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Siebzehntes Kapitel.
Der Verrat


Acht Tage waren seit den letzt geschilderten Vorfällen vergangen. Die Wagen der Reisenden waren im Dorfe Matutembwas vorgefunden worden, ebenso die Ochsen und die Zulus, auch wurde fast das ganze Eigentum wieder zur Stelle geschafft, ein großer Teil desselben aber von Parr den Matabeles und ihrem fetten Häuptling belassen. Matusa, der Sohn Matutembwas, der schlanke Neger, der sie gefangen, erhielt vom Kapitän eine gute Winchesterflinte nebst Munition und einen hübschen Hirschfänger, was den Mann geradezu überselig machte und zahllose überschwängliche Dankesworte hervorrief.

Die Regenzeit war eingetreten und oftmalige Güsse weichten die Wege auf und störten oft empfindlich das Fortkommen der großen schwerfälligen Karawane, welche ursprünglich aus vierzehn Wagen bestand, wovon sich vier mit ihren Besitzern aber schon getrennt hatten, da ihre Bestimmungsorte abseits vom Wege des großen Wagenzuges lagen.

Als man den Limpopo erreicht, waren im ganzen nur noch fünf Wagen zur Stelle, nämlich die von Parr, Durand, Paul, Frantz und dem eines Buren namens Lambert, dessen Farm der benachbart war, die Pauls Pflegeeltern bewirtschafteten, und die man zunächst besuchen wollte.

Paul, George und Durand, dessen unbedeutende Wunde vom Löwenabenteuer her längst verharscht war, gingen häufig auf die Jagd. Parr und Frantz verließen fast nie die Wagen, während Pieter in Lambert einen deutschen Landsmann entdeckt hatte, mit dem er sich nach Herzenslust in seiner geliebten Muttersprache unterhalten konnte.

»Deutsch ist doch nicht nur die schönste, sondern überhaupt die einzig schöne Sprache, die es giebt,« pflegte er tiefsinnig zu philosophieren. »Ich kann es nicht begreifen, warum sich die Menschen mit allen den vielen verschiedenen Sprachen abquälen, wo sie doch das herrliche Deutsch haben.«

Außerdem freute er sich so recht herzlich, den Wunsch seines Herrn erfüllt zu sehen und endlich aus »diesem Lande rauszukommen, wo's Schwarze, Krokodile, Löwen und Nachtlager bei Mutter Grün, aber keine einzige anständige Kneipe giebt, wohingegen man statt des blauen Meeres mal zur Abwechselung ein paar Tage ewige Finsternis genießen kann.« Auch sein Wiedersehen mit der »Königin Mab« malte er sich in den schönsten Farben aus, so daß die Rosenfarbe seiner Laune nichts zu wünschen übrig ließ.

Parr hingegen hatte mit einer inneren Unruhe zu kämpfen, die er nicht bemeistern konnte, und die an Stärke zunahm, je mehr man sich Operboems Farm näherte. »Wie wird die Aussage des alten Buren lauten, wird sie nicht alle meine Träume zerstören?« Immer und immer wieder tauchten neue Zweifel in Parrs Seele auf, die ihn scheu und schweigsam machten und auch üble Folgen auf Paul und George ausübten, die sich durch den Mißmut Parrs gedrückt fühlten.

Durand glaubte sich den Gemütszustand des Kapitäns damit erklären zu können, daß er ihm Gewissensbisse zuschrieb.

»Der Plan mit dem Findling ist ja ganz schlau ausgeheckt, ob er aber dahin führen wird, wohin ihn der Kapitän haben will, zum Besitze von zwanzig Millionen Dollars, kommt noch sehr in Frage. Die Gerichte verlangen denn doch andere Beweise, als sie Herr Parr und sein abgerichteter Schützling zu geben vermögen und außerdem… sind wir auch noch da, um an richtiger Stelle ein Wörtchen mitzusprechen, das den Herren in den Ohren gellen soll!«

Keiner der Beteiligten hatte mit Durand ein Wort über die in Frage kommenden zwanzig Millionen Dollars gesprochen und doch war er davon unterrichtet?

Wie dies kam, sei hier kurz nachgetragen.

Atkins hatte bekanntlich Dickson, seinen Vertrauten, beauftragt, seine Interessen gegen Richard und Paul Werner zu wahren. Es war denn auch der Agent nicht müßig gewesen und als die »Königin Mab« den Hafen von New York verließ, war er durch schlaue Manöver über das Ziel der Jacht genau unterrichtet.

Louis Durand, ein Mensch, der zu allem fähig war, wenn es nur Geld einbrachte, dabei Dickson längst als tüchtiger, verschlagener Detektiv bekannt, hatte für ihn schon manchen schweren Fall, der sich in Europa abspielte, durchgeführt, denn Amerika hatte Durand noch nicht betreten, ebensowenig wie Dickson jemals in Europa gewesen war. Durand hatte nun, wie gewohnt, brieflich und telegraphisch seine Aufträge erhalten und sich sofort nach Südafrika begeben. Er traf auf einem Marsailler Schiffe fast gleichzeitig mit Parr in Durban ein und verließ diese Stadt sofort, nachdem sich Parr auf der »Königin Mab« eingeschifft. Er reiste nach Lorenzo Marquez in der Delagao-Bai per Küstenfahrer, dort bestieg er die Eisenbahn, die ihn nach Pretoria brachte. Seine Instruktion von Dickson lautete dahin, kein Mittel, keine Geldausgabe zu scheuen, die Auffindung des Millionen-Erben Paul Werner zu verhindern.

Fünftausend Dollars waren bereits nach Paris telegraphisch zur Deckung der Kosten angewiesen und ein Honorar von weiteren zehntausend Dollars Durand im Falle des Gelingens seiner Aufgabe zugesichert. Bis jetzt hatte sich Durand darauf beschränken müssen, Parr auf allen seinen Zügen zu begleiten. Nun erst, wo ein Mensch aufgefunden war, den der Kapitän als den echten Paul Werner anerkannte, begann Durands Aktion. Wie er sie auszuführen gedachte, darüber war er sich noch nicht klar, doch begann ein Plan in seinem Gehirn zu reifen, der teuflisch genannt zu werden verdiente…

Am übernächsten Tage, nachdem man den Limpopo passiert, machten die Wagen in der Nähe einer Häusergruppe Halt. Es lag Abendstille über die gut bebauten Felder und die kleinen sauberen Häuschen mit den Vorgärten. Reiche Rinderherden weideten auf den großen Rasenplätzen, welche an die Felder stießen, die in vollem Schmuck der Ähren prangten.

»Wir sind angelangt,« sagte Paul. »Dies ist die Farm meiner Pflegeeltern.«

Die Ankunft des Wagenzuges war natürlich längst bemerkt worden und Frauen und Kinder standen vor den Thüren der Häuser, als alle Reisenden die kleine Ansiedelung betraten. Herzliche Grüße hallten Paul und Frantz entgegen, als man sie erkannte und die Kinder sprangen freudig auf sie zu. In ihrer Begleitung traf man beim Hause des alten Operboem ein, der ihnen schon an der Schwelle entgegen trat. Er war ein Greis von sechzig Jahren, den mehr die schwere Arbeit seines Lebens, als die Last der Jahre gebeugt hatte.

Er führte die Fremden sofort in die Hauptstube der Hütte, einen weiß getünchten großen Raum, mit Feuerstelle, einem schweren, einfach gearbeiteten Tisch in der Mitte, den Stühle in großer Zahl umgaben und einem Betpulte mit aufgeschlagener Bibel an der einen Wand. Zwei gegenüberliegende Fenster ließen das Licht in den peinlich sauberen, aber ungemütlichen Raum einfallen.

An dem Herde stand eine alte Frau, die weißen Haare mit einer holländischen Haube bedeckt, mit der Bereitung der Abendmahlzeit beschäftigt, dabei von zwei jungen blühenden Mädchen, ihren Enkelinnen, unterstützt.

Auf sie eilte Paul zuerst zu, küßte sie herzlich, worauf er sich über die Hand Operboems beugte, der segnend den Kopf des Pflegesohns berührte. Kapitän Parr und Gefährten nahmen um die Tafel herum Platz, an deren Spitze sich der Hausvater niederließ, nachdem er die Fremden in holländischer Sprache willkommen geheißen. Dann richtete er mehrere Fragen an Paul.

»Laßt uns später darüber sprechen, Vater,« sagte der junge Mann. »Jetzt bitte ich Sie, die Fragen zu beantworten, die dieser Herr, Kapitän Parr aus Amerika, an Sie richten will.«

»Versteht Herr Operboem Englisch?« fragte Parr.

»Nein, Herr Kommandant, aber Frantz wird so freundlich sein, als Dolmetscher zu dienen. Er hat kein Interesse daran, unrichtig zu übersetzen.«

»Gut, dann bitten Sie Herrn Operboem uns die Geschichte seines Sohnes Paul zu erzählen.«

Der alte Farmer stützte sinnend den Kopf in die Hand, als ob er seine Gedanken sammeln wollte, dann begann er:

»Es ist 'ne alte Geschichte, doch kommt's mir vor, als ob sie gestern passiert sei, so genau stehen noch alle Einzelheiten vor mir. Auch Mutter spricht oft mit mir darüber und weiß noch recht gut Bescheid zu geben. Es war im Jahre 1862, mein Sohn Jacobus war drei Monate vorher geboren, als ich nach Durban fuhr, um Ochsen abzuholen, die mein Vetter van den Zand aus Madagaskar gebracht hatte. Als wir die Stadt verlassen hatten, bemerkte ich am Straßenrande ein schlafendes Kind mit beschmutztem Anzuge, ohne Mütze. Der Vetter trat darauf zu, worauf es erwachte und immerfort weinte und schrie und nach Vater und Pieter verlangte. Ich verstand's nicht, da es nur englisch sprach und Vetter van den Zand meinte, es weine darüber, daß sein Vater tot und ein gewisser Pieter verschwunden sei. Wir hielten den Knaben für den Sohn eines Landstreichers und ich glaubte ein gutes Werk zu thun, wenn ich ihn mitnähme, um ihn zu einem rechtschaffenen Menschen zu machen, statt daß er das werde, was sein Vater gewesen. So kam Paul zu uns und wir haben's nie bereut, denn er war gut geartet, folgsam und brav. Später, als er holländisch gelernt hatte, erzählte er uns vielerlei, das wir als kindisches Geschwätz ansahen, er verharrte aber stets dabei, daß er Paul Werner heiße. Auch seine Wäsche, Mutter sagte immer, so was Feines hätte sie nie vorher gesehen, war mit P. W. gezeichnet, daher blieb es bei diesem Namen.«

Als der alte Farmer geendet, trat Frau Operboem zum Tische und legte ein kleines Kindertaschentuch vor Parr hin, in dessen eine Ecke die beiden Anfangsbuchstaben Pauls gestickt waren. Aus der Tiefe einer Truhe, in der es über ein Vierteljahrhundert geschlummert, war es hervorgeholt. Parr betrachtete es mit an Ehrfurcht grenzender Scheu.

Dieses Beweisstück mußte jeden weiteren Zweifel schwinden lassen, weshalb Parr zu der Erklärung das Wort nahm: »All das Gehörte, zusammen mit dem Taschentuche, hat es in mir und wohl auch bei jedem anderen Anwesenden zur Gewißheit werden lassen, in Paul Werner-Operboem den vor siebenundzwanzig Jahren in Durban verschollenen Knaben zu sehen. Ich bitte Sie nun, Herr Frantz, die Erzählung unseres verehrten Wirtes Petrus Operboem in englischer und holländischer Sprache zu Papier zu bringen. Die Adoptiveltern Pauls werden dann das Papier als Zeugen ebenso unterzeichnen, wie wir anderen. Sind Sie es zufrieden?« wandte er sich an die Tafelrunde, die natürlich einverstanden war.

Während Frantz mit der Abfassung der Schriftstücke beschäftigt war und George und Durand, beide aus anderen Gründen erregt, ihre Meinung austauschten, sprach der Kommandant durch Pauls Vermittlung mit dem alten Buren. Er erzählte ihm von Pauls Vater und dem ungeheuren Vermögen, das seiner in Amerika wartete.

»So wirst du uns für immer verlassen, mein Kind?« sagte der Greis betrübt, als er alles erfahren.

»Nein, lieber Vater. Ich werde den Herrn Kommandanten nach Amerika begleiten, dann aber zu euch zurückkehren, um, wenn auch nicht für immer, so doch eine Zeitlang in eurer Mitte, in meinem lieben Transvaal zu leben. Ob ich nun reich werde, oder bleibe, was ich jetzt bin, eurer und der Mutter Güte, die ihr mich hieltet wie euer eigenes Kind, werde ich nie und nimmer vergessen, ebenso wenig die Geschwister, die in mir den leiblichen Bruder sahen.«

»Ich hätt's auch keinem geraten, anders zu denken,« sagte der Farmer. »Du warst ein guter Sohn, ein guter Bruder und wirst immer gut bleiben, das weiß ich. Deine Geschwister und alle die vielen Freunde werden sich ob deines Glückes freuen und es dir von Herzen gönnen!«

Frantz war mit den Schreiben fertig geworden, las es nun laut vor und ließ es dann von den Pflegeeltern Pauls unterzeichnen, worauf noch er und Durand ihre Namen darunter setzten.

Parr übergab Paul Werner die wichtigen Schriftstücke, das Taschentuch und N'Gumbos Dokumente.

»Paul Werner,« sagte er mit feierlicher Stimme, »mit diesen unumstößlichen Beweisen ausgerüstet, werden Sie bald im Besitze des Ihrigen sein. Möge es Ihnen stets zum Segen gereichen.« Dann trat er auf Paul zu, ihm kräftig die Hände schüttelnd.

Seinem Beispiele folgten die anderen alle, auch Frantz und Durand.

Das Innere dieses Mannes glich einem Vulkan voll siedender Lava, doch zeigte sein Gesicht das ewige Lächeln, als er zu Paul sagte: »Ich freue mich recht sehr, wenn auch unwissentlich, zu Ihrer Entdeckung mitgeholfen zu haben, recht sehr, mehr als Sie es ahnen!«

Diese Worte veranlaßten Paul zu folgender Ansprache:

»Gestatten Sie mir, Herr Kommandant, Ihnen zuerst meinen innigsten Dank auszusprechen. Was Sie für mich gethan, kann nicht mit Worten allein vergolten werden, mein ganzes Leben soll von dem Gedanken der Dankbarkeit gegen Sie erfüllt sein. Auch Ihnen, George, der Sie sich wie ein ganzer Mann betragen, mutig und unerschrocken in den Stunden der Gefahr, will ich ein Freund sein, der Leid und Freud mit Ihnen teilt. Ihnen, Pieter, Sie lieber, braver Landsmann, dem ich mein Leben danke. Ihnen will ich vergelten, was Sie an mir und meinem armen Vater einst gethan, so weit es in meinen Kräften steht. Was Sie betrifft, Herr Durand, so schulde ich Ihnen besonderen Dank, den tilgen zu können ich glücklich wäre.« Jedem der Angesprochenen hatte Paul gerührt die Hand gedrückt und alle hatten den Druck warm erwidert, bis auf Durand, der kühl seine schmale Hand in die Pauls legte.

Inzwischen hatte sich die Stube mehr und mehr gefüllt, die sieben Söhne Operboems mit ihren Frauen und Kindern waren erschienen, den Abendsegen von ihrem Familienoberhaupte zu empfangen. Der ehrwürdige Mann trat an das Betpult, las einige Bibelverse vor, die er kurz auslegte, und forderte dann die Anwesenden auf, mit ihm zu beten und Gott zu danken für das Glück, das ihrem Paul widerfahren sei. Am Schlusse erzählte er dann den freudig erstaunten Kindern und Kindeskindern, was er aus dem Munde Parrs vernommen.

Der nun folgende Jubel legte Zeugnis von der Liebe und Verehrung ab, die man seitens der Familie Paul Werner entgegenbrachte.

Ein einfaches, doch gut bereitetes und überreiches Mahl beschloß den Abend und zufrieden suchten die Reisenden ihre Wagen auf, nachdem sie dem greisen Farmer versprochen hatten, noch mehrere Tage auf der Farm zuzubringen und sich erst gründlich zu erholen von den überstandenen Mühen und Aufregungen.

Vom nächsten Tage ab sollten sie alle in Behausungen untergebracht werden.

Drei Tage waren in ungetrübter Ruhe verflossen, als die Jagdlust in George erwachte und er Paul bestürmte, ihn zu einer Jagd mitzunehmen, die von einem Bruder Pauls angeregt war.

Es sollte auf Steinbock-Gazellen gejagt werden, die sich in den die Felder Operboems umsäumenden Hügeln aufhielten.

Parr sah von einer Beteiligung ab, da er die Reisepause zu ungestörter Muße benutzen wollte. Georges Bitten konnte er nicht lange widerstehen und gestattete ihm, nachdem er alle möglichen Versprechungen erhalten, die Teilnahme. Pieter wollte von der Jagd nichts wissen, da Reitpferde benutzt werden mußten; so bestand denn schließlich die Jagdgesellschaft neben George und Paul, aus zwei Brüdern Operboem und Durand.

Gegen zwei Uhr nachmittags bestiegen die fünf Jäger die Pferde und sprengten im Trab längs der Felder dem bergigen Waldstreifen zu, wo man das seltene und geschätzte Wild antreffen sollte.

Als sie demselben nahe gekommen, hielt Paul sein Pferd an und bedeutete George abzusteigen und sich auf den Anstand zu legen. Ein Felsblock, den dichtes Gebüsch umrahmte, das ein geeignetes Versteck bot, war Georges Jagdstand. Ein kräftiger Zweig diente zur Anhalfterung des Pferdes. Etwa hundert Schritte weiter schuf eine Bodenschwellung für Paul Deckung. In seiner Nähe sollte Durand liegen, während die beiden Brüder Operboem weiter ritten, um das Wild in die Flanke zu fassen. Auch sie hatten ihre Plätze eingenommen, und eine Stunde angestrengten lautlosen Wartens verging, ohne daß sich auf der Ebene etwas anderes geregt hätte, als die Grasbüschel, die ein leichter Wind bestrich.

Da war es George, als hörte er von dem Anstande Pauls einen unterdrückten Schrei. Er sprang auf und hinblickend sah er, wie Durand mit langen Sätzen dem Platze zueilte, wo die Pferde angebunden waren, sich rasch auf eines derselben warf und über die Felder der Farm zusprengte.

Unwillkürlich, von dem einzigen Gedanken beherrscht, daß ein Unglück geschehen, dessen Urheber Durand sei, riß George sein Gewehr in Anschlag an die Wange. Ein Impuls, von dem er sich keine Rechenschaft geben konnte, ließ ihn auf das sich rasch entfernende Pferd halten, ein Knall, das Tier bäumte hoch auf und verschwand mit seinem Reiter im hohen Grase, das sich über beide schloß.

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Mit von Schrecken beflügelten Schritten eilte George dem Platze Pauls zu. Ein Schwindel erfaßte ihn, als er ihn betreten. Pauls leblose Gestalt lag auf dem Boden. In seinem Rücken zwischen den Schultern stak ein starkes Dolchmesser, das sonst an Durands Gürtel gehangen hatte. Ein schmaler Blutstrom sickerte unter der Waffe hervor. Das Entsetzen lähmte George nur einen Augenblick, dann riß er seinen Revolver aus dem Futteral hervor, und schoß die ganze Ladung in die Luft. Das Signal war gehört und verstanden worden, denn in wenigen Minuten brachen die beiden Buren durch die Büsche. Nicht einen Moment verloren sie die Geistesgegenwart. Sanft und vorsichtig wurde die Mordwaffe aus der Wunde gezogen, der Blutstrom durch ein aufgedrücktes Tuch gehemmt und so rasch als möglich eine Art Verband gefertigt und angelegt, eine Arbeit, die den Operboems leicht und geschickt von der Hand ging. War es doch eine Notwendigkeit für Leute, die ihr ganzes Leben in den Gefahren der Wildnis verbringen, mit derartigen Hilfeleistungen vertraut zu sein.

»Er lebt noch,« sagte Paulus, der ältere der Brüder, »doch wo ist der Mörder?«

George berichtete von seiner That und da der Verwundete weich gebettet lag und für jetzt nichts weiter für ihn geschehen konnte, wurde sofort die Verfolgung Durands aufgenommen.

Der Platz, auf dem das Pferd unter Georges Schuß zusammengebrochen, war nach einigem Suchen bald gefunden.

Die Kugel hatte das Rückgrat des Gaules zerschmettert und er war sofort tot zusammengestürzt, seinen Reiter unter sich begrabend. Bleich, mit geschlossenen Augen lag Durands Oberkörper auf dem Rasen, ein Fuß steckte unter dem Körper des getöteten Tieres, der zweite lag über den Sattel. Der Kopf war bloß und schwamm in Blut.

»Der ist noch nicht tot,« sagte Cornelius der Bure, der sich über Durand geneigt hatte, »doch fehlt nicht viel mehr daran. Die Wirbelsäule ist anscheinend gebrochen.«

Da schlug der Franzose die Augen auf und stammelte mit leiser, versagender Stimme: »Wasser.«

George hielt die Feldflasche voll Rum an Durands Mund, aus der er begierig trank.

»Es war der dümmste Streich meines Lebens,« flüsterte der Sterbende, »den ich eben gemacht habe. Der erste Mord unter tausend anderen Schlechtigkeiten. Ist er tot?« und angstvoll hingen seine Blicke an George, der leicht den Kopf schüttelte.

»Gott sei Dank.« Ein trockener Husten erschütterte den Körper Durands und auf seinen Lippen zeigte sich Blut. »Sagen Sie Ihrem Herrn Onkel, er möge sich in acht nehmen vor Dickson und Atkins… Haben mich gedungen… Paul… töten… Papiere… stehlen… Hier in meiner… Brusttasche… schon sterben… so früh… viel Geld…« ein Röcheln, ein Zucken des ganzen Körpers, die Hände öffneten und ballten sich und Louis Durand war nicht mehr…

Den Körper des Franzosen nahmen die drei Zeugen seines Todes unter dem Pferde hervor und schleppten ihn zu seinem Opfer, das noch in derselben Lage sich befand, in die es die Brüder gebracht.

George und Cornelius wachten bei ihm, indes Paulus in gestrecktem Galopp zur Farm jagte, eine Tragbahre und Hilfe zu besorgen, ehe die Nacht mit ihren Gefahren hereinbrach.


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