen dreihundert von des Grafen Julian Mannen. Ein heißes Gefecht entspann sich auf dem Gefilde und auf den Ufern des Flusses; auf beiden Seiten wurde manche wackere That vollbracht, und viele tapfern Krieger wurden erschlagen. Als die Nacht einbrach, forderten die Trompeten von beiden Seiten die Schaaren auf, vom Kampfe zu lassen und in das Lager zurückzukehren.

Die Christen verloren in dem Gefechte dieses Tages viele ausgezeichnete Ritter; denn die edelsten Herzen wagen gewöhnlich am meisten und stellen sich am ersten der Gefahr blos; und die Krieger der Moslemen hatten Befehl, die Führer des feindlichen Heeres in das Auge zu fassen. All dies soll nach dem Anschlage des treulosen Bischofs Oppas geschehen sein, welcher geheimen Verkehr mit dem Feinde unterhielt, während er auf die Beschlüsse des Königs seinen Einfluß äußerte, und die gewisse Hoffnung hatte, durch solche theilweise Scharmützel die Hauptkräfte des christlichen Heeres zu schwächen und die Uebrigen zu entmuthigen.

Am folgenden Morgen wurde ein größere Schaar zum Angriff ausgesendet, und der Theil der Truppen, welche unbewaffnet waren, erhielt Befehl, sich bereit zu halten, die Waffen der Getödteten und Verwundeten zu übernehmen. Unter den ausgezeichnetsten Kriegern, welche an diesem Tage fochten, befand sich Pelistes, der gothische Edle, welcher die verrätherische Absicht des Bischofs Oppas so ernst und kräftig abgewiesen hatte. Er war der Führer einer zahlreichen Schaar seiner eigenen Vasallen und Dienstleute und der Ritter, welche in seinem Hause auferzogen worden waren, ihn in den afrikanischen Kriegen begleitet hatten und ihn eher als ihren Vater, denn als ihren Kriegshauptmann betrachteten. An seiner Seite war sein einziger Sohn, welcher nun zum ersten Male sein Schwert in der Schlacht schwang. Der Kampf, welcher an diesem Tage gefochten wurde, war allgemeiner und blutiger, als am vergangenen Tage.

Das Blutbad der christlichen Kämpfer war unermeßlich, weil es ihnen an Vertheidigungswaffen fehlte; und da nichts die Blüthe der gothischen Ritterschaft abhalten konnte, ihre Rosse in den Kampf zu sprengen, wurde das Schlachtfeld mit den Leichen der jungen Edeln bedeckt. Am meisten litten jedoch die jungen Kriegerschaaren des Pelistes. Ihr Führer selbst war kühn und kräftig, und bot seine Brust überall den Gefahren dar; aber Jahre und Erfahrung hatten sein Jugendfeuer gemäßigt. Sein Sohn jedoch brannte vor Eifer, sich an diesem Tage, seiner ersten ernsten Waffenprobe, auszuzeichnen, und warf sich mit ungestümer Gluth in das Gefecht, wo es am heisesten war. Vergebens rief ihm sein Vater zu, um ihn zur Vorsicht zu mahnen; er war immer voran, und schien der Gefahren, welche ihn umgaben, unbewußt zu sein. Die Ritter und Dienstmannen seines Vaters folgten ihm mit Ergebenheit und treuem Eifer, und Viele von ihnen bezahlten ihre Anhänglichkeit mit dem Leben.

Als die Trompeten am Abend zum Rückzug bliesen, war die Schaar des Pelistes die, welche am letzten in das Lager rückte. Sie zogen langsam und düster daher, und ihre Reihen waren sehr gelichtet. Ihr alter Führer saß auf seinem Streitroß, aber das Blut rieselte aus den Schienen seiner Rüstung. Seinen tapferen Sohn trugen seine Vasallen auf ihren Schildern. Als sie ihn nahe dem Platze, wo der König stand, auf den Boden niederließen, sahen sie, daß der heldenmüthige Jüngling an seinen Wunden gestorben war. Die Ritter umgaben die Leiche und drückten ihre Betrübniß laut aus; der Vater aber hielt seinen tiefen Schmerz an sich und blickte mit der ernsten Ergebung des Kriegers hin.

Don Roderich überschaute das Schlachtfeld mit traurigem Blicke; denn es war mit den verstümmelten Leichen seiner ersten und wackersten Krieger bedeckt. Auch sah er mit Besorgniß, daß der große Haufe, welcher nicht an den Krieg gewöhnt und durch Disciplin nicht gezügelt war, durch die fortwährenden Mühseligkeiten und Gefahren hart mitgenommen, in seinem Eifer und Muth erkaltete.

Der verschlagene Bischof Oppas beachtete die innere Unruhe des Königs und glaubte, der günstige Augenblick sei gekommen, ihn für seine Absicht zu stimmen. Er erinnerte ihn an die mannichfachen Vorzeichen und Weissagungen, welche ihrer jetzigen Gefahr vorangegangen waren.

»Laßt uns nicht, mein hoher Herr,« sagte er zu ihm, »leichtsinnig über diese geheimnißvollen Mittheilungen weggehen, deren unglückliche Erfüllung immer gewisser zu werden scheint. Die Hand des Himmels ist ohne Zweifel gegen uns. Das Verderben schwebt über unsern Häuptern. Unsere Schaaren sind roh und ohne Geschick und Uebung, nur ärmlich bewaffnet und in ihrem Herzen sehr entmuthigt. Besser ist es, wir schließen eine Uebereinkunft mit den Feinden, und suchen, indem wir ihnen einen Theil ihrer Anforderungen zugestehen, unser Vaterland vom gänzlichen Untergange zu schirmen. Wenn dieser Rath meinem Herrn und König annehmbar scheint, erkläre ich mich bereit, als Abgesandter in das Lager der Moslemen zu gehen.«

Als Pelistes, der im dumpfen Schweigen dagestanden und auf die Leiche seines Sohnes geblickt hatte, diese Worte hörte, brach er in edeln Unwillen aus.

»Bei diesem guten Schwerte,« sagte er, »der Mann, welcher einen so feigen Rath gibt, verdient eher den Tod von der Hand seiner Landsleute, als von der des Feindes; und ich will keinen Theil am Himmel haben, wenn ich, hielt die Gegenwart des Königs mich nicht ab, ihm nicht auf der Stelle den Tod gäbe.«

Der Bischof wandte ein giftiges Auge auf Pelistes.

»Herr!« sagte er, »auch ich trage ein Schwert und weiß es zu schwingen. Wäre der König nicht hier, würdet Ihr es nicht wagen, mir zu drohen, noch würdet Ihr einen Schritt thun, ohne daß ich mich beeilen würde, Euch entgegen zu treten.«

Der König trat zwischen die hadernden Edlen und tadelte den Ungestüm des Pelistes, zugleich aber verwarf er den Rath des Bischofs mit Unwillen.

»Der Ausgang dieses Kampfes,« sagte er, »ist in Gottes Hand; nimmer aber werde ich mein Schwert in die Scheide stecken, so lange einer der ungläubigen Fremdlinge in dem Lande ist.«

Er pflog jetzt Rath mit seinen Heerführern, und es wurde beschlossen, am kommenden Tage dem Feinde einen allgemeinen Kampf anzubieten. Ein Herold wurde abgesendet, welcher Tarek Ben Zejad zu dem Kampfe herausforderte, und die Herausforderung wurde von dem Moslemen freudig angenommen.Bleda, Chronica.Der Verf. Don Roderich entwarf nun den Schlachtplan und wies jedem seiner Hauptleute seinen Platz an, worauf er seine Heerführer entließ, und jeglicher sein Zelt aufsuchte, um alle Vorkehrungen zu treffen oder sich für des nächsten Tages begebnißreichen Kampf auszuruhen.


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