Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Vierzehntes Kapitel.

Zug des Gothen-Heeres. – Lager an den Ufern des Guatalate. – Geheimnißvolle Weissagungen eines Pilgers. – Pelistes' Benehmen in Folge derselben.

Andalusiens Hoffnungen erwachten wieder, als dieses gewaltige Heer in ausgedehnten Reihen seine fruchtbaren Ebenen entlang zog. Vom Morgen bis in die Nacht dauerten unter dem Klange der Trommeln und Trompeten die Züge, welche die stolzesten Edeln und die tapfersten Ritter des Landes anführten, und die, wenn es ihnen nicht an Waffen und Kriegszucht gefehlt hätte, die Eroberung der Welt unternommen hätten.

Nach einem Marsche von wenigen Tagen bekam Don Roderich das Heer der Moslemen zu Gesicht. Es hatte sein Lager an den Ufern des GuatalateDieser Name ist dem Flusse in der Folge von den Arabern gegeben worden. Er heißt »der Todesfluß.« S.  Petruza, Hist. Granad. part. III. cap. 1.Der Verf.

Die Römer hatten diesem Flusse den Namen Chryssus gegeben. Die Scene, welche der Verf. hier schildert, wird dadurch genauer bezeichnet, daß sie in der Nähe der von Weinbergen umgebenen Stadt Xerez de la Frontera vorging. – Der Uebers.

aufgeschlagen, da, wo dieser schöne Fluß sich durch das fruchtbare Xerez-Gelände schlängelt. Das Heer der Ungläubigen stand dem der Christen an Zahl weit nach; allein es war aus abgehärteten und gewandten Truppen zusammengesetzt, welche im Kriege erstarkt und auf das Trefflichste gewaffnet waren. Das Lager glänzte prachtvoll in den Strahlen der untergehenden Sonne und hallte wieder von dem Klang der Cymbeln, dem Geschmetter der Trompeten und dem Wiehern feuriger arabischer Rosse. Man sah dort schwarze Schaaren aus allen Völkerschaften der afrikanischen Küste, so wie syrische und egyptische Legionen, während die leichte Reiterei der Beduinen auf der nahen Ebene die Pferde tummelte. Die Herzen der christlichen Krieger kränkte und entflammte jedoch am meisten der Anblick des ein wenig abseiten von dem Heere der Moslemen aufgeschlagenen Lagers spanischer Reiterei, über deren Zelten das Banner des Grafen Julian in der Abendluft flatterte. Es waren ihrer zehntausend an der Zahl, tapfere und abgehärtete Männer und die erfahrensten Krieger in dem ganzen spanischen Heere; denn die meisten hatten lange in den afrikanischen Kriegen gedient; auch waren sie trefflich bewaffnet und in dem besten Stande. Der Graf hatte seinen König um die Waffen dieser schönen Schaaren betrogen, und es war ein jammervoller Anblick, so gute Krieger gegen ihr Vaterland und ihren Glauben zu dem Schwerte greifen zu sehen.

Um die Vesperstunde schlugen die Christen ihre Zelte eine kleine Stunde von dem Feinde entfernt auf und sahen mit Bangen und Schrecken auf dieses barbarische Heer, welches in dem Lande so viel Ungemach verursacht, so große Verwüstung angerichtet hatte; denn der erste Anblick eines feindlichen Lagers in einem an Krieg nicht gewöhnten Lande ist für den zum ersten Male unter die Fahne tretenden Krieger stets schrecklich. Nach der Erzählung der arabischen Chronikenschreiber hätte in dem christlichen Lager ein wunderbares Begebniß Statt gefunden; die besonnenen spanischen Geschichtschreiber berichten dasselbe jedoch sehr abweichend und scheinen es als einen Kunstgriff des verschlagenen Bischofs Oppas zu betrachten, der dadurch die Biederkeit und Treue der christlichen Ritter erforschen wollte.

Während mehrere Häuptlinge des Heeres bei dem Bischof in seinem Zelte saßen und sich über den unsicheren Ausgang des bevorstehenden Kampfes unterhielten, zeigte sich ein alter Pilger an dem Eingange. Die Last der Jahre beugte seinen Rücken, sein schneeweißer Bart floß bis auf seinen Gürtel nieder, und seine schwankenden Kniee stützte ein Pilgerstab. Die Ritter erhoben sich und empfingen ihn, als er in das Zelt vortrat, mit großer Achtung.

Er hob seine welke Hand empor und rief:

»Wehe, wehe Spanien! Denn die Zornesschale des Himmels ist im Begriffe, sich über dieses Land auszugießen. Hört, Krieger! und laßt euch warnen. Es sind nun vier Monate, da hatte ich meine Pilgerfahrt in das gelobte Land Palästina vollendet und schickte mich an, in mein Heimathland zurückzukehren. Müde und matt von der Wanderung, legte ich mich einst Nachts unter einem Palmbaum an dem Rande eines Brunnens nieder; da wurde ich durch eine Stimme geweckt, welche in sanftem Tone so zu mir redete: »Sohn des Schmerzes, warum schläfst du?« Ich öffnete meine Augen und schaute ein Wesen von schönem und reizendem Antlitz, in glänzendem Gewand und mit prachtvollen Flügeln; es stand an dem Brunnen, und ich sprach: »Wer bist du, daß du mich in dieser tiefen Stunde der Nacht aufrufst?«

»Fürchte nichts,« versetzte die himmlische Gestalt: »ich bin ein Engel des Himmels und gesendet, dir das Schicksal deines Landes zu enthüllen. Sieh, die Sünden Roderich's sind zu Gott empor gestiegen, und sein Zorn ist gegen ihn angefacht worden, und er hat ihn überliefert, daß er überfallen und vernichtet werde. Eile daher nach Spanien zurück und suche das Lager deiner Landsleute auf. Thue ihnen kund, daß nur die unter ihnen gerettet werden, welche Roderich verlassen; die aber, welche ihm anhängen, werden seine Strafen theilen und unter den Schwertern der einbrechenden Feinde fallen.«

Der Pilger schwieg und ging aus dem Zelte. Einige der Ritter eilten ihm nach, um ihn festzuhalten, damit sie fernere Kunde über diesen Gegenstand von ihm erführen; allein er war nirgends mehr zu finden. Die Wache vor dem Zelte sagte aus: »Ich habe Niemand aus dem Zelte kommen sehen; aber es war, als wenn ein Windstoß an mir vorbeigezogen wäre, und ich hörte ein Rauschen, wie das von dürren Blättern.«

Der Ritter blickten erstaunt einander an. Der Bischof Oppas saß da, sein Auge zu Boden geschlagen und von den überhängenden Braunen beschattet. Endlich brach er das Schweigen und sagte mit leiser, schwankender Stimme:

»Ohne Zweifel kömmt diese Botschaft von Gott; und da er Erbarmen mit uns hat und uns von seinem bevorstehenden Gerichte Kunde gab, geziemt es uns wohl, auf das ernsthafteste zu berathen und festzusetzen, wie wir seinen Willen am besten erfüllen und seinen Zorn abwenden.«

Die Häuptlinge saßen immer noch schweigend da, wie von tiefer Betrübniß befangen. Unter ihnen befand sich ein alter edler Krieger, Pelistes genannt. Er hatte sich in den afrikanischen Kriegen ausgezeichnet und mit dem Grafen Julian oft Seite an Seite gefochten, der letztere hatte es aber nie gewagt, seine Treue zu versuchen; denn er kannte seine strenge Biederkeit. Pelistes hatte seinen einzigen Sohn, welcher sein Schwert noch nie gezogen hatte, außer in Turnieren, mit sich in das Lager gebracht. Als der Jüngling bemerkte, daß die alten Krieger stumm blieben, färbte das Blut plötzlich seine Wangen; er besiegte seine Bescheidenheit und machte einer edeln Wärme Luft.

»Ich weiß nicht, Ritter,« sagte er, »was in euerm Geiste vorgeht; was mich betrifft, so halte ich diesen Pilger für einen Abgesandten des Teufels; denn niemand anders hätte einen so feigen und treulosen Rath geben können. Ich sage euch, ich bin bereit, meinen König, mein Vaterland und meinen Glauben zu vertheidigen. Ich kenne keine höhere Pflicht, als diese, und wenn es Gott gefällt, mich in deren Erfüllung den Tod finden zu lassen, so mag sein höchster Wille geschehen.«

Als der junge Mann sich erhoben hatte, um zu sprechen, hatte sein Vater mit ernster und strenger Miene das Auge auf ihn gefesselt und, auf sein großes Schwert gelehnt, seinen Worten zugehört. Sobald der Jüngling geendigt hatte, umarmte ihn Pelistes mit der Zärtlichkeit eines Vaters.

»Du hast recht gesprochen, mein Sohn,« sagte er; »wenn ich zu dem Rathe dieses schurkischen Pilgers geschwiegen habe, so geschah es nur, weil ich deine Meinung hören und erfahren wollte, ob du deiner Abstammung und der Erziehung würdig bist, welche ich dir gegeben habe. Hättest du einen andern Rath ausgesprochen, als den, welchen du gegeben hast; hättest du dich feig und ehrlos gezeigt: würde ich dir, so wahr mir Gott hilft, mit diesem Schwerte, das ich in meiner Hand halte, den Kopf abgeschlagen haben. Aber du hast gerathen, wie ein ehrenfester und christlicher Ritter, und ich danke Gott, daß er mir einen Sohn gegeben hat, würdig, die Ehre meines Stammes fortzupflanzen. Was jenen Pilger angeht, so liegt mir nichts daran, ob er ein Heiliger oder der Teufel sei; so viel verspreche ich, daß, wenn ich denn in der Vertheidigung meines Königs und meines Vaterlandes sterben muß, der Feind mein Leben theuer bezahlen soll. Fasse ein Jeder den gleichen Entschluß, und ich hege die Hoffnung, wir werden beweisen, daß der Pilger ein Lügenprophet gewesen.«

Pelistes' Worte richteten den Muth vieler Ritter wieder auf; andere blieben jedoch voller ängstlicher Besorgnisse und Ahnungen; und als sich das Gerücht von dieser Wahrsagung in dem Lager verbreitete, wie die Kreaturen des Bischofs denn Sorge trugen, daß dies geschah – erregte sie Schrecken und Zagheit unter den Kriegsleuten.


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