Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Siebenzehntes Kapitel.

Der letzte Tag des Kampfes.

Die ganze Nacht hindurch hatte eine Kerze in dem Zelte des Königs gebrannt, und unruhige Gedanken und Unglück verkündende Gesichte hatten seine Ruhe gestört. Wenn er in Schlummer versank, sah er in seinen Träumen die Schattenbilder, welche sich ihm in dem Zauberthurme gezeigt, oder die entehrte Florinda, blaß, die Haare wild gelös't, die Rache des Himmels auf sein Haupt herabbeschwörend. Um Mitternacht, als ringsum nichts zu hören war, die Tritte der Wache ausgenommen, welche vor seinem Zelte auf und nieder ging, stand der König von seinem Lager auf, ging hinaus und schaute gedankenvoll auf das kriegerische Schauspiel, das sich seinen Augen darbot.

Die blasse Sichel des Mondes hing über dem maurischen Lager und erhellte die Windungen des Guadalate schwach. Das Herz des Königs war schwer und niedergedrückt; aber er fühlte nur für sich, sagt Antonio Agapita; er gedachte der Gefahren nicht, mit welcher Tausende ihm angeborne Unterthanen in dem Lager vor ihm, welche, so zu sagen, an dem Rande ihres Grabes schlummerten, bedroht waren. Das schwache Dröhnen ferner Hufe, die in rascher Flucht begriffen schienen, erreichten das Ohr des Monarchen, aber die Reiter waren nicht zu ersehen. In eben dieser Stunde kam die nachtumhangenen Ufer des Flusses entlang, auf welchem dann und wann die spärlichen Strahlen des Mondlichts erglänzten, der flüchtige Bote des Grafen Julian mit dem Plane des Verrathes für den nächsten Tag.

Das Morgenlicht dämmerte noch nicht, als der schlaflose und ungeduldige König seine Mannen aufrief und sich zur Schlacht rüstete. Er schickte dann nach dem ehrwürdigen Bischof Urbino, welcher ihn in das Lager begleitet hatte, legte seine königliche Krone zur Seite und kniete entblös'ten Hauptes nieder und beichtete seine Sünden vor dem frommen Manne. Darauf wurde in dem Zelte des Königs eine feierliche Messe gelesen und dem König das Abendmahl gereicht. Als diese religiösen Handlungen vollbracht waren, ersuchte er den Erzbischof, sogleich nach Cordova abzureisen, dort den Ausgang der Schlacht zu erwarten und sich bereit zu halten, dem Heere neue Verstärkungen und Vorräthe von Lebensmitteln zuzuführen. Der Erzbischof ließ sein Maulthier satteln, und reiste ab, als eben die Morgenröthe im Osten schwach zu erglühen begann.

Bereits hallte das Lager von dem schmetternden Rufe der Trompeten, dem Klirren der Waffen und dem Stampfen und Wiehern der Rosse wieder. Als der Erzbischof durch das Lager kam, blickte er mit schmerzerfülltem Herzen auf diese zahllosen Haufen, von denen so viele bald nicht mehr athmen sollten. Die Krieger drängten sich heran, ihm die Hand zu küssen, und mancher Reitersmann, der, voller Jugend und Feuer jetzt, vor dem Abend noch kalt und erstarrt auf dem Schlachtfeld hingestreckt liegen sollte, empfing seinen Segen.

Als die Truppen in das Feld gerückt waren, schickte Don Roderich sich an, in der Pracht und dem Pompe auszuziehen, mit welchem die gothischen Könige in die Schlacht zu gehen pflegten. Er war in ein Gewand von Goldbrocat gekleidet; seine Sandalen waren mit Perlen und Diamanten geschmückt; er hielt ein Scepter in seiner Hand und trug eine Königskrone, mit unschätzbaren Juwelen geziert, auf dem Haupte. In diesem kostbaren Schmuck bestieg er einen hohen Wagen von Elfenbein, dessen Achse von Silber und dessen Räder und Deichsel mit polirten Goldplatten bedeckt waren. Ueber seinem Haupt war ein Thronhimmel von Goldstoff, mit Wappen-Emblemen geschmückt und mit Edelsteinen dicht besäetEntrand, Chron. an. Christi 714.Der Verf.. Dieser prächtige Wagen wurde von milchweißen Pferden gezogen, deren Decken von rothem, mit Perlen besetztem Sammt waren. Tausend junge Ritter umgaben den Wagen, alle vom edelsten Geblüte und voll hohen Muthes; alle von des Königs eigener Hand zu Rittern geschlagen und durch heilige Schwüre verpflichtet, ihn bis zu ihrem letzten Athemzuge zu vertheidigen.

Als Roderich, sagt ein arabischer Schriftsteller, in diesem glänzenden Pompe, von seinen Wachen in vergoldeten Rüstungen, und wehenden Helmbüschen, und Schärpen und Waffenröcken von tausend verschiedenen Farben umgeben, auszog, war es, als wenn die Sonne in dem schimmernden Wagen des Tages mitten aus den prächtigen Morgenwolken hervorträte.

Während der königliche Wagen vor den Reihen des Heeres dahinrollte, jubelten die Krieger vor Bewunderung. Don Roderich schwang seinen Scepter und redete sie von seinem hohen Wagen herab an, indem er sie an den Schrecken und die Verwüstung erinnerte, welche bereits von dem eindringenden Feinde über das Land verbreitet worden. Er forderte sie auf, die alte Tapferkeit ihres Stammes zu bewähren und das Blut ihrer Brüder zu rächen.

»Ein Tag ruhmwürdigen Kampfes,« sagte er, »und diese ungläubige Horde wird in das Meer getrieben oder unter euern Schwertern vernichtet werden. Kühn in die Schlacht hinein! Eure Familien sind hinter euch und flehen zu Gott, daß er euch den Sieg verleihe; die Feinde eures Vaterlandes sind vor euch; Gott, der über uns, segnet seine heilige Sache; und euer König führt euch in die Schlacht.«

Das Heer rief, wie aus einer Brust:

»Hin auf den Feind! Der Tod sei dessen Loos, der dem Angriffe ausweicht!«

Die aufgehende Sonne begann die schimmernden Wasser des Guadalate entlang zu glänzen, als das maurische Heer, Zug an Zug, bei dem Klange einer kriegerischen Musik stäubend eine sanfte Anhöhe niederbrauste. Ihre Turbane und Gewänder, eben so verschieden an Farben wie an Schnitt, gaben ihrem Heere ein prachtvolles, glänzendes Ansehen. Als sie einher zogen, erhob sich eine Staubwolke und verbarg sie theilweise dem Blicke; dennoch sah man Blitze des Stahls und Strahlen des polirten Goldes wie den Schimmer lebhaften Wetterleuchtens durchbrechen; während der Klang der Trommeln und Trompeten und der Schall der maurischen Cymbeln in dieser Sturmwolke des Kampfes wie kriegerischer Donner dahertönte.

Als die Heere einander näher kamen, verschwand die Sonne in den sich aufthürmenden Wolken, und die Staubsäulen, welche von den beiden Heeren emporstiegen, vermehrten die Düsterheit des Tages. Endlich bliesen die Trompeten zum Angriff.

Die Schlacht begann mit einem Regen von Pfeilen, Steinen und Wurfspießen. Das christliche Fußvolk war bei dem Gefechte im Nachtheil, da der größere Theil ohne Helme und Schilde war. Eine Abtheilung leichter arabischer Reiterei, angeführt von einem griechischen Abtrünnigen, Magued el Rumi genannt, sprengte vor die christliche Linie, schoß ihre Pfeile ab und jagte dann weg, weit aus dem Bereiche der ihnen nachfliegenden Wurfgeschosse.

Theudomir führte jetzt, von dem alten Pelistes unterstützt, seine bewährten Schaaren in den Kampf, und nach einer kleinen Weile ward das Gefecht wüthend und wirre. Es war herrlich, in dieser Stunde furchtbarer Prüfung die alte gothische Tapferkeit in ihrem ganzen Glanze leuchten zu sehen. Wo die Moslemen fielen, stürzten die Christen vor, bemächtigten sich ihrer Pferde und nahmen ihnen Rüstung und Waffen. Sie fochten verzweifelt und siegreich, denn sie fochten für ihr Vaterland und ihren Glauben.

Die Schlacht wüthete mehrere Stunden; das Schlachtfeld war mit Erschlagenen besäet, und die von der Menge und der Wuth ihrer Feinde überwältigten Mauren fingen an zu schwanken.

Als Tarek Ben Zejad seine Schaaren vor dem Feinde zurückweichen sah, warf er sich ihnen entgegen, erhob sich in seinen Bügeln und rief:

»O Moslemen! Eroberer Afrika's! wohin wollt ihr fliehen? Das Meer ist hinter euch, vor euch der Feind! All eure Hoffnung ruht auf eurer Tapferkeit und der Hülfe Gottes! Thut wie ich, und der Sieg ist euer.«

Bei diesen Worten gibt er seinem Pferde die Sporen und sprengt unter den Feind, rechts und links Hiebe vertheilend und zusammenhauend und vernichtend, was ihm entgegen kömmt, während sein Roß, ungestüm wie er selbst, das Fußvolk mit seinen Hufen zerstampft und mit seinen Zähnen zerfleischt.

In diesem Augenblicke erhebt sich auf verschiedenen Theilen des Schlachtfeldes ein mächtiges Geschrei; – die Mittagsstunde ist gekommen. Der Bischof Oppas und die beiden Prinzen, welche bisher ihre Schaaren dem Kampfe fern gehalten hatten, gehen plötzlich zu dem Feinde über und kehrten ihre Waffen gegen ihre überraschten Landsleute.

Von diesem Augenblicke an wechselte das Schicksal des Tages, und das Schlachtfeld wurde der Schauplatz wilder Verwirrung und blutigen Gemetzels. Die Christen wußten nicht, mit wem sie kämpfen, wem sie vertrauen sollten. Es schien, als hätte der Wahnsinn sich ihrer Freunde und Verwandten bemächtigt, und als wären ihre schlimmsten Feinde in ihren eignen Reihen.

Don Roderich's Muth wuchs mit der Gefahr, die ihn umringte. Er warf die ihm lästigen königlichen Gewänder von sich, stieg von seinem Wagen, schwang sich auf sein Roß Orelia, ergriff Lanze und Schild und bemühte sich, seine zurückweichenden Truppen wieder zu sammeln. Von einem starken Haufen seiner eigenen verrätherischen Unterthanen umgeben und angegriffen, vertheidigte er sich mit einer bewundernswürdigen Tapferkeit. Der Feind umzingelte ihn dichter und dichter; seine getreuen Ritter, die ihn als Wachen umgeben hatten, waren, im wackern Kampfe zu seinem Schirme, gefallen. Als man den König zum letzten Male sah, war er in der Mitte der Feinde, wo von jedem seiner Hiebe Todte stürzten.

Furcht und Schrecken bemächtigte sich der Christen vollständig; sie warfen ihre Waffen weg und entflohen nach allen Richtungen. Sie wurden unter einem furchtbaren Blutbade verfolgt, bis die Dunkelheit der Nacht es unmöglich machte, den Freund vom Feinde zu unterscheiden. Tarek ließ nun seine Schaaren von der Verfolgung abstehen und nahm Besitz von dem königlichen Lager, und die Stätte, auf welcher Don Roderich in der vorigen Nacht mit so großer Unbehaglichkeit sich ausgestreckt hatte, bot seinem Sieger jetzt gesunde Ruhe.Diese Schlacht wird von den Geschichtschreibern bald die Schlacht von Guadalate, bald die bei Xeres, der Nähe dieser Stadt wegen, genannt. – Der Verf.


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